Leitsatz
[1] Der degressive Versorgungsbestandteil (sog. Abflachungsbetrag) beamtenrechtlicher Versorgungsanrechte fällt auch dann nicht in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, wenn der Versorgungsfall bereits vor Beginn der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG eingetreten ist.
Gesetze: BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 1; BeamtVG § 14 Abs. 1 i.d.F. des Versorgungsänderungsgesetzes v. (BGBl. I 3926 ff); BeamtVG § 69 e i.d.F. des Versorgungsänderungsgesetzes v. (BGBl. I 3926 ff)
Instanzenzug: AG Karlsruhe 3 F 239/01 vom OLG Karlsruhe 2 UF 157/02 vom
Gründe
I.
Die Parteien haben am geheiratet. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin; geboren am ) ist dem Ehemann (Antragsgegner; geboren am ) am zugestellt worden. Bereits seit August 2000 bezieht die Antragstellerin eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; der Antragsgegner war als Beamter im Polizeidienst tätig und bezieht seit November 1997 Pension.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV B.-W.; weiterer Beteiligter zu 1) im Wege des Quasi-Splittings nach § 1587 b Abs. 2 BGB auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund; weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 761,31 €, bezogen auf den , begründet hat.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des LBV B.-W. hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - geringfügig abgeändert und den im Wege des Quasi-Splittings zu Gunsten der Antragstellerin auszugleichenden Betrag auf 764,23 € erhöht. Zudem hat es im Tenor ausgesprochen, der schuldrechtliche Versorgungsausgleich bleibe vorbehalten. Dabei ist das Oberlandesgericht unter Zugrundelegung der Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 von ehezeitlichen ( bis ; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften der Antragstellerin bei der DRV Bund in Höhe von monatlich 497,67 € sowie des Antragsgegners beim LBV B.-W. unter Berücksichtigung der Absenkung des Höchstruhegehaltssatzes auf 71,75 % nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 in Höhe von monatlich 2.026,14 € ausgegangen, jeweils bezogen auf den .
Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des LBV B.-W., mit der es geltend macht, das Oberlandesgericht habe die Neuregelungen des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 fehlerhaft auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewandt und seiner Berechnung einen unrichtigen Bemessungsfaktor für die dem Antragsgegner zustehende Sonderzahlung zugrunde gelegt.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache nur zum Teil begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des § 14 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom durchgeführt und das für den Versorgungsausgleich maßgebliche Ruhegehalt des Antragsgegners mit dem verminderten Höchstruhegehaltssatz von 71,75 % berechnet. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Der Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mehrfach entschieden, dass für die Berechnung des Versorgungsausgleichs bei beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz seit dem uneingeschränkt der Höchstruhegehaltsatz von 71,75 % gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom (BGBl. I 3926) maßgeblich ist, da diese Fassung nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des Versorgungsänderungsgesetzes zum in Kraft getreten ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob das Ehezeitende vor oder in der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG liegt, noch ob der Versorgungsfall in oder erst nach der Übergangsphase eintreten wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 75/02 - und - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 256, 257 ff. bzw. 259, 260 f.; vom - XII ZB 120/03 - NJW-RR 2004, 433; vom - XII ZB 99/02 - FamRZ 2005, 1529 sowie vom - XII ZB 229/01 - FamRZ 2006, 98, 99).
Ziel des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 ist die wirkungsgleiche und systemgerechte Übertragung der Reformmaßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung (durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens - Altersvermögensgesetz/AVmG - vom , BGBl. I 1310 und das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens - Altersvermögensergänzungsgesetz/AVmEG - vom , BGBl. I 403) auf die Beamtenversorgung. Dazu soll schrittweise der Versorgungshöchstsatz nach § 14 BeamtVG von 75 % auf 71,75 % im Jahre 2010 abgesenkt werden. Die Absenkung hat im Jahr 2003 begonnen und soll sämtliche Versorgungsempfänger (Bestand und Zugang) erfassen. Regelungstechnisch ist eine Abflachung des Anstiegs der Versorgungsbezüge im Rahmen der nächsten acht Versorgungsanpassungen ab dem Jahr 2003 vorgesehen. Nach der Übergangsregelung in § 69 e Abs. 1 - 4 BeamtVG werden dabei zunächst in den ersten sieben auf den folgenden allgemeinen Anpassungen die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge durch die Anwendung eines Anpassungsfaktors vermindert, während bei der achten Anpassung der Ruhegehaltssatz herabgesetzt wird. Formal werden also nicht bestehende Versorgungsbezüge gekürzt, sondern lediglich künftige Zuwächse abgeflacht. Die Ruhegehälter werden bei zukünftigen Besoldungs- und Versorgungsanpassungen zwar erhöht, aber in einem geringeren Umfang. Wirtschaftlich betrachtet werden die Versorgungen in einer gestreckten Übergangszeit auf den neuen Höchstruhegehaltssatz nach § 14 BeamtVG abgeschmolzen. Dies entspricht einem insoweit degressiven Teil der Versorgung, der im Laufe der Zeit aufgezehrt wird (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 259, 261).
Tritt der Versorgungsfall während der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG ein, fällt der degressive Versorgungsbestandteil (sog. Abflachungsbetrag) nicht unter den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Ob der Abflachungsbetrag gegebenenfalls schuldrechtlich auszugleichen sein wird, bleibt einer weiteren Prüfung vorbehalten, sofern die Voraussetzungen für einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegeben sein sollten (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 259, 261; vom - XII ZB 120/03 - NJW-RR 2004, 433; vom - XII ZB 99/02 - FamRZ 2005, 1529 sowie vom - XII ZB 229/01 - FamRZ 2006, 98, 99).
b) Dass der Antragsgegner hier zum Ehezeitende am und damit vor Beginn der Übergangsphase bereits Versorgungsleistungen bezogen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Zwar wirkt sich der Wertausgleich vorliegend mit Rechtskraft der Entscheidung und damit vor Ende der Übergangsphase unmittelbar auf die Höhe des Ruhegehalts des Antragsgegners aus, da die ausgleichsberechtigte Antragstellerin bereits Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erhält (§ 57 Abs. 1 BeamtVG). Für die Bestimmung des Wertes einer Versorgung ist allerdings das im Entscheidungszeitpunkt geltende Versorgungsrecht anzuwenden, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen auch das ehezeitlich erworbene Versorgungsanrecht umfasst. Dadurch wird gewährleistet, dass der Wertausgleich dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Halbteilung möglichst nahe kommt (Senatsbeschluss vom - XII ZB 75/02 - FamRZ 2003, 256, 258) und das Versorgungsanrecht dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nur mit seinem wirklichen Wert zur Verfügung steht. Bei der Entscheidung ist deshalb zu beachten, dass die Versorgung des Antragsgegners seit der Abflachung nach § 69 e BeamtVG unterliegt und ihm der bei Ehezeitende noch geltende Ruhegehaltssatz von 75 % nicht dauerhaft zugute kommt. Da § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB für einen degressiven Abschmelzungsteil einer Versorgung keine geeignete Bewertung zur Verfügung stellt (Senatsbeschluss vom - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 259, 261 m.N.), unterliegt dieser Teil nicht dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich.
c) Dahinstehen kann, ob die Antragstellerin tatsächlich einen Anspruch auf Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente hat. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich wird nur auf ausdrücklichen Antrag des Berechtigten durchgeführt und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Soweit es im Tenor der angegriffenen Entscheidung heißt, der schuldrechtliche Versorgungsausgleich bleibe vorbehalten, ist dies lediglich deklaratorisch. Der Anspruch auf schuldrechtlichen Wertausgleich ergibt sich bei Vorliegen der Fälligkeitsvoraussetzungen unmittelbar aus dem Gesetz und ist nur noch von einem Antrag des Berechtigten abhängig (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 1587 f Rdn. 22).
d) Zwar unterliegen die Rentenanwartschaften, die für die Antragstellerin durch das Quasisplitting - aufgrund des herabgesetzten Höchstversorgungssatzes von 71,75 % in verminderter Höhe - begründet werden, in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom bis zum zusätzlich der Niveauabsenkung nach § 255 e SGB VI. Dies ist indessen durch die unterschiedlichen Niveauabsenkungsregelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der Beamtenversorgung andererseits systemimmanent und kann nicht dadurch korrigiert werden, dass dem Antragsgegner unter Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz mehr als die Hälfte der ihm tatsächlich zustehenden ehezeitbezogenen Versorgungsanwartschaften genommen wird. Sollten wegen der systembedingten Unterschiede im Ergebnis Korrekturen erforderlich werden - was im Hinblick auf die gegenwärtigen renten- und pensionsrechtlichen Unsicherheiten nicht abschließend beurteilt werden kann -, müssen diese gegebenenfalls der Abänderung nach § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG vorbehalten bleiben (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 75/02 - und - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 256, 259 bzw. 259, 261 f.; vom - XII ZB 120/03 - NJW-RR 2004, 433 f. und vom - XII ZB 99/02 - FamRZ 2005, 1529).
2. Allerdings wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg gegen den Bemessungsfaktor, den das Oberlandesgericht bei der Berechnung der dem Antragsgegner zustehenden Sonderzahlung angewandt hat.
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass im Versorgungsausgleich der zur Zeit der Entscheidung für die Sonderzahlung geltende Bemessungsfaktor heranzuziehen ist (vgl. etwa Senatsbeschluss vom XII ZB 130/98 FamRZ 2003, 437 ff. m.w.N.). Für Versorgungsempfänger in Baden-Württemberg ist nunmehr ein Faktor von 4,58 % monatlich maßgeblich (vgl. § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Gewährung von Sonderzahlungen in Baden-Württemberg <LSZG> vom - GBl. S. 693, 694 - in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Haushaltsstrukturgesetzes vom - GBl. S. 145).
3. Damit ergibt sich folgende Berechnung:
Das Ruhegehalt des Antragsgegners beträgt 2.150,69 € (2.866,20 € ruhegehaltsfähige Dienstbezüge x 71,75 % <Ruhegehaltssatz> = 2.056,50 € Ruhegehalt + monatliche Sonderzuwendung in Höhe von 2.056,50 € x 4,58 % = 94,19 €).
Der Ehezeitanteil der vollen Versorgung beläuft sich auf 1.967,76 € (2.150,69 € x 36,68 in die Ehezeit fallende Dienstjahre : 40,09 gesamte bis zur Altersgrenze erreichbare ruhegehaltsfähige Dienstzeit).
Der Versorgungsausgleich ist mithin in Höhe von 735,05 € (1.967,76 € - 497,67 € = 1.470,09 € : 2) zu Gunsten der Antragstellerin durchzuführen.
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1010 Nr. 15
NWB-Eilnachricht Nr. 23/2007 S. 1913
CAAAC-45882
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja