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Chancen- und Risikoberichterstattung im Lagebericht mittelständischer Unternehmen
Relevante Informationen oder Informationsüberfrachtung?
Häufig stellt die Chancen- und Risikoberichterstattung insbesondere für mittelständische Unternehmen eine große Herausforderung dar. Einerseits ist anders als in der ansonsten vergangenheitsorientierten Rechnungslegung eine zukunftsgerichtete Berichterstattung nötig, die auch negative Konsequenzen haben kann, wenn etwa Rechtsrisiken zu berichten sind. Andererseits sind in den letzten Jahren das Interesse und damit die Anforderungen sowohl vom Gesetzgeber als auch von Adressaten an dieser Art der zukunftsgerichteten Berichterstattung deutlich gestiegen. Zudem bietet sie einen tiefen Einblick in die Qualität des Managements, da über die Identifikation und das Management von Risiken und Chancen zu berichten ist. Dieser Beitrag diskutiert im aufgezeigten Spannungsfeld die Ausgestaltung der Chancen- und Risikoberichterstattung in Lageberichten mittelständischer Unternehmen, um bestehende Defizite aufzuzeigen und konkrete Verbesserungshinweise abzuleiten.
Kirsch, Lagebericht und Konzernlagebericht (HGB), infoCenter, NWB ZAAAC-45536
Welche Grundsätze der Lageberichterstattung sind von mittelständischen Unternehmen zu beachten?
Welche Anforderungen an die Chancen- und Risikoberichterstattung gibt es?
Wo zeigen sich Defizite in der praktischen Ausgestaltung und welche Anregungen für eine Verbesserung der Berichterstattung können gegeben werden?
I. Grundsätze der Lageberichterstattung
[i]Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 12. Aufl. 2021, § 289, NWB SAAAH-61907 Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften sowie denen gleichgestellte Personengesellschaften i. S. des § 264a HGB sind zur Aufstellung eines Lageberichts innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Geschäftsjahres verpflichtet. Die Anforderungen an die Lageberichterstattung gehen im Vergleich zum Jahresabschluss über die Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB hinaus, da der Lagebericht nicht durch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eingeschränkt ist, sondern ausgewogener und zukunftsorientiert ausfallen muss. Dabei informiert der Lagebericht besonders über die wesentlichen Chancen und Risiken, die in der Zukunft die Geschäftstätigkeit des Unternehmens voraussichtlich bestimmen werden. Als Prognosezeitraum ist nach DRS 20.127 mindestens ein Geschäftsjahr zugrunde zu legen. Weitere Grundsätze ordnungsmäßiger Lageberichterstattung (GoL) wie das Gebot der Vollständigkeit, Verlässlichkeit, Klarheit und Übersichtlichkeit ergeben sich aus dem DRS 20.
Ein DRS gilt zwar zunächst gem. § 342 Abs. 2 HGB nur für die Konzernrechnungslegung, doch stellt das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Prüfungsstandard (PS) 201 klar: „Werden gesetzliche Anforderungen an die Rechnungslegung durch einen DRS konkretisiert und handelt es sich dabei um Auslegungen der allgemeinen gesetzlichen Grundsätze, haben diese auch Bedeutung für den Jahresabschluss und Lagebericht.“ Da die gesetzlichen Regelungen zum Konzernlage- und Lagebericht fast identisch sind, sollte stets eine Orientierung an den Regelungen des DRS 20 erfolgen.
Nach DRS 20.12-35 hat der Lagebericht alle Angaben zu enthalten, die für die Erfüllung der Zwecke notwendig sind (Vollständigkeit). Jegliche Angaben im Lagebericht, auch wenn sie nicht zu den in § 289 HGB ausdrücklich geforderten Angaben gehören, müssen zutreffend und nachvollziehbar sein (Verlässlichkeit). Des Weiteren dürfen positive oder negative Aspekte in der Lageberichterstattung grds. nicht saldiert oder einseitig dargestellt werden. Stattdessen muss stets ausgewogen berichtet werden. Es gilt das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit sowohl in Bezug auf die Aussagen im Lagebericht als auch auf dessen Aufbau. S. 401Besonders relevant ist die geforderte Vermittlung der Sicht der Geschäftsführung. Einschätzungen und Beurteilungen der Geschäftsführung sind bei den einzelnen Berichtspunkten in den Vordergrund zu stellen. Bezüglich des bereits im Gesetz verankerten Wesentlichkeitsgrundsatzes bei der Lageberichterstattung erläutert DRS 20.33 wenig erhellend, dass Informationen nur insoweit aufgenommen werden müssen, wie dies zum Verständnis des Geschäftsverlaufs, der Lage und der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens erforderlich ist. In der Literatur wird die Wesentlichkeit an die Relevanz der Information für die Entscheidungen der Adressaten festgemacht, was auch explizit in DRS 20.146 für den Risikobericht gefordert wird. Die Formulierungen des DRS helfen jedoch nur bedingt weiter bei der praktischen Auslegung der Wesentlichkeit. Schließlich sollen die Ausführlichkeit und der Detaillierungsgrad der Ausführungen von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens abhängen, wie insbesondere der Art der Geschäftstätigkeit, der Größe und der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts (Informationsabstufung).