BMF - IV C 1 - S 2256/19/10003 :001 BStBl 2022 I S. 668

Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token

Bezug: BStBl 2000 II S. 614

Bezug: BStBl 1988 II S. 1009

Bezug: BStBl 2012 II S. 581

Bezug: BStBl 1994 II S. 591

Bezug: BStBl 2018 II S. 525

Bezug: BStBl 2015 II S. 834

Bezug: BStBl 2015 II S. 835

Bezug: BStBl 2021 II S. 9

I. Erläuterungen

1. Virtuelle Währungen

1In Anlehnung an die Richtlinie (EU) 2018/843 vom zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/948 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU (Amtsblatt der Europäischen Union L 156 vom , S. 43 bis 74) sind virtuelle Währungen im Sinne dieses Schreibens digital dargestellte Werteinheiten, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und damit nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können. Zu den bekanntesten virtuellen Währungen gehören beispielsweise Bitcoin, Ether, Litecoin und Ripple. Die Internetseite https://coinmarketcap.com/de listet weitere Beispiele virtueller Währungen auf.

2. Token

2Die Bezeichnung „Token“ ist ein Oberbegriff für digitale Einheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind, deren Funktionen variieren. Token können als Entgelt für erbrachte Dienstleistungen im Netzwerk oder zentral von einer Projektinitiatorin oder einem Projektinitiator zugeteilt werden. Die Ausgabe von Token beispielsweise im Rahmen eines „Initial Coin Offering“ (ICO, vgl. Randnummer 25) stellt insbesondere für Startups eine alternative Finanzierungsmethode dar.

3Insbesondere die folgenden Kategorien von Token lassen sich unterscheiden:

  • Currency oder Payment Token sind Token, die als Zahlungsmittel eingesetzt werden. Im Weiteren wird für diese Token der Begriff „virtuelle Währung“ verwendet (vgl. Randnummer 1);

  • Utility Token vermitteln bestimmte Nutzungsrechte (z. B. Zugang zu einem gegebenenfalls noch zu schaffenden Netzwerk) oder einen Anspruch darauf, die Token gegen eine bestimmte, gegebenenfalls noch zu schaffende Ware oder Dienstleistung einzutauschen. Utility Token können auch Stimmrechte zur Änderung der Software und damit der Funktionalität der Ware oder der Dienstleistung vermitteln;

  • Security Token sind Token, die mit herkömmlichen Wertpapieren nach Artikel 4 Absatz 1 Nummer 44 der Richtlinie 2014/65/EU („MiFID II”) vergleichbar sind, insbesondere konventionelle Schuldtitel und Eigenkapitalinstrumente. Zu unterscheiden sind:

    • Equity Token, die Beteiligungs- und/oder Dividendenrechte vermitteln (z. B. Aktien) und

    • Debt Token, die einen Anspruch auf Rückzahlung des investierten Betrags beinhalten, gegebenenfalls zuzüglich Zinsen, wie dies beispielsweise bei Darlehen oder Genussrechten der Fall ist.

4Token können auch eine Kombination aus den zuvor beschriebenen Kategorien beinhalten (hybride Token). Aufsichtsrechtlich werden für Token die Begriffe Kryptowert und Kryptowertpapier verwendet. Für die ertragsteuerrechtliche Einordnung ist jeder Token unabhängig von seiner Bezeichnung zu würdigen. So wäre beispielsweise ein Utility Token, der zusätzlich die Funktion eines Zahlungsmittels hat, bei der Verwendung als Zahlungsmittel ertragsteuerrechtlich wie eine virtuelle Währung zu behandeln.

5Während virtuelle Währungen regelmäßig auf einer eigenen Blockchain basieren, nutzen Utility Token und Security Token bereits bestehende Blockchains als Basis (vgl. Randnummer 6).

3. Blockchain

6Eine Blockchain ist eine in der Regel keiner zentralen Kontrolle unterliegende Datenbank mit mehreren Beteiligten, die die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) verwendet. Ein Distributed Ledger ist ein Informationsspeicher, der über eine Reihe von DLT-Knoten („Nodes“, z. B. ein an das Internet angeschlossener Computer) gemeinsam genutzt und zwischen den DLT-Knoten über einen Konsensmechanismus synchronisiert wird. Er ist so konzipiert, dass die Einträge manipulationssicher und unveränderbar sind und nur Hinzufügungen erlauben. Im Kontext einer virtuellen Währung ist eine Blockchain eine dezentrale Datenbank auf der Grundlage der DLT, in der alle bestätigten Transaktionen festgehalten werden, vergleichbar mit einem dezentral geführten Kassenbuch. Diese Transaktionsdaten werden in Blöcken mit fortzuschreibender Nummerierung zusammengefasst, vergleichbar einer Kette, an deren Ende fortwährend neue Blöcke hinzugefügt werden. Der Block, mit dem die Blockchain beginnt, wird als Genesisblock oder Block 0 bezeichnet. Jeder Block enthält mit dem sogenannten Hash-Wert eine lange kryptografische Zeichenfolge, die sich aus dem Inhalt seines Vorgängerblocks errechnet. In die Berechnung fließt also auch der Hash-Wert des Vorgängerblocks ein, der seinerseits aus dem davorliegenden Block errechnet wurde. Dies hat zur Folge, dass eine spätere Veränderung eines in die Berechnung eingeflossenen Werts (beispielsweise einer in einem Block aufgeführten Transaktion) dazu führt, dass die Hash-Werte nicht mehr mit denen der unverfälschten Blockchain übereinstimmen und die Manipulation für jeden sichtbar wird.

4. Erwerb von Einheiten einer virtuellen Währung im Rahmen der Blockerstellung

7Bei vielen Blockchains wird für das Zusammenführen von Transaktionen in neuen Blöcken und das Anfügen derselben an die Blockchain eine Gegenleistung in Form von neu ausgeschütteten Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token (Block reward, Blockbelohnung) gewährt, die üblicherweise über sogenannte Coinbase-Transaktionen übertragen wird. In diesen Fällen ist die erste Transaktion eines Blocks zugunsten der oder des Blockerstellenden vorformuliert. Regelmäßig vereinnahmen die Blockerstellenden zudem Transaktionsgebühren für in den Block aufgenommene Transaktionen.

8Für das Anhängen eines neuen Blocks gibt es unterschiedliche Verfahren. Derzeit am weitesten verbreitet sind Proof of Work, in Anlehnung an das Goldschürfen Mining genannt, und Proof of Stake. Proof of Stake wird in Abgrenzung zum Mining auch als Forging oder Minting bezeichnet, das heißt als Schmieden oder Prägen, zum Teil auch generalisierend als Staking. Die Blockerstellenden werden beim Proof of Stake Forger oder Validatoren genannt. Das vorliegende Schreiben nutzt für den Fall der Blockerstellung durch Proof of Stake den Begriff des Forging.

a) Proof of Work (Mining)

9Beim sogenannten Proof of Work ist zur Blockerstellung berechtigt, wer zuerst durch Ausprobieren eine Zufallszahl (sogenannte Nonce, „number that can only be used once“) findet, aus der sich zusammen mit den für den Block ausgewählten Transaktionen und dem Hash-Wert des Vorgängerblocks ein Hash-Wert ergibt, der mit einer bestimmten Anzahl von Nullen beginnt. Durch die Festlegung, mit wie vielen Nullen der Hash-Wert anfängt, lassen sich die Schwierigkeit und damit auch die Dauer der Suche steuern.

10Aufgrund der Rechnerleistung, die benötigt wird, um durch Ausprobieren verschiedener Zufallszahlen eine Nonce zu finden, schließen sich die als Miner bezeichneten Blockerstellenden oftmals in Pools zusammen. Sie leisten anteilig ihren Beitrag an der erforderlichen Rechnerleistung, indem sie innerhalb der Spanne der ihnen zugewiesenen möglichen Nonces versuchen, einen Hash-Wert zu finden (Mining-Pool). Werden in einem Mining-Pool Einheiten einer virtuellen Währung erzeugt, werden diese entsprechend eines festgelegten Schlüssels auf die beteiligten Miner verteilt. Die Betreiberinnen und Betreiber des Mining-Pools übernehmen eine koordinierende Rolle.

11Daneben betreiben Cloud Mining-Dienste sogenannte Serverfarmen, die auf Mining spezialisiert sind. Sie verkaufen oder vermieten Anteile ihrer Kapazitäten an Personen, die diese dann zum Mining nutzen.

b) Proof of Stake (Forging)

12Beim sogenannten Proof of Stake erfolgt die Auswahl der oder des nächsten Blockerstellenden in der Regel über eine gewichtete Zufallsauswahl. Die Chance, einen Block an die Blockchain anfügen zu dürfen und die Blockbelohnung nebst Transaktionsgebühren zu vereinnahmen, steigt je nach Ausgestaltung z. B. mit der Teilnahmedauer und/oder Zahl der eingesetzten Einheiten einer virtuellen Währung (dem „Stake“). Beim Stake handelt es sich um eine Anzahl von Einheiten einer virtuellen Währung, die die Inhaberinnen und Inhaber für einen bestimmten Zeitraum sperren, sodass sie in der Regel nicht auf sie zugreifen können, und mit denen die Blockerstellenden gegenüber dem Netzwerk nachweisen, Interesse an einer ordnungsgemäßen Blockerstellung zu haben. Werden bei der Blockerstellung Fehler gemacht oder Manipulationen vorgenommen, können die als Stake eingesetzten Einheiten einer virtuellen Währung je nach Ausgestaltung des Protokolls gegebenenfalls eingezogen oder gelöscht werden.

5. Staking und die Unterscheidung zur Blockerstellung mittels Proof of Stake (Forging)

13Nach der Grundidee des Proof of Stake nutzen die Blockerstellenden (Forger, auch Validatoren genannt) nur ihre eigenen Einheiten einer virtuellen Währung als Stake. Vielfach stellen aber auch Personen Einheiten einer virtuellen Währung für einen Stake bereit, ohne selbst als Forger an der Blockerstellung beteiligt zu sein. In der Regel geschieht dies über die Teilnahme an sogenannten Staking-Pools, die als solche bereits im jeweiligen Blockchain-Protokoll vorgesehen sind. Die Einheiten einer virtuellen Währung werden dabei gesperrt, aber nicht übertragen. Ein Staking-Pool hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, als nächster Forger ausgewählt zu werden. Die Teilnehmenden erhalten eine Vergütung von den Forgern, die die Blockbelohnung und die Transaktionsgebühren vereinnahmen. Auch einige Handelsplattformbetreiber wie beispielsweise Kraken und Coinbase bieten die Möglichkeit der Teilnahme an einem Staking-Pool (Plattform-Staking). In der Praxis wird teilweise nicht zwischen der Tätigkeit der Forger und der bloßen Bereitstellung eines Stakes ohne Übernahme der Blockerstellung unterschieden und für beide Vorgänge generalisierend der Begriff des Stakings verwendet. Das vorliegende Schreiben nutzt Staking demgegenüber nur für die Bereitstellung eines Stakes ohne Übernahme der Blockerstellung.

6. Masternode

14Jedes Blockchain-Netzwerk besteht aus unterschiedlichen Nodes (vgl. Randnummer 6), welche die Funktionen des Netzwerks übernehmen, etwa die Speicherung einer vollständigen Kopie einer Blockchain oder die Blockerstellung. Eine Masternode hat darüber hinausgehende zusätzliche Aufgaben wie das Verarbeiten von anonymen und vertraulichen Transaktionen oder von Sofort-Transaktionen. Zudem sind Betreiberinnen und Betreiber einer Masternode oft berechtigt, an Entscheidungsprozessen zu Regelungen für den Aufbau und die Ablauforganisation von Blockchains (Governance) teilzunehmen und Stimmrechte auszuüben. Welche Aufgaben und Stimmrechte eine Masternode vermittelt, kann je nach virtueller Währung sehr unterschiedlich ausfallen und hängt vom jeweiligen Protokoll ab.

15Abhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Blockchain wird der Betrieb der Masternode auch vergütet. Um eine Masternode zu betreiben, muss in den meisten Fällen eine bestimmte Anzahl von Einheiten einer virtuellen Währung an sie gekoppelt werden. Werden die Einheiten einer virtuellen Währung von der Masternode gelöst, verliert diese ihre Funktion und die Betreiberinnen und Betreiber das Recht auf eine Vergütung.

7. Wallets, Schlüssel und Transaktionen

16Für das Empfangen, Halten und Transferieren von Einheiten einer virtuellen Währung wird in der Regel eine Wallet benötigt. Dies gilt abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung auch für sonstige Token.

17Wörtlich übersetzt bedeutet Wallet Geldbörse oder Brieftasche. Eine genauere Übersetzung wäre jedoch Schlüsselbund. In der Wallet selbst werden keine Einheiten virtueller Währungen oder sonstigen Token gehalten, diese verbleiben stets in der Blockchain. Vielmehr handelt es sich um eine Anwendung zum Erzeugen, Verwalten und Speichern privater und öffentlicher Schlüssel.

18Der öffentliche Schlüssel dient der Zuordnung der Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token in der zugrundeliegenden Blockchain. Er ist mit einer Kontonummer oder E-Mail-Adresse vergleichbar und fungiert insbesondere als Empfangsadresse für Transaktionen. Bei einer öffentlichen Blockchain kann im Normalfall jeder die Zahl der einem bestimmten öffentlichen Schlüssel zugeordneten Einheiten virtueller Währungen und sonstigen Token und alle über diesen Schlüssel durchgeführten Transaktionen einsehen. Der private Schlüssel ist nur den Inhaberinnen und Inhabern bekannt. Er dient als Passwort beziehungsweise der Erzeugung digitaler Unterschriften für Transaktionen (vgl. Randnummer 21). Zu jedem privaten Schlüssel kann es mehrere öffentliche Schlüssel geben.

19Die Zahl der Wallets einer Person ist nicht beschränkt. In der Regel wird für jede virtuelle Währung eine eigene Wallet benötigt, da die öffentlichen Schlüssel abhängig von der zugrundeliegenden Blockchain sind. Die Wallet wird auf dem Rechner als Softwareanwendung (Software Wallet) installiert oder steht als sogenannte Hardware Wallet wie eine externe Festplatte oder ein USB-Stick zur Verfügung. Darüber hinaus kann eine Wallet durch einen Ausdruck auf Papier (Paper Wallet) erzeugt werden. Es kann auch auf Online-Angebote zurückgegriffen werden, bei denen die Wallet über den Browser aufgerufen wird. In diesen Fällen verwahren teilweise die Anbieter die öffentlichen und privaten Schlüssel, in einigen Fällen wird zudem abweichend von der obigen Darstellung eine gemeinsame Wallet für eine Vielzahl von Personen genutzt.

20Mit Hilfe einer Software Wallet oder eines Block Explorers – einer Art Suchmaschine für Blockchains – können die vergangenen Transaktionen verfolgt werden. Allerdings muss der gespeicherte Zu- und Abgang der Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token nicht mit dem ertragsteuerrechtlich relevanten Anschaffungs- oder Veräußerungszeitpunkt übereinstimmen. Hintergrund ist, dass die Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token inzwischen regelmäßig über Plattformen wie Coinbase gehandelt werden. Hierbei werden Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token zum personalisierten Account einer Handelsplattform transferiert und erst zu einem der Veräußerung beziehungsweise Anschaffung über die Plattform nachgehenden Zeitpunkt zurück in die eigene Wallet gebucht. Für den Anschaffungs- oder Veräußerungszeitpunkt ist dann der Handel über die Plattform ausschlaggebend. Das Gleiche gilt, wenn Steuerpflichtige keine eigene Wallet besitzen, sondern die Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token von der Handelsplattform verwahrt werden.

21Im Rahmen einer Transaktion wird zunächst eine Dateneinheit erstellt, die den Hash-Wert des öffentlichen Schlüssels der Empfängerin oder des Empfängers, einen Hash-Wert über die Dateneinheit der vorherigen Transaktion(en) und eine mit dem privaten Schlüssel erzeugte Signatur über beide Hash-Werte enthält. Die so generierte Transaktion wird anschließend an einen (Speicher-)Pool gesendet. Personen, die eine Node (vgl. Randnummer 6) mit Blockerstellungsfunktion betreiben, entnehmen von dort die Transaktionsdaten, überprüfen anhand der Signatur die Ordnungsmäßigkeit der Transaktion und fügen sie dann mit einem neuen Block an die Blockchain an, wodurch die Transaktion wirksam wird. Will die Empfängerin oder der Empfänger die Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token weiter übertragen, ist hierfür eine weitere mit einem privaten Schlüssel bestätigte Transaktion erforderlich.

22Einheiten virtueller Währungen und sonstige Token werden auch direkt über Handelsplattformen gehandelt, sodass die dargestellten Vorgänge automatisiert ablaufen. Ein praktischer Anwendungsfall liegt in der Nutzung von Debit-Kreditkarten, für deren Nutzung Steuerpflichtige Einheiten einer virtuellen Währung bereitstellen und auf diese Weise für Zahlungen mit der Kreditkarte nutzen können – das Kreditkartenunternehmen tauscht die Einheiten einer virtuellen Währung in Euro und wickelt die Kaufpreiszahlung ab.

8. Bestandsermittlung (UTXO, Accounting)

23Für die Ermittlung des Bestandes an Einheiten einer virtuellen Währung in einer Wallet werden insbesondere zwei Methoden eingesetzt. Bei Bitcoin und einigen anderen virtuellen Währungen (insbesondere Cardano) wird der Bestand als die Summe der „Unspent Transaction Output“ (UTXO) erfasst. Dabei werden die Einnahmen (Inputs) und die Ausgaben (Outputs) gegenübergestellt. Für jeden Input und Output werden Werteinheiten (Coins) gebildet. Wenn nur Teile eines Coins veräußert werden, fließt der verbleibende Teil als „Wechselgeld“ (oder „Change Output“) in die eigene Wallet zurück.

Beispiel:

A hat in einer ersten Transaktion 0,01 Bitcoin und einer weiteren Transaktion 0,02 Bitcoin angeschafft. Der Bestand an Unspent Transaction Outputs (UTXOs) beträgt 0,03 Bitcoin. Nun veräußert A 0,025 Bitcoin an B. Zur Abwicklung sind drei Outputs erforderlich:

(1) Output in Höhe von 0,025 Bitcoin an die Wallet von B

(2) Output in Höhe von 0,001 Bitcoin als Transaktionsgebühr

(3) Output des verbleibenden Bestandes („Wechselgeld“) in Höhe von 0,004 Bitcoin zurück in die Wallet von A

24Die zweite Methode der Bestandsermittlung, die beispielsweise bei Ether, EOS und Tron eingesetzt wird, basiert – ähnlich wie bei einem Bankkonto – auf der Buchung von Ein- und Ausgängen in einem Bestandskonto (Accounting), so dass sich der Bestand fortwährend aus Bestandsmehrungen oder Bestandsminderungen errechnet.

9. Initial Coin Offering (ICO)

25Der Begriff Initial Coin Offering (ICO) orientiert sich an dem englischen Begriff Initial Public Offering (IPO). Unter IPO ist ein Börsengang zu verstehen, bei dem Aktien aus dem Bestand oder aus einer Kapitalerhöhung auf dem Kapitalmarkt angeboten werden. Während bei einer solchen Erstplatzierung jedoch Aktien verkauft werden, geht es bei einem ICO um die Ausgabe von Token im Tausch gegen Einheiten einer virtuellen oder staatlichen Währung. Beim ICO wird wie beim Börsengang Kapital eingesammelt.

10. Lending

26Beim Lending werden Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token gegen eine Vergütung zur Nutzung überlassen.

11. Fork (Hard Fork)

27Fork bedeutet Gabelung oder Aufspaltung einer Blockchain, auf der eine virtuelle Währung basiert. Im ertragsteuerrechtlichen Bereich ist vorrangig die sogenannte Hard Fork relevant. Virtuelle Währungen beruhen maßgeblich auf der „Open-Source-Idee“. Das heißt, der Quellcode der virtuellen Währung wird veröffentlicht und ist kostenfrei nutz- und veränderbar. Dadurch kann der Quellcode von jedermann eingesehen, heruntergeladen und verändert werden und sich im weiteren Verlauf in eine Richtung entwickeln, welche zwar die ursprünglichen Entwicklerinnen und Entwickler der virtuellen Währung nicht unterstützen möchten, welche aber inzwischen von einer Mehrheit oder zumindest einer relevanten Minderheit favorisiert wird. Es können sich damit innerhalb des Netzwerks Meinungsverschiedenheiten zur weiteren Ausgestaltung der Blockchain herausbilden, die – dem Open-Source-Prinzip folgend – nur im Konsens gelöst werden können. Kann kein Konsens gefunden werden, führt dies zur Aufspaltung der Blockchain. Auf diese Weise entsteht eine zusätzliche Version der virtuellen Währung, die neben der ursprünglichen Version koexistiert. Die Blockchains der beiden virtuellen Währungen entwickeln sich nach der Spaltung getrennt weiter. Im Zuge der Spaltung erlangen die Inhaberinnen und Inhaber von Einheiten der vor der Hard Fork existierenden virtuellen Währung zu ihren Einheiten dieser virtuellen Währung die gleiche Anzahl von Einheiten der neuen virtuellen Währung, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen.

28Auch bei einer sogenannten Soft Fork wird die der jeweiligen virtuellen Währung zugrundeliegenden Blockchain weiterentwickelt. Da in diesen Fällen jedoch alle Nodes weiterhin alle Blöcke verarbeiten können, kommt es zu keiner Spaltung der virtuellen Währung.

12. Airdrop

29Bei einem Airdrop werden Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token „unentgeltlich“ verteilt. In der Regel handelt es sich dabei um Marketing-Aktionen, deren Ausgestaltung unterschiedlich sein kann. Mit einem Airdrop kann z. B. die Auflage verbunden sein, dass die Teilnehmenden mehrere Online-Formulare ausfüllen müssen. Auf diese Weise können Kundendaten gesammelt werden. Für andere Airdrops wird gefordert, das Projekt in sozialen Netzwerken zu bewerben. Bei größeren Airdrops erhält mitunter nur ein Teil der die Bedingungen erfüllenden Teilnehmenden die zu verteilenden Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token, etwa aufgrund einer Zufallsauswahl. Ein Airdrop kann allerdings auch dergestalt stattfinden, dass gänzlich ohne Zutun der Inhaberin oder des Inhabers eines öffentlichen Schlüssels (vgl. Randnummer 18) an diesen Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token übertragen werden.

II. Ertragsteuerrechtliche Einordnung

30Tätigkeiten im Zusammenhang mit Einheiten einer virtuellen Währung und mit sonstigen Token können, je nach den Umständen des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der nachfolgenden Ausführungen, zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (§ 2 Absatz 1 Satz 1 EinkommensteuergesetzEStG) führen. In Betracht kommen insbesondere Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 EStG) oder sonstige Einkünfte (§ 22 Nummer 3 EStG).

1. Die Wirtschaftsgutqualität virtueller Währungen und sonstiger Token

31Die einzelnen Einheiten virtueller Währungen und sonstigen Token sind Wirtschaftsgüter. Sie vermitteln die Möglichkeit, die dem eigenen öffentlichen Schlüssel zugewiesenen vermögenswerten Vorteile einem anderen öffentlichen Schlüssel zuzuweisen. Anhand ihres regelmäßig über Börsen (z. B. Börse Stuttgart Digital Exchange), Handelsplattformen (z. B. Kraken, Coinbase und Bitpanda) und Listen (z. B. https://coinmarketcap.com/de) ermittelbaren Marktpreises sind sie einer selbständigen Bewertung zugänglich.

32Wirtschaftsgüter sind dem Eigentümer zuzurechnen. Wirtschaftlicher Eigentümer ist, wer Transaktionen initiieren und damit über die Zuordnung der Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token zu öffentlichen Schlüsseln „verfügen“ kann. Dies ist regelmäßig die Inhaberin oder der Inhaber des privaten Schlüssels. Es ist für die Zurechnung an den wirtschaftlichen Eigentümer jedoch unschädlich, wenn Transaktionen über Plattformen initiiert werden, die private Schlüssel verwalten oder auf seine Anweisung hin einsetzen (vgl. Randnummer 19).

2. Einkünfte im Zusammenhang mit der Blockerstellung mittels Proof of Work (Mining) und Proof of Stake (Forging)

33Mining und Forging stellen Anschaffungsvorgänge dar. Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bestehenden oder bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von Dritten; Herstellen ist dagegen das Schaffen oder Schaffenlassen eines noch nicht existierenden Wirtschaftsguts (BFH-Urteil vom , IX R 73/98, BStBl 2000 II S. 614 und vom , III R 53/84, BStBl 1988 II S. 1009). Die für die Blockerstellung an Blockerstellende ausgeschütteten Einheiten einer virtuellen Währung werden zwar im Zuge der Blockerstellung erstmalig in Verkehr gebracht, sämtliche Einheiten der virtuellen Währung sind aber bereits mit der Schaffung des Genesisblocks einer Blockchain angelegt. Blockerstellende haben keinen Einfluss auf die Eigenschaften der freiwerdenden neuen Einheiten virtueller Währungen. Damit ist die Blockerstellung vom Fall des Emittenten beim ICO abzugrenzen, der über die Ausgestaltung der zu verteilenden Token bestimmt und sie daher auch herstellt. Die Gesamtheit der Personen, die Rechte an der Blockchain haben, gewährt die freigegebenen Einheiten im Tausch für die Dienstleistung der Blockerstellenden. Auch die Transaktionsgebühren werden im Tausch für die Dienstleistung der Blockerstellenden geleistet. In beiden Fällen handelt es sich somit um einen entgeltlichen Erwerb von Dritten.

34Mining und Forging können je nach den Umständen des Einzelfalls eine private oder eine gewerbliche Tätigkeit sein. Zu den Einnahmen gehören sowohl die Blockbelohnung als auch die erhaltenen Transaktionsgebühren.

a) Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG

35Sind die Einkünfte aus der Blockerstellung nicht bereits kraft Rechtsform als solche aus Gewerbebetrieb einzuordnen, hängt die Einordnung als gewerbliche Tätigkeit davon ab, ob die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 15 Absatz 2 EStG vorliegen.

36Die Blockerstellung ist nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist (vgl. H 15.2 (Wiederholungsabsicht) Amtliches Einkommensteuer-Handbuch (EStH) 2021).

37Sie muss auf Dauer dazu geeignet sein, aus dieser Tätigkeit einen Gewinn zu erzielen (vgl. H 15.3 (Totalgewinn) EStH 2021).

38Die Blockerstellenden nehmen bereits dadurch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, indem sie den Netzwerkteilnehmenden ihre Rechnerleistung für die Verifikation der Transaktionsdaten und deren Aufnahme in einen neu zu erstellenden Block der Blockchain zur Verfügung stellen. Dass das Entgelt von der erfolgreichen Erstellung des Blocks abhängt, steht einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht entgegen.

39Die Blockerstellung stellt keine private Vermögensverwaltung dar. Sowohl beim Mining als auch beim Forging erhalten die Blockerstellenden die Blockbelohnung und die Transaktionsgebühren im Tausch für die Erstellung neuer Blöcke. Die Tätigkeit entspricht damit dem Bild eines Dienstleisters.

40Bei der Blockerstellung über einen Mining-Pool kann je nach vertraglicher Gestaltung im Einzelfall auf Ebene des Mining-Pools eine Mitunternehmerschaft vorliegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Annahme einer Mitunternehmerschaft (vgl. H 15.8 (1) (Allgemeines) EStH 2021). Eine Mitunternehmerschaft liegt jedenfalls nicht vor, wenn den Betreiberinnen und Betreibern des Mining-Pools von einzelnen Minern lediglich Rechnerleistung gegen Entgelt im Rahmen eines Dienstleistungsverhältnisses zur Verfügung gestellt wird. Ein Staking-Pool stellt regelmäßig keine Mitunternehmerschaft dar.

aa) Betriebsvermögensvergleich
aaa) Wirtschaftsgut

41Zur Wirtschaftsgutqualität virtueller Währungen und sonstiger Token vgl. Randnummer 31. Einheiten einer virtuellen Währung sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter materieller Art, die nach den allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Sie sind bei Zuordnung zum Anlagevermögen unter Finanzanlagen im Sinne des § 266 Absatz 2 A. III. Handelsgesetzbuch (HGB) und bei Zuordnung zum Umlaufvermögen unter sonstige Vermögensgegenstände im Sinne des § 266 Absatz 2 B. II. 4. HGB auszuweisen.

bbb) Zugangsbewertung

42Die für die Blockerstellung sowie als Transaktionsgebühr zugeteilten Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token werden angeschafft (tauschähnlicher Vorgang, vgl. auch Randnummer 33).

43Die Anschaffungskosten entsprechen dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung der Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token (Ableitung aus § 6 Absatz 6 Satz 1 EStG). Wenn ein Börsenkurs vorhanden ist, ist dieser als Marktkurs zu Grunde zu legen. Bei fehlenden Börsenkursen kann ein Kurs von einer Handelsplattform (z. B. Kraken, Coinbase und Bitpanda) oder einer webbasierten Liste (z. B. https://coinmarketcap.com/de) angesetzt werden.

bb) Einnahmenüberschussrechnung

44Bei Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Absatz 3 EStG führt der Zugang von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token im Rahmen eines tauschähnlichen Vorgangs zu Betriebseinnahmen. Einheiten einer virtuellen Währung sind als mit Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte als Wirtschaftsgüter im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 4 EStG anzusehen, deren Anschaffungskosten (§ 6 Absatz 6 EStG, vgl. Randnummer 43) erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahmen im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben abzuziehen sind. Die Wirtschaftsgüter sind in die laufend zu führenden Verzeichnisse nach § 4 Absatz 3 Satz 5 EStG aufzunehmen.

b) Sonstige Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG

45Einkünfte aus der Blockerstellung, die keiner anderen Einkunftsart zugerechnet werden können, sind als Leistung nach § 22 Nummer 3 EStG steuerbar. Das kann z. B. der Fall sein, wenn mangels Nachhaltigkeit keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Absatz 2 EStG vorliegt (vgl. Randnummer 36). Sie sind nicht einkommensteuerpflichtig, wenn sie zusammen mit anderen Einkünften aus Leistungen weniger als 256 € im Kalenderjahr betragen haben (§ 22 Nummer 3 Satz 2 EStG).

46Als Leistung kommt jedes wie auch immer geartete aktive, passive oder nichtwirtschaftliche Verhalten der Steuerpflichtigen in Betracht. Bei der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ist kein synallagmatisches (gegenseitiges) Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich. Die Leistenden (hier: die Blockerstellenden) müssen nicht bereits beim Erbringen ihrer Leistung eine Gegenleistung erwarten. Ausreichend ist vielmehr, dass sie eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit ihrem Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) gewährte (Gegen-)Leistung als solche annehmen. Auf diese Weise ordnen sie ihr Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu (BFH-Urteil vom , IX R 6/10, BStBl 2012 II S. 581). Insoweit ist nicht zwischen der Blockbelohnung und den Transaktionsgebühren zu unterscheiden. Dies gilt auch bei der Teilnahme an Mining- und Staking-Pools und bei einer Beteiligung an einem Cloud-Mining-Dienst.

47Die im Wege der Blockerstellung erlangten Einheiten einer virtuellen Währung sind nach § 8 Absatz 2 Satz 1 EStG mit dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43). Als Werbungskosten können beispielsweise Aufwendungen für den Erwerb der erforderlichen Hard- und Software (gegebenenfalls in Form von Absetzungen für Abnutzung) sowie für den Stromverbrauch berücksichtigt werden.

3. Einkünfte aus der Verwendung von Einheiten einer virtuellen Währung für Staking

48Einnahmen aus Staking im hier verwandten Begriffsverständnis der Bereitstellung eines Stakes ohne selbst als Forger an der Blockerstellung beteiligt zu sein (Teilnahme an einem Staking-Pool, Plattform-Staking) unterliegen in der Regel als der privaten Vermögensverwaltung unterfallende Fruchtziehung der Besteuerung nach § 22 Nummer 3 EStG. Die Steuerpflichtigen erhalten im Tausch für ihre Leistung (temporärer Verzicht auf die Nutzung der Einheiten einer virtuellen Währung) eine Gegenleistung in Form von zusätzlichen Einheiten einer virtuellen Währung (vgl. Randnummer 46). Die erlangten Einheiten einer virtuellen Währung sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43).

49Soweit die gesperrten Einheiten einer virtuellen Währung zum Betriebsvermögen gehören, stellen die Gegenleistungen Betriebseinnahmen dar. Die für das Staking erhaltenen Einheiten der virtuellen Währung sind im Zeitpunkt des Zugangs mit dem Marktkurs (gewinnerhöhend) zu aktivieren (vgl. Randnummer 43).

4. Einkünfte aus dem Betrieb einer Masternode

50Soweit Steuerpflichtige Erträge aus einer Master- oder sonstigen Node erzielen, gelten die Ausführungen zur Blockerstellung im Wege des Proof of Stake der Randnummern 33 bis 39 entsprechend.

5. Einkünfte aus der Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

51Sind die Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token Betriebsvermögen, sind die Veräußerungserlöse Betriebseinnahmen. Aufgrund des Rückwärtsbezugs jedes Transaktionsoutputs ist eine Zuordnung und Identifizierung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token in der Regel bis hin zu deren Ursprungstransaktion (Coinbase-Transaktion) möglich. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns sind die individuellen – gegebenenfalls fortgeführten – Anschaffungskosten der veräußerten Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token abzuziehen. Davon kann abgewichen werden, wenn die individuellen Anschaffungskosten im Einzelfall nicht ermittelt und individuell zugeordnet werden können. In diesem Fall können diese mit den durchschnittlichen Anschaffungskosten bewertet werden.

52Werden Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token wiederholt angekauft und verkauft (einschließlich des Tausches in Einheiten anderer virtueller Währungen oder sonstige Token), kann ein solcher Handel eine gewerbliche Tätigkeit darstellen. Für die Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung können die Kriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel herangezogen werden (vgl. H 15.7 (9) (An- und Verkauf von Wertpapieren) EStH 2021).

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

53Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token sind ein „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG (vgl. Randnummer 31). Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token können daher Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG darstellen, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt (für die ertragsteuerrechtlichen Besonderheiten von Utility und Security Token vgl. Randnummern 77 ff.). Die Einkünfteerzielungsabsicht ist dabei nicht zu prüfen, da sie bereits aufgrund der Veräußerung innerhalb der Frist objektiviert vorliegt. Die Gewinne bleiben jedoch nach § 23 Absatz 3 Satz 5 EStG steuerfrei, wenn die Summe der aus sämtlichen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne (Gesamtgewinn) weniger als 600 € beträgt.

54Erforderlich sind ein Anschaffungs- und ein Veräußerungsvorgang. Unter einer Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb von Dritten zu verstehen. Dies umfasst insbesondere die im Zusammenhang mit der Blockerstellung (vgl. Randnummer 42) und gegebenenfalls die durch einen ICO oder Airdrop (vgl. Randnummer 75) erlangten Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token. Entgeltlich erworben sind zudem alle Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token, die Steuerpflichtige im Tausch gegen Einheiten einer staatlichen Währung (z. B. Euro), Waren oder Dienstleistungen sowie gegen Einheiten einer anderen virtuellen Währung und sonstige Token erworben haben, sowie die durch Lending und Staking erlangten Einheiten einer virtuellen Währung und gegebenenfalls sonstigen Token. Spiegelbildlich zur Anschaffung stellt die entgeltliche Übertragung des angeschafften Wirtschaftsguts auf Dritte eine Veräußerung dar. Der Tausch von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token in Einheiten einer staatlichen Währung (z. B. Euro), Waren oder Dienstleistungen sowie in Einheiten einer anderen virtuellen Währung und sonstige Token führt demgemäß zu einer Veräußerung.

55Die Veräußerungsfristen des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG beginnen nach jedem Tausch neu. Für die Ermittlung der Jahresfrist ist bei einer Anschaffung oder Veräußerung über eine Handelsplattform auf die dort aufgezeichneten Zeitpunkte abzustellen. Bei einem Direkterwerb oder einer Direktveräußerung ohne Zwischenschaltung von Intermediären ist aus Vereinfachungsgründen in der Regel auf die Zeitpunkte abzustellen, die sich aus der Wallet ergeben. Soll für die Frage, ob die Jahresfrist überschritten ist, das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft maßgebend sein, müssen die Steuerpflichtigen den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch geeignete Unterlagen nachweisen.

56Wenn Steuerpflichtige Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token veräußern, deren Bestand nach dem UTXO-Modell ermittelt wird, und bei denen für einen nicht veräußerten Teilbetrag „Wechselgeld“ (oder „Change Output“) in die eigene Wallet zurück-fließt (vgl. Beispiel in Randnummer 23), werden für diesen Teilbetrag für steuerliche Zwecke die ursprünglichen Anschaffungsdaten des veräußerten Coins fortgeführt.

aa) Ermittlung des Veräußerungsgewinns

57Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token ermittelt sich aus dem Veräußerungserlös abzüglich der Anschaffungs- und der Werbungskosten.

58Als Veräußerungserlös ist bei einer Veräußerung in Euro das vereinbarte Entgelt zu berücksichtigen. Werden Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token gegen Einheiten einer anderen virtuellen Währung und sonstige Token getauscht, ist als Veräußerungserlös der hingegebenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token der Marktkurs der erlangten Einheiten der anderen virtuellen Währung oder sonstigen Token am Tauschtag anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43). Kann ein Marktkurs der erlangten Einheiten nicht ermittelt werden, wird es nicht beanstandet, wenn stattdessen der Marktkurs der hingegebenen Einheiten angesetzt wird.

59Der Marktkurs der hingegebenen Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token – zuzüglich eventuell gezahlter Anschaffungsnebenkosten – stellt zugleich die Anschaffungskosten der erhaltenen Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token am Tauschtag dar. Die im Zusammenhang mit der Veräußerung aufgewendeten Transaktionsgebühren sind als Werbungskosten zu berücksichtigen.

60Werden Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token im Tausch gegen eine Dienstleistung oder eine Ware hingegeben, ist als Veräußerungserlös der hingegebenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token das in Euro vereinbarte Entgelt anzusetzen. Wurde ein Entgelt nicht ausdrücklich beziffert, ist als Veräußerungserlös der Marktkurs der hingegebenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token anzusetzen.

bb) Verwendungsreihenfolge

61Für die Bestimmung der Verwendungsreihenfolge der veräußerten Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung (vgl. Randnummer 51). Ist eine Einzelbetrachtung nicht möglich, gelten für die Zwecke der Haltefrist die zuerst angeschafften Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token als veräußert und ist für die Wertermittlung die Durchschnittsmethode anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom , X R 49/90, BStBl II 1994 S. 591). Aus Vereinfachungsgründen kann für die Zwecke der Wertermittlung unterstellt werden, dass die zuerst angeschafften Token zuerst veräußert wurden (First in First out, FiFo).

62Es gilt eine walletbezogene Betrachtung. Die gewählte Methode ist bis zur vollständigen Veräußerung der Einheiten einer virtuellen Währung oder einer bestimmten Art sonstiger Token in dieser Wallet beizubehalten. Nach einer vollständigen Veräußerung der Einheiten einer virtuellen Währung oder einer bestimmten Art sonstiger Token in dieser Wallet und anschließendem Neuerwerb von Einheiten dieser virtuellen Währung oder dieser sonstigen Token kann die Methode gewechselt werden. Beim Halten von Einheiten mehrerer virtueller Währungen oder mehrerer Arten sonstiger Token besteht für jede virtuelle Währung und jede Art sonstiger Token in einer Wallet ein gesondertes Wahlrecht.

cc) Keine Verlängerung der Veräußerungsfrist auf zehn Jahre

63Bei virtuellen Währungen kommt die Verlängerung der Veräußerungsfrist nach § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 4 EStG nicht zur Anwendung.

6. Einkünfte aus der Verwendung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token für Lending

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

64Erträge aus der Überlassung von dem Betriebsvermögen zuzuordnenden Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token stellen Betriebseinnahmen dar. Für die Nutzungsüberlassung erhaltene Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token werden angeschafft und sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Zuflusses zu bewerten (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43). Bei einer Veräußerung wird entweder ein Gewinn oder ein Verlust realisiert. Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

65Einkünfte aus dem Lending sind gemäß § 22 Nummer 3 EStG steuerbar. Die Erzielung von Einkünften mit der Nutzungsüberlassung auf Zeit erfolgt aufgrund einer Leistung der Steuerpflichtigen. Für die Nutzungsüberlassung erhaltene Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token werden angeschafft und sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung zu bewerten (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43). Zur Veräußerung der für die Nutzungsüberlassung erhaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token wird auf die Ausführungen der Randnummern 53 ff. verwiesen.

7. Ertragsteuerrechtliche Behandlung der durch Hard Forks erhaltenen Einheiten einer virtuellen Währung

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

66Sind die Einheiten einer virtuellen Währung Betriebsvermögen und entstehen aufgrund einer Hard Fork Einheiten einer neuen virtuellen Währung, die ebenfalls Betriebsvermögen sind, stellen die Einheiten der verschiedenen virtuellen Währungen unterschiedliche Wirtschaftsgüter dar.

67Steuerpflichtige erhalten mit Einheiten einer virtuellen Währung stets die Möglichkeit, im Zuge einer Hard Fork der zugrundeliegenden Blockchain zusätzliche Einheiten einer neuen virtuellen Währung zu erhalten. Im Falle einer Anschaffung von Einheiten einer virtuellen Währung (siehe insbesondere Randnummer 42) liegt folglich immer auch ein Anschaffungsvorgang hinsichtlich der durch eine spätere Hard Fork neu entstandenen Einheiten einer virtuellen Währung vor. Die Anschaffungskosten der Einheiten der vor der Hard Fork existierenden virtuellen Währung sind auf diese Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Der Aufteilungsmaßstab richtet sich dabei nach dem Verhältnis der Marktkurse der Einheiten der verschiedenen virtuellen Währungen im Zeitpunkt der Hard Fork (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43). Soweit nach einer Hard Fork den Einheiten der neu entstandenen virtuellen Währung kein Wert beigemessen werden kann, verbleiben die Anschaffungskosten bei den Einheiten der vor der Hard Fork existierenden virtuellen Währung. Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

68Eine Hard Fork führt nicht zu Einkünften aus § 22 Nummer 3 EStG. Werden die aufgrund einer Fork entstandenen Einheiten einer neuen virtuellen Währung jedoch veräußert, ist der dabei erzielte Gewinn als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG zu versteuern, sofern die Einheiten der vor der Hard Fork bestehenden virtuellen Währung angeschafft wurden und der Zeitraum zwischen der Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt (vgl. Randnummern 67 und 53 ff.). Zur Aufteilung der Anschaffungskosten vgl. Randnummer 67. Der Anschaffungszeitpunkt der Einheiten der neuen virtuellen Währung entspricht dem Anschaffungszeitpunkt der Einheiten der vor der Hard Fork existierenden virtuellen Währung.

8. Ertragsteuerrechtliche Behandlung der durch Airdrops erhaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

69Soweit der Erhalt von Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token betrieblich veranlasst ist, liegen Betriebseinnahmen vor. Die Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Zuflusses zu bewerten (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43). Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44. Bei einer Veräußerung wird entweder ein Gewinn oder ein Verlust realisiert.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen
aa) Sonstige Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nummer 3 EStG

70Der Erhalt zusätzlicher Einheiten einer virtuellen Währung und sonstiger Token kann zu sonstigen Einkünften aus einer Leistung im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG führen. Das ist trotz des Marketingcharakters vieler Airdrops der Fall, wenn von den Interessenten eine Leistung (vgl. Randnummer 46) zu erbringen ist, insbesondere also bei aktivem Tun wie der Nennung des Airdrops, der Projektinitiatorin oder des Projektinitiators in Beiträgen in sozialen Medien. Eine Leistung im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG erbringen Steuerpflichtige zudem, wenn sie eigene Bilder, Fotos oder Videos auf einer Plattform hochladen und hierfür Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token erhalten, auch wenn das Eigentum an den Bildern, Fotos oder Videos bei den Steuerpflichtigen verbleibt.

71Hängt die Zuteilung der Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token davon ab, dass Steuerpflichtige Daten von sich zur Verfügung stellen, die über die Informationen hinausgehen, die für die schlichte technische Zuteilung oder Bereitstellung erforderlich sind, liegt in der Datenüberlassung eine Leistung der Steuerpflichtigen im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG, für die sie als Gegenleistung Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token erhalten. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Steuerpflichtigen verpflichtet sind oder sich bereit erklären müssen, im Zusammenhang mit einem Airdrop personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen. Anders als bei der Teilnahme an klassischen Rabattsystemen oder Glückspielen, für die unter anderem die Angabe einer Postadresse aus Identifikationsgründen notwendig ist, reicht für die Zuteilung eines Airdrops der öffentliche Schlüssel der Steuerpflichtigen aus.

72Ist der Airdrop darauf ausgerichtet, dass neben einer Leistung auch „der Zufall“ über den Erhalt von Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token entscheidet (vgl. Randnummer 29), wird der Zurechnungszusammenhang von Leistung und Gegenleistung durch das „Zufallselement“ unterbrochen oder überlagert.

73Die Einheiten der virtuellen Währung und sonstigen Token sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43). In Fällen, in denen im Zeitpunkt des Erwerbs noch kein Marktkurs ermittelbar ist, wird es nicht beanstandet, wenn die im Rahmen eines Airdrops erhaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token mit 0 € angesetzt werden.

74Erfolgt die Zuteilung von Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Leistung, kommt eine Schenkung in Betracht, für die die schenkungsteuerrechtlichen Regelungen zu beachten sind.

bb) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG

75Erfolgt die Zuteilung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token aufgrund einer Leistung im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG, liegt auch eine Anschaffung vor. Die Anschaffungskosten sind mit dem Wert der hingegebenen Daten oder der vorgenommenen Handlung anzusetzen. Dabei kann widerlegbar vermutet werden, dass der Wert der hingegebenen Daten oder der vorgenommenen Handlung dem Marktkurs der Gegenleistung entspricht (vgl. zur Ermittlung des Marktkurses Randnummer 43 und zum Ansatz mit 0 € im Falle eines nicht ermittelbaren Marktkurses Randnummer 73). Aufgrund der Anschaffung kann die spätere Veräußerung der zugeteilten Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegen (sofern nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen); auf die Ausführungen der Randnummern 53 ff. wird verwiesen. Bei unentgeltlichem Erwerb ist die Anschaffung des Rechtsvorgängers maßgebend (§ 23 Absatz 1 Satz 3 EStG).

9. Initial Coin Offering (ICO)

76Beim ICO werden Token vom Emittenten selbst herausgegeben. Im Betriebsvermögen des Emittenten können sie – je nach Ausgestaltung – sowohl Eigenkapital (Kapitalüberlassung auf Dauer) als auch Fremdkapital (Kapitalüberlassung auf Zeit) darstellen. Sie sind ertragsteuerrechtlich nach ihrem rechtlichen Gehalt einzuordnen. Die ertragsteuerrechtliche Behandlung folgt den allgemeinen Grundsätzen. Token sind beim Emittenten selbst hergestellte Wirtschaftsgüter, die mit den Herstellungskosten zu aktivieren sind. Beim Tausch der Token z. B. gegen Einheiten einer virtuellen Währung oder der Veräußerung der Token realisiert der Emittent einen Gewinn oder einen Verlust, soweit nicht entsprechende Verbindlichkeiten oder Kapitalbeträge zu passivieren sind. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob aus den Ausgabebedingungen der Token vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Inhaberinnen und Inhabern der Token resultieren, die – soweit die Voraussetzungen erfüllt werden – als Verbindlichkeit oder Rückstellung auszuweisen wären.

10. Ertragsteuerrechtliche Besonderheiten von Utility und Security Token

a) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Betriebsvermögen

77Für die ertragsteuerrechtliche Beurteilung ist zu unterscheiden, ob die Token den Inhaberinnen und Inhabern eine besondere Rechtsposition einräumen. Token können als Wirtschaftsgüter unter den Finanzanlagen oder als Forderungen zu bilanzieren sein. Für die weitere Beurteilung gelten die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze. Zur Einnahmenüberschussrechnung vgl. Randnummer 44.

b) Ertragsteuerrechtliche Behandlung im Privatvermögen

78Die ertragsteuerrechtliche Einordnung der Erträge hängt davon ab, welche Rechte und Ansprüche die Token im Einzelfall vermitteln.

aa) Utility Token

79Werden Utility Token eingelöst, ist dies ertragsteuerrechtlich unbeachtlich (BFH-Urteil vom , IX R 33/17, BStBl 2018 II S. 525). Eine Veräußerung liegt nicht vor, da es an einer entgeltlichen Übertragung auf Dritte fehlt, wenn lediglich die in den Token verkörperten Ansprüche auf ein Produkt oder eine Dienstleistung eingelöst werden und unter Nutzung der Token die Ware oder die Dienstleistung erhalten wird.

80Werden angeschaffte Utility Token veräußert, können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG vorliegen. Dies gilt auch, wenn Utility Token als Zahlungsmittel (hybride Token) verwendet werden. Auf die entsprechenden Ausführungen der Randnummern 53 ff. wird verwiesen.

bb) Security Token

81Je nach Ausgestaltung können Token auch als Wertpapiere oder andere Finanzinstrumente anzusehen sein. Voraussetzung dafür, dass Token als Wertpapiere im Sinne des § 2 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) anzusehen sind, ist nach dem Hinweisschreiben der BaFin vom – WA 11-QB 4100-2017/0010 [1] insbesondere

  • ihre Übertragbarkeit,

  • ihre Handelbarkeit am Finanzmarkt beziehungsweise Kapitalmarkt, wobei Handelsplattformen für Einheiten einer virtuellen Währung grundsätzlich als Finanzmärkte beziehungsweise Kapitalmärkte im Sinne der Wertpapier-Definition angesehen werden können,

  • die Verkörperung von Rechten in den Token, das heißt entweder von Gesellschafterrechten oder schuldrechtlichen Ansprüchen oder mit Gesellschafterrechten oder schuldrechtlichen Ansprüchen vergleichbaren Ansprüchen, die in den Token verkörpert sein müssen, und

  • dass die Token nicht die Voraussetzungen eines Zahlungsinstruments (wie in § 2 Absatz 1 WpHG beziehungsweise Artikel 4 Absatz 1 Nummer 44 MiFID II genannt) erfüllen.

82Eine Verbriefung der Token in einer Urkunde ist nach § 2 Absatz 1 WpHG und Artikel 4 Absatz 1 Nummer 44 MiFID II keine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines übertragbaren Wertpapiers. Ausreichend ist, dass die Inhaberinnen und Inhaber der Token anhand der Distributed-Ledger- oder Blockchain-Technologie oder anhand vergleichbarer Technologien dokumentiert werden können.

83Die ertragsteuerrechtliche Einordnung der laufenden Einkünfte unter § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 7 EStG und der Veräußerungsgewinne unter § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 7 EStG hängt von der Ausgestaltung der Token im Einzelfall ab.

84Handelt es sich bei dem vom Token vermittelten Recht um eine Schuldverschreibung, kommt es für die ertragsteuerrechtliche Einordnung der hieraus resultierenden Erträge beziehungsweise Gewinne darauf an, ob insoweit eine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG oder ein bloßer Sachleistungsanspruch begründet wird.

85Vermittelt die Schuldverschreibung ausschließlich einen Anspruch auf Lieferung einer beim Emittenten hinterlegten festgelegten Menge von Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token oder einen Anspruch auf Auszahlung des Erlöses aus der Veräußerung der Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token durch den Emittenten, liegt keine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG, sondern ein Sachleistungsanspruch vor. Die BFH-Rechtsprechung zu Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen (vgl. BFH-Urteile vom , VIII R 35/14, BStBl 2015 II S. 834 und VIII R 4/15, BStBl 2015 II S. 835, BFH-Urteil vom , IX R 33/17, BStBl 2018 II S. 525) und die BFH-Rechtsprechung zu Gold-Bullion-Securities (vgl. BFH-Urteil vom , VIII 7/17, BStBl 2021 II S. 9) sind entsprechend anzuwenden.

86Die Veräußerung einer solchen Schuldverschreibung führt gegebenenfalls zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG. Auf die entsprechenden Ausführungen der Randnummern 53 ff. wird verwiesen. Zahlungen des Emittenten während der Laufzeit der Schuldverschreibung stellen beim Anleger sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG dar. Die zugewendeten Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token sind im Zeitpunkt des Zuflusses zu bewerten.

87Stellt die Schuldverschreibung hingegen eine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG dar, führen während der Haltezeit vereinnahmte Erträge zu Einkünften aus Kapitalvermögen (laufende Kapitalerträge). Eine Veräußerung der Schuldverschreibung fällt in den Anwendungsbereich des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 EStG. Bei nicht in Euro erhaltenen Einnahmen sind § 20 Absatz 3 und § 20 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zu beachten.

11. Token als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG

88Werden dem Arbeitnehmer Token verbilligt oder unentgeltlich überlassen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Geldleistung im Sinne des § 8 Absatz 1 EStG oder ein Sachbezug im Sinne des § 8 Absatz 2 Satz 1 EStG vorliegt. Die Bewertung eines Sachbezugs erfolgt mit dem um die üblichen Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort im Zeitpunkt des Zuflusses (§ 8 Absatz 2 Satz 1 EStG). Sachbezüge bleiben außer Ansatz, wenn sie im Kalendermonat insgesamt 50 € (bis 44 €) nicht übersteigen (§ 8 Absatz 2 Satz 11 EStG).

89Token, die als Sachbezug einzuordnen sind, fließen dem Arbeitnehmer regelmäßig im Zeitpunkt der Einbuchung in die Wallet zu. Der Zufluss der Token erfolgt frühestens zu dem Zeitpunkt, ab dem die Token gehandelt werden können, da der Arbeitnehmer erst zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit hat, wirtschaftlich über die Token zu verfügen. Ein Zufluss liegt somit noch nicht vor, wenn der Arbeitgeber lediglich die Überlassung von Token schuldrechtlich zugesagt hat. Wird vom Arbeitnehmer bereits vor dem Zeitpunkt des Zuflusses der Token der schuldrechtliche Anspruch auf die Einbuchung der Token in seine Wallet gegen Entgelt an Dritte abgetreten, erfolgt schon zu diesem Zeitpunkt ein Zufluss von Arbeitslohn in Höhe der Differenz zwischen dem Verkaufserlös und den Erwerbsaufwendungen für die Token.

12. Anwendungsregelung

90Die Grundsätze dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

BMF v. - IV C 1 - S 2256/19/10003 :001


Fundstelle(n):
BStBl 2022 I Seite 668
DB 2022 S. 1292 Nr. 21
DStR 2022 S. 992 Nr. 20
DStR-Aktuell 2022 S. 8 Nr. 19
EStB 2022 S. 209 Nr. 6
FR 2022 S. 616 Nr. 13
KoR 2022 S. 284 Nr. 6
WPg 2022 S. 702 Nr. 12
GAAAI-61746

1Hinweisschreiben der BaFin vom – WA 11-QB 4100-2017/0010 (https://www.bafin.de → Publikationen & Daten → BaFinJournal → Fachartikel → Initial Coin Offerings: BaFin veröffentlicht Hinweisschreiben zur Einordnung als Finanzinstrumente).