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NWB Nr. 28 vom Seite 1984

Cash Circle: Hin- und Herzahlen zur Tilgung nicht werthaltiger Forderungen

Missbrauch oder legitime Gestaltung?

Philip Nürnberg

In Konzernsachverhalten kommt es des Öfteren vor, dass konzerninterne Darlehen vorliegen, welche aus unternehmerischen Gründen eliminiert werden sollen. Abhängig davon, ob die Verbindlichkeiten werthaltig sind, löst ein Verzicht weitreichende steuerliche Folgen aus, welche mit einem außerordentlichen Ertrag bei der die Verbindlichkeit ausweisenden Gesellschaft verbunden sind. In der Praxis wird aus diesem Grund häufig das Mittel des sog. Cash Circle genutzt. Cash Circle haben zum Ziel, einen Gesellschafter-Forderungsverzicht durch ein Hin- und Herzahlen zu vermeiden und einen steuerlich günstigen Sachverhalt zu gestalten. In der steuerlichen Rechtsprechung haben Cash Circle bislang ein Schattendasein geführt. Zwar haben das FG München und das FG Berlin-Brandenburg bereits vor über einem Jahrzehnt zu entsprechenden Sachverhalten entschieden. Jedoch sind die damaligen Urteile weder gänzlich gleich noch haben sie ihren Weg zum BFH gefunden. Daher ist es für die Praxis sehr bedeutsam, dass das ,F (NWB DAAAI-59392) über einen Sachverhalt entschieden hat, welcher die Problematik des Cash Circle aufgreift und nun beim BFH zur Revision anhängig ist. Mit dem vorliegenden Beitrag soll der Status quo zu den praxisrelevanten Gestaltungsüberlegungen aufgezeigt und eine Einordnung in Erwartung auf die erstmalig höchstrichterliche Rechtsprechung zum Cash Circle gegeben werden.

S. 1985

I. Ausgangssachverhalt

[i]Möglichkeit zur steuerneutralen Ausbuchung einer VerbindlichkeitIm Grundfall lässt sich die Konstellation, für welche über die Anwendung eines Cash Circle nachgedacht werden kann, wie folgt skizzieren: Eine Muttergesellschaft hat in einem üblichen Konzernverhältnis gegenüber einer Tochtergesellschaft eine verzinsliche Forderung. Es kann nun angenommen werden, dass die Tochtergesellschaft bspw. kein aktives Geschäft mehr betreibt, ein negatives Eigenkapital aufweist oder keine stillen Reserven hat. In der Folge ist davon auszugehen, dass die Forderung der Muttergesellschaft nicht werthaltig ist. Daher stellt sich die Frage, wie die Verbindlichkeit der Tochtergesellschaft steuerneutral, d. h. ohne einen außerordentlichen Ertrag bei dieser auszulösen, getilgt werden kann. Hierzu legt die Muttergesellschaft die erforderlichen Mittel für den Ausgleich der Forderung in ihre Tochtergesellschaft ein. Durch die Zuführung der neuen Liquidität wird die Tochtergesellschaft in die Lage versetzt, die Forderung der Muttergesellschaft zu begleichen. Somit könnte also vermieden werden, dass die Forderung mit einer steuerlichen Wirkung auszubuchen ist.

[i]Geißler, Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, infoCenter, NWB TAAAA-41714 Da der vorstehend genannte Sachverhalt auch in vergleichbaren Situationen erwogen werden kann, in welchen die Beteiligungsverhältnisse und das Vorhandensein von Gesellschafterdarlehen einen Forderungsverzicht ermöglichen, muss die steuerrechtliche Einordnung in den Blick genommen werden. Insbesondere ist umstritten, ob die vorliegende Gestaltung der Zuführung von Liquidität nur zum Zwecke der Begleichung eines Gesellschafterdarlehens einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO darstellt oder steuerlich anzuerkennen ist.

II. Steuerrechtlicher Hintergrund

[i]BFH-Beschluss zum Forderungsverzicht durch Gesellschafter Bevor sich der Beitrag mit der Kernfrage auseinandersetzt, ob ein Cash Circle anzuerkennen sein kann, soll auf den rechtshistorischen Hintergrund eingegangen werden. So hat der Große Senat bereits mit Beschluss v.  in einer Streitfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu den Rechtsfolgen des Forderungsverzichts durch Gesellschafter entschieden (, BStBl 1998 II S. 307). Mit diesem Beschluss wurden die Grundlagen dafür gelegt, dass die Praxis sich überhaupt mit der Möglichkeit eines Cash Circle auseinandergesetzt hat. Nach Auffassung des Großen Senats führt ein auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhender Verzicht eines Gesellschafters auf eine nicht (gänzlich) werthaltige Forderung gegenüber einer Tochtergesellschaft bei dieser zu einer verdeckten Einlage in Höhe des Teilwerts der fraglichen Forderung. Folge der verdeckten Einlage ist die Entstehung eines steuerpflichtigen außerordentlichen Ertrags als Differenz des Buchwerts zum Teilwert der erlassenen Gesellschafterforderung. Außerdem ist zu beachten, dass es zum Zufluss des noch werthaltigen Teils der Forderung beim Gesellschafter kommt.

[i]Teilwert der ForderungHintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass die Gewinnermittlungsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für Kapitalgesellschaften maßgeblich sein sollen. Somit sind also auch die Vorschriften zur Behandlung von Einlagen im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft relevant, unabhängig davon, dass es sich um unterschiedliche Steuerrechtssubjekte handelt. Mithin muss in Beachtung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG die von der Muttergesellschaft erlassene Schuld mit dem Teilwert der Forderung angesetzt werden. Indes ist es nach Auffassung des Großen Senats nicht möglich, dass der Nennwert der Forderung oder die Höhe der bei der Gesellschaft passivierten Verbindlichkeit maßgebend sind (vgl. auch Kaczarepa, Ubg 2011 S. 885). Für die Ermittlung des Teilwerts ist dabei der Zeitpunkt des Forderungsverzichts durch den Gesellschafter maßgeblich (, NWB UAAAB-38939). Somit ist bei einer überschuldeten Kapitalgesellschaft im Grundsatz von einer vollumfänglich teilwertgeminderten Forderung auszugehen (vgl. auch S. 1986Kaczarepa, Ubg 2011 S. 885). Folge dieses Vorgehens ist sodann, dass die überschuldete Gesellschaft ihre bestehenden steuerlichen Verlustvorträge verliert und unter Umständen die Mindestbesteuerung mit hohen Steuerzahlungen trotz Verlustsituation greift.