BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 61/17

Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts in der Insolvenz des Mandanten

Gesetze: § 80 Abs 1 InsO, § 97 Abs 1 InsO, § 9 RVG, § 666 BGB, § 675 Abs 1 BGB, § 43a Abs 2 BRAO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Bremen Az: 2 AGH 2/17

Gründe

I.

1Der Kläger war seit 2004 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er wurde am von einer Mandantin "in Sachen Schuldangelegenheiten" beauftragt. Am selben Tag unterzeichnete die Mandantin zum Zwecke der Schuldenbereinigung einen Dienstleistungsvertrag mit einem "H.   -Institut", nach welchem sie monatliche Zahlungen von 70 € zu leisten hatte; 50 € sollten treuhänderisch für Gläubiger der Schuldnerin verwahrt werden, während 20 € für Verwaltungskosten bestimmt waren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Urteils des Anwaltsgerichtshofs Bezug genommen. Am stellte der Kläger der Mandantin für die Vorbereitung eines Insolvenzantrags insgesamt 3.165,88 € in Rechnung. Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mandantin eröffnet und Rechtsanwältin K.   G.        zur Insolvenzverwalterin bestellt.

2Die Verwalterin forderte den Kläger vergeblich zur Abrechnung der von ihm vereinnahmten Gelder auf. Mit Bescheid vom erteilte die Beklagte dem Kläger eine berufsrechtliche Belehrung wegen einer Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung gemäß § 23 BORA. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

3Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

41. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ( AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.

5a) Der Kläger vertritt weiterhin die Ansicht, nur gegenüber seiner Mandantin, nicht auch gegenüber der Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mandantin zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung über gezahlte Vorschüsse verpflichtet zu sein. Dies trifft nicht zu.

6aa) Der Anwalt ist gemäß § 9 RVG berechtigt, einen angemessenen Vorschuss für bereits entstandene und voraussichtlich noch entstehende Gebühren und Auslagen zu fordern (vgl. etwa , WM 2014, 1082 Rn. 10). Gemäß § 675 Abs. 1, § 666 BGB ist er zur Rechenschaftslegung über die erhaltenen Vorschüsse verpflichtet. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mandanten geht das Recht, diesen Anspruch geltend zu machen, gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über (, BGHZ 109, 260, 263 f. zu § 6 KO). Die Vorschrift des § 23 BORA erhebt die vertraglichen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten des Anwalts in den Rang einer Berufspflicht (von von Seltmann in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 23 BORA Rn. 1), ändert jedoch nichts an der Zuordnung des Anspruchs zum Vermögen des Mandanten und an der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über Ansprüche, die zur Insolvenzmasse gehören. Eine der Mandantin persönlich erteilte Abrechnung war zur Erfüllung des zur Insolvenzmasse gehörenden Anspruchs ungeeignet (vgl.§ 81 InsO).

7bb) Die anwaltliche Schweigepflicht des Klägers aus § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA steht seinen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten gegenüber der nach § 80 InsO verwaltungs- und verfügungsbefugten Insolvenzverwalterin nicht entgegen. Mit der Insolvenz des Mandanten geht die Dispositionsbefugnis des "Geheimnisherrn", soweit Angelegenheiten der Masse betroffen sind, auf den Verwalter über. Gegenteiliges folgt nicht aus der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 97 Abs. 1 InsO, nach welcher der Schuldner gegenüber dem Verwalter über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben hat. Aus dieser Auskunftspflicht hat der Bundesgerichtshof gerade hergeleitet, dass der Schuldner nicht berechtigt ist, Dritte wegen ihnen anvertrauter Geheimnisse von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Aus Rechten des Insolvenzschuldners kann der Anwalt deshalb keine Einwendungen gegen das Auskunftsverlangen des Verwalters herleiten ( aaO, S. 270 zu § 100 KO; Nassall, KTS 1988, 633, 642 f.; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 44 BRAO Rn. 35; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 14. Aufl., § 97 Rn. 5).

8cc) Das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 GG ist nicht verletzt. Die Vorschrift des § 666 BGB in ihrer berufsrechtlichen Ausformung durch § 23 BORA betrifft die Berufsausübung des Rechtsanwalts und ist als Ergänzung der Vorschusspflicht des Mandanten gemäß § 9 RVG durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

9b) Die Beklagte war für den Erlass der missbilligenden Belehrung zuständig (§ 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BRAO). Darauf, dass der Kläger seine Kanzlei nach Erlass des angefochtenen Bescheides und nach Zustellung der Klage im vorliegenden anwaltlichen Verwaltungsstreitverfahren, nämlich am , in den Bezirk der Rechtsanwaltskammer K.    verlegt hat, kommt es nicht an. Die Rechtsanwaltskammer K.       braucht dem Verfahren nicht gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 3 Abs. 3 VwVfG zuzustimmen. Das Verwaltungsverfahren endete mit dem Erlass des angefochtenen Bescheides (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 9 VwVfG). In der Kommentarliteratur wird zwar vertreten, dass das Verwaltungsverfahren erst mit der Rechtskraft des Verwaltungsverfahrens seinen Abschluss finde (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 3 Rn. 49). Auch nach dieser Ansicht bleibt jedoch bei einem Wechsel der behördlichen Zuständigkeit im Klageverfahren die zuletzt bestehende örtliche Zuständigkeit maßgebend (Kopp/Ramsauer, aaO Rn. 53).

102. Besondere tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten weist die Rechtssache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt ( AnwZ (Brfg) 6/16, juris Rn. 5 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere ist die vom Kläger aufgeworfene Frage der anwaltlichen Schweigepflicht im Verhältnis zum Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mandanten geklärt.

113. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt. Er setzt voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (, BGHZ 154, 288, 292 f.). Der Kläger verweist auf einen Beschluss des nordrhein-westfälischen Anwaltsgerichtshofs vom (2 AGH 8/12, NJW-RR 2013, 624), in welchem es um die Auskehrung eines Überschusses geht, nicht um die Erteilung einer Abrechnung. Er verweist weiter auf ein , NJW 2012, 1241). Dieses Urteil betrifft ebenfalls nicht die Geltendmachung des Abrechnungsanspruchs des Mandanten durch den Insolvenzverwalter.

124. Der Kläger legt keinen Verfahrensmangel dar, auf dem das Urteil des Anwaltsgerichtshofs beruhen könnte (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

13a) Der Kläger beanstandet unrichtige Feststellungen des angefochtenen Urteils dazu, welche Zahlungen zu welchen Zwecken geleistet worden seien, welche Verpflichtungen die Mandantin eingegangen sei, welche Abrechnungen sie, die Mandantin, der Verwalterin vorgelegt habe und welcher Zahlungsweg vereinbart worden sei. Alles dies ist nicht entscheidungserheblich. Gegenstand der missbilligenden Belehrung ist nur die gegen § 23 BORA verstoßende Weigerung des Klägers, die erhaltenen Vorschüsse gegenüber der Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mandantin abzurechnen.

14b) Der Kläger beanstandet schließlich, dass das Urteil des Anwaltsgerichtshofs entgegen § 116 Abs. 2 VwGO nicht innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung vollständig der Geschäftsstelle übermittelt worden sei. In verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen beträgt die Frist des § 116 Abs. 2 VwGO ebenso wie diejenige des § 117 Abs. 4 VwGO fünf Wochen (§ 112c Abs. 2 Satz 2 BRAO). Die Frist von fünf Wochen ist zwar ebenfalls nicht eingehalten worden. Dies stellt jedoch keinen Mangel dar, auf welchem das Urteil beruhen kann. Nach dem Vermerk der Geschäftsstelle ist das von allen mitwirkenden Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe am Tag der mündlichen Verhandlung auf die Geschäftsstelle gelangt. Nach dem Rechtsgedanken des § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO ist die Frist damit gewahrt worden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 116 Rn. 11). Das vollständige, erneut von allen Richtern unterschriebene Urteil ist am auf der Geschäftsstelle eingegangen.

III.

15Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:180618BANWZ.BRFG.61.17.0

Fundstelle(n):
DStR 2018 S. 2723 Nr. 51
DStRE 2019 S. 1164 Nr. 18
NJW-RR 2018 S. 1328 Nr. 21
NWB-Eilnachricht Nr. 38/2018 S. 2760
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2018 S. 723
PAAAG-92928