Öffentliche Toilettenanlage als gewillkürtes Betriebsvermögen eines Marktbetriebs
Leitsatz
Eine öffentliche Toilettenanlage kann einem von einer Stadt als Betrieb gewerblicher Art unterhaltenen Marktbetrieb nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen zugeordnet werden. Die hiermit zusammenhängenden Aufwendungen können bei der Gewinnermittlung des Marktbetriebs nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden.
Gesetze: KStG § 4 Abs. 1 und 5
Instanzenzug: (EFG 2006, 1785) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Zuordnung einer öffentlichen Toilettenanlage zum gewillkürten Betriebsvermögen eines städtischen Marktbetriebs und den Abzug der hiermit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Betriebsausgaben.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Stadt, unterhielt im Streitjahr 2001 mehrere Wochenmärkte, für die sie Standplätze auf verschiedenen städtischen Grundstücken zur Verfügung stellte. Die diesen Märkten dienenden Einrichtungen waren im Marktamt zusammengefasst. Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten ist der Marktbetrieb als Betrieb gewerblicher Art gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) anzusehen. Die Klägerin ermittelte den Gewinn des Marktbetriebs durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG.
Einer der Märkte fand zweimal wöchentlich (mittwochs und samstags) auf dem X-Platz statt. Der Markt öffnete um 7 Uhr und endete gegen Mittag. Die Stände wurden regelmäßig bis 14 Uhr abgebaut. Auf dem Markt boten ca. 35 bis 40 Händler überwiegend Lebensmittel an. Im Jahr 2000 errichtete die Klägerin eine öffentliche Toilettenanlage in einer Stichstraße, die den X-Platz mit dem unmittelbar daneben gelegenen Y-Platz verbindet. Die Toilettenanlage liegt nur wenige Meter vom Markt entfernt. Mit dem Neubau wurde eine etwas weiter entfernte unterirdische Toilettenanlage ersetzt. Die Herstellungskosten beliefen sich auf 319 000 DM und wurden von der Klägerin fremdfinanziert. Ein besonderes Entgelt für die Benutzung erhob die Klägerin nicht. Die Toilettenanlage ist montags bis samstags geöffnet, an Markttagen ab 7 Uhr, an den anderen Tagen ab 8 Uhr bis jeweils 19 Uhr. Mit dem Betrieb und der Unterhaltung beauftragte die Klägerin einen privaten Unternehmer.
Die Klägerin ordnete die öffentliche Toilettenanlage dem Betriebsvermögen des Marktbetriebs zu und erfasste die aktivierten Herstellungskosten in dessen Anlagenverzeichnis. Für das Streitjahr 2001 machte sie die gesamten Aufwendungen für die Toilettenanlage (Absetzung für Abnutzung und Zinsen) als Betriebsausgaben des Marktbetriebs geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) verweigerte den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung, dass die öffentliche Toilettenanlage nicht dem Betriebsvermögen des Marktbetriebs zugeordnet werden könne. Er verminderte den mit dem Marktbetrieb erwirtschafteten Verlust entsprechend und erließ auf dieser Grundlage einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage. In der mündlichen Verhandlung beschränkte sie den geltend gemachten Betriebsausgabenabzug auf ein Viertel des gesamten Aufwands, was der anteiligen Nutzung der Toilettenanlage für den Markt entspreche. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1785).
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und Fehler bei der Sachverhaltsermittlung. Es beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Das FG ist zutreffend und in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Marktamtes im Zusammenhang mit den Wochenmärkten als Betrieb gewerblicher Art gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG zu beurteilen ist und die Klägerin als dessen Trägerkörperschaft mit dem durch den Betrieb erzielten Einkommen der Körperschaftsteuer unterliegt. Die Veranstaltung von Märkten dient nicht der Ausübung der öffentlichen Gewalt und stellt damit keinen Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG dar, der eine Einordnung als Betrieb gewerblicher Art ausschließen würde (vgl. Senatsurteil vom I R 50/98, BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558, m.w.N.).
2. Zu Unrecht hat das FG jedoch die öffentliche Toilettenanlage als gewillkürtes Betriebsvermögen und die mit dieser zusammenhängenden Aufwendungen als Betriebsausgaben des Marktbetriebs angesehen.
a) Es kann im Streitfall dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Betriebe gewerblicher Art im Einzelnen über gewillkürtes Betriebsvermögen verfügen können (vgl. hierzu bisher Senatsbeschluss vom I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341 zur Einlage von Aktien; offenlassend Senatsurteil vom I R 82-85/00, BFHE 195, 572, BStBl II 2001, 773; gewillkürtes Betriebsvermögen weitgehend zulassend , EFG 2007, 432). In jedem Fall ist nämlich eine Zuordnung zum Betriebsvermögen nur bei solchen Wirtschaftsgütern möglich, die nicht ausschließlich der hoheitlichen Tätigkeit der Trägerkörperschaft dienen (hierzu ausführlich FG Nürnberg in EFG 2007, 432; vgl. auch Heger in Gosch, KStG, § 4 Rz 155; Krämer in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rz 152; Gastl, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2004, 323, 324). Gemäß § 4 Abs. 5 KStG sind die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienenden Hoheitsbetriebe nicht als Betriebe gewerblicher Art anzusehen. Hieraus folgt zugleich, dass ausschließlich in dieser Weise hoheitlichen Zwecken dienende Wirtschaftsgüter nicht Betriebsvermögen eines Betriebs gewerblicher Art sein können. So gehören etwa dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen, Wege und Plätze zum gemeindlichen Hoheitsbereich und können daher nicht Betriebsvermögen eines Betriebs gewerblicher Art sein (vgl. Senatsurteil in BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558; ebenso , juris).
b) Im Streitfall konnte die Klägerin die öffentliche Toilettenanlage nicht dem Betriebsvermögen ihres Marktbetriebs zuordnen. Diese diente ausschließlich ihrer hoheitlichen Tätigkeit.
aa) Zur hoheitlichen Tätigkeit bzw. zur Ausübung öffentlicher Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5 KStG gehören solche Tätigkeiten, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts „eigentümlich und vorbehalten” sind (vgl. etwa Senatsurteil vom I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139). Hierunter sind nicht nur die klassischen hoheitlichen Tätigkeiten zu verstehen; vielmehr kann auch die Daseinsvorsorge dazu gehören, soweit diese nicht nach § 4 Abs. 3 KStG als Betrieb gewerblicher Art zu beurteilen ist (vgl. Heger in Gosch, a.a.O., § 4 Rz 107). Kennzeichnend ist insoweit die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist. Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit entfaltet, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet (vgl. etwa Senatsurteil vom I R 63/03, BFHE 209, 195, BStBl II 2005, 501, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist das Betreiben der öffentlichen Toilettenanlage durch die Klägerin als hoheitliche Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 KStG anzusehen. Die Klägerin hat die Toilettenanlage aus Gründen der öffentlichen Hygiene zur Benutzung durch die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Der Betrieb einer solchen als öffentliche Einrichtung gewidmeten Toilettenanlage (zur regelmäßig konkludent erfolgenden Widmung bei sog. öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch vgl. Papier in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 42 Rz 14 f.) zählt zu den Grundaufgaben der Klägerin im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge und wird von ihr als spezifisch öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrgenommen. Dadurch, dass die Klägerin für die Benutzung der Toilettenanlage kein besonderes schuldrechtliches Entgelt erhob, schaltete sie sich auch nicht in einer mit einem privaten Unternehmen vergleichbaren Weise in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ein. Ein Fall des § 4 Abs. 3 KStG liegt ebenfalls nicht vor.
Dass die öffentliche Toilettenanlage während der Marktzeiten von den Marktbeschickern sowie den Marktbesuchern genutzt werden konnte und insoweit auch dem Marktbetrieb zugute kam, ändert an dieser Beurteilung nichts. Hierin ist lediglich ein vorteilhafter Reflex für den Marktbetrieb zu sehen, und zwar auch dann, wenn —wie das FG ausführt— ein Wochenmarkt wie der im Streitfall in Rede stehende ohne Bereithaltung einer Toilettenanlage nicht ordnungsgemäß und sachgerecht durchgeführt werden kann. Die Klägerin hat die Toilettenanlage nämlich unabhängig von den Marktzeiten ohnehin als öffentliche Toilette zur Benutzung durch die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Auch die Marktbeschicker und die Marktbesucher nutzten die Toilettenanlage letztlich als Teil der —während der Marktzeiten möglicherweise vergrößerten— Allgemeinheit. Ein für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens erforderlicher objektiver Förderungszusammenhang wird hierdurch noch nicht begründet (die Zuordnung einer öffentlichen Toilettenanlage u.a. zu einem Marktbetrieb in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht ablehnend auch , EFG 2003, 577; anders dagegen FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 1 K 1787/96 U, EFG 1998, 1439).
c) Diente die öffentliche Toilettenanlage damit ausschließlich hoheitlichen Zwecken und konnte sie aus diesem Grund dem Marktbetrieb nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen zugeordnet werden, konnten die hiermit zusammenhängenden Aufwendungen bei dessen Gewinnermittlung nicht gemäß § 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG als Betriebsausgaben abgezogen werden.
3. Da die Vorinstanz von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war vollen Umfangs abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 248
BB 2008 S. 752 Nr. 15
BB 2008 S. 878 Nr. 17
BFH/NV 2008 S. 888 Nr. 5
BFH/PR 2008 S. 305 Nr. 7
DB 2008 S. 733 Nr. 14
DStRE 2008 S. 486 Nr. 8
DStZ 2008 S. 269 Nr. 9
EStB 2008 S. 168 Nr. 5
FR 2008 S. 770 Nr. 16
HFR 2008 S. 597 Nr. 6
KÖSDI 2008 S. 15934 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 16008 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2008 S. 1217
SJ 2008 S. 28 Nr. 9
SJ 2008 S. 31 Nr. 7
StB 2008 S. 151 Nr. 5
StBW 2008 S. 4 Nr. 7
StBp. 2008 S. 149 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2008 S. 275
GAAAC-74491