Rechtsfrage
1. Sind Art. 167, Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass im Fall der Feststellung der Steuerbehörde, dass ein Mitglied einer Dienstleistungskette die im Rahmen eines Vertrags mit dem Steuerpflichtigen oder einer Vereinbarung der Mitglieder der Kette vereinbarten spezifischen Vorschriften oder sonstige Vorschriften in Bezug auf die Dienstleistung verletzt, allein der Sachverhalt dieser Pflichtverletzung als objektiver Umstand für den Nachweis eines Steuerbetrugs ausreichend ist, wobei die Tätigkeit der Mitglieder der Kette in jeder anderen Hinsicht rechtmäßig ist, oder muss die Steuerbehörde auch in diesem Fall konkret angeben, worin der Steuerbetrug besteht, welches Mitglied der Kette diesen begangen hat und durch welche Handlung? Muss die Steuerbehörde in diesem Zusammenhang im Fall der Feststellung einer Pflichtverletzung den Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen Verpflichtungen aus einer die wirtschaftliche Tätigkeit regelnden Rechtsvorschrift und dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug prüfen, und kann sie nur im Falle seines Nachweises das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug verweigern?
2. Kann im Zusammenhang mit den genannten Artikeln der Mehrwertsteuerrichtlinie, mit dem als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit vom Steuerpflichtigen im Rahmen seiner allgemeinen Kontrollpflichten in Bezug auf vorgeschaltete Mitglieder der Kette verlangt werden, zu prüfen, ob die für die in der Rechnung angegebene Erbringung der Dienstleistung durch spezifische Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Verpflichtungen bzw. die Voraussetzungen ihrer rechtmäßigen Ausübung eingehalten werden? Falls diese Frage bejaht wird: Muss der Steuerpflichtige während der Dauer des Rechtsverhältnisses dieser Verpflichtung fortlaufend nachkommen bzw. in welchen Abständen kann dies erwartet werden?
3. Sind Art. 167, Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass im Falle eines durch den Steuerpflichtigen bei einem vorgeschalteten Mitglied der Kette festgestellten Pflichtverstoßes die Verpflichtung des Steuerpflichtigen entsteht, in diesem Fall sein Recht auf Abzug der an ihn weitergegebenen Mehrwertsteuer nicht geltend zu machen, andernfalls nämlich die Geltendmachung des Mehrwertsteuerabzugs als Steuerhinterziehung zu betrachten ist?
4. Sind die genannten Artikel der Mehrwertsteuerrichtlinie im Zusammenhang mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Steuerneutralität dahin auszulegen, dass die Steuerbehörde bei der Prüfung und Qualifizierung des betrügerischen Charakters der Kette sowie bei der Feststellung des einschlägigen Sachverhalts bzw. bei der Würdigung der zu dessen Stützung dienenden Beweise nicht die für die in der Rechnung angegebene Dienstleistung geltenden Bestimmungen spezifischer Rechtsvorschriften außer Acht lassen kann, insbesondere die Vorschriften über die Rechte und Pflichten der Parteien?
5. Ist eine steuerbehördliche Praxis mit den oben genannten Artikeln der Mehrwertsteuerrichtlinie und mit dem als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 47 der Charta sowie mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, bei der während der Prüfung des Rechts auf Vorsteuerabzug, welches auf einen durch Dienstleistungsaktivitäten zustande kommenden Wirtschaftsvorgang gestützt wird, das tatsächliche Stattfinden des mit Rechnungen, Verträgen und sonstigen Rechnungsprüfungsbelegen dokumentierten Wirtschaftsvorgangs widerlegt werden kann, und zwar durch Feststellungen der Ermittlungsbehörden im Zuge der Ermittlungen, durch während der Ermittlungen eingeholte Aussagen von Verdächtigen oder Zeugen bzw. der von der Leiharbeit betroffenen Arbeitnehmer dazu, was sie über ihr Arbeitsverhältnis denken, wie sie dieses rechtlich bewerten bzw. wen sie als denjenigen betrachten, der das Recht des Arbeitgebers ausübt?
6. Ist eine steuerbehördliche Praxis mit den oben genannten Artikeln der Mehrwertsteuerrichtlinie und mit dem als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 47 der Charta sowie mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, bei der die Steuerbehörde dann, wenn der Steuerpflichtige eine Form der wirtschaftlichen Tätigkeit wählt, mit der er seine Kosten am meisten reduziert, dies als bestimmungswidrige Rechtspraxis wertet, und unter Bezugnahme darauf ihr Recht auf Umqualifizierung der Verträge so ausübt, dass infolgedessen ein Vertrag zwischen Parteien zustande kommt, zwischen denen bisher kein Vertrag bestand?