Satzungsbestimmung über die Unterhaltung eines Nichtzweckbetriebs als Mittel zur Verwirklichung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke ist unschädlich für die Gemeinnützigkeit
Leitsatz
Die Steuervergünstigungen wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke werden nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Satzung der Körperschaft das Unterhalten eines Nichtzweckbetriebes ausdrücklich erlaubt.
Gesetze: AO 1977 §§ 57, 59, 60, 64 Abs. 1KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
Instanzenzug: FG Berlin (Verfahrensverlauf), ,
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist eine Körperschaft in der Rechtsform des eingetragenen Vereins und Kreisverband eines Wohlfahrtsverbandes. Er verfolgte u. a. im Jahr 1999 (Streitjahr) gemeinnützige und mildtätige Zwecke. § 3 seiner Satzung in der Fassung von lautete auszugsweise:
§ 3 Sicherung der Steuerbegünstigung
1. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige beziehungsweise mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts ,,Steuerbegünstigte Zwecke'' der Abgabenordnung.
...
2. Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann er sich auch Einrichtungen anderer Rechtsformen bedienen oder solche Einrichtungen schaffen.
3. ...
Durch Beschluss vom wurde der Satz 2 des § 3 Nr. 2 aus der Satzung gestrichen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger für das Streitjahr zur Körperschaftsteuer und setzte diese auf 0 DM fest (Bescheid vom ). Er vertrat die Auffassung, der Kläger sei im Streitjahr nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit, da § 3 Nr. 2 Satz 2 der Satzung in der Fassung vom den Unterhalt steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe nicht ausgeschlossen habe. Der Einspruch des Klägers war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) beurteilte den Inhalt von § 3 Nr. 2 Satz 2 der Satzung nicht als Verstoß gegen §§ 59 und 60 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und verpflichtete das FA, den Kläger für das Streitjahr von der Körperschaftsteuer freizustellen. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 519 veröffentlicht.
Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil wegen Verletzung der §§ 59 und 60 AO 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten und beantragt, sie zurückzuweisen.
Gründe
II.
Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger erfüllte im Streitjahr die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG.
1. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG sind Körperschaften, die nach ihrer Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO 1977), von der Körperschaftsteuer befreit. Die Steuerbefreiung ist jedoch insoweit ausgeschlossen, als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe - ausgenommen selbst bewirtschaftete Forstbetriebe - unterhalten werden, die keine Zweckbetriebe sind (sog. Nichtzweckbetriebe; § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG i. V. m. § 64 Abs. 1 AO 1977).
Nach § 59 AO 1977 ist satzungsmäßige Voraussetzung der Steuerbefreiung, dass sich aus der Satzung ergibt, welche Zwecke die Körperschaft verfolgt (= welchen Zwecken sie dient), dass diese Zwecke den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO 1977 entsprechen und dass sie von der Körperschaft ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden. Gemäß § 60 Abs. 1 AO 1977 müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass bereits auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind. Hinsichtlich der Körperschaftsteuerbefreiung müssen die satzungsmäßigen Voraussetzungen während des ganzen Veranlagungszeitraums erfüllt sein (§ 60 Abs. 2 AO 1977).
2. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt:
Die im Streitjahr geltende Satzung des Klägers in den Fassungen vom und bestimmte in § 2 ausführlich die Aufgaben (= Zwecke) des Klägers. Diese Zwecke sind - was das FG festgestellt hat und auch das FA zu Recht nicht bestreitet - gemeinnützige und mildtätige i. S. der §§ 52 und 53 AO 1977. § 3 Nr. 1 Satz 1 der Satzung legte fest, dass der Kläger diese Zwecke ausschließlich und unmittelbar verfolgte. Auf welche Weise (= welche Art) der Kläger seine Satzungszwecke verwirklichen sollte, war in § 3 Nr. 1 Satz 2 der Satzung geregelt. § 3 Nr. 2 Satz 1 der Satzung bestimmte, dass der Kläger selbstlos tätig war und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgte.
Daraus folgt, dass die §§ 2 und 3 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 der Satzung im Streitjahr den Anforderungen der §§ 59 und 60 Abs. 1 AO 1977 genügten.
3. § 3 Nr. 2 Satz 2 der Satzung in der Fassung vom - der bis zur Eintragung der Satzungsänderung vom in das Vereinsregister galt (s. Senatsurteil vom I R 22/00, BFHE 194, 354, BStBl II 2001, 518) - gestattete es dem Kläger, sich zur Erfüllung seiner Aufgaben auch Einrichtungen anderer Rechtsformen zu bedienen oder solche Einrichtungen zu schaffen. Dies verstößt entgegen der Auffassung des FA nicht gegen §§ 59 und 60 AO 1977.
a) Die zu dem Rechtsstreit führende Satzungsbestimmung wäre zwar ein Verstoß gegen §§ 59 und 60 Abs. 1 AO 1977, wenn sie den Kreis der vom Kläger verfolgten Satzungszwecke erweitert hätte. Denn ein Satzungszweck ,,Schaffung und Unterhalten von Einrichtungen anderer Rechtsformen'' wäre so unbestimmt, dass sich nicht bereits aus der Satzung ergeben würde, ob dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO 1977 genügt. Der Wortlaut der umstrittenen Satzungsbestimmung und der Kontext, in dem sie stand, lassen aber erkennen, dass durch § 3 Nr. 2 Satz 2 der Satzung nicht die Satzungszwecke gemäß § 2 erweitert, sondern nur mögliche Modalitäten ihrer Verwirklichung genannt und somit nicht ausgeschlossen wurden. Die Bestimmung beschränkte die Schaffung und das sich anschließende Unterhalten von Einrichtungen anderer Rechtsformen auf Einrichtungen zur Erfüllung der Aufgaben des Klägers und somit auf solche, mit deren Hilfe der Kläger seine in § 2 festgelegten steuerbegünstigten Satzungszwecke hätte wahrnehmen können.
b) Zwar wäre nach der umstrittenen Bestimmung auch die Schaffung und das Unterhalten von Nichtzweckbetrieben satzungsgemäß gewesen, mit denen der Kläger der Besteuerung unterlegen hätte (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG i. V. m. § 64 Abs. 1 AO 1977). Derartige Einrichtungen hätte der Kläger nach § 3 Nr. 2 Satz 2 der Satzung aber nur dann schaffen und unterhalten dürfen, wenn sie - und sei es als Mittelbeschaffungsbetriebe - der Erfüllung der in § 2 der Satzung festgelegten Aufgaben gedient hätten. Die Bestimmung wäre daher - anders als das FA meint - keine Satzungsgrundlage dafür gewesen, Nichtzweckbetriebe um ihrer selbst willen zu betreiben. Durch sie wurde der Kreis der Satzungszwecke nicht um den Zweck ,,Unterhalten von Nichtzweckbetrieben'' erweitert, was nach Verwaltungsauffassung ein Verstoß gegen § 59 AO 1977 gewesen wäre (s. Anwendungserlass zur Abgabenordnung i. d. F. vom , ,,Zu § 59'' Tz. 1, BStBl I 2002, 867, 880).
c) § 3 Nr. 2 Satz 2 der Satzung in der Fassung vom stand entgegen der Auffassung des FA auch nicht in Widerspruch zu der Regelung in § 3 Nr. 1 Satz 1 der Satzung, nach der der Kläger seine satzungsmäßigen Zwecke unmittelbar - d. h. selbst (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) - verfolgt. Er besagte lediglich, dass sich der Kläger bei der unmittelbaren Verfolgung seiner satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke der Unterstützung Dritter als Hilfspersonen bedienen durfte, und nahm somit sinngemäß nur die Regelung in § 57 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 in die Satzung auf.
d) Bei der Auslegung der Satzungen von Vereinen, die Steuervergünstigungen wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke beanspruchen, ist auch zu berücksichtigen, dass die Satzungen nicht lediglich den Zweck haben, die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuervergünstigungen zu erfüllen. Sie dienen auch und oft sogar vorrangig dazu, die Organisation der Vereine und die Befugnisse ihrer Organe festzulegen. Aus Gründen der Satzungsklarheit ist es daher eher geboten als - wie das FA meint - zu beanstanden, wenn die Satzung ausdrücklich regelt, ob der Verein zur Erfüllung seiner steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke einen Nichtzweckbetrieb unterhalten darf oder nicht. Dass ein Satzungszweck ,,Unterhalten eines Nichtzweckbetriebs'' die Steuervergünstigungen ausschließt, führt keinesfalls dazu, dass schon jede Satzungsbestimrnung über das Unterhalten von Nichtzweckbetrieben diese Rechtsfolge auslöst (ähnlich Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 59 AO Rz. 8, m. w. N.).
4. Der Kläger erfüllte im Streitjahr nach den Feststellungen des FG, die das FA nicht angegriffen hat, auch die übrigen Voraussetzungen der begehrten Steuerfreistellung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite 384
BB 2003 S. 1216 Nr. 23
BFH/NV 2003 S. 840
BFH/NV 2003 S. 840 Nr. 6
BFHE S. 395 Nr. 201
BStBl II 2003 S. 384 Nr. 8
DB 2003 S. 1097 Nr. 20
DStRE 2003 S. 761 Nr. 12
INF 2003 S. 441 Nr. 12
KÖSDI 2003 S. 13743 Nr. 6
KAAAA-89508