Vorausetzungen für eine Pflicht des Finanzamts zur Annahme eines Abtretungsangebots nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG
Leitsatz
1. Die einschränkende BFH-Rechtsprechung (, BStBl 2017 II S. 760), wonach eine Umsatzsteuerfestsetzung
nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem im Baubereich leistenden Unternehmer nur dann geändert werden kann, wenn ihm ein
abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht, ist auch für
den Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden. Das gilt ungeachtet dessen, dass das BMF-Schreiben (
IV B 9 – S 7279/0, BStBl 2009 I S. 1298), in dem das BMF den Anwendungsbereich des § 13b UStG erstmals auch auf Bauträger
erstreckt hat, erst für Umsätze gelten sollte, die nach dem ausgeführt werden.
2. Ein Bauleistender hat in den Fällen des § 27 Abs. 19 UStG aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung einen Anspruch auf
Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) und auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags, wenn der Bauträger vom Finanzamt die Erstattung
der Steuer verlangt und deshalb für den Bauleistenden die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß
§ 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen.
3. Ein von dem Bauleistenden mit dem Bauträger für die Ansprüche des Bauleistenden vertraglich vereinbartes Abtretungsverbot
ist nach § 354a HGB unbeachtlich, wenn die abgerechneten Bauleistungen für beide Vertragsparteien ein Handelsgeschäft sind.
4. Ein Einzelunternehmen, das vollständige Elektroinstallationen im Innen- und Außenbereich sowie Sprech-, Antennen-, Fotovoltaik-
und Telefonanlagen erstellt, sieben Arbeitnehmer beschäftigt und jährliche Umsatzerlöse von rund 338.000 EUR erzielt, erfordert
sowohl qualitativ als auch quantitativ gesehen einen in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb im Sinne des
§ 1 Abs. 2 HGB und gilt damit als Gewerbebetrieb. Der Inhaber ist somit Kaufmann im Sinne von §§ 1 ff. HGB. Das gilt unabhängig
davon, ob der Kaufmann seinen Gewinn steuerlich durch Bestandsvergleich (Bilanzierung) gem. § 4 Abs. 1 EStG in Verbindung
mit § 5 Abs. 1 EStG oder durch Einnahmen-Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.
5. Der Bauleistende hat bei Vorliegen der in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Annahme
seines Abtretungsangebots, sofern er seiner Mitwirkungspflicht nachkommt. Daran fehlt es, wenn der Bauleistende nicht zeitnah,
sondern erst mehr als sechs Jahre nach der Mitteilung des Finanzamts über den vom Bauträger geltend gemachten Erstattungsanspruch
und dem Hinweis auf die Regelungen des § 27 Abs. 19 UStG Bruttorechnungen an den Bauträger erstellt, dem Finanzamt ein Abtretungsangebot
hinsichtlich der daraus resultierenden Zahlungsansprüche vorlegt und infolge der Verletzung der Mitwirkungspflichten des Bauleistenden
die Forderung gegen den Bauträger im Zeitpunkt des Abtretungsangebots bereits verjährt ist.
6. In den Fällen des § 27 Abs. 19 UStG beginnt die dreijährige Verjährungsfrist für den Anspruch des leistenden Unternehmers
gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer mit dem Schluss des Jahres, in dem der leistende
Unternehmer Kenntnis erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsantrag bei seinem Finanzamt gestellt hat.
7. Bei der Regelung in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG handelt es sich abweichend vom Gesetzeswortlaut um eine Ermessensreduktion
auf Null, sodass im Fall einer Abtretung des leistenden Unternehmers keine Steuer durch den leistenden Unternehmer zu zahlen
ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): SAAAJ-15867
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