BFH Urteil v. - V R 68/01 BStBl 2003 II S. 618

Auslegung des Ausdrucks ,,Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften'' i. S. von § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG und Artikel 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie

Leitsatz

Eine ,,Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften'' i. S. des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 liegt vor, wenn eine Mittelsperson einer Gesellschaft oder dem zukünftigen Gesellschafter die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrags über den Erwerb eines Gesellschaftsanteils nachweist oder sonst das Erforderliche tut, damit der Vertrag über den Erwerb der Gesellschaftsanteile zustande kommt.

Keine Vermittlungsleistung erbringt ein Unternehmer, der einem mit dem Vertrieb von Gesellschaftsanteilen betrauten Unternehmer Abschlussvertreter zuführt und diese betreut.

Gesetze: UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. fRichtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5

Instanzenzug: FG München (Verfahrensverlauf), ,

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine ,,Gesellschaft für innovatives Finanz- und Anlagemarketing mbH'', war u. a. im Streitjahr 1996 für die S im Rahmen eines sog. Strukturvertriebs beim Vertrieb von Gesellschaftsanteiten tätig. Wie sich aus dem vom Finanzgericht (FG) zur Charakterisierung des Strukturvertriebs der Klägerin in Bezug genommenen Gutachten des Rechtsprofessors L ergibt, hatten die Gesellschaften, an denen sich die Kapitalanleger beteiligten (Emissionsgesellschaften), die S mit dem Vertrieb der Gesellschaftsanteile beauftragt, die ihrerseits wiederum sog. Abschlussvermittler damit beauftragte. Diese Abschlussvermittler wurden der S von der Klägerin zugeführt und von S betreut. Die Klägerin erwarb dadurch der S gegenüber einen Anspruch auf sog. ,,Zubringerprovision'', die hinsichtlich Entstehung und Fälligkeit des Provisionsanspruchs, der Auszahlung der Provision und der Stornohaftung mit der Abschlussprovision, d. h. der Provision der Abschlussvermittler, verknüpft war. Außerdem zahlte S für die Aus- und Weiterbildung sowie Überwachung der Abschlussvermittler eine sog. Koordinationsprovision, die ebenso wie die Zubringerprovision mit der Abschlussprovision verknüpft war.

S erteilte der Klägerin für 1996 neben ,,Abschluss-Provisionsabrechnungen'' in Höhe von insgesamt 63 376,84 DM auch ,,Zubringer-Provisionsabrechnungen'' in Höhe von 117 386 DM.

Neben ihrer Tätigkeit für S war die Klägerin auch für die U tätig. Nach den Abrechnungen dieser Leistungen durch die Fa. D erhielt sie dafür Provisionen in Höhe von insgesamt 8 188,76 DM. Dabei setzen sich die Provisionen aus zwei Teilen zusammen; so heißt es z. B. in der Auszahlungsberechnung vom : ,,Normalprov. Eigen: 890,64 + Strukturabr. 890,64 = 1781,28 DM''.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1996 erklärte die Klägerin neben den Abschlussprovisionen der S in Höhe von 63 376,84 DM auch die vorgenannten Zubringerprovisionen der S und die Provisionen der U neben weiteren Provisionen als Entgelte für steuerfreie Umsätze. Demgegenüber unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Rahmen der Umsatzsteuer-Veranlagung der Klägerin sämtliche Provisionen mit Ausnahme der von der S gezahlten Abschlussprovisionen der Umsatzsteuer.

Einspruch und Klage hatten im Wesentlichen keinen Erfolg. Nach Auffassung des FG erbrachte die Klägerin für die Zubringerprovision an S steuerbare Leistungen, die sich nicht auf Gesellschaftsanteile bezogen und damit nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. f des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) steuerfrei waren.

Gegen das Urteil des FG, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1467 veröffentlicht ist, wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Revision. Sie rügt unzutreffende Auslegung des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des Umsatzsteuerbescheids für 1996 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom die Umsatzsteuer auf 2 682 DM herabzusetzen.

Hilfsweise beantragt sie, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) folgende Rechtsfrage vorzulegen.

Unterfallen die von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen in Gestalt der Auswahl, Schulung, Koordination und Überwachung von Abschlussvermittlern, die ihre Vermittlungshonorare unmittelbar von der Vertragspartnerin der Klägerin erhalten, auf Basis der vom EuGH aufgestellten Prüfungskriterien zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Outsourcings von Dienstleistungen unter die Befreiungsvorschrift für die Vermittlung von Anteilen an Gesellschaften i. S. des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG)?

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Gründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Umsätzen steuerfrei die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen.

Die Zuführung von Abschlussvermittlern an S und U sowie die Aus- und Weiterbildung und die Überwachung der Abschlussvermittler kann nicht als Umsatz oder Vermittlung von Anteilen an den Emissionsgesellschaften angesehen werden.

Einer Ausweitung der Steuerbefreiung auf diese Leistungen steht bereits der Wortlaut des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 entgegen. Eine Ausdehnung der Steuerbefreiung über den Wortlaut hinaus kommt nicht in Betracht, da Befreiungsvorschritten eng auszulegen sind (vgl. z. B. , SDC, Slg. 1997, I-3017). Es ist deshalb auch nicht möglich, in ,,wirtschaftlicher Betrachtungsweise'' den Sachverhalt so zu beurteilen, als ob die Abschlussvermittler, um die es hier geht, die Umsätze der Anteile an den Emissionsgesellschaften im Auftrag der Klägerin (und nicht von S und U) vermittelt hätten.

2. Die Vorschrift des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 setzt Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht um. Nach dieser Richtlinienbestimmung befreien die Mitgliedstaaten unter den dort genannten Bedingungen u. a. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Anteile an Gesellschaften oder auf Wertpapiere beziehen.

a) Zum Begriff der Vermittlung hat der EuGH in seinem Urteil vom Rs. C-235/00, CSC (Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2002, 84, mit Anm. Wäger) wörtlich ausgeführt:

,,37. Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten Richtlinie enthält keine Definition des Ausdrucks Vermittlung, die sich auf Wertpapiere bezieht'' im Sinne dieser Vorschrift.

38. Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten Richtlinie ist zu entnehmen, dass die Worte ,,einschließlich der Vermittlung'' nicht den wesentlichen Inhalt der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung definieren, sondern deren Anwendungsbereich auf die Vermittlungstätigkeiten ausdehnen sollen.

39. Ohne dass die genaue Bedeutung des Begriffes ,,Vermittlung'' ermittelt werden müsste, der auch in anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, und zwar in Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummern 1 bis 4, auftaucht, ist festzustellen, dass sich dieser Begriff im Rahmen der Nummer 5 auf eine Tätigkeit bezieht, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht den Platz einer Partei eines Vertrages über ein Finanzprodukt einnimmt und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Denn die Vermittlungstätigkeit ist eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Sie kann u. a. darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigem Leistungen zu verhandeln. Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat.

40. Dagegen handelt es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut, wie der Erteilung von Informationen an die andere Partei oder der Annahme und Bearbeitung der Anträge auf Zeichnung der Wertpapiere, die Gegenstand des Vertrages sind. In einem solchen Fall nimmt der Subunternehmer denselben Platz ein wie der Anbieter des Finanzprodukts und ist daher keine Mittelsperson, die nicht den Platz einer Vertragspartei einnimmt, im Sinne der fraglichen Bestimmung.

41. Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass

- der Ausdruck ,Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen' Umsätze betrifft, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen,

- der Ausdruck ,Vermittlung, die sich auf Wertpapiere bezieht' keine Dienstleistungen betrifft, die sich auf die Erteilung von Informationen über ein Finanzprodukt und gegebenenfalls die Annahme und Bearbeitung der Anträge auf Zeichnung der entsprechenden Wertpapiere beschränken und nicht deren Ausgabe umfassen.''

Übereinstimmend damit hat der Senat bereits im Urteil vom V R 43/84 (BFHE 156, 278, BStBl II 1989, 339) die Beschaffung von Anschriften interessierter Kapitalanleger für einen Anlageberater nicht als ,,Vermittlung der Umsätze von Wertpapieren'' i. S. von § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1973 beurteilt. Entsprechendes muss auch für die Vermittlung von Umsätzen von Gesellschaftsanteilen i. S. des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG und des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 gelten.

Demnach liegt - bei der Beteiligung von Kapitalanlegern an Emissionsgesellschaften - eine ,,Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften'' i. S. des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 nur vor, wenn eine Mittelsperson der Gesellschaft oder dem zukünftigen Gesellschafter die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrags über den Erwerb eines Gesellschaftsanteils nachweist oder sonst das Erforderliche tut, damit der Vertrag über den Erwerb der Gesellschaftsanteile zustande kommt.

Die streitbefangene Tätigkeit der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin soweit es um die Zubringerprovision und die Koordinationsprovision geht - keine Mittelsperson zwischen den oben genannten Vertragsparteien, d. h. den Kapitalanlegern und den Gesellschaften, an denen diese sich beteiligten (Emissionsgesellschaften). Die Abschlussvermittler erhielten ihre Abschlussprovision für die hier streitigen Verträge nicht von der Klägerin, sondern von S und U. Die Klägerin trat insoweit nicht als Vermittlerin auf. Hätten die Emissionsgesellschaften ihre Anteile mit eigenen Abschlussvertretern vertrieben, und hätte die Klägerin diese Abschlussvertreter im Auftrag der Emissionsgesellschaften ausgewählt, geschult, koordiniert und überwacht, hätte sie als Subunternehmerin der Emissionsgesellschaften steuerpflichtige Leistungen an diese erbracht. An der Steuerpflicht dieser Leistungen ändert der Umstand nichts, dass die Emissionsgesellschaften die S und U mit dem Vertrieb der Anteile beauftragt haben, und die Klägerin in deren Auftrag die Abschlussvertreter ausgewählt, geschult, koordiniert und überwacht hat. Die Klägerin nahm insoweit als mittelbare Subunternehmerin der Emissionsgesellschaften deren Platz ein.

b) Die Klägerin hat mit den streitbefangenen Umsätzen auch keine ,,Umsätze von Anteilen an Gesellschaften'' getätigt. Die Umsätze hatten keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gesellschafterstellung der Kapitalanleger.

3. Einer Vorlage nach Art. 234 EG bedarf es nicht. Nach dieser Vorschrift sind Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts unter den dort näher genannten Voraussetzungen dem EuGH vorzulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH entfällt die Vorlagepflicht unter anderem dann, wenn die gestellte Frage des Gemeinschaftsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder die gerichtliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt ( 283/81, SRL C.I.L.F.I.T, Slg. 1982, 3415). Die - für die Entscheidung des Streitfalls erheblichen - Grundsätze zur Auslegung des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG sind durch das EuGH-Urteil CSC in UR 2002, 84 geklärt. Die von der Klägerin gestellte Frage, ob die streitbefangenen Dienstleistungen unter die Befreiungsvorschrift des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG fallen, ist keine Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, sondern eine Frage zur Subsumtion des Sachverhalts unter das Gemeinschaftsrecht und die dazu entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH.

Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite 618
BB 2003 S. 87 Nr. 2
BFH/NV 2003 S. 272
BFH/NV 2003 S. 272 Nr. 2
BFHE S. 140 Nr. 200
BStBl II 2003 S. 618 Nr. 11
DB 2003 S. 1995 Nr. 37
DStR 2003 S. 28 Nr. 1
DStRE 2003 S. 128 Nr. 2
INF 2003 S. 89 Nr. 3
KÖSDI 2003 S. 13571 Nr. 1
UR 2003 S. 78 Nr. 2
GAAAA-89583