Abzug von Rentenzahlungen als dauernde Last
Leitsatz
Dem Abzug von Rentenzahlungen als dauernde Last steht nicht entgegen, dass der Begünstigte durch Erbeinsetzung oder Vermächtnis existenzsicherndes Vermögen aus der Erbmasse erhält (Abweichung von , BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633).
Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Instanzenzug: (EFG 2006, 1047) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden für das Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist die Abziehbarkeit von Rentenzahlungen als dauernde Last i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Rentenzahlungen wurden vom Kläger als Erben nach dem verstorbenen F.B. (im Folgenden auch „Erblasser”) aufgrund eines Vermächtnisses an R.B., die Ehefrau des Erblassers, gezahlt. Das Vermächtnis war durch Abschluss eines Erbvertrags vom zwischen dem Erblasser und seiner damaligen Verlobten begründet worden. Nach diesem Vertrag sollte R.B. als Vermächtnisnehmerin neben zwei Renten auch Grundstücke und sonstiges Vermögen erhalten.
Am verstarb der Erblasser. Zuvor hatte er die begünstigte Vermächtnisnehmerin R.B. geheiratet. Der in dem Erbvertrag genannte Bruder des Erblassers J.B. schlug die Erbschaft aus; der ebenfalls als Erbe eingesetzte Kläger trat die Erbschaft an. Nach dem Tod des Erblassers kam es zu einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und R.B., der mit gerichtlichem Vergleich vom beendet wurde.
Unter dem erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den angefochtenen Bescheid über Einkommensteuer 1997. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom ).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1047 veröffentlicht. Dem Kläger als Erben seien keine Aufwendungen auferlegt worden, die den Wert des erhaltenen Nachlasses überstiegen. Die Hinterbliebene R.B. habe nicht nur Versorgungsleistungen, sondern darüber hinaus existenzsicherndes Vermögen erhalten. In dem Erbvertrag vom könne keine „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen” gesehen werden. R.B. habe bei Abschluss des Erbvertrags vom nicht zum sog. „Generationennachfolge-Verbund” gehört.
Mit der Revision machen die Kläger geltend:
1. Für die private Rentenzahlung liege in Gestalt des Erbvertrags vom der erforderliche besondere Verpflichtungsgrund vor.
2. Entgegen der Auffassung des FG komme es nicht darauf an, dass der Wert des erhaltenen Nachlasses die Aufwendungen übersteige. Eine wirtschaftliche Belastung des Zahlungsverpflichteten sei nicht notwendig.
3. Unschädlich sei, dass R.B. existenzsicherndes Vermögen erhalten haben solle. Von existenzsicherndem Vermögen könne im Übrigen nicht ausgegangen werden. Bei einem Bedarf von 6 000 DM monatlich habe der Betrag von (nur) 400 000 DM lediglich für knapp 5 1/2 Jahre gereicht. Die Charakterisierung als Versorgungsleistung hänge nicht von der Versorgungsbedürftigkeit des jeweiligen Empfängers ab. Nach der Rechtsprechung sei nicht erheblich, ob der Empfänger der wiederkehrenden Leistungen versorgungsbedürftig und auf diese angewiesen sei (, BFH/NV 2000, 12; vom X R 3/95, BFH/NV 2000, 414). Das gelte auch bei Versorgungsleistungen aufgrund einer letztwilligen Verfügung.
4. Dem FG sei auch nicht in der Auffassung zu folgen, dass der Erbvertrag keine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sei. R.B. habe auf ihre nach Eheschließung bestehenden künftigen Erbteils- und Pflichtteilsansprüche verzichtet.
5. Entgegen der Auffassung des FG habe R.B. zum sog. „Generationennachfolge-Verbund” gehört. Bei Eintritt des Erbfalls sei sie als Ehefrau gegenüber dem Erblasser pflichtteilsberechtigt gewesen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Bescheids vom die an R.B. geleisteten Rentenzahlungen als Sonderausgaben abzuziehen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung des FG entspreche dem (BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633). Es fehle eine wirtschaftliche Belastung. Der Empfänger müsse ein erbberechtigter Abkömmling sein. Unter Anwendung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom IV C 3 -S 2255- 354/04 (BStBl I 2004, 922) handele es sich um nichtabziehbare Unterhaltsleistungen. Außerhalb der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen komme ein Abzug als Sonderausgaben nicht in Betracht. Die wiederkehrenden Leistungen unterlägen dem Abzugsverbot des § 12 EStG, weil sie keine Gegenleistungen für die Erlangung des Nachlassvermögens darstellten. Der Betrag von 664 011 DM bzw. 480 000 DM sei durchaus existenzsichernd gewesen. Der Erbvertrag sei vor Schließung der Ehe abgeschlossen worden. R.B. habe nicht auf den Pflichtteil verzichtet, sondern nur auf die ihr ausgesetzten Vermächtnisse (dazu , BFHE 204, 192, BStBl II 2004, 820).
II. Die Revision führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und mangels Spruchreife der Sache zur Zurückverweisung an das FG.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Handelt es sich um eine dem Vertragstypus des „Versorgungsvertrags"/"Altenteilsvertrags” vergleichbare Vermögensübergabe, sind wiederkehrende Leistungen als dauernde Last abziehbar,
- wenn Vermögen übertragen wird, das ausreichende Erträge abwirft, die die vom Übernehmer zu erbringenden Versorgungsleistungen abdecken (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II.6.; , BFH/NV 2005, 1789),
- wenn die Leistungen ihren Rechtsgrund in einer vorweggenommenen Erbfolge oder in einer letztwilligen Verfügung (z.B. in einem Vermächtnis) haben (Senatsurteil vom X R 12/05, BFHE 212, 507, BStBl II 2006, 797),
- wenn der Empfänger der Versorgungsleistungen zum Generationennachfolge-Verbund gehört (Senatsurteil in BFHE 212, 507, BStBl II 2006, 797),
- wenn die Versorgungsleistungen abänderbar sind (Senatsurteil vom X R 5/04, BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, m.w.N.; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 10 Rz 65 „Gegenleistung” unter c; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 22 Rz 81); wegen weiterer Einzelheiten vgl. auch Risthaus in Herrmann/Heuer/Raupach, § 22 EStG Rz 128 ff.).
2. Im Streitfall sind die Leistungen des Klägers als Versorgungsleistungen einzuordnen.
a) Versorgungsleistungen unterscheiden sich von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG. Dem liegt nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 (unter C.II.6.a) die Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber —ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt— das Vermögen ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat.
b) Der Rechtsgriff „Versorgungsleistungen” umfasst grundsätzlich solche Zuwendungen zur Existenzsicherung, durch welche die Grundbedürfnisse des Bezugsberechtigten wie Wohnen und Ernährung und der sonstige Lebensbedarf lebenslänglich abgedeckt werden (, BFHE 190, 197, BStBl II 2002, 650).
Gesetzlich erb- und pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge des Übergebers können allerdings nur dann begünstigte Empfänger der Versorgungsleistungen sein, wenn tatsächlich das Versorgungsbedürfnis im Vordergrund steht. Werden Geschwister des Vermögensübernehmers mit wiederkehrenden Leistungen bedacht, so ist zu prüfen, ob die Geschwister gleichgestellt werden sollten. Wird in erster Linie der Erb- oder Pflichtteilsverzicht verrentet und steht nicht die Versorgung der Geschwister im Vordergrund, so sind die Zahlungen als entgeltliches Rechtsgeschäft zu beurteilen. Diese Abgrenzung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei nach der BFH-Rechtsprechung die allgemeine Vermutung gilt, dass Geschwister nicht in erster Linie versorgt werden sollen (, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602).
Im Streitfall ist davon auszugehen, dass der Erblasser beabsichtigte, die Versorgung seiner späteren Ehefrau sicherzustellen. Die Regelungen des Erbvertrags sprechen eindeutig für eine Versorgungsregelung. Die Absicht der Gleichstellung —wie sie unter Geschwistern üblich ist— ist nicht erkennbar.
c) Der Senat hält an der in der Entscheidung in BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633 getroffenen Aussage, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht eingreift, wenn der überlebende Ehegatte aufgrund gesetzlicher Erbfolge, durch Erbeinsetzung oder Vermächtnis existenzsicherndes Vermögen aus der Erbmasse erhält, nicht fest. Diese Einschränkung ist mit dem dem Institut der Vermögensübertragung zugrunde liegenden Prinzip des Vorbehalts der Vermögenserträge nicht vereinbar. Der Übergeber behält sich Teile der nunmehr vom Übernehmer zu erwirtschaftenden Nettoerträge vor. Der Vorbehalt der Erträge stellt sich dar als ein „Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit”. Dieser wird in der Weise rechtstechnisch verwirklicht, dass die Aufwendungen beim Übernehmer nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar und die entsprechenden Zuflüsse beim Übergeber nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar sind, und bedingt eine materiell-rechtliche Korrespondenz zwischen Abzugs- und Besteuerungstatbestand (, BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830). Dementsprechend spricht der Große Senat des BFH in der Entscheidung in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II.6.a) von den „bisher unter der Bezeichnung 'existenzwahrend' zusammengefassten Vermögensarten”. Auf den Umstand, dass der Übergeber weiteres existenzsicherndes Vermögen besitzt oder ein Vermächtnisnehmer existenzsicherndes Vermögen erhalten hat, kommt es nicht an (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 12, unter II.1.d). Die Charakterisierung als Versorgungsleistung hängt nicht von der Versorgungsbedürftigkeit des jeweiligen Empfängers ab. Das Urteil in BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633 ist daher durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 überholt (Fischer in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 22 Rz 13).
Auch die Verwaltung verweist in dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 922 Rz 41 nicht weiter auf das Urteil in BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633 (so noch im BStBl I 2002, 893 Rz 29; vgl. auch Schwenke, Deutsches Steuerrecht 2004, 1679, 1685).
Schließlich hat der Senat in ähnlicher Weise bereits entschieden, dass einer etwaigen Überversorgung im Hinblick auf eine aus einer früheren Berufstätigkeit fließenden Rente bei der Beurteilung der Versorgungsleistungen keine Bedeutung zukommt (, BFH/NV 2005, 201).
3. R.B. gehörte als Ehefrau des Erblassers zum Generationennachfolge-Verbund. Nach dem Senatsurteil in BFHE 204, 192, BStBl II 2004, 820, zählen dazu grundsätzlich nur solche Personen, die gegenüber dem Erben bzw. den sonstigen letztwillig bedachten Vermögensübernehmern Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) hätten geltend machen können und sich stattdessen mit den ihnen (vermächtnisweise) ausgesetzten Versorgungsleistungen bescheiden. Nicht zum Generationennachfolge-Verbund gehören nach dem BFH-Urteil in BFHE 212, 507, BStBl II 2006, 797 Personen, die zu einem früheren Zeitpunkt auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet hatten.
Entgegen der Auffassung des FA ist bei der Beurteilung dieser Frage nicht allein auf den Zeitpunkt der Vereinbarung abzustellen, sondern in erster Linie auf den Zeitpunkt der Übergabe bzw. den des Eintritts des Erbfalls. Wer zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen erfüllt, kann Pflichtteilsansprüche geltend machen (vgl. § 2303 Abs. 2 BGB) und gehört damit zum Nachfolgeverbund. Im Übrigen ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass dem Erblasser daran gelegen war, kurz vor seinem Tod noch eine „Gesamtregelung” zu treffen, die nicht nur den Erbvertrag, sondern auch die Heirat mit R.B. umfasste.
4. Entgegen der Auffassung des FA muss der Zahlungsverpflichtete nicht in der Weise wirtschaftlich belastet sein, dass die Zahlungen den Wert des Nachlasses übersteigen. Der Abzug von dauernden Lasten in Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe beruht auf dem Prinzip der vorbehaltenen Erträge, nicht auf dem Umstand einer besonderen Belastung (BFH-Urteil in BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 22 Rz 83).
5. Im Streitfall fehlen Feststellungen zu der Frage, ob der Kläger die Versorgungsleistungen aus den Erträgen des übergebenen Vermögens erbringen konnte. Weder ist die genaue Zusammensetzung des dem Erben zugefallenen Vermögens festgestellt noch ist bekannt, welche Erträge es abwirft. Aus diesem Grund war die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dabei kann das FG ggf. auch klären, ob die Rentenzahlungen lediglich 30 000 DM betrugen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 123
BStBl II 2008 S. 123 Nr. 4
DB 2007 S. 2812 Nr. 51
DStR 2007 S. 2316 Nr. 51
DStRE 2008 S. 131 Nr. 2
DStZ 2008 S. 7 Nr. 1
EStB 2008 S. 12 Nr. 1
FR 2008 S. 287 Nr. 6
HFR 2008 S. 126 Nr. 2
KÖSDI 2008 S. 15854 Nr. 1
KÖSDI 2008 S. 15925 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15931 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15931 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15932 Nr. 3
NJW 2008 S. 1344 Nr. 18
NJW-RR 2008 S. 311 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2007 S. 4592
SJ 2008 S. 5 Nr. 2
StB 2008 S. 2 Nr. 1
StBW 2007 S. 4 Nr. 26
StC 2008 S. 10 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2007 S. 953
WPg 2008 S. 1134 Nr. 23
BAAAC-65399