Lehrbuch Einkommensteuer
28. Aufl. 2022
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Kapitel 3: Einkommensteuerliche Grundbegriffe
3.1 Einkünfte und Gesamtbetrag der Einkünfte
3.1.1 Erfassung der Bruttoerträge
66Bei Einführung des EStG war zu entscheiden, ob alle Vermögensmehrungen ausnahmslos als Einkommen behandelt werden oder ob insoweit Einschränkungen gemacht werden sollten. Zu dieser Frage bestehen zwei unterschiedliche Denkansätze: Nach der sog. Reinvermögenszuwachstheorie gehört jede Art von Vermögensmehrung ohne Rücksicht auf ihren Ursprung zum Einkommen, also auch alle einmaligen Vermögensmehrungen wie bspw. Erbschaften, Schenkungen oder Lotteriegewinne. Nach der sog. Quellentheorie hingegen setzt sich das Einkommen nur aus den Erträgen dauernd fließender Ertragsquellen zusammen, bspw. aus Erträgen eines Betriebes (Gewinn), Erträgen der Arbeitskraft (Arbeitslohn), aus Grundbesitz (Miete bzw. Pacht) oder Kapitalvermögen (Zinsen und sonstige Kapitalerträge). Einmalige Vermögensmehrungen hingegen zählen nach der Quellentheorie nicht zum Einkommen.
Im EStG 1920 wurde der steuerliche Einkommensbegriff zunächst aus der Reinvermögenszuwachstheorie abgeleitet. Mit dem Einkommensteuergesetz 1925 vom (RGBl 1925 I 189) wurde der Katalog der bis heute gültigen sieben Einkunftsarten eingeführt, die in abschließend aufgezählt werden. Das bedeutet, dass die ESt ausschließlich Vermögensmehrungen erfasst, die sich einer dieser sieben