Umsatzbesteuerung der Leistungen der öffentlichen Hand; Anwendungsfragen des § 2b UStG
Ihr Schreiben vom
Bezug: BStBl 2019 I S. 1140
Bezug: BStBl 2016 I S. 1451
Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Übergangsfrist zur Anwendung von § 2b UStG durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom (BGBl I S. 1385) in § 27 Abs. 22a UStG über den hinaus um weitere zwei Jahre verlängert worden ist.
Mit Bezugsschreiben haben Sie erneut Fragen im Zusammenhang mit § 2b UStG aufgeworfen. Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird wie folgt Stellung genommen:
I. Allgemeines
§ 2b UStG ist - außer in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen (siehe BStBl 2019 I S. 921) - nur auf Leistungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) anwendbar. Für Leistungen einer juristischen Person des Privatrechts gelten dagegen regelmäßig die allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Regelungen.
Die Auslegung des § 2b UStG ist restriktiv vorzunehmen. Insbesondere handelt es sich bei § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG um ein Regelbeispiel. Sind dessen Voraussetzungen gegeben, besteht eine widerlegbare Vermutung, dass keine größeren Wettbewerbsverzerrungen zulasten privater Dritter vorliegen. Um eine unionsrechtskonforme Anwendung des § 2b UStG sicherzustellen, ist es allerdings erforderlich, auch dann, wenn die Voraussetzungen des Regelbeispiels gegeben sind, in eine gesonderte Prüfung auf mögliche schädliche Wettbewerbsverzerrungen einzutreten (siehe BMF-Schreiben zur gesonderten Wettbewerbsprüfung vom , BStBl 2019 I S. 1140).
II. Forschungskooperationen
Forschungsvorhaben öffentlich-rechtlicher Universitäten werden oftmals in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Einrichtungen, privatrechtlich organisierten Forschungseinrichtungen oder Unternehmen der Privatwirtschaft durchgeführt. Kommt es dabei zur Begründung von Gesellschaftsverhältnissen, sind die allgemeinen Grundsätze des Abschnitts 1.6 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) zu beachten. Soweit danach sog. echte Gesellschafterbeiträge vorliegen, fällt keine Umsatzsteuer an. Auf Abschnitt 2.10 Abs. 1 i. V. m. Abschnitt 10.2 Abs. 8 bis 10 UStAE wird ergänzend hingewiesen.
Im Übrigen kann die Steuerbarkeit der Leistungen der Beteiligten der Kooperation über § 2b UStG eingeschränkt sein. Diese Ausnahmeregelung gilt allerdings nur für die Leistungen der öffentlich-rechtlichen Universitäten und der öffentlich-rechtlich organisierten Forschungseinrichtungen und setzt voraus, dass die Nichtbesteuerung dieser Leistungen zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Ob die Nichtbesteuerung von Leistungen im Rahmen einer Forschungskooperation zu größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des § 2b Abs. 1 Satz 2 führt, ist im Einzelfall zu prüfen. Größere Wettbewerbsverzerrungen können dabei nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil Aufgaben faktisch ausschließlich durch die öffentliche Hand oder von der öffentlichen Hand finanzierten Einrichtungen wahrgenommen werden. Bereits potentielle Leistungserbringer aus der privaten Wirtschaft sind - im Gegensatz zu hypothetischen - schädlich. Dabei ist auf die jeweils konkret erbrachte Leistung abzustellen, z. B. „Überlassung eines Forschungsgeräts“. Aus der Zuordnung einer Tätigkeit zur Grundlagenforschung lassen sich keine umsatzsteuerlichen Rechtsfolgen ableiten.
III. Ausführungen im zu Studiengebühren
Erbringen öffentlich-rechtliche Hochschulen entgeltliche Weiterbildungsleistungen auf privat-rechtlicher Grundlage, können sie nach § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG von der Umsatzsteuer befreit sein. Diese Befreiung erhalten auch private Anbieter von Weiterbildungsleistungen, wenn sie die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG erfüllen. Entsprechend den Grundsätzen in Rz. 38 f. des BStBl 2016 I S. 1451, sind die Hochschulen nichtunternehmerisch tätig, wenn sie solche Weiterbildungsleistungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage anbieten (§ 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG). Dem steht nicht entgegen, dass Weiterbildungsleistungen anderer Anbieter steuerpflichtig sein können.
Zu Randziffer 39 des BStBl 2016 I S. 1451 hatten Sie um Streichung gebeten. Dazu teile ich klarstellend mit, dass auch wenn keine entsprechende Steuerbefreiung für private Unternehmer vorhanden ist, Studiengebühren auf öffentlich-rechtlicher Grundlage aufgrund einer Satzung künftig von der Steuerbarkeit ausgenommen sein können, wenn Wettbewerbsverzerrungen nach der allgemeinen Regelung des § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen sind.
IV. Gemeinsame Berufungen
1. Allgemeines
Unter dem Begriff einer gemeinsamen Berufung wird häufig das Zusammenwirken einer Hochschule mit einer außeruniversitären Forschungseinrichtung im Rahmen einer Berufungskommission und anschließender Beschäftigung des / der Berufenen verstanden. Daneben gibt es aber auch Fälle, in denen eine Hochschule und eine Universitätsklinik im Rahmen einer Berufungskommission und anschließender Beschäftigung zusammenarbeiten. Einige Landeshochschulgesetze sehen gemeinsame Berufungen zwar vor und enthalten Regelungen u. a. zum Berufungsverfahren, des Weiteren sind auch besondere Regelungen in einigen Besoldungs- / Versorgungsgesetzen zu finden. Festzustellen ist allerdings, dass die gemeinsame Berufung bundesweit nicht einheitlich definiert ist.
Bekannt sind verschiedene Modelle der gemeinsamen Berufungen, insbesondere das Beurlaubungsmodell („Jülicher Modell“), Erstattungsmodell („Berliner Modell“) und Nebentätigkeits- (Personalunions-)modell („Karlsruher Modell“) sowie die Berufung in die mitgliedschaftsrechtliche Stellung eines Hochschullehrers („Thüringer Modell“). Daneben gibt es gemeinsame Berufungen, die keinem der vorgenannten Modelle folgen.
Aufgrund der Vielzahl der Ausgestaltungen ist jeweils eine Würdigung im Einzelfall erforderlich. Allgemein gilt dabei Folgendes:
Gemeinsame Berufungen unterliegen nur dann der Umsatzsteuer, wenn sie zu einem Austausch von Leistungen führen, wie z. B. beim Berliner Modell, bei dem die Hochschule den Berufenen gegen Erstattung der angefallenen Personalkosten an die außeruniversitäre Forschungseinrichtung überlässt. Hier liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG regelmäßig vor.
Rechtsgrundlage für eine Personalgestellung des Berufenen von der Hochschule an die Forschungseinrichtung ist die im Einzelfall geschlossene Kooperationsvereinbarung. Die Einstufung, ob die Kooperationsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher oder als privatrechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist, entscheidet, ob der Anwendungsbereich des § 2b UStG eröffnet sein kann. Sofern dies der Fall ist, werden regelmäßig größere Wettbewerbsverzerrungen nicht auszuschließen sein. Es besteht ein potentieller Wettbewerb insbesondere zu privaten Hochschulen, die ebenfalls Professorinnen und Professoren an andere Einrichtungen überlassen dürfen. Gewisse Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen stehen einer Marktrelevanz nicht entgegen, da diese weder zu Marktzugangsbeschränkungen der privaten Hochschulen führen, noch die Entscheidung der Forschungseinrichtung, mit welcher Hochschule sie kooperiert, entscheidend beeinflusst. Die Forschungseinrichtungen sind auch nicht verpflichtet, gemeinsame Berufungen nur mit öffentlich-rechtlich organisierten Hochschulen zu verwirklichen.
2. Versorgungszuschläge
In Ihrem Bezugsschreiben haben Sie Versorgungszuschläge thematisiert, wie sie im Rahmen des Jülicher Modells gezahlt werden. Bei dem Jülicher Modell wird der Professor von der Hochschule für die Zeit seiner Tätigkeit bei der außeruniversitären Forschungseinrichtung beurlaubt. Während der Beurlaubung erhält er keine Bezüge von der Hochschule oder dem Land, sondern er wird direkt von der außeruniversitären Forschungseinrichtung bezahlt, mit der er einen privatrechtlichen Anstellungsvertrag abgeschlossen hat. Ein Leistungsaustausch zwischen der Hochschule oder dem Land und der außeruniversitären Forschungseinrichtung in Form einer entgeltlichen Personalgestellung liegt in diesen Fällen regelmäßig nicht vor.
Beurlaubungszeiten von beamteten Professoren können nach landesrechtlichen Vorschriften ruhegehaltsfähig sein, wenn die Beurlaubung öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient. Zusätzlich kann nach den jeweiligen Bundes- und Landesgesetzen die Zahlung eines Versorgungszuschlags erforderlich sein. Bei Zahlung eines Versorgungszuschlags verpflichtet sich die außeruniversitäre Forschungseinrichtung dann, an die Hochschule oder das Land einen entsprechenden Zuschlag in Höhe von zum Beispiel 25 oder 30 Prozent der Bezüge des Professors zu entrichten. In diesem Zusammenhang bestätige ich, dass diese Zahlungen als Leistungen der Forschungseinrichtungen an die gemeinsam Berufenen (und nicht als umsatzsteuerlich relevante Zahlungen an die Hochschule oder das Land) zu werten sind, wenn z. B. im Rahmen des Arbeitsvertrags zwischen der Forschungseinrichtung und dem Arbeitnehmer vereinbart wird, dass die Forschungseinrichtung das verhandelte Gehalt zuzüglich des Versorgungszuschlages zu bezahlen hat.
V. Studierendenwerke
Allgemein schlagen Sie im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Studierendenwerke vor, dass Finanzierungsregelungen über Landeszuschüsse nicht umsatzsteuerbar sein sollen. Konkret haben Sie in Ihrem Schreiben aus 2016 die Übernahme staatlicher Aufgaben und die Darlehensgewährung an Studierende nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) durch die Studierendenwerke thematisiert.
Zur Behandlung von Zuschüssen gelten die allgemeinen umsatzsteuerlichen Regelungen: Zahlungen unter der Bezeichnung Zuschuss können entweder Entgelt für eine Leistung an den Zuschussgeber (Zahlenden), (zusätzliches) Entgelt eines Dritten oder echter Zuschuss sein. Zuschüsse sind u. a. dann Entgelt für eine Leistung an den Zahlenden, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem Zuschuss besteht, d. h., wenn der Zahlungsempfänger seine Leistung - insbesondere bei gegenseitigen Verträgen - erkennbar um der Gegenleistung willen erbringt.
Wenn die Studierendenwerke Tätigkeiten für die Landesverwaltung durchführen und dafür ein Entgelt z. B. in Form eines pauschalen Ersatzes der Personal- und Sachkosten erhalten, liegt regelmäßig ein relevanter Leistungsaustausch vor, der zur Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG führt. Die Unternehmereigenschaft ist über § 2b UStG nur eingeschränkt, wenn die Leistungsbeziehungen öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind und die Nichtbesteuerung der Leistungen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen auslösen würde. Die bloße Existenz einer Aufgabenzuweisung an eine bestimmte Stelle schließt dabei für sich allein die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen nicht aus. Kann die Aufgabe aufgrund von landesgesetzlichen Regelungen jedoch ausschließlich durch das jeweilige Studierendenwerk erbracht werden, liegt keine Wettbewerbssituation vor (siehe § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG). Bei Darlehensvergaben kann es sich - unabhängig vom Kontext des Vollzugs des BaföG - um steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a UStG handeln.
Bei Verwaltungsvereinbarung eines Landes oder einer Hochschule mit einem Studierendenwerk sowie Verwaltungsvereinbarungen von Studierendenwerken untereinander sind die jeweils vereinbarten Leistungen auf ihre Wettbewerbsrelevanz zu überprüfen.
VI. Fazit
Die Erörterungen zu den Fragestellungen, die in Ihre Schreiben vom und vom adressiert werden, sind aus Sicht der Finanzverwaltung damit abgeschlossen. Gerne erläutern Vertreter/-innen des BMF Ihnen dieses Schreiben in geeigneter Form, um ein gemeinsames Verständnis zu erleichtern.
Mit freundlichen Grüßen
...
BMF v. - III C 2 -
S 7107/19/10005
:015
Fundstelle(n):
DStR 2021 S. 292 Nr. 5
KÖSDI 2021 S. 22140 Nr. 3
LAAAJ-21515