Leitsatz
[1] Die Kosten einer Sach- und Haftpflichtversicherung, die der Vermieter während des bestehenden Mietverhältnisses für das Mietobjekt abschließt, können anteilig auf die Mieter umgelegt werden, wenn im Mietvertrag die Kosten einer derartigen Versicherung als umlagefähige Betriebskosten bezeichnet sind und dem Vermieter das Recht eingeräumt ist, auch neu entstehende Betriebskosten auf die Mieter umzulegen.
Gesetze: BGB § 556 Abs. 1
Instanzenzug: AG Gießen 45 MC 533/03 vom LG Gießen 1 S 330/05 vom
Tatbestand
Die Beklagte ist Mieterin einer nicht preisgebundenen Wohnung der Klägerin in B. , W. straße . Die Parteien streiten um die anteilige Bezahlung von Betriebskosten.
Der Mietvertrag der Beklagten mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin vom lautet in Auszügen:
"...
§ 2 ...
Neben der Miete werden folgende Betriebskosten4 i. S. d. § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung umgelegt ...
(3) Werden öffentliche Abgaben neu eingeführt oder entstehen Betriebskosten neu, so können diese vom Vermieter im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften umgelegt und angemessene Vorauszahlungen festgesetzt werden.
..."
In der Fußnote 4 heißt es:
"Unter die Betriebskosten fallen die in der Anlage im Einzelnen aufgezählten Kosten.
..."
Die Anlage lautet auszugsweise:
"Aufstellung der Betriebskosten
Betriebskosten sind die in der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung bezeichneten Kosten. Betriebskosten sind danach die nachstehenden Kosten, die dem Vermieter für das Gebäude oder die Wirtschaftseinheit laufend entstehen, es sei denn, dass sie üblicherweise vom Mieter außerhalb der Miete unmittelbar getragen werden:
.....
12. Die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung
Hierzu gehören namentlich die Kosten der Versicherung des Gebäudes gegen Feuer-, Sturm- oder Wasserschäden, der Glasversicherung, der Haftpflichtversicherung für das Gebäude, den Öltank oder den Aufzug.
..."
In der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2004 vom hat die Klägerin die Beklagte anteilig mit 141,63 € wegen der Kosten für die Sach- und Haftpflichtversicherungen belastet. Diese Versicherungen hat die Klägerin abgeschlossen, nachdem sie das Gebäude W. straße von ihrem Vater übernommen hatte.
Die Beklagte weigert sich, diese Kosten zu bezahlen.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage abgewiesen; das Landgericht hat auf die zugelassene Berufung der Klägerin die Beklagte zur Zahlung des begehrten Betrages verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:
Die Klägerin sei berechtigt, die anteiligen Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung als neu entstandene Betriebskosten auf die Beklagte umzulegen. Dies folge aus der Regelung im Mietvertrag. Neue, später entstandene Betriebskosten könnten grundsätzlich auf den Mieter umgelegt werden, sofern dies - wie hier - vertraglich vereinbart sei. Die "Aufstellung der Betriebskosten", auf die sich § 2 Abs. 3 des Mietvertrages beziehe, führe unter Nr. 12 die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung des Gebäudes auf. Diese Klausel genüge dem Transparenzgebot. Weder verstoße es gegen § 307 BGB, dass der Mieter erst durch den Erhalt der Nebenkostenabrechnung von den neu eingeführten Betriebskosten Kenntnis erlange, noch führe die Bezugnahme der Klausel auf die gesetzlichen Vorschriften zu ihrer Unwirksamkeit. Auch eröffne die Klausel nicht die Möglichkeit, grundsätzlich nicht umlagefähige Betriebskosten auf den Mieter umzulegen. Die Kosten für die erstmals abgeschlossenen Versicherungen seien neue Betriebskosten im Sinne des § 2 Abs. 3 des Mietvertrages. Dabei sei nicht darauf abzustellen, dass bei Abschluss des Mietvertrages bereits das (versicherte Schadens-)Risiko vorhanden gewesen sei. Auch sei die Umlegungsfähigkeit nicht davon abhängig, dass dem Mieter durch die neu entstandenen Kosten Vorteile entstehen.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat gemäß § 2 Abs. 3 des Mietvertrages Anspruch auf Erstattung der anteiligen Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherungen.
1. Zu Unrecht meint die Revision, die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherungen würden nicht von § 2 Abs. 3 des Mietvertrages erfasst. Da die Versicherungsverträge erst nach Abschluss des Mietvertrages abgeschlossen wurden, sind die Aufwendungen hierfür neue Betriebskosten im Sinne der Klausel. Es kann dabei dahinstehen, ob es sich bei § 2 Abs. 3 des Mietvertrages um eine über den Bereich des Berufungsgerichts hinaus verwendete Klausel mit der Folge handelt, dass das Revisionsgericht sie frei und ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts selbst auslegen kann, oder ob die Verwendung der Klausel nicht über dessen Bezirk hinausgeht und das Revisionsgericht ihre Auslegung daher nur in demselben Umfang überprüfen kann, wie es bei Individualverträgen der Fall ist, nämlich allein auf die Verletzung von Auslegungsregeln, auf Denkfehler und auf Verstöße gegen Erfahrungssätze (vgl. , NJW 2002, 3232 ff. unter 2 b). Auch die freie Auslegung der Klausel durch den Senat führt nämlich zu keinem anderen Ergebnis als jenem, welches das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Bei einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung - wie hier - können dem Mieter auch neue Betriebskosten anteilig auferlegt werden (vgl. zur Umlegungsfähigkeit neuer Betriebskosten LG Frankfurt am Main, WuM 1999, 46; aus dem Schrifttum: Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 556 Rdnr. 5; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl., Rdnr. 3032 ff.; Langenberg, Betriebskosten der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Aufl., Kap. C Rdnr. 22; Weitemeyer in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 560 Rdnr. 12).
2. Die Revision meint, diese Auslegung widerspreche dem erkennbaren Sinn und Zweck der Klausel. Dieser liege darin, den Vermieter davor zu schützen, dass sich nachträglich ohne sein Zutun Veränderungen ergeben, die die Nutzung der Wohnung verteuern. Kosten, die der Vermieter selbst verursache, ohne dass dies durch eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse veranlasst wäre, sollten jedenfalls dann nicht nachträglich auf den Mieter umgelegt werden können, wenn der Mieter von diesen Kosten keinen Vorteil habe. Vorliegend würde die Umlegung der Versicherungskosten die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung stören. Denn die Beklagte müsste nunmehr für dieselbe Leistung eine höhere Gegenleistung entrichten.
Dem kann nicht zugestimmt werden. Der Wortlaut von § 2 Abs. 3 des Mietvertrages stützt diese einschränkende Auslegung nicht. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, musste die Mieterin nach dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrags damit rechnen, dass neue Betriebskosten (neu gegenüber dem Zeitpunkt der vertraglichen Einigung) hinzukommen können und dass zu diesen möglichen künftigen Betriebskosten Aufwendungen für eine bei Abschluss des Mietvertrages noch nicht bestehende Sach- und Haftpflichtversicherung zählen. Die einschränkende Auslegung der Vertragsklausel, wie sie die Revision vornimmt, ist nicht zum Schutz des Mieters veranlasst. Zum einen ist der Kreis denkbarer Betriebskosten durch Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 der Zweiten Berechnungsverordnung begrenzt (jetzt Betriebskostenverordnung vom - BGBl. I, S. 2346). Darüber hinaus ist von Gesetzes wegen bei Veränderungen von Betriebskosten der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten, § 560 Abs. 5 BGB. Beiden Erfordernissen ist hier genügt. Die Klägerin fordert von der Beklagten eine anteilige Bezahlung von Betriebskosten, die im Vertrag und in den gesetzlichen Vorschriften als umlagefähige Betriebskosten aufgeführt sind. Dass sie beim Abschluss der Versicherungen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nicht beachtet hätte, hat die Beklagte nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Für die von der Revision darüber hinaus geforderte Einschränkung auf solche Betriebskosten, die für den Mieter mit einem zusätzlichen Vorteil verbunden sind, findet sich weder im Mietvertrag der Parteien noch in der gesetzlichen Regelung ein Anknüpfungspunkt.
3. Die Klausel in § 2 Abs. 3 des Mietvertrages ist schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam. Dem Vertragspartner des Verwenders wird vielmehr durch den Wortlaut des Vertrages insgesamt klar und verständlich aufgezeigt, welche Betriebskosten ihn ab Vertragsschluss anteilig treffen und mit welchen neu hinzutretenden Betriebskosten zu rechnen ist.
Da sich das angegriffene Urteil auch im Übrigen als frei von Rechtsfehlern erweist, ist die Revision zurückzuweisen.
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 3558 Nr. 49
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2006 S. 4465
MAAAC-19240
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein