Leistungsaustausch bei Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft gegen (Sonder-)Entgelt
Leitsatz
1. Ein Leistungsaustausch setzt (lediglich) voraus, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.
2. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden, oder um Leistungen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind.
3. Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen, die eine GmbH als Gesellschafterin für eine GbR aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages gegen Vergütung ausführt, sind umsatzsteuerbar (Aufgabe der Rechtsprechung im , BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622). [1]
Gesetze: UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1UStG 1993 § 2 Abs. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 2
Instanzenzug: (EFG 2001, 926) (Verfahrensverlauf),
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt als GmbH die Vermittlung von Kapitalanlagen, die wirtschaftliche Baubetreuung und die treuhänderische Verwaltung von Vermögenswerten. Von ihren Umsätzen im Streitjahr (1996) entfielen ca. 90 v. H. auf die Vermittlung von Gesellschaftsanteilen. Daneben erzielte die Klägerin u. a. Erlöse aus Geschäftsbesorgungen für Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR. Teilweise war sie an den Gesellschaften nicht beteiligt. In dem vorliegenden Verfahren geht es um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Geschäftsbesorgungen für 8 Fondsgesellschaften, an denen die Klägerin jeweils mit 25 000 DM - dies entsprach regelmäßig unter 1 v. H. des Nominalkapitals - beteiligt war. Diese Gesellschaften bestanden aus einer Vielzahl von Gesellschaftern mit unterschiedlichen Wohnsitzen.
Die Vertragsregelungen über die Geschäftsbesorgungen entsprechen durchweg denen mit Fondsgesellschaften, für die die Klägerin gleichartige Tätigkeiten verrichtete, ohne an ihnen beteiligt zu sein.
In den Gesellschaftsverträgen dieser Fondsgesellschaften hieß es jeweils: ,,Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft und die Vertretung steht allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Die Fondsgesellschaft errichtet, finanziert und verwaltet das Bauvorhaben. Sie kann sich hierbei und bei der Wahrnehmung weiterer Gesellschaftsrechte von einem Geschäftsbesorger vertreten lassen . . .''.
Für die Fondsgesellschaften wurde jeweils ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach vorgegebenem Muster mit u. a. folgendem Inhalt abgeschlossen:
,,§ 1 Grundlagen des Geschäftsbesorgungsvertrages
1. Mit der Beitrittserklärung haben die Gesellschafter Auftrag und Vollmacht erteilt, den Geschäftsbesorgungsvertrag abzuschließen. Der Geschäftsbesorgungsvertrag unterteilt sich in zwei Teile:
- Vorbereitung der ersten Gesellschattsversammlung und Angebotsgarantie,
- Durchführung des Investitionsvorhabens und langfristige Verwaltung der Gesellschaft.
2. Der Geschäftsbesorger ist beauftragt und bevollmächtigt, in dem im folgenden beschriebenen Umfang im Namen und für Rechnung der Gesamthand (Gesellschaft) einerseits und im Namen und für Rechnung der Gesellschafter andererseits persönlich zu handeln.
3. . . .
4. . . .
5. Der Geschäftsbesorger ist beauftragt und bevollmächtigt, die Gesellschaft in allen außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren zu vertreten . . .
6. Der Geschäftsbesorger ist aktiv und passiv vertretungsberechtigt.
7. Der Geschäftsbesorger haftet für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes.
§§ 2 bis 5 [Pflichten des Geschäftsbesorgers während des Investitionsvorhabens]
§ 6 Verwaltung der Gesellschaft
1. Der Geschäftsbesorger ist beauftragt und bevollmächtigt, neben der Durchführung des Investitionsvorhabens folgende Geschäfte der Gesellschaft zu verwalten: Entsprechend dem Statut der Gesellschaft wird der Geschäftsbesorger
- . . .
- zu Gesellschafterversammlungen einladen, schriftliche Gesellschafterbeschlüsse veranlassen und alle Beschlüsse durchführen,
- bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen mitwirken . . .
. . .
2. Der Geschäftsbesorger beschließt bis zum jederzeit möglichen Widerruf durch die Gesellschafterversammlung für die Gesellschafter den Ausschluß von Gesellschaftern . . . Der Geschäftsbesorger nimmt anstelle der ausgeschlossenen Gesellschafter andere Gesellschafter auf . . .
3. . . .
4. Der Geschäftsbesorger führt zeitlich über die Vorlage der Schlußabrechnung hinaus die allgemeinen Geschäfte. Insbesondere erstattet er den Gesellschaftern jährlich . . . einen Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr. . . .
5. . . .
6. . . .
§ 7 Kontrollrechte
Die Gesellschafter haben die gesetzlichen Kontrollrechte (§§ 666, 259 ff. BGB). . . .
§ 8 Verwaltung des Grundbesitzes
§ 9 Vergütung
Der Geschäftsbesorger erhält für die Bauerrichtungsphase eine Vergütung von . . . DM. Für die laufende Verwaltung der Gesellschaft einschließlich der Verwaltung des Grundbesitzes ab Vermietungsbeginn erhält der Geschäftsbesorger
- von 1996 bis 2000 je . . . DM,
- die ortsübliche Gebühr für die Hausverwaltung,
- darüber hinaus kann nach Abzug der vorgesehenen Ausschüttung und der Instandhaltungsrücklage eine laufende Gebühr bis höchstens 50 % der jährlich überschießenden Liquidität verlangt werden.
- für die Durchführung der Übertragung von Anteilen 0,5 % der Nominalbeteiligung von dem Verkäufer.
Alle Beträge verstehen sich einschließlich der gesetzlichen USt. Mit diesen Vergütungen ist die gesamte laufende Tätigkeit für die Gesellschaft einschließlich der steuerrechtlichen Bearbeitung, für die ggf. Dritte beauftragt werden, abgegolten.
§ 10 Beendigung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses
1. Der Vertrag ist auf 30 Jahre abgeschlossen. Danach verlängert sich der Vertrag um jeweils 1 Jahr, wenn er nicht mit einer Frist von 6 Monaten zum Jahresende gekündigt wurde.
2. Der Geschäftsbesorger kann den Vertrag nur aus wichtigem Grunde kündigen.
3. Die Gesellschaft kann ohne wichtigen Grund zum jeweiligen Jahresende ab dem 6. Jahr mit einer 6-Monatsfrist kündigen.
4. Die Kündigungserklärung des Geschäftsbesorgers ist schriftlich an die letzte von jedem Gesellschafter bekannt gegebene Anschrift zu richten.
5. Das Recht zur Kündigung auf der ersten Gesellschafterversammlung . . . bleibt hiervon unberührt.''
Tatsächlich wurden Geschäftsführungs- und Vertretungsaufgaben in den streitigen Fällen ausschließlich von der Klägerin wahrgenommen. Andere Gesellschafter wurden dabei nicht tätig.
In ihrer Umsatzsteuererklärung 1996 erklärte die Klägerin u. a. Umsätze aus ihrer Geschäftsbesorgungstätigkeit. Davon nahm sie die Leistungen aus, die sie für die 8 Fondsgesellschaften, an denen sie als Gründungsgesellschafterin beteiligt war, während der Bauerrichtungsphase erbracht hatte und für die ihr eine Vergütung nach § 9 Satz 1 der jeweiligen Geschäftsbesorgungsverträge gezahlt worden war. Hierzu hatte sie Rechnungen ohne gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer erteilt; als Leistungsbeschreibung ist jeweils ,,für die Geschäftsführung als Gründungsgesellschafter'' angegeben.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte dagegen auch diese Umsätze im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Änderungsbescheid für 1996 als steuerbar und steuerpflichtig.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es war der Auffassung, bei den streitigen Geschäftsbesorgungsleistungen handele es sich um Tätigkeiten, die nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 steuerbar seien. Die Klägerin habe, soweit sie diese Aufgaben bei den Fondsgesellschaften wahrgenommen habe, an denen sie selbst als Gesellschafterin beteiligt gewesen sei, ihre Rechte und Pflichten als Gesellschafterin (§ 709 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) realisiert. Dabei stützte sich das FG im Wesentlichen auf das (BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622).
Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 926 veröffentlicht.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt Verletzung materiellen Rechts und macht im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen eines Leistungsaustausches i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG lägen vor. Das vom FG zur Begründung herangezogene Urteil des BFH in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622 betreffe einen anderen Sachverhalt und sei deswegen im Streitfall nicht anwendbar.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Gründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entgegen der Auffassung des FG liegen im Streitfall die Voraussetzungen eines Leistungsaustausches gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor.
1. a) Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft - wie sie hier gegeben sind - können ihren Grund entweder im gesellschaftsrechtlichen Beitragsverhältnis oder in einem gesonderten schuldrechtlichen Austauschverhältnis haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtet sich die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden, oder um Leistungen, die gegen Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind. Steuerbare entgeltliche Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind gegeben, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen eines Gesellschafters zur Gesellschaft beruhen und auf den Austausch der Leistungen des Gesellschafters gegen Entgelt gerichtet sind (vgl. , BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757; vom V R 76/92, BFH/NV 1995, 356; vom XI R 74/93, BFHE 176, 75, BStBl II 1995, 150; vom V R 8/94, BFHE 179, 186, BStBl II 1996, 176, unter II. 1., m. w. N.).
b) Diese Unterscheidung entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - (vgl. - Heerma -, Slg. I-2000, 419, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2000, 121, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 2000, 141, Rdnr. 13).
c) Soweit davon abweichend der BFH - erstmals im Senatsurteil in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622, auf das sich die Klägerin und das FG gestützt haben diese Abgrenzung nicht für die Führung der Geschäfte einer Personengesellschaft sowie deren Vertretung angewandt hat, hält der Senat daran nicht mehr fest.
Nach dem vorbezeichneten Urteil stehen sich der zur Geschäftsführung und Vertretung berufene Gesellschafter und die Gesellschaft nicht in dem Sinne gegenüber, dass der Gesellschafter eine Leistung erbringe und die Gesellschaft diese empfange. Denn wirtschaftlich betrachtet realisiere sich der Gesellschaftszweck, zu dessen Erreichung sich die Gesellschafter verbunden hätten, mangels eigener Handlungsfähigkeit der Gesellschaft durch das Tätigwerden ihrer Gesellschafter. Wenn der Gesellschafter seine Rechte ausübe, habe er sich zugleich als Gesellschaft betätigt. Eine Leistung an einen anderen erbringe er nicht. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte könne nicht deshalb als Leistung an die Gesellschaft angesehen werden, weil dieser der Erfolg der eigenen Betätigung des Gesellschafters als Reflex zugute komme (vgl. BFH-Urteil in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622, unter 1. c).
Diese Betrachtungsweise steht mit den mittlerweile - auch gemeinschaftsrechtlich - anerkannten Voraussetzungen für die Annahme eines Leistungsaustausches nicht mehr im Einklang. Danach setzt ein Leistungsaustausch (lediglich) voraus, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG-Mehrwertsteuer, Kommentar, § 1 Rz. 36, m. w. N.). Ob der Gesellschafter bei der Führung der Geschäfte einer Personengesellschaft zugleich auch Mitgliedschaftsrechte ausübt, ist mithin nicht erheblich, wenn er dafür ein Entgelt erhält.
2. Im Streitfall sind die danach maßgeblichen Kriterien für einen Leistungsaustausch erfüllt.
Die Klägerin übte die Geschäftsführungs- und Vertretungstätigkeiten für die Fondsgesellschaften, an denen sie als Gesellschafterin beteiligt war, aufgrund der jeweils abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsverträge aus, und zwar gegen eine in § 9 Satz 1 der Verträge bestimmte Vergütung, also gegen Entgelt. Es handelte sich nicht lediglich um eine Gewinn- oder Verlustbeteiligung. Dementsprechend stellte die Klägerin den Fondsgesellschaften über ihre Geschäftsbesorgungsleistungen in der Bauerrichtungsphase Rechnungen aus.
3. Die Klägerin war gegenüber den Fondsgesellschaften ferner selbständig tätig (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG).
Als juristische Person (GmbH) hätte sie ihre Selbständigkeit nach der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur bei finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Eingliederung in das Unternehmen eines Organträgers (Organschaft) verloren, was nicht der Fall war.
Soweit sich aus dem (BFHE 182, 384, BStBl II 1997, 255, Deutsches Steuerrecht 1997, 452, mit Anm. W-G) etwas anderes ergibt, hält der Senat auch hieran nicht fest.
4. Das Ergebnis steht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des EuGH, wonach die Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Unternehmen, an der sie Beteiligungen erworben hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. des Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG sind, wenn sie gegen Entgelt erfolgen ( - Welthgrove BV -, UR 2001, 533, UVR 2002, 21; Urteil vom Rs. C-16/00 - Cibo Participations SA - UR 2001, 500, mit Anm. Wäger).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite 36
BB 2002 S. 1734 Nr. 34
BFH/NV 2002 S. 1268
BFH/NV 2002 S. 1268 Nr. 9
BFHE S. 49 Nr. 199
BStBl II 2003 S. 36 Nr. 1
DB 2002 S. 1757 Nr. 34
DStR 2002 S. 1346 Nr. 32
DStRE 2002 S. 1084 Nr. 17
INF 2002 S. 543 Nr. 17
KÖSDI 2002 S. 13419 Nr. 9
UR 2002 S. 422 Nr. 9
IAAAA-89406
1Hinweis auf - (BStBl I S. 68).