Betriebliche Altersversorgung - Ablösung
Leitsatz
Will ein gewerkschaftlicher Arbeitgeber künftige und damit noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse von Betriebsrentenanwartschaften verringern, muss er darlegen, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte ohne den Eingriff anzunehmen ist, dass gewerkschaftliche Handlungsspielräume, die über bereits bestehende und konkret geplante Maßnahmen gewerkschaftlichen Handelns hinausgehen, künftig eingeschränkt werden könnten. Die wirtschaftlich drohende Situation muss über die vorhandenen und bereits fest geplanten Maßnahmen als Ausdruck gewerkschaftlichen Tätigwerdens hinaus eine Einschränkung der gewerkschaftlichen Handlungsspielräume befürchten lassen. Gewerkschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten müssen dabei so beeinträchtigt werden, dass eine vernünftige Gewerkschaftspolitik dies zum Anlass nehmen kann, zu reagieren.
Gesetze: § 30 BGB, § 177 BGB, § 26 BGB, Art 9 Abs 3 GG, § 16 Abs 1 BetrAVG
Instanzenzug: Az: 14 Ca 2737/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 6 Sa 8/19 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Ablösung einer Versorgungsordnung.
2Der 1952 geborene Kläger trat am als Gewerkschaftssekretär in die Dienste der Beklagten ein und war am Standort D beschäftigt. Die Beklagte hieß bei seinem Eintritt noch Industriegewerkschaft B (im Folgenden IG B).
3Der Arbeitsvertrag vom enthielt ua. folgende Regelung:
4Die Anstellungsbedingungen der Beschäftigten waren in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom geregelt, die von jeweils zwei Mitgliedern des Bundesvorstands, des Gesamtbetriebsrats und der Tarifkommission unterschrieben war. Dort hieß es in der ab dem geltenden Fassung unter § 3 Nr. 3:
5Die Beklagte meldete den Kläger bei der DGB-Unterstützungskasse an. Bei der Unterstützungskasse handelt es sich um eine seit 1957 bestehende Gruppenunterstützungskasse für die Beschäftigten des DGB und der dort angeschlossenen Gewerkschaften und anderer gewerkschaftlicher Institutionen. Die Versorgungsleistungen wurden ursprünglich im Umlageverfahren über die laufenden Zuwendungen der Träger finanziert, deren Höhe von der Anzahl der Versorgungsberechtigten abhing. Hiervon profitierten Gewerkschaften mit zahlreichen Betriebsrentnern - wie die IG B - stärker als andere Gewerkschaften mit weniger Betriebsrentnern. Für die Anwärter wurden zunächst keine Rücklagen gebildet.
6Die Unterstützungsrichtlinien 1980 (im Folgenden UR 80) beinhalteten eine Gesamtversorgung. Sie galten für alle Beschäftigten, die bis zum eingestellt wurden. Aufgrund einer späteren Änderung wurden sie auch als „UR 80/88“ bzw. als „UR 88“ bezeichnet. Auszugsweise heißt es dort:
7Zum traten die Unterstützungsrichtlinien 1983 (im Folgenden UR 83) in Kraft. Sie galten für Beschäftigte wie den Kläger, die seit dem eingestellt wurden. Auszugsweise heißt es dort:
8In den Jahren 1994 und 1995 tagte im Auftrag der DGB-Unterstützungskasse mehrfach eine Arbeitsgruppe, um zu untersuchen, wie die betriebliche Altersversorgung so gestaltet werden könnte, dass die Belastungen für die Kassenmitglieder tragbar und für die Zukunft überschaubar, die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Kassenmitglieder berücksichtigt und eine Eigenbeteiligung der Begünstigten ermöglicht werden könnten.
9Am beschloss die DGB-Unterstützungskasse eine Neuregelung ihrer Unterstützung durch die Versorgungsordnung 1995 (im Folgenden VO 95). Diese sah eine beitragsorientierte Versorgung vor, bei der Anwartschaften über eine Rückdeckungsversicherung vorausfinanziert würden. Die Mitglieder der Unterstützungskasse zahlten nunmehr monatliche Beiträge für ihre Rentner, und nicht mehr wie zuvor eine Umlage unabhängig von der Zahl der Versorgungsberechtigten. Die Versorgung nach der VO 95 errechnete sich aus der Summe von Rentenbausteinen, die während der Anrechnungszeit kalenderjährlich erworben wurden. Deren Höhe wurde im Verhältnis zur UR 83, die für jedes volle Jahr der Anrechnungszeit 0,8 vH vorsah, sukzessive reduziert. Die VO 95 lautet auszugsweise:
10Die UR 83 wurde zeitgleich um folgende Bestimmung ergänzt:
11Die Mitgliederzahlen der IG B entwickelten sich in der Zeit von 1981 bis 1995 wie folgt:
12Der Anstieg im Jahr 1990 beruhte auf der Aufnahme der Gewerkschaft B-H aus den neuen Bundesländern. Rechnete man den sich hieraus ergebenden Mitgliederanstieg heraus, so betrug im Jahr 1990 die Mitgliederzahl 462.751. Zugleich stieg die Mitarbeiterzahl der IG B, von 796 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen im Jahr 1981, auf 979 im Jahr 1990, 1023 im Jahr 1991, 1095 im Jahr 1994 und 1.075 im Jahr 1995. Die von der Gewerkschaft B-H übernommenen Mitarbeiter erwarben Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung.
13Die Einnahmen der IG B entwickelten sich wie folgt:
14Am unterzeichneten zwei Mitglieder des Gesamtbetriebsrats sowie ein Vorstandsmitglied der IG B eine Betriebsvereinbarung zur Versorgungsordnung (im Folgenden GBV 95). Diese lautet ua. wie folgt:
15Die zum damaligen Zeitpunkt gültige Satzung der Beklagten enthielt ua. folgende Regelungen:
16In der sog. Bonner Satzung vom Oktober 2001 trat nach § 30 Nr. 1 an die Stelle der Tarifkommission des § 35 Nr. 1 der alten Satzung die Personalkommission, die aus der um drei Mitglieder des Bundesvorstands erweiterten Personalkommission bestand. § 22 Nr. 6 der sog. Bonner Satzung entsprach § 29 Nr. 5 der älteren Satzung.
17In einem von einem Vorstandsmitglied unterzeichneten, an den DGB Bundesvorstand gerichteten Schreiben der IG B vom war ua. Folgendes enthalten:
18Die Unterstützungskasse informierte die IG B mit Schreiben vom unter dem Betreff „Beitritt zur Versorgungsordnung 1995“ in Auszügen wie folgt:
19Die betroffenen Beschäftigten wurden auf Betriebsversammlungen sowie durch ein von dem Bundesvorsitzenden und dem für Personalangelegenheiten zuständigen Vorstandsmitglied unterzeichnetes Schreiben aus Dezember 1995 mit folgendem Inhalt über die Änderungen informiert:
20In einem Positionspapier des Gesamtbetriebsrats vom heißt es auszugsweise:
21Am schlossen die Beklagte und ihr Gesamtbetriebsrat eine weitere Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung „Ablösung der UR 1988 durch die VO 2005“ (GBV 2004). Diese lautet auszugsweise wie folgt:
22Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte alle bestehenden Vereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung. Dem Gesamtbetriebsrat fiel auf, dass die GBV 95 entgegen § 29 Nr. 5 der Satzung nur von einem Mitglied des Bundesvorstands der Rechtsvorgängerin der Beklagten unterzeichnet war. Er leitete im Jahr 2012 ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main (- 22 BV 837/12 -) ein, ua. mit dem Feststellungsantrag, dass die Regelungen der UR 83 - auch mangels satzungsmäßig vorgeschriebener Unterzeichnung - nicht durch die VO 95 wirksam abgelöst worden seien. Das Arbeitsgericht wies den Antrag ab und nahm an, die Betriebsparteien hätten in § 4 GBV 2004 rückwirkend die Ablösung der UR 83 durch die VO 95 genehmigt. Das anschließende Beschwerdeverfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (- 16 TaBV 130/13 -) erklärten die Beteiligten nach Abschluss einer neuen Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung (im Folgenden GBV 2014) für erledigt. Diese Betriebsvereinbarung unterzeichneten ua. zwei Mitglieder des Bundesvorstands der Beklagten, zwei Mitglieder der Personalkommission sowie zwei Mitglieder des Gesamtbetriebsrats. In der GBV 2014 heißt es auszugsweise:
23Der Kläger war seit 2014 Mitglied des Gesamtbetriebsrats und erhielt seit spätestens 2003 Anwartschaftsbescheinigungen der Unterstützungskasse. Seit Dezember 2017 bezieht er von der Unterstützungskasse eine monatliche Betriebsrente.
24Mit seiner Klage hat der Kläger eine ausschließlich nach der UR 83 berechnete Betriebsrente verlangt. Er hat gemeint, die GBV 95 sei nicht wirksam zustande gekommen, da sie satzungswidrig nur von einem Vorstandsmitglied unterschrieben worden sei. In der GBV 2004 liege keine Genehmigungserklärung, weil im Jahr 2004 weder die Beklagte noch der Gesamtbetriebsrat Kenntnis der nicht satzungsgemäßen Unterzeichnung der GBV 1995 gehabt hätten. Darüber hinaus liege kein sachlich-proportionaler Grund für die Ablösung vor. Eine etwaig rückwirkende Genehmigung im Jahr 2004 greife in erdiente Besitzstände ein.
25Der Kläger hat zuletzt beantragt,
26Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
27Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
28Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
29I. Die Klageerweiterungen des Antrags zu 1. in der Berufungsinstanz sind als zulässig anzusehen. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der geänderten Antragsformulierung im Berufungsverfahren stillschweigend bejaht. In der Revisionsinstanz ist in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO nicht mehr zu überprüfen, ob eine Klageänderung vorliegt und ob diese die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt ( - Rn. 10).
30II. Die Klage ist auch im Antrag zu 2. zulässig, das notwendige Feststellungsinteresse besteht. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird ( - Rn. 32). Das gilt nicht nur für Leistungs-, sondern auch für Feststellungsanträge.
31III. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keine weitergehenden Ansprüche aus der UR 83, da diese formell und materiell wirksam von der VO 95 abgelöst worden ist.
321. Die UR 83 wurde formal wirksam von der VO 95 abgelöst.
33a) Der Senat lässt zunächst dahingestellt, ob es im Jahr 1995 wegen der Jeweiligkeitsklausel in § 3 Nr. 3 der Anstellungsbedingungen überhaupt einer Gesamtbetriebsvereinbarung bedurfte, um die UR 83 formal abzulösen. Zwar hat der Senat angenommen, dass eine Jeweiligkeitsklausel in einer Konzernbetriebsvereinbarung so zu verstehen ist, dass von ihr Änderungen in den in Bezug genommenen Regelungswerken erfasst werden, die den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Damit hätten die Betriebsparteien das Regelungsprogramm auch hinreichend verbindlich selbst festgelegt ( - Rn. 29). Ob dies allerdings nicht nur bei Formerfordernissen - wie bei der vorgenannten Entscheidung -, sondern auch bei inhaltlich ablösenden Regelungen - wie hier - gilt und dies auch im Bereich der zwingenden Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, kann offenbleiben.
34b) Jedenfalls haben die Betriebsparteien die GBV 95 durch die GBV 2014 formal wirksam in Kraft gesetzt. Durch deren Abschluss haben sie die GBV 95 - rückwirkend - wirksam bestätigt. Die ältere GBV ist in der neuen GBV bestätigend in Bezug genommen und damit auf diesem Wege als Betriebsvereinbarung im Betrieb in Kraft gesetzt worden (vgl. - Rn. 51 f. für einen Tarifvertrag).
35aa) Die GBV 2014 ist formwirksam zustande gekommen, was weder die Beteiligten noch die Parteien bestreiten.
36(1) Nach § 30 Nr. 1 der sog. Bonner Satzung wurden die allgemeinen Arbeitsbedingungen zwischen der Personalkommission und der Vertretung der Beschäftigten vereinbart. Der Bundesvorstand wurde nach § 22 Nr. 6 der Satzung beim Abschluss der GBV 2014 ebenfalls wirksam gesamtvertreten. Die GBV 2014 ist ua. von zwei Mitgliedern des Bundesvorstands, der Personalkommission sowie des Gesamtbetriebsrats unterzeichnet.
37(2) Auch die Personalkommission war beim Abschluss beteiligt, was die Unterschriften dokumentieren. Sie war als Ganzes jedenfalls keine besondere Vertreterin der Beklagten iSd. § 30 BGB, was die Auslegung der Satzung ergibt.
38(a) Die Auslegung der Satzung der Beklagten als nicht rechtsfähiger Verein ist objektiv, mithin aus sich heraus, vorzunehmen (vgl. - Rn. 21 mwN). Sie folgt den Regeln über die Auslegung von Normen: Sie hat zunächst vom Wortlaut auszugehen und sich dann an dem systematischen Zusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck, soweit er in der Norm erkennbaren Ausdruck gefunden hat, auszurichten ( - Rn. 49, BAGE 127, 27). Im Übrigen gelten für nicht im Vereinsregister eingetragene Gewerkschaften wie die Beklagte die sich aus dem Vereinsrecht des BGB ergebenden Grundsätze, soweit sie nicht die Eintragung oder die Rechtsfähigkeit voraussetzen ( - Rn. 16; ähnlich auch - IX ZB 4/18 - Rn. 26, BGHZ 228, 84).
39(b) Nach dem Wortlaut der sog. Bonner Satzung werden in § 30 Nr. 1 die allgemeinen Arbeitsbedingungen zwar von der erweiterten Personalkommission mit der Vertretung der Beschäftigten „vereinbart“. Allerdings werden dadurch nicht die Regeln über die allgemeine organschaftliche Vertretung der Beklagten nach § 22 Nr. 2 der sog. Bonner Satzung aufgehoben oder modifiziert. Will die Satzung die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 30 BGB regeln oder ermöglichen, muss sie dies - was bereits § 30 Satz 1 BGB, der auf „gewisse“ Geschäfte abstellt, zeigt - hinreichend deutlich regeln bzw. anlegen (BeckOGK/Kling Stand BGB § 30 Rn. 16; - zu I 1 b der Gründe). Wäre die Personalkommission besonderer Vertreter iSv. § 30 BGB, müssten jeweils alle ihre Mitglieder bei der Vertretung tätig werden. Angesichts ihrer Mitgliederzahl liegt eine derartige Auslegung der Satzung fern. Noch ferner liegt die Annahme, dass damit entgegen der allgemeinen gesetzlichen Wirkung, wonach der besondere Vertreter neben dem Vorstand vertretungsberechtigt ist, durch seine Bestellung aber die allgemeine Vertretungsbefugnis des Vorstandes nach § 26 BGB nicht eingeschränkt wird ( - zu II 4 b bb (3) der Gründe), eine derartige Einschränkung hier beabsichtigt war. Mit dem Begriff des „Vereinbarens“ meint die Satzung daher keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, sondern das Erzielen eines konkreten Verhandlungsergebnisses. Dazu ist es hier gekommen. Ob dies Voraussetzung für die Vertretung durch den Vorstand ist und dessen Vertretungsmacht iSv. § 26 Abs. 1 Satz 3 BGB insoweit beschränkt ist, kann dahinstehen.
40bb) Die GBV 2014 ist dahin auszulegen, dass sie die GBV 95 auch wirksam rückwirkend bestätigend in Kraft setzt (vgl. zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen: - Rn. 24; - 3 AZR 212/21 - Rn. 32). Dafür sprechen schon die Regelungen in § 2 GBV 2014, wonach die GBV 95 unbeschadet ihrer Wirksamkeit abgelöst wird, und in § 3 GBV 2014, wonach Anwartschaften aus der in § 2 GBV 2014 genannten GBV 95 aufrechterhalten werden. Die GBV 2014 wurde zudem zur Erledigung des Rechtsstreits im Beschwerdeverfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (- 16 TaBV 130/13 -) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom (- 22 BV 837/12 -) abgeschlossen, in dem die Betriebsparteien ua. über die Formwirksamkeit der GBV 95 gestritten hatten.
41cc) Dieser rückwirkenden Inkraftsetzung stehen Vertrauensschutzerwägungen nicht entgegen.
42(1) Gegen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtablösung der UR 83 spricht schon, dass auch nach § 177 BGB schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte gerade wegen des Schwebezustands mit Rückwirkungsfiktion genehmigt werden können (vgl. zu möglichen Ausnahmen BeckOGK/Ulrici Stand BGB § 177 Rn. 181).
43(2) Auch das grundsätzlich maßgebliche dreistufige Prüfungsschema für Eingriffe in Versorgungsregeln, das Eingriffe in erdiente Besitzstände in der Regel nicht zulässt, ist als Konkretisierung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit dort nicht maßgeblich, wo das Vertrauen abweichend von einer typischen Fallgestaltung nicht schutzbedürftig ist. Hier können die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit auch abweichend vom dreistufigen Prüfungsschema Eingriffe zulassen. Das ist der Fall, wenn zur Zeit der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Ansprüche zulasten der Arbeitnehmer geändert werden ( - Rn. 26).
44So war es im vorliegenden Verfahren. Die Beschäftigten waren bereits 1995 in Betriebsversammlungen sowie in Anschreiben über die Veränderung aufgrund der VO 95 und der GBV 95 unterrichtet worden. Die Regelungen der GBV 95 wurden zudem bei der IG B umgesetzt. Ein schutzwürdiges Vertrauen in die Unwirksamkeit der Regelung konnte vor diesem Hintergrund nicht entstehen. Der GBV 95 kam der Rechtsschein der Wirksamkeit zu. Dieser wirkt nicht nur zugunsten derjenigen, die eine Norm bindet, sondern hier auch zu ihren Lasten. Selbst eine ungewisse, sich später als richtig herausstellende Ansicht, eine Norm sei ungültig, entbindet nicht davon zu berücksichtigen, dass die angewandte Norm weiterhin gültig sein kann. Daher konnten die Betroffenen nicht darauf vertrauen, dass die GBV 95 dauerhaft unwirksam bleiben und keine Wirkung entfalten werde (vgl. - Rn. 22 ff.). Nur soweit Vertrauensschutzgesichtspunkte auch einer wirksam abgeschlossenen GBV 95 entgegenstünden, könnten sie durchgreifen. Das betrifft aber nicht die rückwirkende Inkraftsetzung.
45dd) Ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG ist durch den Abschluss der GBV 2014 hinreichend gewahrt worden (vgl. - BAGE 51, 387). Selbst wenn die ursprüngliche Betriebsvereinbarung GBV 95 nicht wirksam abgeschlossen wurde, hat der Gesamtbetriebsrat sie durch die mitbestimmte Regelung GBV 2014 mit in Kraft gesetzt.
46ee) Die Formvorgaben des § 26 Abs. 1 UR 83 idF der VO 95 sind ebenfalls gewahrt. Die Ablösung der UR 83 durch die VO 95 wurde den Beschäftigten durch das Rundschreiben der Beklagten vom Dezember 1995 und der Unterstützungskasse durch das Anschreiben vom auch schriftlich iSv. § 26 Abs. 1 UR 83 mitgeteilt. Die von den Richtlinien verlangte Schriftlichkeit ist nicht iSd. § 127 BGB zu verstehen. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Erklärung des Arbeitgebers über die Ablösung der UR 83 durch die VO 95 ist eine reine Wissenserklärung ohne Gestaltungswirkung und bedurfte zu ihrer Wirksamkeit nicht einer eigenhändigen Originalunterschrift; das einheitlich für Erklärungen gegenüber der Unterstützungskasse und den Beschäftigten vorgesehene Erfordernis soll nicht den hohen Anforderungen dieser Regelung entsprechen ( - Rn. 44; - 3 AZR 636/10 - Rn. 53 ff.). Wegen der rückwirkenden Inkraftsetzung der GBV 95 unterlag die Erklärung auch keinen zusätzlichen Anforderungen.
47Ob es sich hierbei auch um einen (deklaratorischen) Hinweis auf die Grundsätze zur Ablösung von Unterstützungskassenrichtlinien handelt, kann dahinstehen, da auch insoweit die Anforderungen erfüllt wären (vgl. - Rn. 57). Ebenfalls dahinstehen kann die Frage, ob der Vorstand am einen wirksamen Beschluss über die Ablösung gefasst hat. Die Satzung der Beklagten sieht ein Beschlusserfordernis für die Wirksamkeit solcher Beschlüsse nicht vor (vgl. -).
482. Die GBV 95 iVm. der VO 95 hat auch materiell wirksam die UR 83 abgelöst.
49a) Die materiellen Anforderungen an eine Ablösung der zugesagten Versorgung nach der UR 83 durch die GBV 95 iVm. der VO 95 sind vom Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht worden. Die Neuregelung hält einer Überprüfung am Maßstab der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes stand.
50aa) Die Gründe, die einen Eingriff rechtfertigen sollen, müssen um so gewichtiger sein, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird. Für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften hat der Senat die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert ( - Rn. 47 ff.; - 3 AZR 636/10 - Rn. 62 ff.).
51bb) Da es sich hier wegen der Übergangsregeln in § 7 der VO 95 unstreitig um einen Eingriff in künftige und damit noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse und damit um einen Eingriff auf der dritten Stufe handelt, sind geringere Anforderungen an den Eingriff zu stellen.
52(1) Hier sind grundsätzlich sachlich-proportionale Gründe erforderlich, aber auch ausreichend. Sie liegen nicht erst dann vor, wenn die Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers konkret gefährdet ist. Entscheidend ist, ob wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, auf die ein vernünftiger Unternehmer reagieren darf ( - Rn. 37, BAGE 150, 147). Es geht um nachvollziehbare, anerkennenswerte und damit willkürfreie Gründe. Sachlich-proportionale Gründe können auch auf einer Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung beruhen ( - Rn. 42). Ein Eingriff in Zuwachsraten, die noch nicht erdient sind, ist dann sachlich gerechtfertigt, wenn auf die andauernde Verschlechterung der Ertragskraft mit einem Bündel von Maßnahmen reagiert wird und, nachdem diese Maßnahmen noch nicht ausreichend gegriffen haben, zur Kostensenkung auch das betriebliche Versorgungswerk herangezogen wird ( - Rn. 48, BAGE 91, 310). Eine langfristige Substanzgefährdung oder eine dauerhaft unzureichende Eigenkapitalverzinsung sind nicht erforderlich. Zur Rechtfertigung des Eingriffs bedarf es auch nicht eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans. Ebenso wenig ist es notwendig, dass Maßnahmen zur Kosteneinsparung ausgeschöpft sind, bevor Eingriffe in künftige Zuwächse vorgenommen werden. Es geht nur darum, die Willkürfreiheit des Eingriffs in noch nicht erdiente Zuwächse zu belegen ( - Rn. 73).
53(2) Allerdings reicht regelmäßig der allgemeine Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht aus. Vielmehr sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Einzelnen substantiiert darzutun. Anderweitige Sanierungsmöglichkeiten müssen zumindest erwogen worden sein und ihre Unterlassung muss plausibel erläutert werden. Maßnahmen, die auf den ersten Blick dem Sanierungszweck offen zuwiderlaufen, müssen erklärt werden und einleuchtend sein ( - Rn. 74).
54(3) Darüber hinaus hat der Arbeitgeber darzulegen, dass die Eingriffe in die Versorgungsregelungen in der konkreten Situation proportional, also verhältnismäßig sind, dass die Abwägung seiner Interessen an einer Änderung des Versorgungswerks gegenüber den Interessen des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der ursprünglichen Versorgungszusage im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Beruft sich der Arbeitgeber auf wirtschaftliche Gründe, so sind sämtliche Maßnahmen darzutun, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Kosteneinsparung zu dienen bestimmt waren. Der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk muss sich in ein nachvollziehbar auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einpassen. Der Regelungszweck und das Mittel der Kürzung müssen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen (vgl. - zu III 2 b der Gründe, BAGE 51, 397).
55(4) Dies ist dann der Fall, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter eingreift, als dies ein vernünftiger Unternehmer zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte. Es reicht aus, wenn sich der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk in ein auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtetes, plausibles Gesamtkonzept einfügt. Anderweitige Maßnahmen zur Kosteneinsparung müssen nicht ausgeschöpft sein, bevor Eingriffe in künftige Zuwächse vorgenommen werden dürfen. Unternehmerische Entscheidungen, die auf den ersten Blick einer Kostenreduzierung zuwiderlaufen, müssen einleuchtend sein. Dem Arbeitgeber und insbesondere den Betriebsparteien steht bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten, der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen sowie bei der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts eine Einschätzungsprärogative und ein Beurteilungsspielraum zu ( - Rn. 58, BAGE 166, 136).
56(5) Diese Grundsätze sind nicht ohne Weiteres auf nicht am Markt mit Gewinnerzielungsabsicht tätige Arbeitgeber übertragbar. Soweit der Senat aber bislang angenommen hat, dass es bei einer Gewerkschaft als steuerbefreiten Berufsverband in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins nicht erforderlich ist, dass die sachlichen Gründe auch proportional sein müssen, hält er hieran nicht mehr fest (vgl. - Rn. 57; - 3 AZR 636/10 - Rn. 72; - 3 AZR 414/12 - Rn. 72). Zwar bleibt es dabei, dass es den Arbeitsgerichten untersagt ist, die koalitionsspezifische Verwendung der Gewerkschaftsmittel zu bewerten. Allerdings muss die Gewerkschaft darlegen, dass die Nichtablösung ihres Versorgungssystems ihre gewerkschaftlichen Handlungsspielräume künftig einschränken würde.
57(a) Zwar stehen der Beklagten im Wesentlichen nur Beiträge der Mitglieder als Einkünfte zur Verfügung. Sie genießt zudem den verfassungsrechtlichen Schutz der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Daher kommt ihr die Freiheit zu, ihre koalitionspolitischen Aufgaben und die Form, die Art und Weise sowie die Intensität der Aufgabenerfüllung festzulegen ( - Rn. 80 mwN). Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht ( - Rn. 79 mwN). Eine Gewerkschaft hat die Verwendung ihrer finanziellen Mittel für koalitionspolitische Zwecke nicht zu rechtfertigen, die Gerichte für Arbeitssachen dies nicht zu überprüfen oder zu bewerten. Insbesondere der Umfang ihrer Mittel und insoweit die Höhe der zu bildenden Rücklagen für zukünftig ggf. erforderliche Arbeitskämpfe liegen grundsätzlich in der Entscheidungsgewalt der Gewerkschaft.
58(b) Allerdings sind auch die Aussichten der Arbeitnehmer auf betriebliche Altersversorgung ebenfalls vor Eingriffen geschützt. Die Betriebsrente ist Teil des Arbeitsentgelts und gehört somit zu den Arbeitsbedingungen. Das Arbeiten unter angemessenen Arbeitsbedingungen fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ( - Rn. 82 f.). Dementsprechend sind einmal erteilte Versorgungszusagen nach dem gesetzgeberischen Verständnis des Betriebsrentengesetzes auf das gesamte Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen der festen Altersgrenze angelegt. Das kommt in der Regelung des § 2 Abs. 1 BetrAVG über die zeitratierliche Kürzung von Betriebsrenten, die an die mögliche Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses bis zum Versorgungsfall anknüpft, zum Ausdruck (vgl. - Rn. 43 f., BAGE 138, 346; BT-Drs. 7/1281 S. 24). Ergänzt wird dies durch die dem Betriebsrentengesetz zugrunde liegende Intention, Betriebsrentenanwartschaften möglichst lückenlos bis zum Eintritt des Versorgungsfalls zu sichern und zu erhalten (vgl. auch BT-Drs. 15/2150 S. 52; BT-Drs. 7/1281 S. 26; - Rn. 33, BAGE 166, 136). Dieses Verständnis entspricht auch der besonderen sozialpolitischen Funktion der betrieblichen Altersversorgung. Nach den vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidungen soll sie eine notwendige Ergänzung der durch die Sozialversicherung gewährten Sicherung der Arbeitnehmer im Alter darstellen und ihren Lebensstandard zumindest teilweise sichern (vgl. BT-Drs. 7/1281 S. 19; - Rn. 34, aaO; - 3 AZR 586/16 - Rn. 16 mwN, BAGE 162, 354).
59(c) Diese kollidierenden Grundrechtspositionen - Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 12 Abs. 1 GG - sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz - vorliegend bei der Ablösung einer Versorgungsordnung - so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden ( - Rn. 84).
60(d) Hinsichtlich der wirtschaftlichen Gründe, die eine Gewerkschaft nach § 16 Abs. 1 BetrAVG gegen eine Betriebsrentenanpassung anführen kann, hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung die gegenseitigen Grundrechtspositionen dahingehend abgewogen, dass die wirtschaftliche Lage einer Anpassung der Betriebsrenten dann entgegensteht, wenn die Gewerkschaft im Fall einer Rentenanpassung - oder ohnehin - ihrem Tätigkeitszweck auf dem bislang erreichten Niveau nicht gerecht werden kann. Ebenso sind künftige weitere, in absehbarer Zeit anstehende Maßnahmen, die zum Anpassungsstichtag von den zuständigen Gremien bereits konkret beschlossen und hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkungen bereits überschaubar sind, zu berücksichtigen ( - Rn. 87).
61Dabei ist zu beachten, dass die Ablösung auf der dritten Stufe nach den allgemeinen Grundsätzen keinen so schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmer begründet und die neuen Grundsätze des Senats zur Anwendung des § 16 Abs. 1 BetrAVG bei gewerkschaftlichen Arbeitgebern einem deutlich schwerer zu rechtfertigenden Eingriff auf der zweiten Stufe entsprechen, der Eingriffe in den erdienten Besitzstand betrifft und triftige Gründe erfordert ( - Rn. 74). Das rechtfertigt sich daraus, dass eine unterbliebene Kaufkraftanpassung der Betriebsrente zu deren wirtschaftlicher Auszehrung führt.
62(e) Die Gewerkschaft muss für Eingriffe auf der dritten Stufe daher darlegen, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon auszugehen war, dass ohne den Eingriff gewerkschaftliche Handlungsspielräume, die über bereits bestehende und konkret geplante Maßnahmen gewerkschaftlichen Handelns hinausgehen, künftig eingeschränkt werden können. Über die vorhandenen und bereits fest geplanten Maßnahmen als Ausdruck gewerkschaftlichen Tätigwerdens muss die wirtschaftlich drohende Situation eine Einschränkung der gewerkschaftlichen Handlungsspielräume befürchten lassen. Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn gewerkschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten über das bereits bestehende und festgelegte Maß hinaus so beeinträchtigt werden, dass eine vernünftige Gewerkschaftspolitik dies zum Anlass nehmen kann, zu reagieren.
63Der Eingriff muss zudem insoweit proportional sein. Der Regelungszweck und das Mittel der Kürzung müssen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter eingreift, als dies eine vernünftige Gewerkschaftspolitik unter Zugrundelegung der gerichtlich nicht zu bewertenden gewerkschaftlichen Zielsetzungen, seien sie auch nur allgemein und noch nicht konkret festgelegt, zur Kosteneinsparung in der bestehenden wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte. Die Gewerkschaft muss indes nicht sämtliche Maßnahmen dartun, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Kosteneinsparung zu dienen bestimmt sind. Sie muss auch kein wirtschaftliches oder koalitionspolitisches Gesamtkonzept darlegen. Der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk muss sich allerdings nachvollziehbar auf eine wirtschaftliche Situation beziehen, die ohne die Ablösung gewerkschaftliche Handlungsspielräume begrenzen würde.
64cc) Die Prüfung der sachlich-proportionalen Gründe durch das Berufungsgericht ist auch vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
65(1) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der sachlich-proportionalen Gründe ist grundsätzlich Sache des Berufungsgerichts. Sie kann in der Revision nur beschränkt darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt, bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder bei der gebotenen Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind oder ob das Ergebnis in sich widersprüchlich ist (vgl. - Rn. 34, BAGE 150, 147).
66(2) Die Überlegungen des Berufungsgerichts halten auch den hier entwickelten Anforderungen stand. Es hat bei der gebotenen Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und das Ergebnis ist nicht in sich widersprüchlich. Das zeigt der Kläger auch nicht auf. Es bestanden vielmehr hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die Beklagte im Jahr 1995, dass der gewerkschaftliche Handlungsspielraum über die bereits bestehenden und konkret geplanten Handlungen hinaus künftig eingeschränkt werden könnte, wenn sie die UR 83 nicht durch die VO 95 ablöste. Der Eingriff ist auch proportional.
67(a) Die Entwicklung der Mitgliederzahlen und deren Auswirkung auf die Einnahmen lässt - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - den Rückschluss zu, dass diese auch nach 1995 sinken würden. Als die VO 95 durch die GBV 95 für die Beschäftigten der Beklagten in Kraft trat, war aufgrund der Entwicklung der Mitgliederzahlen von 1981 bis 1989 und dann wieder von 1990 bis 1995 die Annahme sinkender Mitgliederzahlen gerechtfertigt. Ein derartiger Mitgliederschwund trägt langfristig die Gefahr sinkender Beitragseinnahmen in sich.
68Daran ändert auch nichts, dass sich die Beitragseinnahmen vor 1994 noch unabhängig von der sinkenden Mitgliederzahl entwickelten. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass es hier Gründe für eine vorübergehende Abkoppelung geben kann, so die Tarifentwicklung, von der die Beitragshöhe abhängt, und von der Beklagten vorgetragene technische Verbesserungen beim Beitragseinzug.
69Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, das dafür die Zahlen der Zentralkasse der Beklagten herangezogen hat, betrug der Anteil der Beitragseinnahmen an den Gesamteinnahmen ca. 93 vH. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es dezentrales Vermögen und damit auch dezentrale Einnahmen bei der Beklagten gegeben hat, spricht nichts dafür, dass sich dadurch die zentrale Bedeutung der Beitragseinnahmen für die Gesamteinnahmen strukturell ändert. Dies ist vielmehr fernliegend. Konkrete Anhaltspunkte in dieser Richtung hat der Kläger auch nicht aufgezeigt.
70Es reicht zudem aus, wenn die Prognose auf der Grundlage der bisherigen Entwicklung und unter vertretbaren und nachvollziehbaren Annahmen für die Zukunft erstellt werden konnte (vgl. - zu I 3 b aa der Gründe, BAGE 100, 105).
71(b) Auch das neu eingeführte System der Finanzierung der Unterstützungskasse und die sich hierdurch ergebende höhere Kostenlast für die Beklagte stellt einen sachlichen Grund für den Eingriff dar, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat. Für Kassenmitglieder mit vielen Rentnern - wie die IG B - stieg absehbar die Zuwendungslast. Die Beklagte hatte wegen einer verhältnismäßig großen Zahl von Beschäftigten und Betriebsrentnern von den Zahlungen anderer Gewerkschaften in der Umlagefinanzierung profitiert. Mit dem Wegfall dieser Querfinanzierung war für die Beklagte absehbar, dass ihre Vorsorgekosten für ihre Beschäftigten und späteren Betriebsrentner steigen würden. Hinzu kamen die zur Finanzierung der Rückdeckungsversicherungen erforderlichen Prämien, die an die Unterstützungskasse zu zahlen waren, und zwar sowohl die Prämien für die ab 1995 neu erteilten beitragsorientierten Leistungszusagen als auch die Prämien für die Beschäftigten, die zwischen 1983 und 1995 eingetreten waren. Diese absehbaren Zusatzbelastungen verstärkten den durch die Mitgliederentwicklung absehbaren finanziellen Druck auf die Beklagte.
72(c) Angesichts dessen war es gewerkschaftspolitisch vernünftig, auf die zu erwartende Entwicklung mit Eingriffen in künftige Zuwächse zu reagieren. Auch hielten sich die getroffenen Maßnahmen im Rahmen dessen, was nach dem Maßstab einer vernünftigen Gewerkschaftspolitik durch die Entwicklung geboten war. Die Beklagte hat sich auf Eingriffe in künftige Zuwächse beschränkt, jedoch nicht alle Zuwächse gestrichen. Sie hat nicht einmal - was ihr unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit positiv zuzurechnen ist - das Versorgungswerk geschlossen.
73In diesem Zusammenhang fällt ins Gewicht, dass sich der Gesamtbetriebsrat wiederholt für die GBV 95 sowie die Umsetzung der VO 95 eingesetzt hat und eine entsprechende Vereinbarung in der GBV - mag diese ggf. auch formunwirksam gewesen sein - abgeschlossen hat, sowie dass er sich in den Folgejahren auf deren inhaltliche Geltung berufen hat.
74dd) An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Ablösung auf den Beginn des Jahres 1995 zurückwirkte. Zwar ist den Beschäftigten vor dem Beginn des Jahres 1995 keine entsprechende Information zugegangen (vgl. hierzu - Rn. 91). Spätestens seit Juli 1995 wussten aber die Arbeitnehmer von der Änderung. Da zudem die Versorgung in der Unterstützungskasse auf das Kalenderjahr bezogen ist und die VO 95 zum in Kraft getreten ist, konnte die Ablösung auch für die Arbeitnehmer der Beklagten rückwirkend bereits zum Jahresbeginn erfolgen. Ein schutzwürdiges Vertrauen zum Jahresbeginn 1995 konnte insoweit nicht entstehen. § 30 Abs. 2 VO 95 stellt zudem die Vorgabe auf, dass die Ablösung bei einer Erklärung des Kassenmitglieds ab dem Beginn des Jahres der Beitrittserklärung gilt. Die Unterstützungskasse will dies zur Vereinfachung der Abwicklung und zur Vereinheitlichung ihrer Systeme durchsetzen.
75b) Die Verfahrensrügen des Klägers, mit denen er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, sind unbegründet. Der Senat hat sie geprüft, aber nicht als durchgreifend erachtet. Von einer Begründung sieht er nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO ab.
763. Die GBV 95 - in Kraft gesetzt durch die GBV 2014 - verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG. Denn es bestand ein sachlicher Grund für eine isolierte Regelung in der GBV 95 für die der UR 83 unterfallenden Arbeitnehmer, die erst nach dem bei der Beklagten eingetreten sind.
77a) Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen bei vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, muss auch diese mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Dabei kommt den Betriebsparteien sowohl bei der Gruppenbildung als auch bei der Bestimmung des darauf bezogenen Stichtags ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Sie dürfen bei ihrer Normsetzung typisieren, pauschalieren und generalisieren. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen muss nicht für die Gleichbehandlung aller denkbaren Einzelfälle Sorge getragen werden. Die damit verbundenen unvermeidlichen Härten sind hinzunehmen, wenn sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen, der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist und sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären. Härten sind zu dulden, sofern sich die Wahl des Stichtags am Regelungszweck und dem gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist. Stichtagsregelungen, die auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhen, stellen einen hinreichenden Sachgrund für eine unterschiedliche Behandlung dar ( - Rn. 37 f. mwN).
78b) Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Betriebsparteien wegen der bereits zuvor erfolgten Schließung des Versorgungssystems in der UR 80 im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums davon ausgehen durften, dass dieser Unterstützungsrichtlinie eine größere Anzahl länger beschäftigter und älterer Arbeitnehmer unterfiel, deren Vertrauen in ihre bestehende Versorgung damit auch größer war. Das ist unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes auch dann gerechtfertigt, wenn der Zweck des Eingriffs die Einsparung vor dem Hintergrund der absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten war.
79Im Kern gleicht die von der GBV 95 vorgenommene Unterscheidung einer Stichtagsregelung. Die unterschiedlichen Versorgungszusagen unterscheiden sich grundsätzlich nach der Art der Versorgung und nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitnehmer. Abhängig vom Eintritt der Arbeitnehmer verfolgen sie zwar den gleichen Zweck einer Altersversorgung, aber mit unterschiedlichen Versorgungssystemen - Gesamtversorgung oder Beitragszusage. Dieser Unterschied rechtfertigt die unterschiedliche Regelung.
80c) Weiterhin ist zu beachten, dass ein Verstoß der GBV 95 gegen § 75 Abs. 1 BetrVG nicht ohne Weiteres zum Anspruch des Klägers auf Versorgung nach der UR 83 führen würde, da der Verstoß ja allein darin bestehen würde, nicht auch die UR 80 abgelöst zu haben. Nach welchem Bezugssystem sich die Ansprüche des Klägers dann richten würden, ist offen.
81IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:030522.U.3AZR472.21.0
Fundstelle(n):
BB 2022 S. 1779 Nr. 31
DB 2022 S. 2740 Nr. 46
NJW 2022 S. 10 Nr. 34
ZIP 2022 S. 1828 Nr. 36
PAAAJ-16600