BGH Beschluss v. - 1 StR 475/21

Steuerhinterziehung: Schuldner der Umsatzsteuer bei der Erbringung von Prostitutionsleistungen

Gesetze: § 370 AO, § 1 Abs 1 UStG, § 2 Abs 1 UStG, § 3 UStG, § 13a Abs 1 Nr 1 Alt 1 UStG, § 18 Abs 1 UStG, § 18 Abs 3 UStG

Instanzenzug: LG Kleve Az: 190 KLs 7/18,

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung in 18 Fällen verurteilt, und zwar den Angeklagten J.               zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten und die Angeklagte U.            unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten; die Vollstreckung beider Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen beide Angeklagte als Gesamtschuldner angeordnet.

2Die jeweils auf die Rüge einer Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg und führen zum Freispruch der Angeklagten aus tatsächlichen Gründen sowie zum Wegfall der Einziehungsentscheidung.

I.

31. Nach den getroffenen Feststellungen führten die Angeklagten ab dem Jahr 2007 gemeinschaftlich das als Einzelunternehmen des Angeklagten J.                firmierende Bordell „F.       “. Die in dem Bordell tätigen Prostituierten nahmen am sogenannten Düsseldorfer Verfahren teil, innerhalb dessen die Angeklagte U.              monatlich Listen der anwesenden Prostituierten beim zuständigen Finanzamt einreichte und die für die Prostituierten vereinbarten Pauschalen an das Finanzamt abführte.

4Die Angeklagten bewarben das Bordell in Zeitungsanzeigen und im Internet, wobei im Internetauftritt des Bordells auch dort tätige Prostituierte abgebildet waren. Eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit einzelnen Prostituierten war über die Internetseite des Bordells nicht möglich. Manche Prostituierte gingen – dies war den Angeklagten bekannt – ihrer Tätigkeit auch außerhalb des Bordells nach.

5Für den Eintritt in das Bordell einschließlich der Nutzung von Sauna und Schwimmbad sowie des Buffets hatten die Besucher einen Eintrittspreis von zunächst 25 € und später 30 € zu entrichten; Getränke wurden gesondert abgerechnet. Sexuelle Dienstleistungen und deren Preise waren von den Freiern direkt mit den Prostituierten zu verhandeln und bei diesen zu bezahlen. Sowohl im Internet als auch in den Räumlichkeiten des Bordells waren folgende Hinweise veröffentlicht: „Die Damen unseres Hauses sind selbstständige Unternehmerinnen und bieten ihre Leistungen völlig eigenständig und auf eigene Rechnung an. Die Dienstleistungen sind mit den Damen selbst abzurechnen. Nicht alle Damen bieten den gleichen Service an. Bitte stimmen Sie die Einzelheiten und Extras mit den Damen im Einzelnen ab.“

6Vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im Bordell teilten die Prostituierten den Angeklagten ihre persönlichen „Daten“ einschließlich ihrer BH-Größe und ihr Angebot an sexuellen Dienstleistungen mit. Die Angeklagte U.           ließ sie eine in deutscher Sprache abgefasste Erklärung mit der Überschrift „Hausordnung/Dienstleistungsvereinbarung“ unterschreiben, in der einerseits die Selbständigkeit und Weisungsfreiheit der Prostitutionstätigkeit einschließlich der Bestimmung der Arbeitszeiten durch die Prostituierten festgehalten waren, andererseits aber Verhaltensregeln vereinbart wurden wie beispielsweise die Pflicht zur Einhaltung abgestimmter Anwesenheitszeiten, ein Handyverbot und eine Kleiderordnung. Für den Fall des Verstoßes gegen die „Hausordnung“, insbesondere einer Nichteinhaltung der abgestimmten Anwesenheitszeiten, drohte die Angeklagte U.             Strafzahlungen an; dass diese je „vollstreckt“ wurden, hat die Strafkammer nicht feststellen können.

7Die Prostituierten hatten – unabhängig von ihrem Verdienst – eine tägliche Zahlung von 50 €, später 40 €, für den Eintritt in das Bordell, den Zugang zum Buffet, die Möglichkeit der Nutzung der „Verrichtungszimmer“ – auch zu Übernachtungszwecken – und die für das Düsseldorfer Verfahren zu zahlenden Pauschalen in Höhe von 15 €, später 10 €, an die Angeklagten zu leisten. Ihre Anwesenheitszeiten im Bordell bestimmten sie in Absprache untereinander selbst; diese wurden dann von einer Thekenkraft in einem Wochenplan festgehalten. Die „Verrichtungszimmer“ konnten die Prostituierten je nach Verfügbarkeit nutzen; ein festes Zimmer war ihnen nicht zugeteilt. Im Thekenbereich war eine Liste mit (Mindest-)Preisen für sexuelle Leistungen ausgehängt; dass den Prostituierten untersagt war, höhere Preise mit den Kunden zu vereinbaren, hat die Strafkammer nicht feststellen können. Die Angeklagte U.      führte eine Liste, in der die Prostituierten ihre Tätigkeit – insbesondere die Verweildauer in einem der „Verrichtungszimmer“ – eintrugen.

8Die Bücher für das Bordell ließen die Angeklagten von einem Steuerberatungsbüro führen, über das sie auch die erforderlichen Steuererklärungen beim zuständigen Finanzamt einreichten. In den die Umsatzsteuer betreffenden Erklärungen gaben die Angeklagten die im Tatzeitraum Januar 2013 bis April 2016 durch Prostitutionsleistungen erwirtschafteten Beträge in Höhe von ca. 2.000.000 € nicht an, sondern nur die von den Freiern und Prostituierten vereinnahmten Eintrittsgelder. Durch das Verschweigen der Prostitutionsumsätze bewirkten sie im Tatzeitraum eine Verkürzung der Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt „gut“ 200.000 €.

92. Das Landgericht hat aufgrund der von ihm festgestellten Umstände angenommen, die Angeklagten seien gegenüber den Freiern als Anbieter einer Gesamtleistung, nämlich der unmittelbar von ihnen erbrachten Leistungen wie dem Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten und Speisen, aber auch der von den Prostituierten erbrachten sexuellen Dienstleistungen in Erscheinung getreten. Der Umstand, dass die als Zeugen vernommenen Freier übereinstimmend bekundeten, sie hätten die Vereinbarungen über die Erbringung sexueller Dienstleistungen mit der jeweiligen Prostituierten geschlossen, sei ohne Bedeutung, weil diese Einschätzung der Zeugen durch die im Internetauftritt und im Bordell erteilten Hinweise auf die selbstständige Tätigkeit der Prostituierten erklärlich sei. Auch die Hinweise selbst und die Zahlungsabwicklung über die Prostituierten änderten nichts daran, dass die sexuellen Dienstleistungen Teil des Gesamtangebots des Bordells gewesen seien und damit die Angeklagten auch insoweit als Vertragspartner und Leistungserbringer gegenüber den Kunden aufgetreten seien. Die Angeklagten seien somit auch hinsichtlich der von den Prostituierten durch sexuelle Dienstleistungen erwirtschafteten Beträge Unternehmer gemäß § 2 Abs. 1 UStG und hätten daher die hierauf anfallende Umsatzsteuer nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG in ihren Erklärungen erfassen müssen. Indem sie die Prostitutionsumsätze in den für die Besteuerungszeiträume 2013 und 2014 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen und den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2015 sowie Januar bis April 2016 verschwiegen hätten, hätten sie sich wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in 18 Fällen strafbar gemacht.

II.

101. Die Verurteilung der Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung in 18 Fällen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen nicht den hieraus vom Landgericht gezogenen Schluss, die von den Prostituierten im Bordell erbrachten sexuellen Leistungen seien Teil des von den Angeklagten als Bordellbetreiber angebotenen Gesamtpakets gewesen. Hinsichtlich der von den Prostituierten erbrachten Prostitutionsleistungen und der durch sie erwirtschafteten Umsätze ist daher eine Unternehmereigenschaft der Angeklagten nicht belegt; mithin waren die Angeklagten insoweit nicht erklärungspflichtig und ihre Umsatzsteuererklärungen nicht unvollständig (§ 18 Abs. 1 und 3 UStG, § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 AO). Sie sind daher vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in 18 Fällen freizusprechen.

11a) Auf der Grundlage der vom Landgericht – rechtsfehlerfrei – getroffenen Feststellungen zum Geschäftsmodell und der Organisation des Bordellbetriebs sowie insbesondere zum Auftreten der Angeklagten und der Prostituierten nach Außen – gegenüber den Freiern als Vertragspartner der Verträge über die Prostitutionsleistungen – waren nicht etwa die Angeklagten Anbieter und Erbringer der Prostitutionsleistungen und damit auch insoweit Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG), sondern die Prostituierten selbst.

12aa) Wer bei einem Umsatz als Leistender im Sinne von § 3 UStG und damit als Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) sowie Schuldner der Umsatzsteuer gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 Variante 1 UStG anzusehen und diesbezüglich nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG erklärungspflichtig ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Dies ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH, Beschlüsse vom – V B 108/01 Rn. 19, BFHE 198, 208, 212 und vom – XI B 81/17 Rn. 18; Urteil vom – V R 25/10 Rn. 16; Rn. 39 mwN; Beschluss vom – 1 StR 422/13 Rn. 19). Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch nach § 13a Abs.1 Nr. 1 Variante 1 UStG und Erklärungspflichtiger nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG ist danach grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist. Dies ist derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist; ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich erfüllt oder durch einen anderen, etwa einen Subunternehmer, ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt ( Rn. 21, BFHE 198, 208, 213; Urteile vom – V R 60/03 Rn. 21 und vom – V R 22/02 Rn. 21; Rn. 39).

13Auch für die Frage, ob hinsichtlich der in einem Bordell durch Prostitutionsleistungen erwirtschafteten Umsätze der Bordellbetreiber oder aber die dort jeweils tätige Prostituierte Schuldner(in) der Umsatzsteuer gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 Variante 1 UStG und Erklärungspflichtige(r) nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG ist, kommt es mithin darauf an, wer insoweit nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen als Leistungserbringer anzusehen ist. Bei dieser Beurteilung kann auch der Frage, ob beziehungsweise inwieweit die Prostituierte in den Bordellbetrieb eingegliedert ist, Bedeutung zukommen (vgl. Rn. 11, BFHE 253, 222; vgl. auch Rn. 15 ff., 26; Rn. 20, BFHE 226, 415, unter II.1.c. und vom – V R 3/15 Rn. 21).

14Die für die Beurteilung maßgebliche Beweiswürdigung ist allerdings Sache des Tatgerichts und für das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (st. Rspr.; vgl. z.B. Rn. 9 mwN). Auch bei der Auslegung der zivilrechtlichen Vereinbarungen (§§ 133, 157 BGB), aus denen sich die jeweiligen Leistungsbeziehungen ergeben, kommt dem Tatgericht ein Beurteilungsspielraum zu. Lässt eine Auslegung Verstöße gegen Denk- und Sprachgesetze oder gegen das Gebot umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht erkennen, so muss sie vom Revisionsgericht als rechtsfehlerfrei hingenommen werden (vgl. Rn. 42; vom – 5 StR 385/19 Rn. 28 und vom – 3 StR 197/14 Rn. 13).

15bb) Auch eingedenk dieses eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs hält die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten seien im Rahmen eines von ihnen angebotenen Gesamtpakets Leistende der von den Prostituierten im Bordell erbrachten sexuellen Dienste gewesen, sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

16(a) Aufgrund der im Bordell und im Internet veröffentlichten Hinweise sind die Angeklagten entgegen der Würdigung des Landgerichts nicht als Anbieter und Leistende eines die sexuellen Dienste der Prostituierten einschließenden Gesamtpakets anzusehen. Denn die Hinweise enthielten nicht lediglich eine pauschale – den tatsächlich im Bordell gelebten Verhältnissen widersprechende und damit steuerrechtlich irrelevante (§ 41 Abs. 2 AO) – Behauptung, dass die Prostituierten selbständig tätig seien; vielmehr forderten die Angeklagten die Besucher des Bordells mit den Hinweisen ausdrücklich dazu auf, Art und Umfang der Prostitutionsleistung sowie das hierfür zu zahlende Entgelt ausschließlich mit den Prostituierten auszuhandeln und die Bezahlung direkt mit den Prostituierten abzuwickeln. Damit gaben die Angeklagten gegenüber den Freiern als Kunden (§§ 133, 157 BGB) eindeutig und unmissverständlich zu verstehen, dass sie bezüglich der sexuellen Dienstleistung der Prostituierten nicht Vertragspartner sein wollten. Dementsprechend forderten sie von den Besuchern des Bordells auch lediglich ein pauschales Eintrittsgeld für die Nutzung der Räumlichkeiten einschließlich des Schwimmbads und der Sauna sowie für den Zugang zum Buffet und waren an den Prostitutionserträgen nicht beteiligt. Hingegen schlossen die Prostituierten die Prostitutionsverträge mit den Freiern im eigenen Namen ab. Dem entsprach auch die im Bordell tatsächlich gelebte Übung, weil ausschließlich die Prostituierten – wenn auch unter Berücksichtigung der geltenden Mindestpreise – die Leistungen und Preise mit den Freiern verhandelten sowie die Vergütung für ihre sexuellen Dienste vollständig vereinnahmten.

17(b) Dass ausschließlich die Prostituierten und nicht etwa die Angeklagten Anbieter und Leistungserbringer der sexuellen Dienste waren, wird daneben durch die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Prostituierten und den Angeklagten bestätigt. Denn auch die Prostituierten hatten den Angeklagten lediglich eine feststehende Tagespauschale für die Nutzung der Räumlichkeiten, den damit in Zusammenhang stehenden zusätzlichen Service (Werbung, Handtücher, zwei Spinde und Abwicklung des Düsseldorfer Verfahrens) sowie den Zugang zum Buffet zu bezahlen, während eine Beteiligung der Angeklagten an den Prostitutionsumsätzen gerade nicht vereinbart war. Eine die sexuellen Dienste der Prostituierten betreffende Leistungsbeziehung zwischen den Angeklagten und den im Bordell tätigen Prostituierten, welche die Angeklagten in die Lage versetzt hätte, die Prostitutionsleistungen zum Gegenstand ihres Leistungsangebots an die Besucher des Bordells zu machen, ist danach nicht erkennbar. Da die Angeklagten an den von den Prostituierten im Bordell durch die Erbringung sexueller Dienstleistungen erwirtschafteten Beträgen gerade nicht unmittelbar – anteilig beziehungsweise prozentual – beteiligt waren, trugen diese insoweit auch kein unternehmerisches Risiko; dieses lag vielmehr hinsichtlich der Prostitutionserträge allein bei den Prostituierten selbst. Die Annahme des Landgerichts, die Zahlung an die Prostituierten sei lediglich eine Abwicklungsmodalität gewesen, ist demgegenüber von den Feststellungen, wonach die Prostituierten das Entgelt vollständig für sich behielten, nicht getragen.

18(c) Auch aus der „Hausordnung/Dienstleistungsvereinbarung“ ergibt sich – ungeachtet ihrer Bezeichnung – nichts anderes; vielmehr bestätigt diese, dass die Erbringung sexueller Dienste nicht Gegenstand der Leistungsbeziehung zwischen den Prostituierten und den Angeklagten war, so dass die Angeklagten diese Leistung auch ihrerseits gegenüber den Freiern nicht anbieten konnten, weil sie eine entsprechende Verpflichtung mangels Leistungsbeziehung zu den Prostituierten nicht hätten erfüllen können. Denn in der Vereinbarung ist nicht nur geregelt, dass die Prostituierten selbständig tätig sind und für die Erfüllung ihrer daraus resultierenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen selbst zu sorgen haben; vereinbart ist darin vielmehr auch, dass die Prostituierten ihre Arbeitszeiten sowie ihr Leistungsangebot und die Preise unter Berücksichtigung der vorgegebenen Mindestpreise selbst bestimmen sowie die Vergütung für sexuelle Dienstleistungen ausschließlich selbst vereinnahmen.

19(d) Dass die Prostituierten ihre sexuellen Dienste im eigenen Namen anboten und damit – trotz einer gewissen Einbindung in das Gesamtarrangement des Bordells – eine selbständige unternehmerische Tätigkeit in den Räumlichkeiten des Bordells der Angeklagten ausübten, wird schließlich auch dadurch bestätigt, dass sie keinem Wettbewerbsverbot unterlagen, sie also auch außerhalb des Bordells auf eigene Rechnung tätig sein durften und teilweise auch waren. Die Möglichkeit der Prostituierten, ihre sexuellen Dienste ohne besondere Absprache mit den Angeklagten auch außerhalb des Bordells zu erbringen, macht – auch für die Freier als Vertragspartner der Prostitutionsverträge (§§ 133, 157 BGB) – zusätzlich deutlich, dass die sexuellen Dienstleistungen der Prostituierten unabhängig erfolgen und gerade nicht von dem seitens der Angeklagten angebotenen Leistungspaket umfasst waren.

20b) Der Senat kann aufgrund der umfassenden Beweiserhebung ausschließen, dass weitere Feststellungen möglich sind, die mit den bisherigen – rechtsfehlerfrei getroffenen – nicht in Widerspruch stehen und zu einer anderen Beurteilung der Eigenschaft der Angeklagten als Leistende der Prostitutionsdienste und als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG und damit als Erklärungspflichtige im Sinne von § 18 Abs. 1 und 3 UStG (auch) hinsichtlich der Prostitutionsleistungen führen könnten. Er spricht daher die Angeklagten selbst nach § 354 Abs. 1 StPO frei und lässt die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen entfallen.

212. Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung für etwa erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 8 StrEG) ist vom Landgericht zu treffen, weil Art und Umfang von möglichen entschädigungspflichtigen Maßnahmen ohne weitere Feststellungen und ohne weitere Anhörung der Beteiligten nicht zu bestimmen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 24/16, BGHSt 61, 208 Rn. 34 und vom – 1 StR 435/01 Rn. 10 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:050522B1STR475.21.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2022 S. 285 Nr. 9
UR 2022 S. 794 Nr. 21
UR 2023 S. 741 Nr. 19
UStB 2023 S. 13 Nr. 1
UStB 2023 S. 13 Nr. 1
wistra 2022 S. 524 Nr. 12
XAAAJ-22428