Ausbildungskosten - Rückzahlungsklausel
Leitsatz
Verpflichtet eine vertragliche Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer dazu, die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu erstatten, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in der Klausel vorgesehenen Bindungsdauer kündigt, weil er wegen eines ihm nicht im Sinne eines Verschuldens zuzurechnenden dauerhaften Wegfalls seiner medizinischen Tauglichkeit nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kann dies gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen.
Gesetze: § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 3 S 1 BGB, Art 12 Abs 1 S 1 GG, § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 310 Abs 3 Nr 2 BGB
Instanzenzug: Az: 5 Ca 1985/17 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 1 Sa 49/18 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten zuletzt noch über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
2Der Beklagte wurde von der Klägerin - einer Fluggesellschaft - zum als Verkehrspilot und Commander für das Flugzeugmuster B zu einem Bruttomonatsverdienst von 7.500,00 Euro eingestellt.
3Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom vereinbarten die Parteien ua.:
4Der Beklagte verfügte bei Vertragsschluss zwar über eine EASA-FCL-Lizenz für das Flugzeugmuster B, jedoch musste er eine Fortbildung absolvieren, um die Musterberechtigung (Type Rating) aufrechtzuerhalten. Am schlossen die Parteien eine „Fortbildungsvereinbarung als Nebenabrede zum Arbeitsvertrag“ in der es ua. heißt:
5Der Beklagte nahm seine Tätigkeit für die Klägerin am auf. Er absolvierte zunächst die in der Fortbildungsvereinbarung vorgesehene Fortbildungsmaßnahme. Die Klägerin entrichtete die angefallene Teilnahmegebühr in Höhe von 21.818,00 US-Dollar an den Veranstalter. Mit Schreiben vom kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der sechsmonatigen Probezeit zum .
6Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer am eingereichten Klage - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Rückzahlung eines Sechstels der insgesamt angefallenen Fortbildungskosten verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei nach Ziff. 3.2 iVm. Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung zur Rückzahlung verpflichtet, weil er vor dem aufgrund einer von ihm erklärten Kündigung, die sie nicht veranlasst und auch nicht mitveranlasst habe, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Die Aufrechterhaltung der Musterberechtigung sei für den Beklagten nicht nur innerbetrieblich von Nutzen, sondern stelle auch auf dem Arbeitsmarkt einen erheblichen Erwerbs- und Einstellungsvorteil dar.
7Die Klägerin hat erstinstanzlich - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,
8Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Es stelle eine unangemessene Benachteiligung dar, dass die Fortbildungskosten auch zurückzuzahlen seien, wenn ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündige, weil er aus von ihm nicht verschuldeten personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dauerhaft nachzukommen. Zudem könne die Rückzahlungsklausel allenfalls einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Fortbildungskosten in US-Dollar begründen.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision noch von Bedeutung - abgewiesen. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren mit Einwilligung des Beklagten die Reihenfolge von Haupt- und Hilfsantrag umgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin allein den zuletzt gestellten Hauptantrag weiter. Der Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
10Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten.
11I. Die beschränkt eingelegte Revision ist zulässig. Die Klägerin verfolgt mit der Revision ausschließlich einen Anspruch nach Ziff. 3.2 iVm. Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung vom auf Zahlung von 3.636,34 US-Dollar weiter. Dies hat die Klägerin in der Revisionsbegründung vom ausdrücklich erklärt. Soweit das Landesarbeitsgericht durch die Zurückweisung des Hilfsantrags einen Anspruch der Klägerin nach Ziff. 3.2 iVm. Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung vom auf Zahlung von 3.279,61 Euro und zudem auch einen Anspruch der Klägerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Zahlung von 3.636,34 US-Dollar, hilfsweise 3.279,61 Euro verneint hat, greift die Klägerin das Berufungsurteil nicht an. Die damit verbundene Beschränkung der Revision auf einen von mehreren Streitgegenständen ist zulässig (vgl. - Rn. 13).
12II. Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
131. Der Zulässigkeit des zuletzt allein gestellten Hauptantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Reihenfolge von Haupt- und Hilfsantrag in der Berufungsinstanz umgestellt hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen einer mit Einwilligung der gegnerischen Partei erfolgten Klageänderung in der Berufungsinstanz nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 533 Nr. 1 ZPO bejaht und über die Anträge sachlich entschieden. Das ist in der Revisionsinstanz nicht mehr zu überprüfen (vgl. zur st. Rspr. - Rn. 25 mwN).
142. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus Ziff. 3.2 iVm. Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung vom keinen Anspruch auf Zahlung von 3.636,34 US-Dollar. Die Regelung in Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung benachteiligt den Beklagten, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist daher unwirksam.
15a) Bei den in der Fortbildungsvereinbarung getroffenen Abreden handelt es sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Gleiches gilt für den Arbeitsvertrag der Parteien. Der Vertrag weist außer den persönlichen Daten des Beklagten keine individuellen Besonderheiten auf. Dies - wie auch das äußere Erscheinungsbild - begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrags um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (vgl. - Rn. 30 mwN).
16b) Die in Ziff. 3 der Fortbildungsvereinbarung vereinbarten Rückzahlungsklauseln unterliegen einer uneingeschränkten Wirksamkeitskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht dem nicht entgegen.
17aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Absätze 1 und 2 der Vorschrift sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten ( - Rn. 15; - 3 AZR 791/09 - Rn. 14 mwN; vgl. auch - zu B I 5 a der Gründe mwN).
18bb) Um eine derartige Regelung handelt es sich hier. Die Klägerin hat in Ziff. 3.2 iVm. Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung festgelegt, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte die von ihr verauslagten Fortbildungskosten an sie zurückzuerstatten hat. Außerdem wird durch den mit der Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt (st. Rspr., vgl. - Rn. 23 mwN).
19c) Ausgehend von einem bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen anzuwendenden abstrakt-generellen Prüfungsmaßstab (vgl. - Rn. 14; - 10 AZR 281/12 - Rn. 12) knüpft Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers allein an eine vom Arbeitnehmer erklärte Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Davon ausgenommen ist nur der Fall, dass das Arbeitsverhältnis aus einem von der Arbeitgeberin veranlassten oder mitveranlassten Grund gekündigt wird. Die ausdrückliche Nennung dieser, eine Rückzahlungspflicht ausschließenden Beendigungstatbestände zeigt im Umkehrschluss, dass Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung alle sonstigen Fälle einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die nicht als ausgenommen aufgeführt sind, erfassen soll (vgl. - Rn. 62). Die Klägerin kann sich schon deshalb zur Begründung einer einschränkenden Auslegung von Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung nicht auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB stützen, weil die Vertragsklausel eindeutig ist. Es bestehen keine nicht behebbaren Zweifel an der richtigen Auslegung. Allein die entfernte Möglichkeit, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB nicht (vgl. - Rn. 30 mwN, BAGE 154, 178).
20d) Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung ist nicht teilbar und deshalb einer einheitlichen Kontrolle nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu unterziehen. Sie erfasst in ihrem - den Fall der von der Arbeitgeberin veranlassten oder mitveranlassten Kündigung ausnehmenden - Anwendungsbereich nicht verschiedene, nur äußerlich zusammengefasste Regelungen, sondern inhaltlich und sprachlich alle Fälle der Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Nähme man Streichungen vor, entfiele die Anspruchsgrundlage insgesamt (vgl. - Rn. 32 f.).
21e) Die Regelung in Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung benachteiligt den Beklagten in Zusammenschau mit der Regelung in § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
22aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
23(1) Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa - Rn. 27; - 7 AZR 945/13 - Rn. 40 mwN).
24(2) Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen (vgl. - Rn. 24, BAGE 118, 36). Es ist jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden ( - Rn. 17). Zahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers, die an eine von diesem ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, können im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Da sie geeignet sind, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken, muss die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer muss ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen; der Arbeitnehmer muss mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten. Insgesamt muss die Erstattungspflicht - auch dem Umfang nach - dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein (st. Rspr., vgl. - Rn. 23 mwN). Ist dies nicht der Fall, verbleibt es dabei, dass Verluste, die eintreten, weil Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, grundsätzlich der Arbeitgeber als Betriebsausgaben zu tragen hat (vgl. - Rn. 18).
25bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen verstößt Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. In Zusammenschau mit § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags ist die Rückzahlungsklausel zu weit gefasst. Die Klausel sieht eine Rückzahlungspflicht auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, weil er unverschuldet aufgrund eines dauerhaften Wegfalls der medizinischen Tauglichkeit nicht mehr in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass der Arbeitgeber hierzu einen Verursachungsbeitrag geleistet hat. Gleichzeitig soll das Arbeitsverhältnis - würde es fortbestehen - nach § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags bei einem dauerhaften Wegfall der medizinischen Tauglichkeit des Arbeitnehmers mit gegenseitiger Suspendierung der Leistungspflichten ruhen. Dies benachteiligt den zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichteten Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
26(1) Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ist nicht nur in den Fällen anzunehmen, in denen es der Arbeitnehmer nicht in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen, weil er durch Gründe in der Sphäre des Arbeitgebers - zB durch ein vertragswidriges Verhalten - zu einer Kündigung veranlasst oder mitveranlasst wird (vgl. hierzu - Rn. 26). Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn dem Arbeitnehmer bei einer typisierenden, die rechtlich anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner berücksichtigenden Betrachtung die für den Fall der Eigenkündigung vor Ablauf der Bindungsdauer vorgesehene Erstattungspflicht aus anderen Gründen nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist.
27(2) Die Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis ist nur zulässig, solange die Beschränkung seiner durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit durch den jeweiligen Ausbildungsvorteil gerechtfertigt ist (st. Rspr., vgl. - Rn. 23 mwN). Verpflichtet eine Rückzahlungsklausel - wie vorliegend Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung - den Arbeitnehmer auch dann die Fortbildungskosten zu erstatten, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil er wegen eines ihm nicht im Sinne eines Verschuldens zuzurechnenden dauerhaften Wegfalls seiner medizinischen Tauglichkeit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, verstößt dies gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Arbeitsvertrag bei einem dauerhaften Wegfall der medizinischen Tauglichkeit des Arbeitnehmers eine Suspendierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten vorsieht. Es ist nicht gerechtfertigt, den Arbeitnehmer durch die mit einer Eigenkündigung ausgelöste Erstattungspflicht unter Einschränkung seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) - ohne Gegenleistung - an das Arbeitsverhältnis zu binden. Überwiegende billigenswerte Interessen des Arbeitgebers stehen dem nicht entgegen. Dem Arbeitgeber wäre es unter den genannten Voraussetzungen auch bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht möglich, die dem Arbeitnehmer durch die Fortbildungsmaßnahme vermittelte Qualifikation zu nutzen, um die aufgewendeten Fortbildungskosten (anteilig) auszugleichen.
28f) Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer im Entscheidungsfall durch personenbedingte Gründe im vorgenannten Sinne zur Eigenkündigung veranlasst wurde. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat (st. Rspr., vgl. etwa - Rn. 26; - 8 AZR 1013/12 - Rn. 23; - 3 AZR 103/12 - Rn. 21; - 6 AZR 847/07 - Rn. 18, BAGE 135, 163).
29g) Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags einer Wirksamkeitskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhielte. Auf die Unwirksamkeit von § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags könnte sich die Klägerin als Verwenderin der von ihr gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Verhältnis zum Beklagten nicht berufen. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Verwender der Klausel, sie dient aber nicht dem Schutz des Verwenders vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen (vgl. - Rn. 42 mwN).
30h) Die Unwirksamkeit von Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung führt nach § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Wegfall der Rückzahlungsklausel unter Aufrechterhaltung der Fortbildungsvereinbarung im Übrigen.
31aa) Eine geltungserhaltende Reduktion, mit der eine einheitliche und damit auch einer einheitlichen AGB-Kontrolle unterliegende Klausel durch das Gericht in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil getrennt und in ihrem rechtlich nicht zu beanstandenden Teil aufrechterhalten wird (vgl. - Rn. 34 f., BAGE 158, 81), ist im Rechtsfolgensystem des § 306 BGB nicht vorgesehen ( - Rn. 32).
32bb) Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. hierzu - Rn. 37 ff. mwN; - 9 AZR 295/13 - Rn. 21 mwN, BAGE 150, 207) sind nicht gegeben. Das Festhalten an der Fortbildungsvereinbarung im Übrigen stellt sich nicht als unzumutbare Härte iSd. § 306 Abs. 3 BGB für die Klägerin dar. Bei Vertragsschluss im August 2016 konnte auch kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin darauf bestehen, die von ihr gewählte Vertragsgestaltung könne einer Inhaltskontrolle standhalten. In der Rechtsprechung ist seit Langem anerkannt, dass eine vom Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag gestellte Klausel unwirksam ist, nach welcher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Fortbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung auch dann zurückzuerstatten hat, wenn den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer kein angemessener Ausgleich gegenübersteht (st. Rspr., vgl. - Rn. 23 mwN).
33III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:111218.U.9AZR383.18.0
Fundstelle(n):
BB 2019 S. 1203 Nr. 21
DB 2019 S. 7 Nr. 20
DStR 2019 S. 12 Nr. 23
NJW 2019 S. 10 Nr. 23
NWB-Eilnachricht Nr. 26/2019 S. 1879
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2019 S. 648
IAAAH-13824