Verwaltungsvermögensquote nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG (90-%-Test); Konsequenzen aus dem -
Bezug:
1. Allgemeines
1Der , BStBl 2024 II S. 566, entschieden, dass § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG dahingehend auszulegen ist, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen auch aus Finanzmitteln im Sinne des § 13b Absatz 4 Nummer 5 ErbStG besteht und deren Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 EStG dient, für den dort verankerten 90-%-Test die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind. Dies sei aus systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen geboten und widerspreche auch nicht dem Anliegen bzw. dem Ziel des Gesetzgebers, durch den 90-%-Test den Missbrauch der Begünstigung von Unternehmensvermögen nach § 13a ErbStG zu verhindern.
Zur Anwendung des BFH-Urteils gelten die nachfolgenden Ausführungen:
2. Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen
2Das Urteil ist zu einem Sachverhalt ergangen, in dem schenkweise Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurden, die zum begünstigungsfähigen Vermögen nach § 13b Absatz 1 Nummer 3 ErbStG gehören. Über den entschiedenen Sachverhalt hinaus ist das Urteil auch auf die übrigen Rechtsformen des begünstigungsfähigen Vermögens nach § 13b Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 2 ErbStG anzuwenden. Das Urteil ist ebenso bei der Erbschaftsteuer anzuwenden.
3Voraussetzung für die Anwendung des 90-%-Tests nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG in der vom BFH getroffenen Auslegung ist, dass das nach § 13b Absatz 1 ErbStG begünstigungsfähige Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Absatz 1, des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, des § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes dient (vgl. Feststellung nach § 13b Absatz 10 Satz 1 ErbStG). Über den entschiedenen Sachverhalt hinaus ist die Anwendung des Urteils nicht auf typische Handelsunternehmen begrenzt.
3. Maßgaben für 90-%-Test (Prüfung nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG)
4Die Berechnung unter I. der R E 13b.9 Absatz 2 Satz 1 ErbStR 2019 ist bei der Ermittlung des begünstigten Vermögens nach folgenden Maßgaben vorzunehmen:
I. 90-%-Test (Prüfung nach § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG)
festgestellter Wert der Finanzmittel (einschließlich junge Finanzmittel) § 13b Absatz 4 Nummer 5 ErbStG
./. festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
= Zwischenwert I, mindestens 0 EUR
./. festgestellter Wert der Schulden
= Zwischenwert II, mindestens 0 EUR
+ festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
= anzusetzender Wert der Finanzmittel
+ festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschließlich junges
Verwaltungsvermögen) § 13b Absatz 4 Nummer 1 bis 4 ErbStG
= Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test
Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test________
festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens
= Verwaltungsvermögensquote ≥ 90 %, dann insgesamt kein begünstigtes Vermögen
Folgende Feststellungen des Betriebsfinanzamts nach § 13b Absatz 10 ErbStG liegen vor:
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Festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens | 500.000
EUR |
Festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens | 210.000
EUR |
Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögen | 100.000
EUR |
Festgestellter Wert der Finanzmittel | 150.000
EUR |
Festgestellter Wert der jungen Finanzmittel | 90.000
EUR |
Festgestellter Wert der Schulden | 70.000
EUR |
Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 4 und 5 ErbStG erfüllt sind
Lösung:
festgestellter Wert der Finanzmittel (einschließlich junge Finanzmittel)
Tabelle in neuem Fenster öffnen
150.000
EUR | |
./. festgestellter Wert der jungen
Finanzmittel | ./. 90.000 EUR |
=
Zwischenwert I, mindestens 0 EUR | 60.000
EUR |
./. festgestellter Wert der
Schulden | ./. 70.000 EUR |
=
Zwischenwert II, mindestens 0 EUR | 0
EUR |
+
festgestellter Wert der jungen Finanzmittel | + 90.000 EUR |
=
anzusetzender Wert der Finanzmittel | 90.000
EUR |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
+
festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschließlich junges
Verwaltungsvermögen)
§ 13b
Absatz 4 Nummer 1 bis 4 ErbStG | + 210.000 EUR |
=
Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test | 300.000
EUR |
Verwaltungsvermögen für den 90-%-Test 300.000 EUR
festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens 500.000 EUR
= Verwaltungsvermögensquote 60 %
Die Berechnungen in den Beispielen 1 und 2 unter H E 13b.9 ErbStH 2019 ändern sich entsprechend.
5Bei der Berechnung des Verwaltungsvermögens für den 90-%-Test ist kein Abzug des Sockelbetrags von 15 % des festgestellten Werts des (Anteils) Betriebsvermögens (§ 13b Absatz 4 Nummer 5 ErbStG) von den Finanzmitteln (Zwischenwert II oder anzusetzender Wert der Finanzmittel) vorzunehmen.
Die Regelungen in R E 13b.10 Sätze 1, 2 und 5 ErbStR 2019 sind weiterhin anzuwenden. Die Berechnung des übermäßigen Verwaltungsvermögens in H E 13b.10 ErbStH 2019 ist nicht mehr anzuwenden.
4. Prüfung des Vorliegens des Hauptzwecks
4.1 Abstellen auf Feststellung nach § 13b Absatz 10 Satz 1 ErbStG
6Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Rz. 3 (Hauptzweckprüfung) ist die Feststellung des Feststellungsfinanzamts nach § 13b Absatz 10 Satz 1 ErbStG über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 4 und 5 ErbStG zu übernehmen.
4.2 Entscheidung in Fällen ohne gesonderte Feststellung
7In Fällen, in denen keine gesonderte Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 4 und 5 ErbStG zu erfolgen hat, entscheidet das Erbschaftsteuer-Finanzamt über das Vorliegen der Voraussetzungen der Rz. 3 (Hauptzweckprüfung). In Fällen der Steuerentstehung bis zum können dabei die im Feststellungsbescheid enthaltenen nachrichtlichen Angaben hinsichtlich des Hauptzwecks des Unternehmens (H B 151.9 „Nachrichtliche Angaben“ Nummer 1 Buchstabe c, Nummer 2 Buchstabe c oder Nummer 3 Buchstabe a ErbStH) für die Entscheidung herangezogen werden.
5. Anwendung von § 42 AO
8Sollte die vorgenommene Auslegung des § 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG im Einzelfall dazu führen, dass sich Unternehmen, die der Gesetzgeber aufgrund ihrer hohen Verwaltungsvermögensquote von mindestens 90 % steuerrechtlich nicht begünstigen wollte, aufgrund missbräuchlicher Gestaltung die Begünstigung erschleichen, ist die Anwendung von § 42 AO ausdrücklich nicht ausgeschlossen (vgl. Rz. 30 des o. g. BFH-Urteils, a.a.O.)
6. Zeitliche Anwendung
9Dieser Erlass ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden.
Inhaltlich gleichlautend
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b/18
Fundstelle(n):
BStBl 2024 I Seite 1081
LAAAJ-70767