Strafverurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.: Konkurrenzverhältnis bei Kommissionsgeschäften; Erforderlichkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Gesetze: § 29 BtMG, § 35 BtMG, § 52 StGB, § 64 StGB
Instanzenzug: LG Trier Az: 8032 Js 6162/21 - 5 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten und die Mitangeklagte wie folgt verurteilt:
2den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln in vier Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, und wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in neun Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren,
3den Angeklagten N. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sowie
4die Mitangeklagte O. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
5Ferner hat die Strafkammer Werte von Taterträgen eingezogen.
6Die von den Angeklagten auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen haben - partiell gemäß § 357 StPO auch zugunsten der Mitangeklagten - den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Im Einzelnen:
71. Soweit die Strafkammer den Angeklagten S. in Fall II.4 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt hat, hat der Besitz zu entfallen. Nach den getroffenen Feststellungen erhielt der Angeklagte Ecstasy und Marihuana von unbekannten Personen, das Ecstasy gratis, das Marihuana, von dem er ein Fünftel selbst konsumieren und den Rest veräußern wollte, zu einem bestimmten Kaufpreis. Damit erlangte er beide Betäubungsmittel im einverständlichen Zusammenwirken mit den jeweiligen Vorbesitzern. In dem hierdurch verwirklichten Erwerb der Drogen - auf die Entgeltlichkeit kommt es insoweit nicht an (Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, § 29 Rn. 890) - geht der als Auffangtatbestand ausgestaltete anschließende Besitz auf (st. Rspr.; s. etwa , juris Rn. 13).
82. a) In den Fällen II.5 und II.7 der Urteilsgründe tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht die Annahme von Tatmehrheit. Hiernach bezogen die Angeklagten zweifach größere Volumina Amphetaminbase "auf Kommission" von ihrem Lieferanten, um sie gewinnbringend zu veräußern. Den gestundeten Kaufpreis für die erste Menge entrichtete der Angeklagte N. anlässlich des Erwerbs der zweiten. Die Strafkammer hat dieses Tatgeschehen als zweifaches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 25 Abs. 2, § 53 Abs. 1 StGB gewertet, für den Angeklagten N. im zweiten Fall in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis. Dabei ist dem Landgericht aus dem Blick geraten, dass sich bei derartigen Kommissionsgeschäften die tatbestandlichen Ausführungshandlungen der jeweiligen Ankäufe überschneiden. Es liegt dann gleichartige Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB vor (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 13 ff. mwN; vom - 3 StR 65/19, juris Rn. 9 mwN).
9b) Dies alles betrifft die Mitangeklagte in gleicher Weise (§ 357 Satz 1 StPO). Nach den getroffenen Feststellungen leistete sie in den Fällen II.5 und II.7 Beihilfe. Wegen der Akzessorietät der Teilnahme gilt, dass mehrere (natürliche und an sich selbständige) Beihilfehandlungen zu einer einheitlichen Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, wenn dies bei den Taten des Täters der Fall ist, zu denen der Gehilfe Beiträge erbrachte (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 440/14, NStZ-RR 2015, 113; vom - 3 StR 65/19, juris Rn. 13).
10c) Analog § 354 Abs. 1 StPO sind die Schuldsprüche entsprechend zu ändern. Der Senat hat aus Gründen der Übersichtlichkeit davon abgesehen, die zweifache tateinheitliche Verwirklichung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 BtMG in der Beschlussformel zum Ausdruck zu bringen (vgl. etwa , NStZ-RR 2016, 274, 275). § 265 StPO steht der Änderung nicht entgegen, da sich die geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
11Dies bedingt die Aufhebung der in den Fällen II.5 und II.7 der Urteilsgründe gegen die Angeklagten sowie die Mitangeklagte verhängten Einzelstrafen und bringt auch die Gesamtfreiheitsstrafen zu Fall. Die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
123. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
13Die Strafkammer hat einen Hang der Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, angenommen, jeweils den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Taten bejaht und die Prognose gestellt, dass sie unbehandelt wahrscheinlich fortan vergleichbare Delikte begehen werden. Sie hat jedoch für beide die Erfolgsaussicht einer Unterbringung verneint, weil sie eine Therapiemotivation jeweils nur für eine Entwöhnungsbehandlung nach § 35 BtMG erkennen könne. Eine solche Maßnahme hat sie überdies für "ausreichend" und diejenige nach § 64 StGB für "nicht erforderlich" erachtet.
14Diese Erwägungen tragen das Absehen von der Unterbringung nicht. Die Maßregel nach § 64 StGB geht der Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG vor (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 193/13, juris Rn. 5 mwN; vom - 3 StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209, 210). Die Beurteilung der konkreten Erfolgsaussicht bedarf einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände. Das Tatgericht hat insbesondere zu prüfen, ob die Chance besteht, die Bereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung während der Therapie nach § 64 StGB zu wecken (st. Rspr.; s. etwa , NStZ-RR 2013, 239, 240 mwN). Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
15Über die Frage der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist deshalb unter erneuter Hinzuziehung eines - gegebenenfalls anderen - Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) neu zu verhandeln und zu entscheiden. Dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht. Die Beschwerdeführer haben die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (, juris Rn. 5 f. mwN).
164. Schließlich bedarf die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB der Ergänzung. Denn in Fall II.5 der Urteilsgründe ist festgestellt, dass der Angeklagte S. durch den Betäubungsmittelverkauf die bei ihm als Wertersatz eingezogenen 3.000 € Gewinn erzielte und daraus dem Angeklagten N. die bei jenem als Wertersatz eingezogenen 500 € auszahlte. Damit verfügten beide über die nämlichen 500 € und haften insoweit als Gesamtschuldner. Das ist in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen, um eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden (s. , juris Rn. 5).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:220222B3STR6.22.0
Fundstelle(n):
YAAAJ-21220