Leitsatz
[1] Vererbt der Inhaber sein einzelkaufmännisches Unternehmen in der Weise an seine beiden Kinder, dass er ihnen dessen Einbringung in eine von ihnen zu gründende Kommanditgesellschaft und den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages auferlegt, der dem einen Kind auch im Falle einer an keine Gründe geknüpften Eigenkündigung das Recht zur Übernahme des Geschäftsbetriebs einräumt, so ist das damit verbundene freie Hinauskündigungsrecht sachlich gerechtfertigt, weil es auf der Testierfreiheit des Erblassers beruht, der durch diese Gestaltung dem anderen Kind eine bereits mit dem Kündigungsrecht belastete Beteiligung vermacht hat.
Gesetze: BGB § 138 Aa; BGB § 723 Abs. 3
Instanzenzug: LG Duisburg 2 O 142/01 vom OLG Düsseldorf I-17 U 201/02 vom
Tatbestand
H. G. (nachfolgend: Erblasser) führte bis zu seinem Tode im Jahre 1964 mehrere Pfandleihhäuser als Einzelkaufmann. In seinem Testament setzte der Erblasser seine Witwe als Vorerbin sowie seinen Sohn, den Beklagten, und seine Tochter, die im Jahre 2000 verstorben ist und von den Klägern, ihren Kindern, beerbt wurde, zu gleichen Teilen als Nacherben ein. Der weiteren testamentarischen Verfügung des Erblassers folgend schlossen die Vorerbin und die Nacherben im Dezember 1964 einen - bis zum Eintritt der Nacherbfolge nicht ordentlich kündbaren - Gesellschaftsvertrag über die Gründung der G. H. G. KG (nachfolgend: KG); Komplementäre der Gesellschaft waren die Witwe des Erblassers und der Beklagte, während die Mutter der Kläger als Tochter des Erblassers die Stellung einer Kommanditistin übernahm.
Nachdem die Witwe des Erblassers am verstorben und damit die Nacherbfolge eingetreten war, fassten der Beklagte und die Mutter der Kläger, die ihre Gesellschafterstellung als Komplementär bzw. Kommanditistin der KG beibehielten, am den Gesellschaftsvertrag neu. In Übereinstimmung mit der für den Eintritt der Nacherbfolge getroffenen testamentarischen Anordnung des Erblassers schließt § 5 des Gesellschaftsvertrages die Kündigung der KG für die Dauer von zehn Jahren - gerechnet ab dem Tode der Vorerbin - aus. Anschließend kann die Gesellschaft mit einer Frist von einem Jahr auf den Schluss eines Kalenderjahres gekündigt werden. Im Falle einer Kündigung soll der Beklagte, und zwar auch dann, wenn er selbst gekündigt hat, den Betrieb und die Firma fortführen dürfen. Der Beklagte kündigte gegenüber den nach dem Ableben ihrer Mutter in deren Gesellschafterstellung eingerückten Klägern durch Schreiben vom 14./ das Gesellschaftsverhältnis mit Wirkung zum .
Außerdem erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 19./ - gestützt auf eine weitere Regelung in § 5 des Gesellschaftsvertrages, wonach ein Gesellschafter, in dessen Person "ein wichtiger Kündigungsgrund eintritt, auszuscheiden" hat - die ausdrücklich auf den bezogene fristlose Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses. Anlass war eine Auseinandersetzung zwischen den Parteien über die Rechte an aus dem Vermögen des Erblassers stammenden, in der Vergangenheit von der KG zuweilen als Sicherheit verwendeten Aktien der G. AG mit Sitz in Z. .
Die Kläger haben die Feststellung begehrt, dass ihre Gesellschafterstellung durch die Kündigungserklärungen des Beklagten vom und nicht zum beendet wurde und unverändert fortbesteht. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass § 5 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages, wonach bei einer Auseinandersetzungsbilanz ein immaterieller Geschäftswert nicht anzusetzen ist, nichtig ist. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Gesellschafterstellung der Kläger durch die Kündigungserklärung des Beklagten vom nicht beendet worden ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Rechtsmittel beider Parteien hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Gesellschafterstellung der Kläger durch die Kündigungen des Beklagten vom und nicht beendet worden ist. Mit der von dem erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
Die Revision des Beklagten hat hinsichtlich der Hauptanträge Erfolg und führt bezüglich des Hilfsantrags zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Oberlandesgericht hat gemeint, die ordentliche Kündigung des Beklagten vom habe nicht zu einer Beendigung der Gesellschafterstellung der Kläger geführt. Da die Kündigung nach dem Gesellschaftsvertrag zu einer Übernahme der Gesellschaft durch den Beklagten führe, verstoße sie gegen das "Hinauskündigungsverbot". Die fristlose Kündigung scheitere - ohne dass der von dem Beklagten angeführte wichtige Grund auf seine Tragfähigkeit überprüft werden müsse - schon daran, dass die mit ihr beabsichtigte Ausschließung der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag allein durch Gestaltungsurteil herbeigeführt werden könne.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision des Beklagten führt, weil die Sache insoweit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), zur Abweisung der mit der Klage verfolgten Hauptanträge.
1. Die Feststellungsklage ist bereits im ersten Hauptantrag unbegründet, weil die von dem Beklagten am erklärte ordentliche Kündigung des Gesellschaftsvertrages wirksam ist und die Gesellschafterstellung der Kläger fristgemäß zum beendet hat. Das nicht an besondere Voraussetzungen gebundene Kündigungsrecht des Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sachlich gerechtfertigt.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine gesellschaftsvertragliche Regelung im Allgemeinen nicht anerkannt werden, die einem einzelnen Gesellschafter das Recht einräumt, Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes aus einer Personengesellschaft oder einer GmbH auszuschließen (Sen.Urt. v. - II ZR 165/02, ZIP 2004, 903 f. m.w.Nachw.). Dieser Grundsatz, der den von der Ausschließung bedrohten Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Gesellschafterrechte und -pflichten davor schützen soll, unangemessene Rücksicht auf die Vorstellungen des durch die Vertragsgestaltung begünstigten Gesellschafters nehmen zu müssen, gilt freilich nicht ausnahmslos. Vielmehr kann eine freie Hinauskündigungsklausel wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt sein. Dies hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung etwa angenommen, wenn das Ausschließungsrecht bei Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine Freiberuflerpraxis dazu dient, den Altgesellschaftern binnen angemessener Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Gesellschafter das notwendige Vertrauen aufgebaut werden kann (Sen.Urt. v. aaO). Als sachlich gerechtfertigt hat der Senat ferner eine Klausel erachtet, derzufolge nach Beendigung eines zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bestehenden Kooperationsvertrages auch die Gesellschafterstellung gekündigt werden darf (Sen.Urt. v. - II ZR 153/03, ZIP 2005, 706). Entsprechendes gilt für Regelungen, welche die Kündigung eines Gesellschafters für den Fall der Beendigung seines Amtes als Geschäftsführer (Sen.Urt. v. - II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 = ZIP 2005, 1917 "Managermodell") oder für den Fall seines Ausscheidens als Angestellter (Sen.Urt. v. - II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 = ZIP 2005, 1920 "Mitarbeitermodell") gestatten.
b) Das gesellschaftsvertraglich eingeräumte, für den Beklagten auch bei eigener Kündigung mit einem Übernahmerecht verbundene und damit auf eine Ausschließung seiner Mitgesellschafter hinauslaufende Kündigungsrecht des Beklagten ist ebenfalls sachlich gerechtfertigt.
aa) Es beruht auf der in § 5 des Testamentes enthaltenen letztwilligen Verfügung des Erblassers, der seinen Erben den Abschluss eines den Beklagten insoweit begünstigenden Gesellschaftsvertrages ausdrücklich vorgegeben hat. Die testamentarische Verfügung des Erblassers, im Rahmen der Auseinandersetzung seines einzelkaufmännischen Betriebes einen bestimmten Gesellschaftsvertrag zu schließen, stellt eine mit einer Auflage (§ 1940 BGB) verbundene Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) dar (Strothmann, Die letztwillige Gesellschaftsgründungsklausel, 1983, S. 37 f. m.w.Nachw.). Mit dieser testamentarischen Regelung verfolgte der Erblasser den seinen Erben ausdrücklich als Verpflichtung auferlegten Wunsch, das Unternehmen im Interesse seiner Familie und seiner Nachkommen zu erhalten (§ 3 des Testaments). Allerdings wollte der Erblasser, wie den von ihm für die Vor- und Nacherbschaft getroffenen differenzierten Gestaltungen zu entnehmen ist, seinen beiden Kindern, die bereits zu seinen Lebzeiten unterschiedliche berufliche Wege eingeschlagen hatten, nicht zwingend und für alle Zukunft eine paritätische Beteiligung an seinem Geschäftsbetrieb zuwenden. Vielmehr hatte der Erblasser seinen durch das freie Hinauskündigungsrecht bevorzugten Sohn - abhängig von dessen künftiger Entschließung - als "Unternehmensnachfolger" ausersehen und seiner Tochter lediglich eine - an die Ausübung des Kündigungsrechts geknüpfte und darum nicht notwendig dauerhafte - kapitalmäßige Beteiligung zugedacht.
bb) Zur Verwirklichung seines Zieles, die Entscheidung über die künftige Unternehmensstruktur in die Hände seines Sohnes zu legen, hätte der Erblasser - was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat - anstelle der tatsächlich verwirklichten Nachfolgeregelung die rechtlich unbedenkliche Anordnung treffen können, dass die nach seinem Tode gegründete Gesellschaft unmittelbar nach dem Versterben seiner Witwe oder zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt in der Weise aufgelöst wird, dass der Beklagte das Unternehmen fortführt und die Mutter der Kläger bzw. deren Familie auszahlt. Weitergehend wäre der Erblasser sogar rechtlich in der Lage gewesen, seine Tochter und folglich die Kläger gänzlich von der Erbfolge oder zumindest mit Hilfe einer Teilungsanordnung bzw. eines Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) von der Nachfolge in das Unternehmen auszuschließen (vgl. Staub/Hüffer, HGB 4. Aufl. Rdn. 69 vor § 22). Im Interesse seiner Tochter und deren Abkömmlinge hat der Erblasser von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht, seiner Tochter aber im Vergleich zu dem Beklagten infolge des diesem vorbehaltenen Kündigungsrechts eine schwächere Gesellschafterstellung zugewiesen. Als in das rechtliche Belieben des Erblassers gestellte bloße Schmälerung der Erbeinsetzung findet dieses freie Kündigungsrecht in der Testierfreiheit seine sachliche Rechtfertigung.
cc) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung geht es hier nicht darum, ob, was der Senat verneint hat, der Erwerb einer gesellschaftlichen Beteiligung im Erbgang für sich genommen eine freie Hinauskündigung des neu eintretenden Gesellschafters zu rechtfertigen vermag (BGHZ 81, 263, 269 f.). Die Kläger haben sich nämlich nicht als Erben einer gesellschaftlichen Beteiligung einer auf den bisherigen Gesellschaftsvertrag gestützten Kündigung durch die Mitgesellschafter des Erblassers zu erwehren. Vielmehr beruht das Kündigungsrecht auf der testamentarischen Anordnung des Erblassers, der seinen Erben für die Nachfolge in sein Einzelunternehmen den Abschluss eines zugunsten des Beklagten mit einem ungebundenen Kündigungsrecht versehenen Gesellschaftsvertrages auferlegt hat. Wegen der Bindung an den Erblasserwillen hat es die Klägerfamilie hinzunehmen, dass ihr durch die erbrechtlich gebotene gesellschaftsvertragliche Umsetzung der testamentarischen Anordnung eine bereits mit einem freien Kündigungsrecht belastete Gesellschafterstellung zugewandt worden ist.
dd) Der Beklagte ist nach dem eindeutigen Willen des Erblassers berechtigt, nach Ablauf bestimmter Fristen durch Ausübung seines Kündigungsrechts unter Abfindung der Mitgesellschafter das Unternehmen zu übernehmen. Die dem Beklagten diese Befugnis zeitlich unbegrenzt versagende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts führt, wenn der Beklagte sich von der Gesellschaft nicht trennen will, zur Unauflösbarkeit der Gesellschaft. Schutzwürdigen Belangen der Klägerseite wurde jedenfalls durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung während der Dauer der Vorerbschaft und des anschließenden Zeitraums von zehn Jahren - insgesamt eine Periode von mehr als 35 Jahren - hinreichend Rechnung getragen.
2. Der Antrag auf Feststellung, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom das Gesellschaftsverhältnis nicht mit Wirkung zum beendet hat, ist unzulässig.
Da die ordentliche Kündigung vom wirksam ist, sind die Kläger mit Wirkung vom aus der KG ausgeschieden. Für die Feststellung der Unwirksamkeit der mit einer Auslauffrist bis zum verbundenen außerordentlichen Kündigung besteht folglich kein Feststellungsinteresse.
III. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zur Entscheidung über den von den Klägern gestellten Hilfsantrag zurückzuverweisen, der darauf gerichtet ist, die Nichtigkeit bzw. Unverbindlichkeit der in § 5 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages enthaltenen Abfindungsbeschränkung feststellen zu lassen. Das Berufungsgericht erhält so - ggfs. auf der Grundlage ergänzenden Sachvortrags - die Gelegenheit zunächst zu prüfen, ob der Feststellungsantrag im Hinblick auf den Vorrang der Leistungsklage überhaupt zulässig ist. Im Übrigen wird es dann den auf das grobe Missverhältnis zwischen dem wahren Wert der Beteiligung und dem Klauselwert gestützten materiellen Einwänden der Kläger gegen die Verbindlichkeit der Regelung nachzugehen haben. Ferner bleibt dem Beklagten vorbehalten, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegen den Abfindungsanspruch geltend gemachten erbrechtlichen Einwendungen zu vertiefen.
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1017 Nr. 18
DStR 2007 S. 914 Nr. 21
GmbH-StB 2007 S. 171 Nr. 6
GmbHR 2007 S. 644 Nr. 12
HFR 2007 S. 904 Nr. 9
NJW-RR 2007 S. 913 Nr. 13
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 2633
SJ 2007 S. 40 Nr. 14
WM 2007 S. 935 Nr. 20
ZIP 2007 S. 862 Nr. 18
FAAAC-44001
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja