BGH Beschluss v. - 5 StR 460/21

Revisionsbegründung in Strafsachen: Notwendige Ausführungen zur Befangenheit eines Schöffen wegen Vorbefassung

Gesetze: § 24 Abs 2 StPO, § 338 Nr 1 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO, Art 6 Abs 1 MRK

Instanzenzug: Az: 4 KLs 14/20

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Rüge der Mitwirkung eines wegen Vorbefassung abgelehnten Richters erweist sich als unzulässig.
1. So teilt die Revision schon die Tatsachen nicht mit, die für die Prüfung von Bedeutung sind, ob der Befangenheitsantrag unverzüglich im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO gestellt wurde (vgl. , NStZ 2016, 627; Urteil vom - 5 StR 207/21 Rn. 54). Nach dem Revisionsvortrag habe der Angeklagte nach Unterbrechung der Sitzung am um 10.47 Uhr ein einstündiges Beratungsgespräch mit seiner Verteidigerin geführt, bevor diese in einen etwa eineinhalbstündigen „Verständigungsversuch“ mit den Strafkammermitgliedern eingetreten sei. Nach dessen Ende habe der Angeklagte im Rahmen eines erneuten Beratungsgesprächs am Nachmittag seine Verteidigerin beauftragt, das Ablehnungsgesuch anzubringen. Die Verteidigerin sei um 18 Uhr an ihrem Kanzleisitz eingetroffen und habe das Ablehnungsgesuch noch an diesem Tag formuliert und am darauffolgenden Tag dem Gericht zugefaxt. Bleibt danach schon offen, warum das Ablehnungsgesuch nicht bereits nach dem ersten Beratungsgespräch eingelegt worden ist, so schweigt die Revision zudem dazu, wann das Gesuch am übersandt worden ist. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang, denn bei dem zum Gegenstand der Revisionsbegründung gemachten Ablehnungsgesuch handelt es sich um das per Post übersandte, welches den Eingangsstempel vom trägt.
2. Die Revision trägt zudem entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO keine Tatsachen vor, bei deren Vorliegen die Besorgnis der Befangenheit gegen den abgelehnten Schöffen begründet wäre.
a) Der Befangenheitsantrag wird darauf gestützt, dass die Vorbefassung auch eines Schöffen zwar keine Befangenheit begründe, vielmehr konkrete Umstände des Einzelfalls hinzutreten müssten, wobei das Vorliegen solcher Umstände aber behauptet wird. Außer dem Verweis auf eine Vorbefassung, die sich daraus ergebe, dass der Angeklagte des früheren Verfahrens wegen der Taten verurteilt worden sei, die auch dem Angeklagten zur Last gelegt werden, und dem darauf beruhenden „weitergehenden Kenntnisstand“ des Schöffen werden aber keine Tatsachen geltend gemacht, die solche Umstände belegen. Vor allem fehlt es am Vortrag des früheren Urteils.
b) Dessen hätte es aber bedurft (, NStZ 2018, 550; vgl. zur Unzulässigkeit schon des Antrags gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85; vom - 3 StR 23/18, NStZ-RR 2018, 252; Urteil vom - 5 StR 143/18, NStZ-RR 2019, 120). Denn hierzu gilt:
Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters, soweit sie nicht gesetzliche Ausschlussgründe erfüllt, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520; vom - 1 StR 571/17, NStZ 2018, 550; vgl. auch EGMR, Urteil vom - Nr. 75737/01, StraFo 2006, 406). Dies gilt auch für die Verurteilung eines Mittäters, selbst wenn die Schilderung des Tatgeschehens auch Handlungen des Ablehnungsberechtigten einschließt. Dabei gelten bei Schöffen grundsätzlich keine anderen Maßgaben für die Unvoreingenommenheit als bei Berufsrichtern (, BGHSt 42, 191,193 f.). Etwas anderes gilt nach innerstaatlicher Rechtsprechung nur dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Besorgnis rechtfertigen, der Richter sei nicht bereit, sich von seiner bei der Vorentscheidung gefassten Meinung zu lösen, etwa wenn er unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über den Angeklagten geäußert hat (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 338; vom - 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 f.; vom - 1 StR 726/13; vom - 1 StR 571/17, NStZ 2018, 550; vgl. auch EGMR aaO).
c) Auch die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Befangenheit bei Vorbefassung (Urteil vom - Nr. 1128/17, NJW 2021, 2947) führt nicht zu demgegenüber herabgesetzten Vortragserfordernissen. Denn auch der Gerichtshof betont, dass es für Zweifel an der Unparteilichkeit - die er unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 1 EMRK prüft - nach wie vor nicht ausreiche, dass der Richter frühere Entscheidungen wegen derselben Strafsache erlassen oder in einem gesonderten Strafverfahren gegen Mitbeschuldigte verhandelt habe. Die objektiv gerechtfertigte Besorgnis der Befangenheit (vgl. zur Prüfung nach einem subjektiven und objektiven Ansatz EGMR, Urteil vom - Nr. 10211/12, 27505/14; vom - Nr. 1128/17, NJW 2021, 2947) könne aber darin begründet liegen, dass der Richter in einem früheren Urteil umfangreiche Tatsachenfeststellungen getroffen habe, die die Schuld des jetzigen Angeklagten vorwegnehmen, und er mithin eine vorgefasste Meinung über seine Schuld habe. Dies könne zum Beispiel in Formulierungen zum Ausdruck kommen, die über die zur rechtlichen Einstufung der Tat des Mittäters erforderlichen Feststellungen hinausgingen.
Selbst wenn bei der danach erforderlichen Abwägung einzustellen sein sollte, dass Schöffen sich nicht so gut von früheren Eindrücken freimachen könnten wie Berufsrichter (vgl. hierzu EGMR aaO Rn. 51), kann in Ermangelung des Vortrags des früheren Urteils eine Prüfung nach diesen Maßgaben nicht erfolgen. Auf der Grundlage des derart mangelhaften Vortrags ergibt sich schon kein Anhalt dafür, dass sich der Schöffe in dem früheren Verfahren überhaupt mit einer Einbindung des hiesigen Angeklagten befasst hat. Die dort verurteilten Taten werden als Handel mit Betäubungsmitteln beschrieben, die Feststellungen werden nur dahin wiedergegeben, dass Lieferant der gehandelten Betäubungsmittel ein „Verkäufer aus den Niederlanden mit dem Spitznamen ‚H.    ‘ - bei dem es sich möglicherweise um einen              Bu.      handele - “ sei, was eine Bewertung von Tatbeiträgen des Angeklagten nicht nahelegt. Eine Prüfung, ob das frühere Urteil die Schuld des Angeklagten vorwegnehmende Feststellungen enthielt, ist damit nicht möglich.
3. Die erhobene Verfahrensrüge hätte auf der Grundlage des Revisionsvorbringens auch in der Sache keinen Erfolg, da keine Umstände vorgetragen sind, aus denen die Besorgnis der Befangenheit des Schöffen hätte resultieren können. Allein die Vorbefassung mit dem Verfahrensgegenstand reicht dabei angesichts des vorstehend Dargelegten nicht aus.
Cirener     
      
      
      
RiBGH Gericke undRiBGH Prof. Dr. Mosbachersind im Urlaub und könnennicht unterschreiben.
      
      
      
      
Cirener
      
Köhler     
      
Resch     
      

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:070622B5STR460.21.0

Fundstelle(n):
wistra 2022 S. 475 Nr. 11
KAAAJ-20591