BFH Urteil v. - VI R 95/99 BStBl 2002 II S. 886

Keine Steuerfreiheit von Arbeitgeberzuschüssen zu einer Lebensversicherung des Arbeitnehmers, wenn Rentenversicherungsfreiheit vorliegt, auch wenn ursprünglich eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vorlag

Leitsatz

Für die Steuerfreiheit von Arbeitgeberzuschüssen zu einer Lebensversicherung des Arbeitnehmers ist dessen gegenwärtiger Versicherungsstatus maßgeblich. Die Zuschüsse sind nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG steuerfrei, wenn der Arbeitnehmer als nunmehr beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer kraft Gesetzes rentenversicherungsfrei geworden ist, auch wenn er sich ursprünglich auf eigenen Antrag von der Rentenversicherungspflicht hatte befreien lassen.

Gesetze: EStG § 3 Nr. 62 Satz 2

Instanzenzug: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1999, 760) (Verfahrensverlauf), ,

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Geschäftsanteile von den Gesellschaftern A mit 150 000 DM, B mit 100 000 DM und C mit 26 250 DM gehalten werden. Der Gesellschafter A ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Beschlüsse der Gesellschafter werden mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht eine andere Mehrheit vorschreiben.

Anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 1988 bis 1990 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) fest, dass die GmbH im Prüfungszeitraum als Arbeitgeberin Beiträge zu einer befreienden Lebensversicherung für den Gesellschafter-Geschäftsführer A geleistet hatte. Dieser war im Jahr 1968 auf eigenen Antrag hin von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gemäß Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom i. d. F. des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom für die Zeit ab von der Versicherungspflicht befreit worden.

Das FA vertrat die Auffassung, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 62 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Leistungen der Klägerin zu der Lebensversicherung nicht eingreife, so dass eine Nachversteuerung vorzunehmen sei. Diese führte nach den individuellen Besteuerungsmerkmalen des Geschäftsführers zu Lohnsteuerbeträgen von . . . DM. Da sich die Klägerin bereit erklärte, anstelle des Geschäftsführers als Haftende in Anspruch genommen zu werden, erließ das FA entsprechende Haftungsbescheide gegen die Klägerin.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin jeweils geltend machte, die Arbeitgeberzuschüsse zur Lebensversicherung des Geschäftsführers seien nach § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG steuerfrei zu belassen, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner klageabweisenden Entscheidung im Wesentlichen aus, zwar sei der Geschäftsführer zunächst unter den steuerlichen Befreiungstatbestand gefallen. § 3 Nr. 62 EStG sei jedoch dahin auszulegen, dass es auf den gegenwärtigen versicherungsrechtlichen Status ankomme; eine Steuerbefreiung solle demnach nur eintreten, wenn ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht gesetzliche Pflichtbeiträge angefallen wären. Der Geschäftsführer sei aufgrund seiner beherrschenden Stellung nunmehr kraft Gesetzes versicherungsfrei, so dass § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG nicht anwendbar sei. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 760 veröffentlicht.

Mit ihrer - vom FG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG komme es für die Steuerfreiheit nicht auf die gegenwärtige, sondern auf die in der Vergangenheit vollzogene versicherungsrechtliche Rechtslage an. Es lasse sich nicht ersehen, dass eine vorherige antragsgemäße Befreiung von der Versicherungspflicht durch eine nachfolgende Versicherungsfreiheit überlagert werde. Die Auslegung des FG werde auch im Schrifttum abgelehnt.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung des FG sowie die angefochtenen Haftungsbescheide und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben.

Das FA beantragt, aus den Gründen der Vorentscheidung die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das FA die Klägerin gemäß § 42 d EStG in Haftung nehmen konnte, weil diese die Arbeitgeberzuschüsse nicht der Lohnsteuer unterworfen hatte.

1. Die Zuschüsse der Klägerin zur Lebensversicherung ihres Geschäftsführers gehörten zu dessen Arbeitslohn i. S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Hiervon hatte die Klägerin die Lohnsteuer für Rechnung des Geschäftsführers einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und anzumelden sowie abzuführen (§ 41 a Abs. 1 EStG).

2. Die Zuschüsse waren nicht gemäß § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG von der Einkommensteuer befreit.

a) Durch diese Vorschrift werden freiwillige Zuschüsse, die der Arbeitgeber zu den Aufwendungen eines von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreiten Arbeitnehmers u. a. für eine Lebensversicherung leistet, den - nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfreien - gesetzlichen Pflichtbeiträgen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers gleichgestellt. Die Steuerbefreiung greift jedoch nicht ein, wenn der Arbeitnehmer kraft Gesetzes versicherungsfrei ist (, BFHE 169, 208, BStBl II 1993, 169, unter Hinweis auf Abschn. 11 Abs. 3 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1984). Das ist der Fall, wenn kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialversicherungsrechts besteht. Diese Situation ist vorliegend gegeben, da der Geschäftsführer der Klägerin nach den Feststellungen des FG seit 1979 als Gesellschafter mit mehr als der Hälfte am Stammkapital der GmbH beteiligt war und nach dem Gesellschaftsvertrag, der für die Beschlüsse der Gesellschafter lediglich die einfache Mehrheit erfordert, eine beherrschende Stellung innehatte. Beherrschende Gesellschafter einer GmbH stehen nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung, so dass sie kraft Gesetzes nicht versicherungspflichtig sind (Kuhlmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 3 Rz. 261, m. w. N.; Küttner/Voelzke, Personalbuch 2002, Geschäftsführer, Rz. 45).

b) Der Umstand, dass der Geschäftsführer vor dem Erwerb seiner Beteiligung an der GmbH bereits von der Rentenversicherungspflicht befreit worden war, führt entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht zur Steuerbefreiung der Zuschüsse gemäß § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG. Folgt einer auf Antrag ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht eine Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes, kommt die Steuerfreiheit nach der genannten Vorschrift nicht mehr in Betracht.

aa) Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass es nach dem Gesetzeswortlaut (,,. . . wenn der Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht . . . befreit worden ist'') für die Steuerfreiheit möglicherweise unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer nach der versicherungsrechtlichen Befreiung nunmehr eine versicherungsfreie Tätigkeit ausübt, wenn die Arbeitgeberzuschüsse erbracht werden. Diese Auslegung ist jedoch nicht zwingend. Die gewählte Zeitform des Perfekt schließt sprachlich nicht aus, dass es auf den gegenwärtigen versicherungsrechtlichen Status des Arbeitnehmers ankommen kann.

bb) Bei nicht eindeutigem Wortsinn der Vorschrift ist die Auslegung an dem Gesetzeszweck zu orientieren. Dieser besteht in einer Subventionierung dergestalt, dass die von der Versicherungspflicht befreiten den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern hinsichtlich der steuerlichen Vergünstigung gleichgestellt werden (BTDrucks VI/1130, S. 5). Für eine derartige Gleichstellung ist jedoch keine Veranlassung gegeben bei Arbeitnehmern, die kraft Gesetzes von der Versicherungspflicht ausgenommen sind. Diese bedürfen nach der Wertung des Gesetzgebers keiner steuerlichen Entlastung, da ihre Zukunftssicherung bereits gewährleistet erscheint. Denn es handelt sich um Personen in herausgehobenen und regelmäßig entsprechend dotierten Beschäftigungsverhältnissen oder um solche, die im öffentlichen Dienst tätig oder als Versorgungsempfänger ausreichend gesichert sind. Eine Gleichstellung dieser Personen mit den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern ist indessen nicht begründet, wenn der die Gleichstellung rechtfertigende Versicherungsstatus zwar in der Vergangenheit bestanden hat, im Zeitpunkt der in Frage stehenden Arbeitgeberleistungen aber nicht mehr besteht (v. Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rn. B 62/8). Für die Anwendung des § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG kommt es daher auf den gegenwärtigen versicherungsrechtlichen Status des Arbeitnehmers an. Mit dieser Auslegung folgt der Senat der überwiegenden Auffassung im Schrifttum und der Rechtsprechung der FG (v. Beckerath, a. a. O.; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 3 Nr. 62 EStG Anm. 21; Kuhlmann in Frotscher, a. a. O., § 3 Rz. 269; Altehoefer in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 Anm. 253; (E), EFG 1994, 283; , EFG 2000, 542; a. A. Felix, Betriebs-Berater 1990, 1460; Handzik in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 3 EStG Rz. 1854, Erg. Lfg. Februar 2001).

c) Gesichtspunkte des Bestands- oder Vertrauensschutzes, die eine Auslegung der Vorschrift im Sinne der Rechtsauffassung der Klägerin nahe legen könnten, sind demgegenüber nicht ersichtlich.

Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 886
BFH/NV 2002 S. 1677 Nr. 12
BFHE S. 359 Nr. 200
BStBl II 2002 S. 886 Nr. 22
DB 2002 S. 2415 Nr. 46
DStR 2002 S. 2034 Nr. 47
DStRE 2002 S. 1417 Nr. 23
FR 2003 S. 140 Nr. 3
INF 2003 S. 3 Nr. 1
KÖSDI 2002 S. 13530 Nr. 12
PAAAA-89392