BFH Urteil v. - X R 34/16

Einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Preisgeldern aus Turnierpokerspielen

Leitsatz

1. NV: Die Teilnahme an Turnierpokerspielen kann als Gewerbebetrieb i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG zu qualifizieren sein.

2. NV: Das Turnierpokerspiel ist nach einkommensteuerrechtlichen Maßstäben im Allgemeinen nicht als reines —und damit per se nicht steuerbares— Glücksspiel, sondern als Mischung aus Glücks- und Geschicklichkeitsspiel einzustufen.

3. NV: Da Zahlungsansprüche des FA gegen den Steuerschuldner auch während eines Rechtsstreits über die Steuerfestsetzung verjähren und damit erlöschen können, sofern das FA in dieser Zeit keine taugliche Unterbrechungshandlung vornimmt, ist der Eintritt der Zahlungsverjährung in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen.

Gesetze: EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; EStG § 15 Abs. 2; AO § 228; AO § 229 Abs. 1 Satz 1; AO § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; AO § 232;

Instanzenzug: (EFG 2016, 1864),

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Jahren 2004 bis 2006 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter. Darüber hinaus nahm er in den Streitjahren 2005 bis 2007 häufig an Pokerturnieren teil. Die Turniere fanden in verschiedenen Städten und Ländern (A, B, C, D, E, F) statt.

2 Aus der Teilnahme an den Turnieren erzielte der Kläger in den Streitjahren aufgrund seines Spielerfolges wiederholt Preisgelder. Es fielen dabei Reisekosten, Teilnahmegebühren und Ausgaben für am Gewinn beteiligte Dritte an. Ferner nahm der Kläger in Spielcasinos außerhalb von Turnieren an verschiedenen sog. „Cash Games“ und „Black Jack“ teil.

3 Ab April 2008 arbeitete der Kläger wieder bei seinem früheren Arbeitgeber als Angestellter.

4 Am wurde gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Verkürzung der Einkommensteuer für das Jahr 2007 eingeleitet. Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (StrafaFA) begann am eine Fahndungsprüfung, die u.a. die Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 2005 bis 2007 zum Gegenstand hatte. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung wurde eine Aufstellung beschlagnahmt, die vom Kläger erstellt worden war. Diese Aufstellung beinhaltet die Höhe der Spielgewinne des Klägers aus der Teilnahme an Pokerturnieren sowie die damit im Zusammenhang stehenden Startgelder, Trinkgelder, Reisekosten und die an Dritte abgeführten Gewinnbeteiligungen. Nach dieser Aufstellung nahm er insgesamt an 91 Tagen an turniermäßigen Pokerveranstaltungen teil. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers äußerte gegenüber der zuständigen Fahndungsprüferin, der Kläger habe in den Jahren 2004 und 2005 in etlichen Spielbanken an Glücks- und Geschicklichkeitsspielen (u.a. „Black Jack“) teilgenommen und insoweit öfter für den Spieleinsatz Bargeld abgehoben und bei entsprechendem Gewinn Bareinzahlungen getätigt. Das StrafaFA stufte die Betätigung als Pokerspieler als gewerbliche Tätigkeit ein und schätzte die Einkünfte aus der Teilnahme an Pokerturnieren auf Grundlage der im Rahmen der Hausdurchsuchung vorgefundenen Aufstellung. Die außerhalb von Pokerturnieren in Spielcasinos erzielten Gewinne schätzte das StrafaFA in Höhe von 25.000 €.

5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte der Auffassung des StrafaFA und erließ am für das Jahr 2006 einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer (festgesetzte Einkommensteuer: 70.502 €) und setzte am selben Tag erstmalig Einkommensteuer für das Jahr 2005 (20.233 €) sowie mit Bescheiden vom erstmalig Gewerbesteuer-Messbeträge für die Jahre 2005 bis 2007 (2005: 214 €, 2006: 7.805 € und 2007: 0 €) fest.

6 Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die daraufhin erhobene Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1864 veröffentlichtem Urteil ab. Der Kläger habe sowohl mit seiner Tätigkeit als Kartenspieler bei Turnierpokerveranstaltungen als auch bei „Cash Games“ (u.a. „Black Jack“) in Spielcasinos Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt. Der Ansatz seiner Einkünfte aus dieser gewerblichen Tätigkeit sei im Ergebnis auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

7 Mit seiner Revision rügt der Kläger, in verfahrensrechtlicher Hinsicht habe das FG den Sachverhalt bezüglich seiner vermeintlichen Spielfähigkeiten nicht ausreichend aufgeklärt. Die Spielfertigkeiten seien anhand der sog. „kritischen Wiederholungshäufigkeit“ des einzelnen Spielers zu bestimmen (sog. CRF-Wert). Der Erfolg beim Pokerspiel hänge sowohl vom Glück als auch von der Geschicklichkeit der Spieler ab. Je häufiger das Spiel wiederholt werde, desto größer werde die Bedeutung des Geschicks für das Spielergebnis. Maßgeblich sei zudem das Geschick der anderen Mitspieler. Zur Feststellung seiner Spielerfähigkeiten hätte das FG den CRF-Wert des Klägers und seiner Mitspieler unter Berücksichtigung der von ihm gespielten Turniere ermitteln müssen. Eine Besteuerung des Gewinns komme nur in Betracht, sofern das Ergebnis des Pokerturniers nicht maßgeblich vom Glück, sondern wesentlich vom Geschick des Spielers abhängig gewesen sei.

8 Die Frage, ob ein Spiel den Tatbestand des Glücksspiels erfülle, sei keine Tatsache, sondern eine rechtliche Würdigung. Die rechtliche Beurteilung des FG, wonach es sich bei dem Turnierpokerspiel um ein Geschicklichkeitsspiel handele, sei fehlerhaft. Das FG beziehe sich zwar auf straf- und verwaltungsrechtliche Literatur zur Untersuchung der Glücksspieleigenschaft des Pokerspiels, diese belege die Einordnung des Turnierpokerspiels als Geschicklichkeitsspiel indes nicht. Die internationale Rechtsprechung und Literatur gehe vielmehr mehrheitlich von der Glücksspieleigenschaft des Pokerspiels aus. Insbesondere komme für Österreich der dortige unabhängige Finanzsenat in seiner Entscheidung vom ZI RV/0369-W/02 zu der zutreffenden Wertung, dass auch das bei Turnieren durchgeführte Pokerspiel in der Variante „Texas Hold'em“ ein Glücksspiel darstelle. Die Annahme, im Rahmen der Teilnahme an Pokerturnieren überwiege die Geschicklichkeitskomponente die Glückskomponente, sei daher unzutreffend. Vielmehr zeige sich, dass der Zufall bzw. das Glück die maßgebliche Determinante bilde. Ein Leistungsaustausch finde daher nicht statt.

9 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Einnahmen aus Glücksspielen, wie Rennwetten und Lotteriespielen nicht als steuerbar angesehen worden. Vor diesem Hintergrund überzeuge auch die Aussage des erkennenden Senats nicht, der einkommensteuerrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs kenne das Tatbestandsmerkmal des Glücksspiels weder in positiver noch in negativer Hinsicht.

10 Zumindest bei den Turnieren, an denen der Kläger teilgenommen habe, sei eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr i.S. des § 15 Abs. 2 EStG auszuschließen. Das FG stelle darauf ab, dass der Kläger eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt für Dritte äußerlich erkennbar angeboten habe, indem er seine spielerischen Fähigkeiten als Dienstleistung gegenüber dem Veranstalter bei Pokerturnieren öffentlich dargeboten habe. Beim Turnierpoker sei die Leistung des einzelnen Spielers gegenüber dem Veranstalter jedoch nicht in seiner Spieltätigkeit, sondern allein in dem jeweiligen Einsatz, dem „Buy-In“ des Spielers, zu sehen. Der Spieler sei nicht Leistender, sondern bloßer Konsument des Spielangebotes; er kaufe mit seinem Einsatz lediglich eine Gewinnchance. Der Kläger habe die Preisgelder damit nicht als Entgelt für eine Leistung erhalten. Bei den vom Kläger besuchten Pokerturnieren handele es sich nicht um Unterhaltungsveranstaltungen, die nahezu ausschließlich von der Mitwirkung der Kandidaten lebten.

11 Auch in Bezug auf die Beurteilung von „Cash Games“ stelle sich das Urteil des FG als materiell rechtsfehlerhaft dar. „Black Jack“ sei ein Glücksspiel. Dies werde durch zahlreiche fachwissenschaftliche Studien belegt. Selbst bei einer optimalen Spielstrategie könne der Spieler keine guten Gewinnchancen beim „Black Jack“ erreichen. Entscheidend sei hierbei nicht das Geschick des Spielers, sondern der Zufall.

12 Dasselbe gelte auch in Bezug auf das „Poker Cash Game“. Mit Urteil vom RV/3100566/2012 habe das Österreichische Bundesfinanzgericht entschieden, dass bei der als „Cash Game“ gespielten Art von Poker nicht das spielerische Geschick, sondern zumindest vorwiegend der Zufall bei der Verteilung der Karten über den Spielausgang entscheide. Die Annahme des FG, der Kläger habe die Ergebnisse bei seiner Teilnahme an „Poker Cash Spielen“ positiv beeinflussen können, sei damit fehlerhaft.

13 Die Zahlungsansprüche des FA seien ferner zwischenzeitlich verjährt. Die Zahlungsansprüche aus den Einkommensteuerbescheiden 2005 und 2006 seien im Jahr 2011 fällig gewesen. Damit sei bei diesen Zahlungsansprüchen Verjährung eingetreten. Unterbrechungstatbestände i.S. des § 231 der Abgabenordnung (AO) lägen im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum nicht vor.

14 Dass die Einkommensteueransprüche für die Jahre 2005 und 2006 aufgrund der eingetretenen Verjährung erloschen seien, habe gemäß § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) auch Bedeutung für die Gewerbesteuermessbescheide.

15 Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 vom dahingehend zu ändern, dass die Gewinne des Klägers aus der Teilnahme an Pokerturnieren und „Cash Games“ nicht als gewerbliche Einkünfte berücksichtigt werden sowie die Gewerbesteuermessbescheide 2005 bis 2007 vom aufzuheben.

16 Das FA beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

17 Der BFH habe Einnahmen, die beim „Backgammon-Spiel“ erzielt wurden, als gewerblich klassifiziert (Verweis auf das , BFH/NV 1994, 622). Die Erfolgschancen beim „Backgammon“ hingen maßgeblich vom Würfelglück ab, so dass kein signifikanter Unterschied zum Poker bestehe. Entsprechendes gelte auch beim „Black Jack“ sowie dem „Poker Cash Game“.

18 Eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom habe die Zahlungsverjährung gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 3 AO unterbrochen. Die Pfändung habe die Rückstände in Höhe von 109.545,26 € aus der Einkommensteuer 2005 und 2006 einschließlich der bis dahin angefallenen Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten beinhaltet. Gemäß § 231 Abs. 2 Nr. 3 AO dauere eine Verjährungsunterbrechung bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts an.

Gründe

II.

19 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

20 Das FG hat die vom Kläger aus Turnierpokerspielen erzielten Einkünfte dem Grunde nach in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet (unter 1.). Das angefochtene Urteil ist jedoch aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, da es weitere Feststellungen zu den aus Kartenspielen in Spielbanken erzielten Gewinnen des Klägers (unter 2.) sowie zu der Frage treffen muss, ob die Ansprüche des FA zwischenzeitlich durch Zahlungsverjährung erloschen sind (unter 3.).

21 1. Die Auffassung des FG, die vom Kläger in den Streitjahren vereinnahmten Preisgelder aus Pokerturnieren seien dem Grunde nach als gewerbliche Einkünfte i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22 Gewerbebetrieb ist nach der Definition in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG eine selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung von Land- oder Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit anzusehen ist; darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nach der Rechtsprechung nicht um private Vermögensverwaltung handeln (vgl. z.B. Senatsurteil vom X R 41/08, BFH/NV 2011, 245, unter II.1.).

23 a) Die Selbständigkeit der Betätigung des Klägers als Turnierpokerspieler ist nach den vom FG getroffenen Feststellungen zu bejahen und wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen.

24 b) Der Kläger war ferner mit seiner Betätigung als Pokerspieler —wie das FG rechtsfehlerfrei annahm— nachhaltig tätig. Eine Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen, und sie objektiv erkennbar auf Wiederholung angelegt ist (Senatsurteil vom X R 17/96, BFH/NV 1998, 1467, unter II.2.a). Da die Wiederholungsabsicht eine innere Tatsache ist, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann, kommt den —nach außen tretenden— tatsächlichen Umständen besondere Bedeutung für die Beurteilung zu (vgl. Senatsurteil vom X R 25/13, BFHE 250, 55, BStBl II 2015, 897, Rz 22).

25 Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Spieltätigkeit des Klägers im Streitfall als nachhaltig anzusehen. Nach einem vom FG in Bezug genommenen Medienbericht hat der Kläger allein in dem Zeitraum von Ende 2005 bis Ende 2006 an 28 Pokerturnieren teilgenommen. Dass er gewillt war, Gewinne aus Pokerturnieren zu einer ständigen Erwerbsquelle zu machen, wird zudem daran deutlich, dass er seine Berufstätigkeit als Angestellter zwischenzeitlich einstellte.

26 c) Das FG hat überdies zu Recht die Absicht des Klägers bejaht, durch seine Betätigung als Turnierpokerspieler einen Totalgewinn zu erzielen. Dabei ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Gewinnerzielungsabsicht um ein subjektives Tatbestandsmerkmal handelt, das nicht nach den Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen, sondern nach den äußerlichen Merkmalen zu beurteilen ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c bb). Der Kläger hat während der Streitjahre bei der Teilnahme an Pokerturnieren Erträge in erheblicher Höhe erzielt. Die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers folgt insbesondere auch daraus, dass er während der Zeit von Ende 2006 bis März 2008 nicht als Angestellter arbeitete. Die aus der Teilnahme von Pokerturnieren resultierenden Einnahmen bildeten somit die einzige Erwerbsquelle des Klägers in jener Zeit. Danach hat das FG aus den objektiv feststellbaren Umständen zu den Turnierpokeraktivitäten des Klägers in den Streitjahren in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht des Klägers geschlossen.

27 d) Anders als der Kläger meint, nahm er auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil.

28 aa) Dieses Tatbestandsmerkmal verlangt, dass eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen muss nach außen hin in Erscheinung treten und sich an eine —wenn auch begrenzte— Allgemeinheit wenden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 622, unter II.1.). Aus dem Gewerbebetrieb sollen solche Tätigkeiten ausgeklammert werden, die zwar in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden, aber nicht auf Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind, wobei neben Sach- und Dienstleistungen auch geistige und andere immaterielle Leistungen Gegenstand gewerblicher Tätigkeit sein können. Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr setzt keinen Güteraustausch gegen festes Entgelt voraus. Vielmehr kann das Entgelt auch erfolgsabhängig bestimmt werden (vgl. Senatsurteil vom X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 18).

29 In Bezug auf die steuerrechtliche Beurteilung von Spielgewinnen bzw. Preisgeldern ist in der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung anerkannt, dass bei einem reinen Glücksspiel keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegt, da es an einer Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung fehlt (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 19). Ein Gewerbebetrieb ist daher verneint worden bei Abschluss von Rennwetten (Urteil des Reichsfinanzhofs —RFH— vom VI A 261/27, RFHE 21, 244; , BFHE 98, 494, BStBl II 1970, 411) oder bei der Teilnahme an Lotteriespielen (, RStBl 1928, 181; , BFHE 100, 199, BStBl II 1970, 865). Spielgewinne seien mehr oder minder vom Zufall abhängige Einnahmen, die zwar ohne Beteiligung am Spiel nicht zu erzielen seien, die jedoch nicht ein Entgelt für die Spieltätigkeit darstellten.

30 bb) Dies zugrunde gelegt, scheidet eine Teilnahme des Klägers am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht deshalb aus, weil das Turnierpokerspiel ein reines Glücksspiel wäre, dem es an einer Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung fehlen würde. Das FG hat im angefochtenen Urteil festgestellt, bei den vom Kläger bestrittenen Pokerturnieren überwiege die Geschicklichkeitskomponente. Es hat seine Überzeugung unter Auswertung zahlreicher Publikationen darauf gestützt, dass Turnierpokerspiele nach dem Ergebnis wissenschaftlicher Studien schon bei einem Durchschnittsspieler als Spiele einzuordnen seien, bei denen nicht das Zufallsmoment überwiege.

31 Anders als der Kläger in seiner Revisionsbegründung vorträgt, handelt es sich bei der Frage, ob Turnierpoker als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel einzuordnen ist, um eine Tatsachenwürdigung, die das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 29; die Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93a, 93b des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. ).

32 Eine Einordnung als „reines Glücksspiel“ —nur in einem solchen Fall hat die angeführte ältere Rechtsprechung eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verneint— ist damit nach den bindenden Feststellungen des FG für die vom Kläger gespielten Pokerturniere auszuschließen. Es kann damit dahinstehen, ob der Kläger als Spieler mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten zu beurteilen ist. Weitere Sachverhaltsermittlungen des FG zu den Spielfähigkeiten bzw. des sog. CRF-Wertes des Klägers waren folglich nicht veranlasst.

33 Die vom Kläger in der Revisionsbegründung zitierten Urteile von Gerichten anderer Staaten sind für das deutsche Einkommensteuerrecht nicht maßgeblich (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 34).

34 cc) Das FG ist überdies anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Kläger seine Tätigkeit am Markt für Dritte äußerlich erkennbar angeboten hat. Es hat darauf abgestellt, dass der Kläger als international anerkannter Pokerspieler dem Verkehrskreis der Turnierpokerspieler angehörte. Er nahm wiederholt erfolgreich an hoch dotierten Pokerturnierveranstaltungen teil, die von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen worden sind. Der Kläger verfügte zudem über eine beachtliche Präsenz im Internet (z.B. sein Profil in der Internetdatenbank „Hendon Mob Poker Database“) sowie in den Printmedien und wurde dabei als bekannte Größe in der Turnierpokerszene dargestellt. Darüber hinaus wurde er während eines Pokerturniers von einem TV-Sender begleitet. Somit bot der Kläger den Veranstaltern der von ihm besuchten Pokerturniere nicht nur das „Buy-In“ an, sondern auch die öffentliche Darbietung seiner spielerischen Fähigkeiten.

35 In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger mit Dritten Vereinbarungen getroffen hat, wonach diese einen bestimmten Anteil des Startgelds für ein bestimmtes Turnier übernehmen und auch einen entsprechenden Anteil an einem eventuellen Gewinn erhalten sollten.

36 dd) Der erkennende Senat weicht damit nicht vom (BFHE 259, 175) zur Unternehmereigenschaft und Steuerbarkeit der Leistungen eines Berufspokerspielers nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) ab, da die Rechtsgrundlagen im UStG bzw. den zugrunde liegenden Mehrwertsteuer-Richtlinien sich wesentlich von denen des EStG unterscheiden. Während ein Umsatz gegen Entgelt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dieser Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraussetzt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 259, 175, Rz 18), reicht es für die Annahme eines Gewerbebetriebs i.S. von § 15 EStG aus, dass eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gegeben ist. Diese setzt keinen Güteraustausch gegen festes Entgelt voraus. Vielmehr kann das Entgelt auch erfolgsabhängig bestimmt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 18).

37 e) Das FG ist ferner unter Zugrundelegung des Gesamtbilds der von ihm festgestellten Verhältnisse und der Verkehrsanschauung ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass die Betätigung des Klägers als Turnierpokerspieler den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschritten hat. Der Kläger investierte einen Großteil seiner Zeit und seiner finanziellen Mittel in die Teilnahme an Turnieren und agierte damit wie ein professioneller Pokerspieler. In den Medien wurde er wiederholt als international anerkannte Größe in der Turnierpokerszene dargestellt. Die Teilnahme des Klägers an Turnierpokerveranstaltungen ist damit im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung nach der Verkehrsauffassung als gewerblich anzusehen.

38 2. Das angefochtene Urteil ist jedoch deshalb aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil die Feststellungen des FG nicht ausreichen, um dem Senat eine einkommensteuerrechtliche Beurteilung auch der aus Kartenspielen in Spielbanken („Cash Games“ und „Black Jack“) erzielten Ergebnisse zu ermöglichen.

39 a) Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang ermitteln müssen, welche Art von Spielen der Kläger durchgeführt hat und welche Regeln hierfür jeweils gelten. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils wird insoweit lediglich ausgeführt, der Kläger habe in Spielcasinos außerhalb von Turnieren wiederholt an verschiedenen sog. „Cash Games“ (u.a. „Black Jack“) teilgenommen, wobei die Angabe „u.a.“ darauf hindeutet, dass der Kläger sich an weiteren vom FG nicht ausdrücklich bezeichneten Spielen beteiligt hat. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei „Black Jack“ um ein Kartenspiel handelt, das nicht mit dem Pokerspiel vergleichbar ist. Darüber hinaus sind Feststellungen dazu erforderlich, ob es sich bei den betreffenden Spielen jeweils um reine Glücksspiele handelt, was zur Folge hätte, dass das Tatbestandsmerkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu verneinen wäre (vgl. Senatsurteil in BFHE 250, 55, BStBl II 2015, 897, Rz 19).

40 b) Schließlich wird rechtlich zu würdigen sein, ob der Kläger mit den Ergebnissen aus den betreffenden Spielen —wie das FG angenommen hat— gewerbliche Einkünfte erzielt hat. Das FG hat seine Auffassung zum einen auf die Grundsätze des Senatsurteils vom X R 25/07 (BFHE 223, 35, BStBl II 2010, 550) gestützt. Diese Entscheidung betrifft den Gewinn aus einer von einem Kosmetikhersteller veranstalteten Verlosung, an der ein Vertriebsmitarbeiter teilnehmen durfte, da er einen bestimmten Umsatz erzielt hatte. Damit stellte sich die Zuwendung der Lose —und der damit erzielte Gewinn— als Zusatzvergütung für ohnehin im Rahmen eines Gewerbebetriebs erbrachte Leistungen dar; es handelte sich um eine betriebsbedingte, wenn auch von einem Losverfahren abhängige bzw. in ein Losverfahren eingebundene Prämie (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 35, BStBl II 2010, 550, unter II.2.). Zum anderen hat das FG zur Begründung dafür, dass die sonstigen Spielgewinne des Klägers aus der Teilnahme an Kartenspielen in Spielbanken als Betriebseinnahmen aus seiner gewerblichen Tätigkeit als Turnierpokerspieler zu erfassen sind, das (BFHE 212, 535, BStBl II 2006, 650) herangezogen. Danach ist eine für den Gewerbebetrieb eines Steuerpflichtigen bestimmte Erbschaft als Betriebseinnahme zu erfassen, sofern die Zuwendung einen wirtschaftlichen Bezug zum Betrieb aufweist.

41 Das FG wird zu prüfen haben, ob die Sachverhalte dieser BFH-Entscheidungen mit demjenigen des vorliegenden Falles vergleichbar sind, da die Gewinne des Klägers (u.a.) aus „Cash Games“ und „Black Jack“ in Spielbanken (außerhalb von Pokerturnieren) nicht zwangsläufig als Zusatzvergütung oder Betriebseinnahmen seiner Turnierteilnahmen angesehen werden können.

42 3. Hinsichtlich der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzungen wird das FG im zweiten Rechtsgang zudem Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, ob die Ansprüche des FA aus den Einkommenssteuerbescheiden 2005 und 2006 zwischenzeitlich durch Zahlungsverjährung erloschen sind.

43 a) Nach § 228 Satz 1 AO unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich fünf Jahre, § 228 Satz 2 AO. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 AO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Da Zahlungsansprüche des FA gegen den Steuerschuldner auch während eines Rechtsstreits über die Steuerfestsetzung verjähren und damit erlöschen können, sofern das FA in dieser Zeit keine taugliche Unterbrechungshandlung vornimmt, ist der Eintritt der Zahlungsverjährung in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (vgl. , BFH/NV 2004, 1057, unter II.1., und , BFH/NV 1997, 95).

44 b) Die Zahlungsansprüche aus den Einkommensteuerbescheiden 2005 und 2006 waren am fällig. Die fünfjährige Verjährungsfrist begann folglich mit Ablauf des Kalenderjahrs 2011. Ohne Eintritt einer Hemmung (§ 230 AO) oder Unterbrechung (§ 231 AO) der Verjährung wären die Zahlungsansprüche mit Ablauf des Jahres 2016 verjährt und damit gemäß § 232 AO erloschen. Zwar hat sich das FA darauf berufen, dass die Verjährung durch eine Vollstreckungsmaßnahme gegenüber dem Kläger (Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) unterbrochen worden sei. Entsprechende Nachweise befinden sich jedoch weder in den Steuerakten noch wurden sie vom FA im Revisionsverfahren vorgelegt. Insoweit ist weitere Sachaufklärung durch das FG erforderlich.

45 c) Die Verjährung der Zahlungsansprüche aus den Einkommensteuerbescheiden 2005 und 2006 würde sich jedoch —anders als der Kläger meint— nicht ohne Weiteres auf die Gewerbesteuermessbescheide 2005 bis 2007 auswirken. Zwar ist ein Gewerbesteuermessbescheid gemäß § 35b Abs. 1 GewStG aufzuheben oder zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid des dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraums aufgehoben wird und die Aufhebung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids aus verfahrensrechtlichen Gründen führt jedoch nicht zur Aufhebung oder Änderung des entsprechenden Gewerbesteuermessbescheids (vgl. Senatsurteil vom X R 36/06, BFHE 225, 407, BStBl II 2010, 171, Rz 20, zur Aufhebung eines Einkommensteuerbescheids wegen Festsetzungsverjährung).

46 4. Das FG wird ferner im zweiten Rechtsgang die von ihm vorgenommene Schätzung näher begründen müssen. Es hat für sämtliche Streitjahre pauschal einen Sicherheitszuschlag von 20 % den vom FA auf Grundlage der im Rahmen der Hausdurchsuchung vorgefundenen Aufstellung ermittelten Einkünften aus Pokerturnieren hinzugerechnet. Dies ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, da die vom Kläger aufgezeichneten Gewinne im Wesentlichen mit den zu seiner Person aufgeführten Ergebnissen einer im Internet abrufbaren Rankingliste für Berufspokerspieler übereinstimmten. Insbesondere für das Streitjahr 2007 erschließt sich zudem nicht, weshalb das FG einen Sicherheitszuschlag in Höhe von 6.510,10 € angesetzt hat, obwohl die vom FA ermittelten Einkünfte negativ waren. Insoweit hat das FG seine eigene Schätzungssystematik verlassen, was stets einer näheren Begründung bedarf.

47 Das FG sollte schließlich prüfen, ob die Beteiligung Dritter an den Startgeldern und den Gewinnen des Klägers ausnahmsweise eine Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG begründen könnte, wofür nach bisheriger Aktenlage derzeit allerdings keine durchgreifenden Anhaltspunkte bestehen.

48 5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2018:U.071118.XR34.16.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2019 S. 686 Nr. 7
EStB 2019 S. 225 Nr. 6
HFR 2019 S. 662 Nr. 8
PStR 2019 S. 181 Nr. 8
EAAAH-13847