OFD Hannover - S 7056 b - 3 - StO 351 S 7056 b - 1 - StH 441

Bedeutung von EG-Richtlinien und Anwendungsvorrang, von Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte und von Vorabentscheidungen des EuGH für das deutsche Umsatzsteuerrecht

1. EG-Richtlinien und Berufungsrecht

Die Regelungen der EG-Richtlinien (EG-RL) zur Umsatzsteuer sind ein Mittel, um das Umsatzsteuerrecht der Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Eine EG-RL ist nicht unmittelbar geltendes deutsches Recht, sondern muss vom Gesetzgeber in deutsches Recht umgesetzt werden. Ist dies geschehen, ist das UStG richtlinienkonform auszulegen.

Hat der Gesetzgeber die Bestimmungen einer EG-RL jedoch nicht fristgerecht oder korrekt in das UStG umgesetzt, kann sich ein Unternehmer gegenüber einer für ihn nachteiligen Bestimmung des UStG unmittelbar auf eine für ihn günstigere Bestimmung einer EG-RL berufen ( 8/81 –, UR 1982 S. 70 und vom – Rs. 50/88 –, UR 1989 S. 373). Voraussetzung für das Berufungsrecht ist, dass die Richtliniennorm eine begünstigende Wirkung hat, dass sie hinreichend klar und genau ist, inhaltlich von keiner Bedingung abhängt und damit in ihrem Wesen geeignet ist, unmittelbare Wirkung zu erzeugen. Aus dem Berufungsrecht folgt ein Anwendungsvorrang der jeweiligen Richtliniennorm vor der entgegenstehenden Bestimmung des UStG.

Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Anwendungsvorrang zu beachten ist, trifft das Bundesministerium der Finanzen – in der Regel durch BMF-Schreiben. Über Fälle, in denen ein Unternehmer einen Anwendungsvorrang geltend macht, zu dem noch kein BMF-Schreiben vorliegt, bittet die OFD um Bericht.

Der Verwaltung steht demgegenüber kein Berufungsrecht zu. Folglich kann eine für einen Unternehmer gegenüber dem UStG nachteilige Bestimmung einer EG-RL nicht durch die Verwaltung angewendet werden.

2. Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte

Hat ein Finanzgericht Zweifel, wie eine EG-RL und damit das darauf beruhende UStG auszulegen ist, kann es durch Beschluss ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten Hat der BFH solche Zweifel, muss er die Sache dem EuGH vorlegen.

Vorabentscheidungsersuchen des BFH werden künftig im BStBl II veröffentlicht. Sie binden die Verwaltung jedoch nicht. In vergleichbaren Fällen ist weiterhin die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Die Vollziehung angefochtener Umsatzsteuerbescheide ist nicht auszusetzen, Einspruchsverfahren ruhen jedoch (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

Die Verwaltung ist nicht berechtigt, Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.

3. Vorabentscheidungen des EuGH

Über ein Vorabentscheidungsersuchen entscheidet der EuGH im Rahmen der Vorabentscheidung durch Urteil. Ein EuGH-Urteil ist für die Verwaltung nur bindend,

  • wenn und soweit ein BMF-Schreiben dazu Regelungen enthält,

  • wenn das EuGH-Urteil im BStBl II veröffentlicht wird oder

  • wenn das dem EuGH-Urteil folgende BFH-Urteil im BStBl II veröffentlicht wird.

Bis dahin ist weiterhin die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Aussetzung der Vollziehung kann jedoch gewährt werden. Einspruchsverfahren ruhen (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

Lag der Vorabentscheidung ein Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates zugrunde, ist das EuGH-Urteil für die Verwaltung nur bindend, wenn die Voraussetzungen der ersten beiden Spiegelstriche erfüllt sind. Andernfalls ist die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Es kommen weder Aussetzung der Vollziehung noch ein Ruhen des Einspruchsverfahrens in Betracht.

OFD Hannover v. - S 7056 b - 3 - StO 351S 7056 b - 1 - StH 441

Fundstelle(n):
FAAAB-26920