Zur Zulässigkeit nationaler steuerlicher Investitionsprämien für die Anschaffung körperlicher Wirtschaftsgüter
Leitsatz
Art. 49 EG steht einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach Unternehmen die Gewährung einer Investitionsprämie für die Anschaffung körperlicher Wirtschaftsgüter allein aus dem Grund versagt wird, dass die entgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter, für die diese Prämie geltend gemacht wird, überwiegend in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden.
Gesetze: EG Art. 43; EG Art. 49
Instanzenzug: EuGH C-330/07 (Verfahrensverlauf)
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Jobra Vermögensverwaltungs-Gesellschaft mbH (im Folgenden: Jobra), einer Gesellschaft österreichischen Rechts, und dem Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs wegen dessen Weigerung, Jobra für Lastkraftwagen, die sie angeschafft und an die Braunshofer GmbH (im Folgenden: Braunshofer), ebenfalls eine Gesellschaft österreichischen Rechts, verleast hatte, eine Investitionszuwachsprämie zu gewähren, weil Braunshofer die Fahrzeuge überwiegend in anderen Mitgliedstaaten einsetze.
Rechtlicher Rahmen
3 § 108e Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (BGBl. 400/1988) in der im BGBl. I 155/2002 veröffentlichten Fassung (im Folgenden: EStG 1988) bestimmt:
"(1) Für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern kann eine Investitionszuwachsprämie von 10 % geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden.
(2) Prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter sind ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens. Nicht zu den prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern zählen:
...
- Wirtschaftsgüter, die nicht in einer inländischen Betriebsstätte verwendet werden, die der Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 dient. Dabei gelten Wirtschaftsgüter, die auf Grund einer entgeltlichen Überlassung überwiegend im Ausland eingesetzt werden, nicht als in einer inländischen Betriebsstätte verwendet."
4 § 24 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 (BGBl. 401/1988) in der im BGBl. I 155/2002 veröffentlichten Fassung sieht vor:
"Die Bestimmungen der §§ ... 108e sowie 108f EStG 1988 gelten sinngemäß für Körperschaften im Sinne des § 1, soweit sie nicht von der Körperschaftsteuer befreit sind."
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
5 Jobra ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Sitz in Österreich, deren Stammkapital zu 100 % von Herrn Josef Braunshofer gehalten wird. Braunshofer ist eine international tätige Spedition mit Sitz in Österreich. Jobra hält 100 % des Stammkapitals von Braunshofer. Braunshofer gründete im August 2003 eine Zweigniederlassung in Deutschland.
6 Jobra ist Eigentümerin eines Fuhrparks. Sie stellt Braunshofer ihre Lastkraftwagen auf der Grundlage eines Leasingvertrags für die gewerbliche Nutzung zur Verfügung. Braunshofer setzt die Lastkraftwagen überwiegend in anderen Mitgliedstaaten zur Ausübung des Transportgewerbes ein.
7 In ihrer Steuererklärung 2003 machte Jobra für die im Zeitraum April bis September 2002 angeschafften Lastkraftwagen eine Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 in Höhe von 46 770 Euro geltend. Im Juni 2004 wurde dieser Betrag ihrem Abgabenkonto gutgeschrieben.
8 Im Rahmen einer Kontrolle bei Jobra stellte das Finanzamt fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszuwachsprämie nicht vorlägen, weil die an Braunshofer verleasten Lastkraftwagen von dieser überwiegend im Ausland eingesetzt würden und daher nicht als "in einer inländischen Betriebsstätte verwendet" im Sinne der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung gelten könnten. Jobra wurde diese Steuerbegünstigung deshalb versagt.
9 Die von Jobra eingelegte Berufung wurde vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Wien, mit Entscheidung vom 2. November 2005 abgewiesen. Mit Erkenntnis vom hob der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung vor allem wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Er äußerte zudem Zweifel daran, dass es mit dem freien Dienstleistungsverkehr im Sinne des Art. 49 EG vereinbar sei, dass "Wirtschaftsgüter, die auf Grund einer entgeltlichen Überlassung überwiegend in anderen Mitgliedstaaten ... eingesetzt werden, nicht zu den prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern zählen".
10 Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung eine auf dem Ort der Erbringung der Dienstleistung beruhende Ungleichbehandlung normiere und fragt nach ihrer Vereinbarkeit mit den Art. 43 EG und 49 EG.
11 Unter diesen Umständen hat der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Wien, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Stehen die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG) und/oder über die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EG) einer am bestehenden nationalen Regelung entgegen, wonach die Gewährung einer steuerlichen Begünstigung (Investitionszuwachsprämie) an Unternehmer für die Anschaffung ungebrauchter körperlicher Wirtschaftsgüter auch davon abhängig ist, dass diese Wirtschaftsgüter ausschließlich in einer inländischen Betriebsstätte verwendet werden, wogegen für die Anschaffung ungebrauchter körperlicher Wirtschaftsgüter, die in einer ausländischen und somit auch in einer im übrigen Raum der Europäischen Union gelegenen Betriebsstätte Verwendung finden, die Gewährung dieser steuerlichen Begünstigung (Investitionszuwachsprämie) versagt bleibt?
Zur Vorlagefrage
Vorbemerkungen
12 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 43 ff. EG und 49 ff. EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach die Gewährung einer Investitionszuwachsprämie (im Folgenden: Investitionsprämie) an Unternehmen für die Anschaffung körperlicher Wirtschaftsgüter davon abhängig ist, dass die Wirtschaftsgüter, für die diese Prämie geltend gemacht wird, ausschließlich in einer inländischen Betriebsstätte verwendet werden, wobei ausdrücklich bestimmt ist, dass Wirtschaftsgüter, die entgeltlich überlassen und überwiegend in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden, nicht als in einer inländischen Betriebsstätte verwendet gelten.
13 Zum nationalen rechtlichen Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens trägt die österreichische Regierung vor, dass die Verwendung der Wirtschaftsgüter, für die die Investitionsprämie geltend gemacht werde, im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten ihrer Gewährung nicht im Wege stehe. Die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung mache die Gewährung dieser Steuerbegünstigung davon abhängig, dass die betreffenden Wirtschaftsgüter einer in Österreich ansässigen Betriebsstätte zugeordnet seien. Nach der nationalen Rechtsprechung müsse nachgewiesen werden, dass die Güter in mindestens der Hälfte ihrer Nutzungsdauer von einer solchen Betriebsstätte aus verwendet worden seien.
14 In tatsächlicher Hinsicht hebt die österreichische Regierung den Umstand hervor, dass Braunshofer im August 2003 eine Zweigniederlassung in Deutschland gegründet habe. Unter den Gegebenheiten des Ausgangsrechtsstreits stelle sich daher die Frage, ob sich ein Steuerpflichtiger, der ein Wirtschaftsgut überwiegend von einer gebietsansässigen Betriebsstätte aus verwende, und ein Steuerpflichtiger, der ein Wirtschaftsgut von einer nicht gebietsansässigen Betriebsstätte aus verwende, im Hinblick auf die Gewährung der Investitionsprämie in einer vergleichbaren Situation befänden.
15 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es im Ausgangsverfahren die Bestimmungen des EStG 1988 über die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionsprämie für Wirtschaftsgüter, die entgeltlich überlassen und überwiegend in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt würden, anzuwenden habe. Es hegt Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Bestimmungen mit den Art. 43 EG und 49 EG, da eine auf dem Ort der Erbringung der Dienstleistung beruhende Ungleichbehandlung vorliege.
16 Zwar geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Braunshofer eine Zweigniederlassung in Deutschland gegründet hat, doch lässt sich der Sachverhaltsschilderung dort nicht entnehmen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Prämie Jobra wegen des Vorliegens einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verweigert worden wäre.
17 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht befugt ist, sich zur Auslegung nationaler Vorschriften oder zur Feststellung des Sachverhalts zu äußern. Der Gerichtshof hat nämlich im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschaftsgerichten und den nationalen Gerichten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorlagefragen einfügen, von den Feststellungen in der Vorlageentscheidung auszugehen (vgl. u. a. Urteile vom , Ambulanz Glöckner, C-475/99, Slg. 2001, I-8089, Randnr. 10, vom , Dörr und Ünal, C-136/03, Slg. 2005, I-4759, Randnr. 46, und vom , Dynamic Medien, C-244/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 19).
18 Zudem bleibt die Frage des vorlegenden Gerichts auch dann uneingeschränkt erheblich, wenn die von der österreichischen Regierung vertretene Auslegung der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung zutrifft. Denn selbst unter der Annahme, dass die Investitionsprämie versagt wird, wenn die entgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter, für die diese Vergünstigung geltend gemacht wird, länger als die Hälfte ihrer Nutzungsdauer von einer nicht gebietsansässigen Betriebsstätte aus verwendet werden, wäre dieser Umstand allein nicht geeignet, die vom vorlegenden Gericht gehegten Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit den Grundfreiheiten zu zerstreuen.
Zum Vorliegen einer Beschränkung der Grundfreiheiten
19 Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG solche Maßnahmen sind, die die Ausübung dieser Freiheiten verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Kommission/Italien, C-439/99, Slg. 2002, I-305, Randnr. 22, vom , Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C-451/03, Slg. 2006, I-2941, Randnr. 31, und vom , Kommission/Spanien, C-248/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 21).
20 Die deutsche und die österreichische Regierung sind der Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung anhand der Bestimmungen der Art. 43 ff. EG über die Niederlassungsfreiheit zu beurteilen sei. Es handele sich bei dieser Regelung um eine Umsetzung des Territorialitätsprinzips. Ein Steuerpflichtiger, der ein Wirtschaftsgut von einer gebietsansässigen Betriebsstätte aus verwende, und ein Steuerpflichtiger, der ein Wirtschaftsgut von einer nicht gebietsansässigen Betriebsstätte aus verwende, befänden sich in steuerlicher Hinsicht nicht in einer vergleichbaren Situation. Da die Situationen nicht vergleichbar seien, stelle diese Regelung keine Beschränkung der Grundfreiheiten dar.
21 Nach Ansicht der Kommission sind die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr im Sinne des Art. 49 EG anwendbar. Die Investitionsprämie sei Jobra auf der Grundlage der nationalen Vorschriften über die entgeltliche Überlassung von Wirtschaftsgütern verweigert worden. Zudem sei der Anwendungsbereich der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung nicht auf konzerninterne Situationen beschränkt. Werde Vermietern die Investitionsprämie versagt, wenn ihre Mieter die ihnen entgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter in anderen Mitgliedstaaten verwendeten, beschränke dies die Ausübung der genannten Grundfreiheit.
22 Im vorliegenden Fall verleast Jobra Lastkraftwagen an Braunshofer. Die Vermietung von Fahrzeugen stellt eine Dienstleistung im Sinne des Art. 50 EG dar (vgl. u. a. Urteil vom 21. März 2002, Cura Anlagen, C-451/99, Slg. 2002, I-3193, Randnr. 18). Braunshofer verwendet diese Fahrzeuge im Rahmen der Ausübung des Transportgewerbes.
23 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Investitionsprämie Jobra in Anwendung der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung verweigert wurde, weil Braunshofer die an sie verleasten Lastkraftwagen überwiegend in anderen Mitgliedstaaten verwendete.
24 Es ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die Investitionen in Wirtschaftsgüter, die entgeltlich überlassen und in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden, steuerlich ungünstiger behandelt als Investitionen in Wirtschaftsgüter, die im Inland verwendet werden, geeignet ist, Unternehmen, die für diese Steuerbegünstigung in Betracht kommen, davon abzuhalten, Mietdienstleistungen an Wirtschaftsbeteiligte zu erbringen, die ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten ausüben.
25 Ferner ist die fragliche nationale Regelung in einer Situation, in der ein Unternehmen einem anderen Unternehmen Wirtschaftsgüter entgeltlich überlässt und diese beiden Unternehmen wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind, geeignet, das Unternehmen, das die Wirtschaftsgüter anmietet, davon abzuhalten, grenzüberschreitende Tätigkeiten auszuüben.
26 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche grundsätzlich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 49 EG darstellt. Daher ist zu prüfen, ob eine solche Beschränkung objektiv gerechtfertigt werden kann.
Zur Frage einer Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung
27 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nur zulässig, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, soweit sie in einem solchen Fall geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile vom , SETTG, C-398/95, Slg. 1997, I-3091, Randnr. 21, und vom , Laval un Partneri, C-341/05, Slg. 2007, I-11767, Randnr. 101).
28 Die österreichische und die deutsche Regierung tragen vor, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung der Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten entspreche. Dass die Gewährung der Investitionsprämie voraussetze, dass die Wirtschaftsgüter, für die diese geltend gemacht werde, einer gebietsansässigen Betriebsstätte zuzuordnen seien, solle sicherstellen, dass eine Verbindung zwischen der Gewährung der Steuerbegünstigung und der Besteuerung der Gewinne aus der Verwendung dieser Wirtschaftsgüter bestehe.
29 Die österreichische Regierung beruft sich außerdem auf das Erfordernis, missbräuchlichen Praktiken entgegenzuwirken. Die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung solle rein künstliche Gestaltungen bei entgeltlicher Überlassung verhindern. Ohne diese Vorschrift könne ein dem Vermieter zugeordnetes Wirtschaftsgut einen Anspruch auf die Investitionsprämie unabhängig davon begründen, wo der Mieter das Wirtschaftsgut einsetze. Es stehe zu befürchten, dass der Vermieter diese Prämie ganz oder teilweise an den Mieter weiterreiche, der seinerseits das Wirtschaftsgut dazu nutze, in anderen Mitgliedstaaten Gewinne zu erwirtschaften. Damit wäre es möglich, die Beschränkung dieser Begünstigung auf das Inland zu umgehen.
30 Ohne die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung wäre es nach Ansicht der österreichischen Regierung möglich, über die Errichtung einer Konzernleasinggesellschaft in Österreich die Investitionsprämie für alle Beschaffungen des Konzerns unabhängig davon geltend zu machen, wo diese Güter verwendet würden.
31 Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung weder durch das Erfordernis, die Kohärenz des nationalen Steuersystems oder die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten, noch durch rein wirtschaftliche Ziele gerechtfertigt werden könne.
32 In Bezug auf den ersten von der österreichischen und der deutschen Regierung vorgetragenen Rechtfertigungsgrund trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten in Verbindung mit anderen Rechtfertigungsgründen als ein berechtigtes Erfordernis anerkannt hat (vgl. u. a. Urteile vom , Marks & Spencer, C-446/03, Slg. 2005, I-10837, Randnrn. 45, 46 und 51, vom , Rewe Zentralfinanz, C-347/04, Slg. 2007, I-2647, Randnr. 41, vom , Oy AA, C-231/05, Slg. 2007, I-6373, Randnr. 51, und vom , Lidl Belgium, C-414/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 42). Allerdings ist diese Rechtsprechung auf Gegebenheiten wie die des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar.
33 Ohne dass eine Prüfung aller Voraussetzungen für die Heranziehung der genannten Rechtsprechung erforderlich wäre, genügt hierzu die Feststellung, dass im vorliegenden Fall die Mieteinkünfte aus der Überlassung der körperlichen Wirtschaftsgüter, für die Jobra die Investitionsprämie geltend macht, in Österreich besteuert werden können. Daher ist nicht anzunehmen, dass das Recht der Republik Österreich, ihre Besteuerungszuständigkeit in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben, ohne die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung gefährdet wäre (vgl. auch Urteile Marks & Spencer, Randnr. 46, und Rewe Zentralfinanz, Randnr. 42).
34 Soweit das Vorbringen der Beteiligten, die beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, im weiteren Sinne das Erfordernis betrifft, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten, ist festzustellen, dass es aus der Sicht des Steuersystems keinen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen der Investitionsprämie, die dem Vermieter für die von ihm angeschafften körperlichen Wirtschaftsgüter gewährt wird, und der späteren Besteuerung des Mieters wegen der Einkünfte, die er durch die Verwendung dieser ihm entgeltlich überlassenen Güter erzielt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2005, Laboratoires Fournier, C-39/04, Slg. 2005, I-2057, Randnrn. 20 und 21).
35 Zur Rechtfertigung mit der Notwendigkeit, missbräuchliche Praktiken zu verhindern, ist festzustellen, dass eine nationale Maßnahme, die den freien Dienstleistungsverkehr beschränkt, gerechtfertigt werden kann, wenn sie sich speziell auf rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen bezieht, die allein auf die Erlangung einer Steuerbegünstigung ausgerichtet sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Randnrn. 51 und 55, und vom , Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C-524/04, Slg. 2007, I-2107, Randnr. 74).
36 Im vorliegenden Fall kann nicht angenommen werden, dass der Umstand, dass ein Unternehmen, das für die Investitionsprämie in Betracht kommt, einem Unternehmen Wirtschaftsgüter entgeltlich überlässt, das sie überwiegend in anderen Mitgliedstaaten einsetzt, als solcher einen Missbrauch darstellt.
37 Eine solche Überlassung kann auch keine allgemeine Vermutung für das Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis begründen und keine Maßnahme rechtfertigen, die die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteile Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Randnr. 73, und vom , Lammers & Van Cleef, C-105/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 27).
38 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung jeden Vermieter beeinträchtigt, der für die Investitionsprämie in Betracht kommt und Unternehmen, die grenzüberschreitende Tätigkeiten ausüben, Wirtschaftsgüter entgeltlich überlässt, und zwar auch dann, wenn es an objektiven Verdachtsmomenten für das Vorliegen einer solchen Gestaltung fehlt. Zudem ist nicht ersichtlich, dass diese Regelung den Vermietern die Möglichkeit einräumt, den Beweis für das Fehlen einer missbräuchlichen Praxis zu erbringen.
39 Demnach erlaubt es die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung nicht, die Versagung der Investitionsprämie auf rein künstliche Gestaltungen zu beschränken. Im Übrigen ist vor dem Gerichtshof nicht vorgetragen worden, dass eine solche Gestaltung im Ausgangsrechtsstreit vorliege.
40 Nach alledem kann diese Regelung nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden.
41 Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach Unternehmen die Gewährung einer Investitionsprämie für die Anschaffung körperlicher Wirtschaftsgüter allein aus dem Grund versagt wird, dass die entgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter, für die diese Prämie geltend gemacht wird, überwiegend in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden.
42 Da die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr somit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit ihr ebenfalls entgegenstehen könnten.
Kostenentscheidung:
Kosten
43 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
MAAAD-10819