BFH Urteil v. - V R 32/00 BFHE S. 349 Nr. 196

Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt:

1. Erbringt eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen eine Leistung gegen Entgelt i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG?

2. Liegt in diesem Fall ein Hilfsumsatz gemäß Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG vor und kann sich der Steuerpflichtige auf die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen, wonach derartige Hilfsumsätze den Vorsteuerabzug nicht ausschließen?

Gesetze: UStG 1991 § 4 Nr. 8 Buchst. f, UStG 1991 § 15, Richtlinie 77/388/EWGUStG 1991 § 4 Nr. 8 Buchst. fUStG 1991 § 4 Nr. 8 Buchst. f, UStG 1991 § 15, Richtlinie 77/388/EWGUStG 1991 § 15UStG 1991 § 4 Nr. 8 Buchst. f, UStG 1991 § 15, Richtlinie 77/388/EWGRichtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5UStG 1991 § 4 Nr. 8 Buchst. f, UStG 1991 § 15, Richtlinie 77/388/EWGRichtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2 und 5UStG 1991 § 4 Nr. 8 Buchst. f, UStG 1991 § 15, Richtlinie 77/388/EWGRichtlinie 77/388/EWG Art. 19

Instanzenzug: FG Berlin (EFG 2000, 711),

Tatbestand

I. Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der die GmbH I, die GmbH II sowie die Herren A, B und C als Gesellschafter beteiligt sind.

Zweck der Gesellschaft waren der Erwerb eines Erbbaurechts an dem Grundstück A-Straße in Berlin und dessen Bebauung mit Gebäuden, die ein in sich abgeschlossener Teil eines Einkaufszentrums sind, und die Nutzung der Bauten durch Vermietung und Verpachtung sowie deren Instandhaltung. Das Erbbaurecht erwarben die GmbH I und II in GbR, der A und B am beitraten.

Die Klägerin sollte als geschlossener Immobilienfonds geführt werden; es sollten Gesellschafter mit Bareinlagepflichten in Höhe von insgesamt 38 402 000 DM zuzüglich 5 % Agio aufgenommen werden. In Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) mit Datum vom waren der Gesellschaftsvertrag der Klägerin sowie weitere von ihr abzuschließende bzw. abgeschlossene Verträge bezeichnet.

Am erklärte C, er beteilige sich an der Klägerin mit einer Einlage in Höhe des Gesamtbetrages von 38 402 000 DM. Am beschlossen die Gesellschafter der Klägerin die Aufhebung der Teile IV und VI der AVB sowie die endgültige Fassung des Gesellschaftsvertrages und weiterer Teile der AVB.

Mit Rechnung vom stellte Rechtsanwalt R der Klägerin für rechtliche Beratung einschließlich Vertragsgestaltung 75 000 DM zuzüglich 10 500 DM gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung, wobei die rechtliche Beratung das Fondskonzept sowie die Gesellschaftsgründung betraf.

Die Klägerin machte diese Steuer in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1991 als Vorsteuer geltend.

Nach einer Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unter Berufung auf die Vorschriften des § 15 Abs. 2 und des § 4 Nr. 8 Buchst. f des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) den Vorsteuerabzug (Umsatzsteuerbescheid für 1991 vom ).

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hielt den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 UStG für ausgeschlossen. Es vertrat die Ansicht, die Klägerin habe an den Gesellschafter C im Wege des Leistungsaustauschs einen Gesellschaftsanteil übertragen; dieser Umsatz sei nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in der Aufnahme von Kommanditisten in eine Publikumsgesellschaft eine steuerfreie Leistung der Gesellschaft gesehen. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung müssten auch im Streitfall angewandt werden, da die Klägerin als Publikumsgesellschaft (d.h. Personengesellschaft, die auf Beitritt zahlreicher Kapitalanleger ausgelegt ist) konzipiert worden sei.

Eine Aufteilung der streitigen Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG komme nicht in Betracht. Rechtsanwalt R sei an der Entwicklung des Fondskonzepts beteiligt bzw. insoweit beratend tätig gewesen und habe die gesamten AVB einschließlich des Gesellschaftsvertrages entworfen. Diese Leistungen könnten ausschließlich der beabsichtigten Anwerbung von Gesellschaftern und der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen zugerechnet werden, weil das Konzept und das Vertragswerk für diese Zwecke gestaltet worden sei. Zwar möge jede Personengesellschaft, insbesondere eine Gesellschaft, die eine Investition wie die Klägerin plane, einen Gesellschaftsvertrag benötigen. Das konkret entwickelte Vertragswerk benötige jedoch nur eine Gesellschaft, die beabsichtige, eine Vielzahl von Kapitalgebern anzuwerben. Auch der Umstand, dass in dem Vertragsentwurf für die Dauer des Bestandes der GbR die gegenseitigen Rechte und Pflichten geregelt worden seien, rechtfertige nicht die Annahme eines wirtschaftlichen Zusammenhanges mit der späteren Vermietungstätigkeit. Denn das Konzept und der Vertragsentwurf seien auf die speziellen Bedürfnisse der Klägerin als Kapitalsammelstelle ausgerichtet gewesen.

Gegen das Urteil des FG, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 711 veröffentlicht ist, wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Revision. Sie meint, sie sei keine Publikumsgesellschaft, so dass die Aufnahme des Gesellschafters C nicht im Rahmen einer steuerfreien Leistung der Klägerin erfolgt sei. Außerdem seien die Leistungen des Rechtsanwalts R nicht nur für die Aufnahme des Gesellschafters C bestimmt gewesen, sondern auch für die spätere (versteuerte) Vermietungstätigkeit verwandt worden.

Die Klägerin beantragt die Vorentscheidung aufzuheben und den festgesetzten Vorsteuerüberschuss um weitere 10 500 DM zu erhöhen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II. Der Senat setzt das Verfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschafen (EG) die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Gründe

III. Zur Rechtslage nach deutschem Recht und zur bisherigen Rechtsprechung

1. Die maßgeblichen Vorschriften

Für die Lösung des Streitfalles sind die folgenden Vorschriften des UStG maßgebend.

§ 1 Steuerbare Umsätze

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. ...

§ 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

....

8. ...

f) die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen,

...

§ 15 Vorsteuerabzug

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1. Die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. ...

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen und die Einfuhr von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1. steuerfreie Umsätze;

...

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten oder eingeführten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.

...

2. Die rechtliche Beurteilung des Streitfalls

Nach Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH liegt bei der Gründung einer Personengesellschaft und beim Eintritt in eine derartige Gesellschaft eine Leistung der Gesellschaft gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor, wenn der Gesellschafter an die Gesellschaft eine Sacheinlage oder eine Geldeinlage leistet.

Die Gesellschaft erbringt einen Umsatz eines Gesellschaftsanteils gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG, das Entgelt des Gesellschafters besteht in der Sach- oder Geldanlage (vgl. Abschn. 6 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1992, 2000, ebenso österreichische UStR 2000 Rz. 36 und 38).

Der BFH war dem zunächst nur für sog. Publikumsgesellschaften gefolgt. Seit seinem Urteil vom V R 131/73 (BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1976, 52, mit Anm. Weiss) hat er in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine Publikums-KG mit der Ausgabe von Kommanditanteilen steuerbare Umsätze von Anteilen an Gesellschaften bewirkt, die nach § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973, § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 steuerfrei sind und insoweit nach § 15 Abs. 2 UStG den Vorsteuerabzug ausschließen (vgl. Urteile vom V R 122/73, UR 1976, 187; vom V R 147/79, BFH/NV 1988, 196; vom X R 7/81, BFHE 152, 370, BStBl II 1988, 506; ebenso für Einräumung einer atypischen stillen Beteiligung, Urteil vom V R 11/94, BFHE 179, 469, BStBl II 1996, 250). Unter einer Publikumsgesellschaft verstand er eine zur Kapitalanlage bestimmte Gesellschaft, die auf die Mitgliedschaft einer Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter Gesellschafter angelegt ist. Allgemeine Aussagen zur Gründung einer Personengesellschaft oder zum Beitritt eines Gesellschafters in eine derartige Gesellschaft hat er zunächst nicht getroffen.

Erst mit Urteil vom XI R 63/94 (BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114) hat er für den Fall, dass Gesellschafter bei der Gründung einer Gesellschaft Wirtschaftsgüter, die bisher ihrem Einzelunternehmen gedient haben, in eine Personengesellschaft einbringen, eine steuerbare Leistung des Gesellschafters an die Gesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen bejaht. Abgelehnt hat er die Ansicht, es handele sich bei der Sacheinbringung in eine neugegründete Personengesellschaft um eine nichtsteuerbare Leistungsvereinigung. Dies ist seither ständige Rechtsprechung (vgl. , BFH/NV 2000, 607; vom V R 24/96, BFH/NV 1999, 523; vom V R 67/94, BFHE 183, 278, BStBl II 1997, 705). Sie steht im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Richtlinie 69/335/EWG); danach können die Mitgliedstaaten in Abweichung von Art. 10 und 11 dieser Richtlinie auf die dort genannten Vorgänge Mehrwertsteuer erheben. Dabei geht es um die Sacheinlagen in Gesellschaften, die sowohl der Umsatzsteuer als auch der Gesellschaftsteuer unterliegen.

In diesem Zusammenhang hat der BFH im Urteil in BFHE 183, 278, BStBl II 1997, 705 die Ansicht vertreten, dass der Gründungsgesellschafter von der Gesellschaft Gesellschaftsrechte als Gegenleistung für seine Sacheinlage erhält. Dies gilt demnach allgemein und nicht nur mehr für Publikumsgesellschaften. Die Gesellschaft erbringt demgemäß auch dann eine Leistung gegen Entgelt, wenn der Gesellschafter keine Sacheinlage, sondern eine Bareinlage aufwendet, da Entgelt sowohl eine Sachleistung als auch eine Geldzahlung sein kann.

IV. Zur Vorlage an den EuGH

1. Die maßgeblichen Vorschriften

Nach Ansicht des Senats sind gemeinschaftsrechtlich die folgenden Vorschriften der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) maßgeblich.

Artikel 2 Steueranwendungsbereich

Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2. ...

Artikel 13 Steuerbefreiungen im Inland

A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienenden Tätig-keiten

...

B. Sonstige Steuerbefreiungen

Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

d) die folgenden Umsätze

...

5. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von

- Warenpapieren,

- Rechten oder Wertpapieren im Sinne von Artikel 5 Absatz 3

...

Artikel 17 Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug

(1) ...

(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,

...

(5) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.

Jedoch können die Mitgliedstaaten

a) dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;

b) den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen;

c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;

d) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden;

e) vorsehen, dass der Betrag der Mehrwertsteuer, der vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden kann, nicht berücksichtigt wird, wenn er geringfügig ist.

Artikel 19 Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs

(1) Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

- im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;

- im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten können in den Nenner auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a) genannt sind.

Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet.

(2) In Abweichung von Absatz 1 bleibt der Umsatzbetrag bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs außer Ansatz, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden. Außer Ansatz bleiben auch die Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte sowie die in Artikel 13 Teil B Buchstabe d) genannten Umsätze, wenn es sich um Hilfsumsätze handelt. ...

2. Die Zweifelsfragen

a) Leistung gegen Entgelt

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG entspricht Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG und § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG entspricht Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen.

Aufgrund seiner bisherigen Rechtsprechung neigt der Senat der Auffassung zu, dass eine Personengesellschaft bei der Gesellschaftsgründung oder der Aufnahme eines Gesellschafters gegen eine Sach- oder Bareinlage eine Dienstleistung gegen Entgelt gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erbringt, die gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist.

Die Sache erscheint aber zweifelhaft, da die Aufnahme des Gesellschafters nicht aufgrund eines gegenseitigen Vertrags des Gesellschafters mit der Gesellschaft, sondern aufgrund eines Gesellschaftsvertrags der Gesellschafter untereinander erfolgt, so dass der Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil bei einer am Zivilrecht orientierten Betrachtungsweise möglicherweise nicht von der Gesellschaft, sondern von seinen Mitgesellschaftern erhält. Im Schrifttum wird jedenfalls unter anderem deshalb eine Leistung der Gesellschaft gegen Entgelt verneint (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Anm. 235 ff., m.w.N.).

Der Senat legt daher dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Erbringt eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen eine Leistung gegen Entgelt i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG?

b) Ausschluss des Vorsteuerabzugs

Nimmt man eine Leistung der Gesellschaft an, dürfte diese nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein.

Es fragt sich deshalb, ob es sich dabei um einen Umsatz handelt, für den gemäß Art. 17, 19 der Richtlinie 77/388/EWG kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht.

Dies ist - jedenfalls regelmäßig - nicht der Fall, wenn die Ausgabe der Gesellschaftsanteile ein Hilfsumsatz i.S. des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG ist.

Der Senat neigt dazu, einen derartigen Hilfsumsatz anzunehmen.

Der EuGH hat im Urteil vom Rs. C-306/94, R,gie dauphinoise (Slg. 1996, I-3695) ausgeführt, mit der Regelung des Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG, nach der Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte nicht in den Nenner des für die Berechnung des Pro-rata-Satzes verwendeten Bruchs einbezogen werden, solle die vollkommene Neutralität der Mehrwertsteuer gesichert werden (Randnr. 21); Geldanlagen, die eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellten, könnten nicht als derartige Hilfsumsätze angesehen werden (Randnr. 22).

Nach Ansicht des Senats ist die Aufnahme von Gesellschaftern keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens (im Streitfall: der beabsichtigten Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit), sondern eine Voraussetzung für die Aufnahme dieser Tätigkeit. Sie dient der Aufnahme von Eigenkapital und darf wegen des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer ebenso wenig wie die Aufnahme von Fremdkapital den Vorsteuerabzug ausschließen.

Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG gilt zwar seinem Wortlaut nach nur für den in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 normierten Regelfall und nicht für die Mitgliedstaaten, die - wie möglicherweise Deutschland - von einer der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG zugelassenen Aufteilungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben. Andererseits würde es einem gemeinsamen Markt mit einem freien Kapitalverkehr widersprechen, wenn die Aufnahme von Eigenkapital durch Ausgabe von Anteilen an Personengesellschaften in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen hätte.

Der Senat legt deshalb dem EuGH für den Fall, dass die erste Frage zu bejahen ist, noch folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Liegt in diesem Fall ein Hilfsumsatz gemäß Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG vor und kann sich der Steuerpflichtige auf die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen, wonach derartige Hilfsumsätze den Vorsteuerabzug nicht ausschließen?

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2001 S. 2513 Nr. 49
BFH/NV 2002 S. 143
BFH/NV 2002 S. 144 Nr. 1
BFHE S. 349 Nr. 196
DStRE 2002 S. 182 Nr. 3
INF 2002 S. 63 Nr. 2
UR 2002 S. 81 Nr. 2
SAAAA-97105