Steuerstrafrecht; Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom
Bezug:
Zur Vermeidung etwaiger Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung der neuen verschärften Regelungen des o. g. Gesetzes bitte ich in Ergänzung und unter teilweiser Änderung meiner Bezugserlasse die nachfolgend aufgeführten Bearbeitungsgrundsätze zu beachten.
1) Zu § 371 Abs. 1 Satz 1 AO: „5 %-Grenze”
Nach dem ) ist eine versehentlich (undolos) unrichtig erstattete Selbstanzeige unschädlich, wenn der auf die falsch deklarierte/-n Besteuerungsgrundlage/-en entfallende Steuerbetrag einen Anteil von maximal 5 % der für den strafbefangenen Zeitraum insgesamt verkürzten Steuern nicht übersteigt. Eine dolos unrichtig erstattete Selbstanzeige würde nach der Rechtsprechung des BGH in jedem Fall die Unwirksamkeit der Selbstanzeige nach sich ziehen.
Behandlung:
Die Berechnung der 5 %-Grenze erfolgt für den gesamten Berichtigungszeitraum („10-Jahreszeitraum”). Die Unterscheidung zwischen dolos/undolos ist aufgrund des ) vorzunehmen. Die Abweichungsregelung gilt daher nur für undolos unrichtige Selbstanzeigen.
2) Zu § 371 Abs. 1 Satz 1 AO: Solidaritätszuschlag als eigene Steuerart?
Gem. § 371 Abs. 1 Satz 1 AO umfasst die Nacherklärungspflicht alle Steuerstraftaten einer Steuerart. Fraglich ist, ob der Solidaritätszuschlag als eigene Steuerart zu qualifizieren und daher gesondert zu beurteilen ist.
Behandlung:
Im Rahmen der Nacherklärungspflicht nach § 371 Abs. 1 Satz 1 AO sind nur die Besteuerungsgrundlagen nachzuerklären. Der Solidaritätszuschlag als ein Annex zur Einkommensteuer muss daher nicht nacherklärt werden. Für die Berechnung der „25.000 EUR-Grenze” im Sinne des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 AO ist der Solidaritätszuschlag hingegen mit einzubeziehen.
3) Zu § 371 Abs. 1 Satz 1 AO: Konkurrenzverhältnis zu § 24 StGB
Die Vorschrift des § 24 Abs. 1 StGB (= Rücktritt vom Versuch) ist neben der Vorschrift des § 371 AO anwendbar. § 371 AO ist nicht als „lex specialis” vorrangig anzuwenden.
4) Zu § 371 Abs. 1 Satz 2 AO: „Berichtigungszeitraum 10 Jahre”
Mit der Neuregelung des § 371 Abs. 1 AO wurde folgende Formulierung als Satz 2 ergänzt: „Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.”
Behandlung:
a) Berechnung des „10-Jahreszeitraums”:
Bei der Bestimmung des Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgt keine taggenaue Abrechnung, die auf den Tag des Eingangs der Selbstanzeige abstellt, sondern es ist auf volle Kalenderjahre abzustellen. Danach ist auf die Steuerstraftaten der letzten zehn Kalenderjahre abzustellen, die dem Jahr des Eingangs der Selbstanzeige vorangehen. Damit von einer wirksamen Selbstanzeige ausgegangen werden kann, müssen auch die Steuerstraftaten, die im Kalenderjahr der Abgabe der Selbstanzeige begangen wurden, mit erklärt werden.
Bei Abgabe einer Selbstanzeige in 2015 ist der Zeitraum 2005 bis 2015 maßgebend (= 2014 bis 2005 zzgl. Jahr des Eingangs der Selbstanzeige).
b) In den „10-Jahreszeitraum” fallende Taten:
Zur Bestimmung der in den maßgebenden Zeitraum fallenden Taten im Sinne des § 371 AO ist
aa) grundsätzlich hinsichtlich des Zeitpunkts der Tatbegehung bei Abgabe einer falschen Erklärung in Anlehnung an § 8 StGB auf den Abgabezeitpunkt der Erklärung abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt der Tatvollendung (Veranlagung).
bb) bei Unterlassungsdelikten abweichend auf die Tatvollendung abzustellen [letztmalige Handlungsmöglichkeit (= Veranlagungsschluss), d. h. Abschluss der wesentlichen Veranlagungsarbeiten der entsprechenden Steuerart (95 %-Grenze)].
Entsprechende Vorgaben werden in die AStBV aufgenommen.
5. Zu § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a und c AO: „Sperrwirkung” (sachlicher und zeitlicher Umfang der Außenprüfung)
Nach der Neufassung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a AO beschränkt sich die Sperrwirkung in sachlicher und zeitlicher Hinsicht auf den Umfang der angekündigten Außenprüfung. § 371 Abs. 2 Satz 2 AO regelt, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume und Steuerarten, die nicht von der angekündigten Außenprüfung umfasst sind, grundsätzlich möglich bleibt.
Behandlung:
Eine strafbefreiende Selbstanzeige bleibt für die Jahre, die nicht von der Prüfungsanordnung umfasst sind, möglich, wenn nicht einer der anderen Sperrgründe eingreift. Der Sperrgrund greift daher nicht aufgrund des Vollständigkeitsgebotes auch für darüber hinaus gehende Zeiträume. Die gesetzliche Regelung differenziert nicht nach Dauersachverhalten.
Prüfungsanordnung für die Jahre 2008-2012, Steuerhinterziehung in 2007 mit Dauersachverhalt (mit Auswirkung auch auf spätere Jahre).
Eine Selbstanzeige allein für 2007 ist möglich. Zwar müssten aufgrund des Vollständigkeitsgebotes auch die Folgejahre angezeigt werden, für die jedoch die Sperrwirkung der Prüfungsanordnung greift. Entsprechend der eindeutigen gesetzlichen Neuregelung in § 371 Abs. 2 Satz 2 AO bleibt eine partielle Selbstanzeigemöglichkeit jedoch für Jahre, die nicht von der Prüfungsanordnung umfasst sind, ausdrücklich bestehen.
6. Zu § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c AO: „Sperrwirkung” (Steuerliche Prüfung)
Nach der Neuregelung erfolgt für das Erscheinen „zur steuerlichen Prüfung” eine Einschränkung auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung.
Behandlung:
Das Tatbestandsmerkmal „zur steuerlichen Prüfung” ist aufgrund der Formulierung „auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung beschränkt” eng auszulegen, so dass mit der steuerlichen Prüfung nur die Außenprüfung im Sinne der §§ 194 ff. AO gemeint ist. Eine Sachverhaltsermittlung vor Ort (z. B. betriebsnahe Veranlagung) löst daher keine Sperrwirkung aus.
7. Zu § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e AO: Sperrgrund (Nachschauen)
Eine Nachschau hindert die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Nachschau.
Behandlung:
Der Sperrgrund greift auch dann, wenn eine Umsatzsteuer- oder Lohnsteuer-Nachschau beim Steuerberater des Steuerpflichtigen durchgeführt wird, da der Ort der Nachschau unerheblich ist. Die Vorschriften des § 27b Abs. 1 UStG und § 42g Abs. 2 EStG, die ausdrücklich nur das Betreten von Räumlichkeiten, die dem Stpfl. zuzurechnen sind, regeln, stehen dem nicht entgegen.
Eine Inaugenscheinnahme oder eine Liquiditätsprüfung sind keine Nachschau im Sinne der steuerrechtlichen Vorschriften. Die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige wird weder durch Ermittlungen des Innendienstes noch durch eine betriebsnahe Veranlagung beschränkt.
Entsprechende Vorgaben werden in die AStBV aufgenommen.
8. Zu § 371 Abs. 3 Satz 1 AO: Nachentrichtungspflicht
Durch die Novellierung der Vorschrift des § 371 AO ist neben der Entrichtung der durch die Tat hinterzogenen Steuer auch die Zahlung der Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) sowie die Zahlung der Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, materiell-rechtliche Voraussetzung für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige.
Behandlung:
a) Der Nacherklärungszeitraum nach § 371 Abs. 1 Satz 2 AO („10-Jahreszeitraum”) gilt auch für die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO. Es erfolgt keine isolierte Betrachtung der Nacherklärungs- und Nachzahlungsfrist. Sofern Liquiditätsschwierigkeiten auftreten, kann ggf. eine Ratenzahlung vereinbart werden. Der Nachentrichtungszeitraum verkürzt sich demnach nicht auf die noch strafrechtlich verfolgbaren Jahre („5-Jahreszeitraum”).
Hierfür spricht der eindeutige Wille des Gesetzgebers, der mit der Neuregelung die Angleichung des Berichtigungszeitraums für eine wirksame Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO mit dem steuerlichen Berichtigungszeitraum („10 Jahre”) beabsichtigte. Zudem bezieht sich § 371 Abs. 3 AO zwingend auf den vorhergehenden Abs. 1 AO („10-Jahreszeitraum”).
b) Der Nacherklärungszeitraum nach § 371 Abs. 1 Satz 2 AO gilt auch für die Nachentrichtungspflicht der Hinterziehungszinsen.
c) Entsprechend ist auch die Nachentrichtungspflicht hinsichtlich der Hinterziehungszinsen auf Vorauszahlungen zu behandeln. Auf die v. g. Erläuterungen sei daher verwiesen.
9. Zu § 371 Abs. 3 Satz 1 AO: Folgen bei Nichtzahlung bzw. teilweisen Zahlung
Bei Nichtzahlung der hinterzogenen Steuern für einen der strafbefangenen Zeiträume (z. B. mangels entsprechender finanzieller Mittel) tritt insgesamt – und nicht nur für den betroffenen Zeitraum- keine strafbefreiende Wirkung ein, da eine Teilwiedergutmachung nicht zu einer teilweisen Strafbefreiung führen kann. Eine „doppelte 5 %-Grenze” ist insoweit nicht anwendbar.
10. Anwendbarkeit der Neufassung des § 371 AO (§ 2 Abs. 3 StGB)
Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung abgeändert wird.
Behandlung:
Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers ist eine klare und praxistaugliche Handhabung geboten, wonach Selbstanzeigen, die
a) bis eingegangen sind
-> grds. nach altem Recht zu behandeln sind; jedoch ist wegen § 2 Abs. 3 StGB neues Recht anzuwenden, soweit dies milder ist (z. B. für Umsatzsteuervoranmeldungen, § 371 Abs. 2a AO n. F.)
b) ab eingegangen sind
-> zwingend nach neuem Recht zu behandeln sind.
11. Zu § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO: Auslegung der Begriffe „Hinterziehungsbetrag” und „hinterzogene Steuer”
Die Begriffe „Hinterziehungsbetrag” und „hinterzogene Steuer” sind entsprechend dem eindeutigen Wortlaut d
es Gesetzes wie folgt auszulegen:
a) „Hinterziehungsbetrag” ist in § 398a Abs. 2 AO klarstellend definiert. Das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 findet insoweit Anwendung.
b) Zur Ermittlung der „hinterzogenen Steuer” hingegen bleibt das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 AO unberücksichtigt. Es ist auf den wirtschaftlichen Schaden, d. h. auf die tatsächlich entstandene Steuerschuld, abzustellen.
Entsprechende Vorgaben werden in die AStBV aufgenommen.
12) Zu § 398a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO: „Nachentrichtungspflicht und Zuschlag”
Mit der Novellierung der Vorschrift des § 398a AO ist neben der Entrichtung der durch die Tat hinterzogenen Steuer auch die Zahlung der Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) sowie die Zahlung der Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, materiell-rechtliche Voraussetzung für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige.
Behandlung:
a) Hinsichtlich der Zahlung des Zuschlags gem. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO ist unstreitig eine Zahlung nur für die Jahre anzuwenden, für die noch keine Strafverfolgungsverjährung („5-Jahreszeitraum”) eingetreten ist, da es sich bei § 398a AO nach überwiegender Auffassung um eine strafprozessuale Einstellungsvorschrift handelt, für die zwingend Strafrecht anzuwenden ist.
b) Hinsichtlich der Nachentrichtungspflicht für hinterzogene Steuer und Hinterziehungszinsen (auch auf Vorauszahlungen) gem. § 398a Abs. 1 Nr. 1 AO hingegen wird auf die Ausführungen zu Nr. 8 verwiesen. Danach bezieht sich die Nachentrichtungspflicht nicht nur auf den strafbefangenen Zeitraum („5 Jahre”), sondern oder auf den gesamten Zeitraum im Sinne des § 371 Abs. 1 Satz 2 AO (=„10-Jahreszeitraum”)?
Entsprechende Vorgaben werden in die AStBV aufgenommen.
13. Zu § 398a AO: Mehrere Tatbeteiligte (Zahlung des Zuschlags)
Der Zuschlag nach § 398a AO ist bei tatmehrheitlich begangenen Taten von jedem Tatbeteiligten in voller Höhe zu entrichten, damit von der strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden kann, da es sich bei § 398a AO um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund handelt (so auch ). Eine gesamtschuldnerische bzw. anteilige Verpflichtung ist nicht gegeben.
Entsprechende Vorgaben werden in die AStBV aufgenommen.
14. Zu § 398a Abs. 4 AO: Anrechnung
Der Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung lässt ausdrücklich nur eine Anrechnung auf eine spätere Geldstrafe zu.
Eine Entscheidung über eine mögliche weitergehende Anrechnung des Zuschlags gem. § 398a AO bei einer späteren Freiheitsstrafe oder einer Einstellung nach § 153a StPO liegt in der Zuständigkeit der Gerichte.
15. Zu § 170 Abs. 6 AO: Definition Kapitalerträge
Kapitalerträge sind Erträge im Sinne des § 20 EStG, unabhängig davon, ob sie nach § 20 Absatz 8 EStG zu einer anderen Einkunftsart gehören (vgl. Beschluss der RL-AO zu TOP 16 AO I/15).
16. Vollständigkeit der Selbstanzeige bei Verletzung der Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO
Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung infolge unrichtiger oder unterlassener Angaben zu einer Steuerverkürzung geführt hat oder führen wird, ist er nach § 153 Abs. 1 Satz 1 AO zur unverzüglichen Berichtigung der Steuererklärung verpflichtet. Dieselbe Verpflichtung trifft auch den Rechtsnachfolger für eine von dem Rechtsvorgänger abgegebene unrichtige oder unvollständige Steuererklärung (§ 153 Abs. 1 Satz 2 AO).
Unterlässt ein Erbe nun in Kenntnis der Unrichtigkeit der Steuererklärung des Erblassers deren Berichtigung, so begeht er eine (neue) eigene Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, soweit für die betreffenden Veranlagungszeiträume die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Unterlassungstat des Erben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 153 Abs. 1 Satz 2 AO bewirkt – solange sie strafrechtlich noch nicht verjährt ist – eine steuerliche Ablaufhemmung für die betreffenden Veranlagungszeiträume nach § 171 Abs. 7 AO. Und dies auch dann, wenn die (ursprüngliche) Hinterziehungstat des Erblassers bereits strafverfolgungsverjährt gewesen wäre. Die zehnjährige Festsetzungsfrist kann sich daher um die strafrechtlich anzuwendende Verfolgungsverjährungsfrist für die Steuerhinterziehung des Rechtsnachfolgers verlängern.
Ist zur Unterlassungstat des Erben allerdings bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten, ist auch die steuerliche Festsetzungsfrist nicht mehr nach § 171 Abs. 7 AO gehemmt.
Wenn die Unterlassungstat des Erben nun innerhalb des neuen Mindestberichtigungszeitraums des § 371 Abs. 1 Satz 2 AO begangen wäre, würde dies ggf. zu dem Ergebnis führen, dass der Erbe seine Unterlassungstat und folglich auch alle damit zusammenhängenden Hinterziehungstaten seines Rechtsnachfolgers offen legen muss, obwohl bereits steuerliche Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Behandlung:
Es ist keine Nacherklärung für festsetzungsverjährte Zeiträume geboten, da der steuerliche Anspruch bereits erloschen ist.
17. Zu § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO: Ermittlung der 25 000 EUR-Grenze bei in Tateinheit begangenen Taten
Für die Ermittlung der 25 000 EUR-Grenze im Sinne des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO sind in Tateinheit begangene Taten nicht zu addieren, da auf den materiell-rechtlichen Tatbegriff abzustellen ist. Die Selbstanzeige muss sich nur auf einzelne Steuerarten beziehen.
18. Zu § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO bzw. § 398a AO: Bestimmung der 25.000 EUR-Grenze (bezahlte Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Einkommensteuer-Vorauszahlungen)
Für die Bestimmung der 25.000 EUR-Grenze im Rahmen von § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO bzw. § 398a AO sind bezahlte Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Einkommensteuer-Vorauszahlungen nicht gegenzurechnen. Für die Bestimmung der 25.000 EUR-Betragsgrenze gilt das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 AO.
19. Verteilung von Nachzahlungsbeträgen aufgrund der Berichtigung durch eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung
Falsche Umsatzsteuer-Voranmeldungen werden durch eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung berichtigt, aus der sich aber nicht ergibt, auf welche Voranmeldungszeiträume sich die korrigierten Beträge verteilen. Der nachgemeldete Betrag übersteigt insgesamt die 25.000 EUR-Grenze nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO. Von Relevanz ist, wie sich der Nachzahlungsbetrag auf einzelne Voranmeldungszeiträume verteilt.
Behandlung:
Es ist eine Nachfrage beim Steuerpflichtigen erforderlich. Eine gleichmäßige Verteilung auf zwölf Monate könnte zu unzutreffenden Ergebnissen führen. Aufgrund der daraus resultierenden Rechtsfolgen darf nicht eine pauschale Aufteilung erfolgen.
Zur Gewährleistung einer bundesweit einheitlichen Rechtsanwendung in der Praxis bitte ich, die v. g. Handlungsanweisungen ab sofort zu beachten. Grundlage dieser Anweisungen sind die auf Bund-Länder-Ebene abgestimmten Ergebnisse von Erörterungen der Facharbeitsgruppe „Evaluierung der §§ 371, 398a AO” (vgl. auch das beigefügte Positionspapier).
Ich bitte, die Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung entsprechend zu unterrichten.
FinMin Nordrhein-Westfalen v. - S 0702 - 8f - V A 1
Fundstelle(n):
AO-StB 2016 S. 181 Nr. 7
SAAAF-80115