Ertragsteuerliche Behandlung von Wagniskapitalgesellschaften (Venture Capital und Private Equity Fonds)
Die Einkommensteuer-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden haben Zweifelsfragen zum IV A 6 – S 2240 – 153/03 (BStBl 2004 I S. 40, EStG-Kartei NRW § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG Nr. 15) mit folgendem Ergebnis erörtert:
1. Erteilung verbindlicher Auskünfte
Verbindliche Auskünfte zu Venture Capital und Private Equity Fonds können nach den allgemeinen Grundsätzen erteilt werden. Voraussetzung für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist das Vorliegen eines besonderen steuerlichen Interesses. Ein besonderes steuerliches Interesse ist grds. nur bei Fragestellungen gegeben, die nicht bereits durch das geklärt worden sind.
2. Zweifelsfragen
Haltedauer ( Tz. 14)
Für die Ermittlung der „gewogenen durchschnittlichen Haltedauer, bezogen auf das gesamte Beteiligungskapital” ist ausschließlich auf das Nominalkapital der jeweiligen Beteiligung abzustellen. Auf die detaillierte Entwicklung des Beteiligungskapitals unter Einbeziehung von Kapitalrücklagen, Gewinnmehrungen usw. kommt es daher nicht an. Der Begriff des „gesamten Beteiligungskapitals” ist im formalen Sinn zu verstehen. D. h., dass Darlehen, Mantel- und Optionsschuldverschreibung, typische stille Gesellschaften und Anteilsoptionen nicht zum Beteiligungskapital in diesem Sinne gehören, selbst wenn sie in einer Krise Eigenkapital ersetzenden Charakter hätten.
Soweit von Wagniskapitalgesellschaften den einzelnen Portfolio-Gesellschaften über mehrere Finanzierungsrunden verteilt Kapital zur Verfügung gestellt wird, ist für die Berechnung der Haltedauer vom kumulierten Kapital ohne Berücksichtigung der einzelnen Zahlungszeitpunkte auszugehen. Als Beginn der Haltedauer ist auch bei mehreren Beteiligungserwerben aufgrund aufeinander folgender Finanzierungsrunden insgesamt vom Zeitpunkt des ersten Beteiligungserwerbes auszugehen. Für die Frage des Endes der Haltedauer ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Fonds seine Beteiligung im Wesentlichen veräußert hat. Hiervon ist auszugehen, wenn der Fonds mehr als 90 % der gesamten erworbenen Anteile an einer Portfolio-Gesellschaft veräußert oder übertragen hat.
Unschädliche Wahrnehmung von Aufsichtsratfunktionen ( Tz. 16)
Die unschädliche „Wahrnehmung von Aufsichtsratfunktionen in den gesellschaftsrechtlichen Gremien der Portfolio-Gesellschaft” bestimmt sich unabhängig von der Rechtsform und der Ansässigkeit der Portfolio-Gesellschaften nach dem gesetzlichen Leitbild des Aufsichtsrats einer deutschen Aktiengesellschaft. D. h., auf andere Gesellschaftsformen (z. B. GmbH) und ausländische Portfolio-Gesellschaften werden die Grundsätze, die für den Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft gelten, übertragen.
Die Mitgliedschaft in einem Gremium einer ausländischen Portfolio-Gesellschaft mit geschäftsleitender Funktion, dessen Zuständigkeiten und Kompetenzen die eines Aufsichtsrats nach deutschem Aktienrecht überschreiten, ist im Sinne der Tz. 16 des als schädliches unternehmerisches Tätigwerden zu werten, wenn eine nach dem maßgeblichen ausländischen Recht wirksame Beschränkung des Tätigkeitsumfangs des Fondsvertreters im besagten geschäftsleitenden Gremium nicht möglich oder zulässig ist. Das Vorliegen und die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist vom Fonds auf Verlangen dem Finanzamt gegenüber nachzuweisen.
Unschädliche Zustimmungsvorbehalte ( Tz. 16)
Für die Frage, ob der Geschäftsführung der Portfolio-Gesellschaft noch ein echter Spielraum für unternehmerische Entscheidungen verbleibt, kommt es auf die Umstände des jeweiligen konkreten Einzelfalls an.
Übergangsregelung/Vertrauensschutz ( Tz. 26)
Die Voraussetzungen der Übergangs- und Vertrauensschutzregelung liegen nicht vor, wenn ein Wagniskapitalfonds den Sitz der Fondsverwaltung in ein anderes Bundesland verlegt (mit einer konkret feststellbaren für den Fonds günstigeren Verwaltungspraxis), im bisherigen Sitzland aber keine feststellbare günstigere Verwaltungspraxis gegeben war.
In Nordrhein-Westfalen bestand bis zum Ergehen des keine vom BMF-Schreiben abweichende Verwaltungspraxis, so dass die Regelungen des BMF-Schreibens in allen offenen Fällen anzuwenden sind.
Sollten sich bei Anwendung der vorstehenden Ergebnisse im konkreten Einzelfall Auslegungs- bzw. weitere Zweifelsfragen ergeben, bittet die OFD um Unterrichtung.
Hinweis: Durch das Gesetz zur Förderung von Wagniskapital vom (BStBl 2004 I S. 846) wurde die Besteuerung des sog. „carried interest” bei vermögensverwaltenden Wagniskapitalgesellschaften neu geregelt (§ 3 Nr. 40a, § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die Neuregelungen sind anzuwenden, wenn die Gesellschaft oder Gemeinschaft nach dem gegründet worden ist oder soweit die Vergütungen in Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften stehen, die nach dem erworben worden sind (§ 52 Abs. 4c EStG).
OFD Düsseldorf v. - S 2241 - 60 - St 222 - KS 2241 A - St 112 - D
Fundstelle(n):
IAAAB-68573