BFH Urteil v. - VI R 161/01 BStBl 2003 II S. 331

Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers an die Versorgungseinrichtung seiner Arbeitnehmer sind Barlohn

Leitsatz

Tarifvertraglich vereinbarte Zahlungen des Arbeitgebers an die Zusatzversorgungskasse der Land- und Forstwirtschaft in Höhe von mtl. 10 DM je Arbeitnehmer sind als Barlohn zu qualifizieren, wenn zwischen dem Arbeitgeber und der Zusatzversorgungskasse keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Auf Barlohnzahlungen findet § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG keine Anwendung.

Gesetze: EStG § 8 Abs. 2 Satz 9

Instanzenzug: (EFG 2002, 748) (Verfahrensverlauf), ,

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine eingetragene Genossenschaft, die ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibt, ist durch Tarifvertrag verpflichtet, für ihre Arbeitnehmer Beiträge an die Zusatzversorgungskasse der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (Zusatzversorgungskasse) in Höhe von 10 DM je Arbeitnehmer im Monat zu leisten. Zweck der Zusatzversorgungskasse ist es, die Gesamtaltersversorgung bzw. die Hinterbliebenenversorgung der Arbeitnehmer zu verbessern. Die Klägerin gab beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) u. a. Lohnsteuer-Anmeldungen für Mai 1998, Mai 1999 sowie April 2000 ab. In diesen Lohnsteuer-Anmeldungen hatte die Klägerin die an die Zusatzversorgungskasse geleisteten Zahlungen als Zukunftssicherungsleistungen einer pauschalierten Besteuerung nach § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterworfen.

Aufgrund der Veröffentlichung des Urteils des Finanzgerichts (FG) des Landes Brandenburg vom IV K 1682/99 L (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 855) gab die Klägerin nachträglich geänderte Lohnsteuer-Anmeldungen für die Monate Mai 1998, Mai 1999 und April 2000 ab. Sie vertrat nunmehr die Auffassung, durch die Leistungen an die Zusatzversorgungskasse habe sie ihren Arbeitnehmern Versicherungsschutz verschafft. Dabei handele es sich um einen geldwerten Vorteil i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG, der nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei sei. Das FA stimmte den geänderten Lohnsteuer-Anmeldungen, die für die drei genannten Monate eine um insgesamt 8 230 DM geringere Lohnsteuer auswiesen, nicht zu.

Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichteten Klage gab das FG mit den in EFG 2002, 748 veröffentlichten Gründen statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

Auch wenn zwischen der Klägerin und der Zusatzversorgungskasse keine vertraglichen Vereinbarungen bestünden, handele es sich bei den monatlichen Zahlungen der Klägerin an die Zusatzversorgungskasse nicht um Barlohnzahlungen. Die Klägerin habe ihren Arbeitnehmern mit diesen Zahlungen einen Anspruch gegen die Zusatzversorgungskasse auf höhere Altersversorgung verschafft. Dieser geldwerte Vorteil sei nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei.

Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision, mit der es die Verletzung von § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG rügt. Zur Begründung trägt das FA vor: Die Übernahme von Versicherungsprämien durch den Arbeitgeber sei nur dann nicht als Barlohn, sondern als Zuwendung eines geldwerten Vorteils zu erfassen, wenn es sich bei dem Arbeitgeber um ein Versicherungsunternehmen handele, das seinen Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt Versicherungsschutz gewähre. Ansonsten sei die Zahlung von Versicherungsprämien durch den Arbeitgeber steuerlich so zu behandeln, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Barmittel zur Verfügung stelle und dieser sie anschließend zum Erwerb des Versicherungsschutzes verwende. Davon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versicherung, an die der Arbeitgeber die Beiträge leiste, ein unentziehbarer Rechtsanspruch zustehe, wie dies im Streitfall gemäß § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft der Fall sei. Da es sich somit um Barlohn handele, sei die Anwendung der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG auf diese Zukunftssicherungsleistungen ausgeschlossen (R 31 Abs. 2a Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1999, Lexikon für das Lohnbüro, 43. Aufl., S. 449 und 519, 520, sowie Seifert, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1999, 15, 20).

Das FA beantragt das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor: Sie habe mit den monatlichen Beitragszahlungen an die Zusatzversorgungskasse Versicherungsschutz erkauft, den sie ihren Arbeitnehmern als sonstigen Sachbezug zugewendet habe. Die Übernahme der Versicherungsprämie durch den Arbeitgeber stelle dann eine Sachzuwendung dar, wenn der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer zugunsten seines Arbeitnehmers seinen Versicherungsbeitrag mit einem Versicherungsunternehmen schließe (Seifert, DStZ 1999, 15, 21). Da die Klägerin im Streitfall Zahlungen an die Zusatzversorgungskasse und nicht an die jeweiligen Arbeitnehmer geleistet habe, sei keine Barlohnzahlung gegeben (vgl. (L), EFG 2001, 1422).

Gründe

II.

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Auf die Zahlungen der Klägerin an die Zusatzversorgungskasse findet § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG deshalb keine Anwendung, weil es sich dabei um Barlohn handelte und nicht um die Zuwendung eines geldwerten Vorteils i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG.

1. Mit den Zahlungen an die Zusatzversorgungskasse hat die Klägerin ihren Arbeitnehmern Arbeitslohn zugewandt. Dazu zählen alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Zum Arbeitslohn gehören auch Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherungsleistungen; § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -).

2. Die von der Klägerin erbrachten Zukunftssicherungsleistungen sind den Arbeitnehmern als Geldleistungen (Barlohn) und nicht als Sachbezüge zugeflossen.

Als Barlohn, also als Geld i. S. des § 8 Abs. 1 EStG, hat der Senat auch die - zur Abkürzung des Zahlungswegs - erfolgte Zahlung des Arbeitgebers an einen Gläubiger des Arbeitnehmers angesehen, durch die eine Forderung des Gläubigers gegen den Arbeitnehmer getilgt wird (, BFHE 183, 568, BStBl II 1997, 667). Ist der Arbeitnehmer Versicherungsnehmer, tilgt der Arbeitgeber mit der Zahlung an die Versicherung eine Verbindlichkeit des Arbeitnehmers aus dem Versicherungsvertrag. Die zur Abkürzung des Zahlungswegs erfolgte Zahlung des Arbeitgebers an die Versicherung beinhaltet deshalb eine Barlohnzahlung.

3. Nach den für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG, gegen die die Klägerin keine Revisionsgründe vorgebracht hat, bestanden zwischen der Klägerin und der Zusatzversorgungskasse keine vertraglichen Beziehungen. Die Klägerin war somit nicht Versicherungsnehmer. Infolgedessen hat sie ihren Arbeitnehmern mit den Zahlungen an die Zusatzversorgungskasse keinen Versicherungsschutz verschafft, sondern diesen finanziert. Damit sind die Zahlungen der Klägerin an die Zusatzversorgungskasse Barlohn. Die Weigerung des FG, den geänderten Lohnsteuer-Anmeldungen, in denen die Klägerin die betreffenden Zahlungen als nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfreie Zuwendungen angesehen hat, zuzustimmen, verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten.

4. Darauf, ob den Arbeitnehmern der Klägerin gegen die Zusatzversorgungskasse ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung zustand, kommt es nicht an. Das von der Klägerin angeführte (BFHE 188, 338, BStBl II 2000, 408) ist nicht einschlägig. Anders als in dem dem vorgenannten BFH-Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt ist die Klägerin im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG mangels vertraglicher Beziehungen zur Zusatzversorgungskasse nicht Versicherungsnehmerin. Ob die Zahlung der Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer als Barlohn zu qualifizieren ist oder als die Zuwendung von Versicherungsschutz und damit als eine geldwerte Leistung i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG erscheint, auf die gegebenenfalls die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG Anwendung findet, bedarf deshalb im Streitfall keiner Entscheidung.

Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite 331
BB 2003 S. 461 Nr. 9
BFH/NV 2003 S. 400
BFH/NV 2003 S. 400 Nr. 3
BFHE S. 130 Nr. 201
BStBl II 2003 S. 331 Nr. 6
DB 2003 S. 427 Nr. 8
DStRE 2003 S. 332 Nr. 6
FR 2003 S. 359 Nr. 7
INF 2003 S. 163 Nr. 5
KÖSDI 2003 S. 13636 Nr. 3
WAAAA-89488