Leitsatz
[1] a) Ein mit einem Steuerberater geschlossener Vertrag, der auch eine Beratung in Steuerangelegenheiten zum Gegenstand hat, ist in jedem Fall ein Dienstvertrag.
b) Der Steuerberater hat jedenfalls dann kein Nachbesserungsrecht hinsichtlich einer Einzelleistung mit werkvertraglichem Charakter, wenn sein Auftraggeber das Mandat bereits beendet hatte und der Fehler erst von einem neu beauftragten Steuerberater entdeckt worden ist.
Gesetze: BGB a.F. § 611; BGB a.F. § 634; BGB a.F. § 635
Instanzenzug: LG Karlsruhe 2 O 486/01 vom OLG Karlsruhe 11 U 33/03 vom
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Steuerberatungsgesellschaft wegen der fehlerhaften Erstellung des Jahresabschlusses und auf diesem Fehler beruhender fehlerhafter Steuererklärungen für das Jahr 1998 auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin hatte die Beklagte im Jahre 1997 mit der Führung der Buchhaltung, der Erstellung der Jahresabschlüsse mit Erläuterungsbericht, der Erstellung der Steuererklärungen für Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer, der Prüfung der Steuerbescheide und - soweit erforderlich - der Einlegung von Einsprüchen beauftragt. Unter dem kündigte sie das Mandat und beauftragte eine andere Beratungsgesellschaft mit der Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 1999. Die neue Beraterin stellte die im vorliegenden Prozess beanstandeten Fehler fest, die zu Beratungsmehrkosten und Zinsschäden in Höhe von insgesamt 6.818,87 € führten. Diesen Betrag verlangt die Klägerin jetzt noch von der Beklagten ersetzt. Nach Ansicht der Beklagten besteht ein Anspruch auf Schadensersatz deshalb nicht, weil sie keine Gelegenheit erhalten habe, die Fehler des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen selbst zu beseitigen. Die Vorinstanzen haben die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Gründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat den Vertrag der Parteien zu Recht als Dienstvertrag eingeordnet.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vertrag, durch den einem Steuerberater allgemein die Wahrnehmung aller steuerlichen Interessen des Auftraggebers übertragen wird, regelmäßig als Dienstvertrag (§§ 611 ff BGB) anzusehen, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Der Steuerberater schuldet im Rahmen eines derartigen Vertrages unterschiedliche Tätigkeiten, die keineswegs stets auf einen bestimmten Erfolg gerichtet sind. Die steuerliche Beratung bei der Anlage und der Bewertung von Vermögen, bei der Ausschöpfung von Steuervergünstigungen und bei der Vertretung des Steuerpflichtigen vor den Steuerbehörden als allgemeiner Beistand in Steuerangelegenheiten stellt eine reine Dienstleistung dar. Dass dazu Zahlen ermittelt, Unterlagen erstellt und Erklärungen gefertigt werden müssen, liegt in der Natur der Sache und steht einer Einordnung des Vertrages als Dienstvertrag nicht entgegen. Der Vertrag ist in seiner Gesamtheit nach der vom Auftraggeber gewählten Zielrichtung zu beurteilen. Unter diesem Gesichtspunkt wird nicht schon jede zu erbringende Einzelleistung als Erfolg im Sinne des Werkvertragsrechts (§ 631 Abs. 2 BGB) geschuldet, selbst wenn sie für sich gesehen auf ein bestimmtes Ergebnis gerichtet ist (BGHZ 54, 106, 107 f; 115, 382, 386; , WM 1997, 330; vgl. auch Urt. v. - III ZR 12/01, NJW 2002, 1571, 1572). Ein Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter ist ausnahmsweise bei Einzelaufträgen anzunehmen, die auf eine einmalige, in sich abgeschlossene Leistung gerichtet sind, etwa die Anfertigung bestimmter Bilanzen, ein Gutachten oder eine Rechtsauskunft zum Gegenstand haben; denn in derartigen Fällen wird der Steuerberater das Risiko im Allgemeinen hinreichend abschätzen können, um für einen bestimmten Erfolg seiner Tätigkeit als Werkleistung im Sinne von § 631 BGB einzustehen (BGHZ 115, 382, 386; aaO). In einer älteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof einen Steuerberatervertrag als Dienstvertrag angesehen, in dem der Steuerberater (nur) mit der Buchhaltung, der Erstellung der Jahresabschlüsse und der Vorbereitung der Steuererklärungen beauftragt worden war (Urt. v. - VII ZR 19/79, LM § 675 BGB Nr. 73 = WM 1980, 308, 309). Umgekehrt hat der Bundesgerichtshof Werkvertragsrecht auf einen Vertrag angewandt, der Buchhaltungsarbeiten und den Entwurf von Jahresabschlüssen durch ein gewerbliches Unternehmen - keinen Steuerberater - zum Gegenstand hatte; denn die geschuldeten Leistungen seien auf eine fehlerfreie Erfassung und Auswertung der vorhandenen Daten, daher auf bestimmte Arbeitsergebnisse und einen Erfolg im Sinne des Werkvertragsrechts gerichtet gewesen, für den allein die Auftragnehmerin die Verantwortung zu tragen habe und der demnach - anders als beim Dienstvertrag - in deren eigenen Risikobereich falle (Urt. v. , aaO S. 573).
b) Nach diesen Maßstäben war der von den Parteien geschlossene Vertrag ein Dienstvertrag. Das Berufungsgericht hat zwar als "streitig" bezeichnet, ob die Beklagte mit der Wahrnehmung "aller" steuerlichen Interessen der Klägerin beauftragt worden ist. Die Gesamtheit der ihr übertragenen Aufgaben war jedoch nicht auf die Erzielung eines bestimmten Erfolges gerichtet, für den sie im Sinne des § 631 Abs. 2 BGB hätte einstehen können. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte "im Sinne eines Bausteinprinzips" verpflichtet war, alle Schritte von der Erfassung der Daten durch die Buchhaltung, deren Umsetzung und Einbeziehung in die auch noch auf weiteren Informationen beruhenden Jahresabschlüsse und Bilanzen bis hin zu deren Umsetzung in die Steuererklärungen für Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer durchzuführen. Ziel des Auftrags war es, steuerlich und wirtschaftlich günstige Steuererklärungen zu erarbeiten und so, erforderlichenfalls nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens, eine möglichst vorteilhafte Besteuerung zu erreichen. Auf die abschließenden Entscheidungen der Finanzverwaltung, das "Endergebnis" ihrer Tätigkeit, hatte die Beklagte letztlich keinen Einfluss mehr.
2. Entgegen der Ansicht der Revision handelte es sich bei dem Jahresabschluss 1998 auch nicht um eine Einzelleistung, auf die unabhängig von der Einordnung des Steuerberatervertrages insgesamt Werkvertragsrecht anzuwenden gewesen wäre. Einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gemäß § 634 BGB a.F. bedurfte es nicht.
a) In der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte und in der Literatur ist die Anwendung der Vorschriften des Werkvertragsrechts, insbesondere des hier gegebenenfalls einschlägigen § 634 BGB in der bis zum gültigen Fassung, auf Einzelleistungen des Steuerberaters innerhalb eines umfassenden, als Dienstvertrag einzuordnenden Beratervertrages für möglich gehalten worden (zum Beispiel OLG Koblenz VersR 2004, 389, 390; OLG Düsseldorf VersR 2002, 721; Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters 4. Aufl. Rn. 134.2, 295, Staudinger/Peters, BGB Bearb. 2003 Vorbem. zu § 631 ff Rn. 32; Soergel/Teichmann, BGB 12. Aufl. Vor § 631 Rn. 87; Gräfe EWiR 2002, 667, 668; weitere Nachweise der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bei aaO S. 1572; Eckert, Steuerberatergebührenverordnung 3. Aufl. Vor § 1 StBGebV Anm. 1.3.2). Wäre dies richtig, haftete die Beklagte zunächst nicht. Nach § 634 BGB a.F. hatte der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels mit der Erklärung zu setzen, dass er die Beseitigung des Mangels nach dem Ablauf der Frist ablehne. Zu den Voraussetzungen des § 634 Abs. 2 BGB a.F., unter denen eine Fristsetzung ausnahmsweise entfallen konnte, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
b) Ob im Rahmen eines insgesamt als Dienstvertrag anzusehenden Steuerberatervertrages überhaupt eine Verpflichtung des Mandanten bestehen kann, dem Steuerberater die Nachbesserung einzelner Teilleistungen zu ermöglichen, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Ein Nachbesserungsrecht kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Fehler, wie im vorliegenden Fall, erst nach Kündigung des Vertrages durch den Mandanten von dessen neuem Steuerberater bemerkt worden ist.
aa) Die Anwendung der §§ 634, 635 BGB a.F. in einem solchen Fall stünde im Widerspruch zur Vorschrift des § 627 BGB. Nach § 627 Abs. 1 BGB ist bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 BGB ist, die Kündigung ohne die besonderen Voraussetzungen des § 626 BGB zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, und nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht. Steuerberater leisten in der Regel Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB, weil der Mandant ihnen Einblick in seine Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewährt (BGHZ 54, 106, 108; , NJW-RR 1993, 374 mit weiteren Nachweisen). Der ihnen erteilte Auftrag kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung beendet werden. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin mit Schreiben vom Gebrauch gemacht, ohne dass die Beklagte die Kündigung hätte verhindern können. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 627 Abs. 1 BGB, nur Personen des eigenen Vertrauens mit der steuerlichen Beratung befassen zu dürfen, würde nicht erreicht, wenn der Auftraggeber gehalten wäre, dem wirksam gekündigten Berater hinsichtlich bestimmter Teilleistungen Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben und damit erneuten und weiteren Einblick in vertrauliche Einzelheiten der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit zu gewähren.
bb) Anders als in dem Fall, welcher der Entscheidung des (aaO S. 1573) zugrunde liegt, entspräche eine Nachbesserung in einem solchen Fall auch nicht den Interessen beider Vertragsparteien.
Der Steuerberater hat Fähigkeiten und Kenntnisse, welche dem Mandanten regelmäßig selbst nicht zur Verfügung stehen. Ob er seine Arbeit mangelfrei erbringt, kann der Mandant oft selbst nicht beurteilen. Auch im vorliegenden Fall sind die Fehler der Leistungen der Beklagten nicht von der Klägerin selbst entdeckt worden, sondern von dem Steuerberatungsbüro, das die Klägerin nach der Kündigung des Vertrages mit der Beklagten neu beauftragt hatte. In einem solchen Fall wäre es umständlich, zeitaufwendig und den Mandanten unnötig belastend, wenn er dem früheren Berater trotz der Kündigung die Möglichkeit einer Mängelbeseitigung einräumen müsste. Der neue Berater, dem der Fehler aufgefallen ist, hat sich regelmäßig bereits eingearbeitet, weil die von ihm zu erstellende Bilanz auf derjenigen des vorhergehenden Geschäftsjahres aufzubauen hatte (Grundsätze der Bilanzidentität, § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB, und der Bilanzkontinuität, § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Er müsste seine Arbeiten, die zur Aufdeckung des Fehlers geführt haben, unterbrechen und die für die Nachbesserung erforderlichen Unterlagen wieder dem früheren Berater zur Verfügung stellen, der sich neu einzuarbeiten hätte.
Außerdem kann es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem früheren und dem neuen Berater über die zutreffende steuerrechtliche Einordnung bestimmter Geschäftsvorfälle kommen. Der Vorwurf fehlerhafter Tätigkeit des Vorgänger-Beraters wird nicht selten auf derartige Meinungsverschiedenheiten zurückzuführen sein. Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet zu ersetzen (, WM 2005, 2345, 2346). Der Mandant, der wegen seiner fehlenden Sachkunde einen Steuerberater beauftragt hat, kann in der Regel nicht entscheiden, welche Ansicht zutrifft. Ihm ist nicht zuzumuten, sich erneut den Ansichten des von ihm bereits gekündigten ehemaligen Beraters zu unterwerfen und sich dadurch in Widerspruch zur Auffassung seines neuen Beraters zu setzen, welcher derzeit sein Vertrauen genießt und die Folgearbeiten zu erledigen hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1527 Nr. 28
DB 2006 S. 1422 Nr. 26
DStR 2006 S. 1247 Nr. 28
DStRE 2006 S. 957 Nr. 15
DStZ 2006 S. 532 Nr. 15
INF 2006 S. 521 Nr. 14
NJW-RR 2006 S. 1490 Nr. 21
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2006 S. 2486
WM 2006 S. 1411 Nr. 29
ZIP 2006 S. 2320 Nr. 50
FAAAC-00964
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja