Für Aufzeichnungen, die unmittelbar aus einer Telefonüberwachung in einem Strafverfahren resultieren, besteht im Besteuerungsverfahren ein Verwertungsverbot
Leitsatz
1. Das Erfassen bestimmter Fernmeldevorgänge durch die Strafverfolgungsbehörden und die Weitergabe der hieraus resultierenden Aufzeichnungen an die Finanzverwaltung zur Durchführung eines Besteuerungsverfahrens greift in den durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützten Bereich ein.
2. Das dem Art. 10 Abs. 1 GG zu entnehmende Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Abhörmaßnahmen hat für Zwecke der Besteuerung keine i. S. des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG zulässige Durchbrechung erfahren. § 100 a StPO ermächtigt ausschließlich die Strafverfolgungsbehörden zur Telefonüberwachung, wenn der Verdacht besteht, dass eine Katalogstraftat begangen worden ist. Die AO 1977 selbst enthält weder eine Befugnisnorm für eine Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses noch eine Vorschrift, die die Verwertung von Aufzeichnungen zulässt, die auf der Grundlage des § 100 a StPO gewonnen worden sind.
3. Für Aufzeichnungen, die unmittelbar aus einer Telefonüberwachung in einem Strafverfahren resultieren, besteht folglich im Besteuerungsverfahren ein Verwertungsverbot, das gleichermaßen für Sicherungsmaßnahmen - wie den dinglichen Arrest - gilt.
Gesetze: AO 1977 § 88 i. V. m. § 92 Satz 2 Nr. 3AO 1977 § 92 Satz 1AO 1977 § 105 Abs. 1 und 2AO 1977 § 116 Abs. 1AO 1977 § 324 Abs. 1AO 1977 § 393 Abs. 1 Satz 1GG Art. 10 Abs. 1 und 2StPO § 100 a
Instanzenzug: FG Düsseldorf (EFG 2000, 1169)
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht in M (AG) hat mit Beschlüssen vom , und gemäß §§ 100 a und 100 b der Strafprozessordnung (StPO) die Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs der Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) und ihres Ehemannes angeordnet. Die Anordnung ist darauf gestützt worden, dass der Beschuldigte J (Ehemann der Antragstellerin) im Verdacht stehe, sich mit den Mitbeschuldigten A und V sowie weiteren, teilweise bisher noch nicht identifizierten Mittätern zu einer kriminellen Vereinigung zu dem Zweck zusammengeschlossen zu haben, mit der Einfuhr von Betäubungsmitteln, dem Menschenhandel, dem Schmuggel von Zigaretten und anderen Straftaten finanzielle Gewinne in hohem Maße zu erwirtschaften. Die Beschuldigten stünden in Verdacht, sich unter anderem nach §§ 129 und 181 Abs. 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) sowie nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 des Betäubungsmittelgesetzes strafbar gemacht zu haben. Hinsichtlich des auf die Antragstellerin eingetragenen, in der gemeinsamen Wohnung befindlichen Telekommunikationsanschlusses stehe zu erwarten, dass der Beschuldigte J diesen Anschluss mitbenutze. In der Folgezeit sind die Telefonanschlüsse der Antragstellerin und ihres Ehemannes überwacht und die geführten Gespräche aufgezeichnet worden.
Am erließ der Antragsgegner, Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt - HZA -) gegen die Antragstellerin die streitbefangene, auf Art. 57 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 302/1) und § 324 der Abgabenordnung - AO 1977 - gestützte Arrestanordnung. Der dingliche Arrest in das Vermögen der Antragstellerin wurde ,,zur Sicherung der Einfuhrabgaben in Höhe von . . . DM'' angeordnet, weil zu befürchten sei, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Die Antragstellerin gehöre nach den Erkenntnissen der Polizei in M, die auf telefonischen Überwachungsmaßnahmen beruhten, zu einer Tätergruppe, die zu verschiedenen Zeitpunkten mehrere Lieferungen unverzollter und unversteuerter Zigaretten aus Drittländern eingeschmuggelt habe.
Die Antragstellerin sei Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK geworden, weil sie als tragendes Mitglied der Tätergruppe, die im Wege der Arbeitsteilung die Zigaretten eingeschmuggelt und im Zollgebiet abgesetzt habe, am vorschriftswidrigen Verbringen der Zigaretten in das Zollgebiet beteiligt gewesen sei, und zwar auch hinsichtlich der bei der Zollkontrolle beschlagnahmten Zigaretten (Art. 202 Abs. 3 2. Spiegelstrich ZK). Alternativ sei sie Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 3. Spiegelstrich ZK geworden, weil sie die Zigaretten bzw. einen Teil davon zumindest zeitweise in Besitz gehabt habe, denn sie habe über die in ihren Bereich gelangten Zigaretten verfügen können.
Es sei zu befürchten, dass die Beitreibung des Arrestanspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde, weil die Antragstellerin als Mitglied der Tätergruppe in krimineller Weise erheblich am vorschriftswidrigen Verbringen der aufgeführten Zigarettenmengen beteiligt gewesen sei. Es müsse daher damit gerechnet werden, dass sie vorhandenes Vermögen dem Zugriff der Finanzbehörde entziehe. Dies gelte insbesondere deshalb, weil bereits Grundvermögen auf den Ehepartner eines Tatbeteiligten übertragen worden sei.
Gegen die Arrestanordnung hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt und vorgetragen, die Arrestanordnung sei rechtswidrig, weil sie mit den ihr dort vorgeworfenen Taten nichts zu tun habe und damit auch nicht in Zusammenhang stehe. Sie besitze auch keine Kenntnis über die dort erwähnten Vorfälle und habe sich in keiner Weise an der rechtswidrigen Einfuhr von Zigaretten beteiligt. Da die Arrestanordnung durch verschiedene Pfändungen vollzogen worden sei, stelle sie eine nicht zu ertragende Belastung dar und sei daher aufzuheben. Zugleich beantragte die Antragstellerin beim HZA die Aussetzung der Vollziehung der Arrestanordnung. Über den Einspruch und den Aussetzungsantrag hat das HZA noch nicht befunden.
Die Antragstellerin hat gegen die Arrestanordnung außerdem beim Finanzgericht (FG) Klage erhoben und einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gestellt, den sie, neben dem Bestreiten der ihr zur Last gelegten Taten, im Wesentlichen auch damit begründet hat, dass die Arrestanordnung rechtswidrig sei, weil sie sich hinsichtlich der Beweise ausschließlich auf die Ergebnisse von Telefonüberwachungen gemäß § 100 a StPO beziehe. Die Ergebnisse einer solchen Telefonüberwachung dürften nur im Rahmen des Strafverfahrens und nicht im Besteuerungsverfahren verwertet werden.
Das FG hat dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben und die Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung angeordnet. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1169 abgedruckten Gründe der Vorentscheidung Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des HZA. Dabei vertritt das HZA im Wesentlichen den folgenden Standpunkt:
Der in den Beschlüssen des AG angesprochene Schmuggel von Zigaretten stelle eine Steuerstraftat i. S. von § 370 AO 1977 dar und sei damit originärer Bestandteil der Anordnungsbeschlüsse. Die Erkenntnisse aus den angeordneten Telefonüberwachungsmaßnahmen seien folglich keine Zufallserkenntnisse, sondern Erkenntnisse, die exakt Anordnungsgegenstand gewesen seien. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, die Erkenntnisse, die Anordnungsgrund gewesen seien, einem Verwertungsverbot zu unterwerfen. Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit einer Katalogtat des § 100 a StPO gewonnen worden seien, dürften auch dann uneingeschränkt verwertet werden, wenn sich der Verdacht im Hinblick auf die Katalogtat nicht bestätigt habe. Ein Verwertungsverbot der im Strafverfahren erlangten Erkenntnisse bestehe für das Besteuerungsverfahren nicht und sei weder in der StPO noch in der AO 1977 normiert worden.
Die Verwertung der aus einer Telefonüberwachung gewonnenen Informationen sei insbesondere nicht deshalb unzulässig, weil hierfür keine gesetzliche Grundlage bestehe. Aus Art. 10 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) lasse sich kein allgemeines Verwertungsverbot herleiten; jedenfalls nicht bei solchen Erkenntnissen, die aus einer rechtmäßig angeordneten Telefonüberwachung herrührten. Dies zeige § 100 b Abs. 5 StPO, der nur solche aus einer Telefonüberwachung gewonnenen personenbezogenen Informationen einem Verwertungsverbot unterwerfe, die in einem Strafverfahren gegen Dritte benutzt würden. Ließe sich mit Art. 10 Abs. 1 GG i. V. m. dem Gesetzesvorbehalt in Abs. 2 der genannten Vorschrift bereits ein generelles Verfahrensverwertungsverbot in allen Fällen begründen, in denen die Verwertung nicht ausdrücklich gesetzlich erlaubt sei, wäre die Regelung in § 100 b Abs. 5 StPO überflüssig. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Erlaubnisnorm zur Verwertung von Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung außerhalb eines Strafverfahrens wegen einer Katalogstraftat nach § 100 a StPO bedürfe es daher nicht.
Im Übrigen gebe § 92 Satz 1 AO 1977 der Finanzbehörde die Befugnis, sich aller zur Ermittlung des steuerlichen Sachverhalts erforderlichen Beweismittel zu bedienen. Hierzu gehöre nach § 92 Satz 2 Nr. 3 AO 1977 auch die Beiziehung von Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Aufklärung besteuerungsrelevanter Sachverhalte. Diese Befugnis der Finanzbehörde korrespondiere mit der Auskunftspflicht nach § 93 Abs. 1 AO 1977, die gemäß Abs. 1 Satz 2 der genannten Vorschrift u. a. auch Behörden treffe. Diese materielle Verpflichtung zur Auskunft gelte grundsätzlich uneingeschränkt und finde auf dem Gebiet des Zollrechts seine Entsprechung in Art. 14 ZK.
Schließlich sei auch der Arrestgrund ausreichend und nicht zweifelhaft. Es sei nämlich zu befürchten gewesen, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann erneut Vermögenswerte so verlagerten, dass ein Zugriff des HZA verhindert worden wäre.
Gründe
II.
Die Beschwerde des HZA ist unbegründet. Nach Auffassung des Senats bestehen aufgrund der im Aussetzungsverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung an der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung ernstliche Zweifel. Das FG hat die Vollziehung des angefochtenen Bescheides daher zu Recht aufgehoben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehen ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtsfrage bewirken (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279).
Gemäß § 324 Abs. 1 AO 1977 kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und Arrestgrund müssen mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen (Senatsbeschluss vom VII R 187/83, BFH/NV 1986, 508). Bei summarischer Prüfung besteht nach der Auffassung des Senats weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund.
a) Ob die aufgezeichneten Telefongespräche tatsächlich den Schluss erlauben, dass die Antragstellerin bei illegalen Zigarettengeschäften ihres Ehemannes mitgewirkt hat, und ob sie deswegen Zollschuldner geworden ist, kann dahingestellt bleiben, weil die aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse weder in einem Besteuerungsverfahren noch in dem hier zu beurteilenden Sicherungsverfahren verwertet werden dürfen.
aa) Das in Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis umfasst in erster Linie den Kommunikationsinhalt. Die öffentliche Gewalt soll grundsätzlich nicht die Möglichkeit haben, sich Kenntnis vom Inhalt des über Fernmeldeanlagen abgewickelten mündlichen oder schriftlichen Informations- und Gedankenaustauschs zu verschaffen. Einen Unterschied zwischen Kommunikationen privaten und anderen, etwa geschäftlichen oder politischen, Inhalts macht Art. 10 GG dabei nicht (vgl. , BVerfGE 67, 157, 172). Der Grundrechtsschutz bezieht sich vielmehr auf alle mittels der Fernmeldetechnik ausgetauschten Kommunikationen. Mit der grundrechtlichen Verbürgung der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses soll vermieden werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Fernmeldeanlagen deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen sich in die Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen. Die freie Telekommunikation ist ferner nicht gesichert, wenn zu befürchten ist, dass der Staat Kenntnisse von Fernmeldeumständen und -inhalten in anderen Zusammenhängen zum Nachteil der Kommunikationspartner verwertet (vgl. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1, 42, und , BVerfGE 93, 181, 188). Daher entfaltet Art. 10 GG seinen Schutz nicht nur gegenüber staatlicher Kenntnisnahme von Fernmeldekommunikationen, die die Kommunikationspartner für sich behalten wollten, sondern bezieht sich auch auf den Informations- und Datenverarbeitungsprozess, der sich an die Kenntnisnahme von geschützten Kommunikationsvorgängen anschließt, und den Gebrauch, der von den erlangten Kenntnissen gemacht wird (vgl. für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfG in BVerfG 65, 1). Da die Kommunikation ihren von Art. 10 GG vermittelten Geheimnisschutz nicht dadurch verliert, dass bereits eine staatliche Stelle von dem Fernmeldevorgang Kenntnis erlangt hat, beziehen sich die Anforderungen des Grundrechts auch auf die Weitergabe der Daten und Informationen, die unter Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses erlangt worden sind. Das gilt umso mehr, als es sich bei der Weitergabe regelmäßig nicht nur um eine Ausweitung der Stellen oder Personen, die über die Kommunikation informiert werden, sondern um die Überführung der Daten in einen anderen Verwendungszusammenhang handelt, der für die Betroffenen mit zusätzlichen, unter Umständen schwereren Folgen verbunden ist als im ursprünglichen Verwendungszusammenhang (vgl. , 2420, 2437/95, BVerfGE 100, 313, 359 f.). Da Art. 10 Abs. 1 GG die Vertraulichkeit der Kommunikation schützen will, ist jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten durch den Staat ein Grundrechtseingriff (vgl. , BVerfGE 85, 386, 398). Ein Eingriff in das Grundrecht nach Art. 10 GG liegt folglich nicht nur darin, dass Telefongespräche abgehört und aufgezeichnet werden, sondern gleichermaßen auch in der Auswertung der Aufzeichnungen (ebenso Seer, Die Verwertbarkeit strafrechtlicher Ermittlungsergebnisse für das Besteuerungsverfahren - Umfang und Grenzen einer Amtshilfe, Steuer und Wirtschaft 1991, 165, 173). Von den Strafverfolgungsbehörden erfasste Fernmeldevorgänge, die - wie im Streitfall - an die Finanzverwaltung zur Durchführung eines Besteuerungsverfahrens weitergegeben werden, greifen folglich in den durch Art. 10 GG geschützten Bereich ein.
bb) Für den Eingriff in das nach Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis besteht vorliegend keine gesetzliche Grundlage.
Der Gesetzgeber ist durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG ermächtigt, die Grenzen der Gewährleistung dieses Grundrechts zu bestimmen. Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses dürfen danach nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden, das das Grundrecht unter Angabe des betreffenden Artikels des GG ausdrücklich nennen muss (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).
Die §§ 100 a, 100 b StPO enthalten auf dem Gebiet des Strafverfahrens die von der Verfassung geforderte Gesetzesgrundlage für Eingriffe der öffentlichen Gewalt in das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG. § 100 a StPO lässt auf richterliche Anordnung Abhörmaßnahmen zu, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine (oder mehrere) der enumerativ aufgeführten Straftaten (sog. Katalogstraftaten) begangen worden sind. Wie sich insbesondere aus § 100 b Abs. 6 StPO ergibt, sind die aus einer Telefonüberwachung erlangten Unterlagen unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft zu vernichten, sobald sie zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind. Das Bestehen dieser strengen Vernichtungspflicht zeigt, dass auf diesem Weg gefertigte Aufzeichnungen allein Strafverfolgungszwecken dienen sollen. § 100 a StPO stellt danach keine Befugnisnorm für die Steuerbehörden dar, sondern ermächtigt ausschließlich die Strafverfolgungsbehörden zur Telefonüberwachung für ein Strafverfahren.
Für das Besteuerungsverfahren lässt sich ein anderes Ergebnis auch nicht aus den Vorschriften der AO 1977 herleiten. Die AO 1977 enthält weder eine eigenständige Rechtsgrundlage für eine Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses noch eine Vorschrift, die die Verwertung von Aufzeichnungen zulässt, die auf der Grundlage des § 100 a StPO gewonnen worden sind.
Anders als das HZA meint, ergibt sich insbesondere aus § 88 i. V. m. § 92 Satz 2 Nr. 3 AO 1977 keine Ermächtigung für die Finanzverwaltung zur Verwertung von Aufzeichnungen einer nach § 100 a StPO richterlich angeordneten Telefonüberwachung. Im Rahmen seiner Ermittlungen darf sich die Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren zwar der Beweismittel bedienen, die es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO 1977), und kann somit auch Urkunden und Akten im Besteuerungsverfahren beiziehen (§ 92 Satz 2 Nr. 3 AO 1977). Dieses Recht wird den Finanzbehörden auch gegenüber anderen Behörden zugestanden, wie die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht in § 105 Abs. 1 AO 1977 zeigt. Hierin wird eine Auskunfts- und Vorlagepflicht von Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen statuiert, die eine bessere Sachaufklärung der Finanzbehörde ermöglichen soll. Der Vorrang der im Besteuerungsinteresse liegenden Offenbarungspflichten gilt jedoch ausdrücklich nicht, wenn die Behörde durch die Auskunft oder durch die Vorlage von Urkunden gegen das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG verstoßen würde (§ 105 Abs. 2 AO 1977). Daher kann sich das HZA nicht auf § 92 Satz 2 Nr. 3 AO 1977 berufen, um Aufzeichnungen aus einer nach § 100 a StPO angeordneten Telefonüberwachung von den Strafverfolgungsbehörden beizuziehen, und zwar unabhängig davon, ob - wie das HZA meint - § 92 Satz 2 Nr. 3 AO 1977 überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Bürgers oder, was näher liegend ist, nur eine Amtshilferegelung für die Unterstützung von Behörden untereinander darstellt.
Auch § 116 Abs. 1 AO 1977 bildet keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Weitergabe von Telefonüberwachungsergebnissen an Finanzbehörden und kann damit nicht Grundlage für eine Verwertung von Aufzeichnungen sein, die auf - nach § 100 a StPO angeordneten - Telefonüberwachungen beruhen. Zwar haben nach § 116 Abs. 1 AO 1977 Gerichte und die Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Steuerstraftat begründen, der Finanzbehörde mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht gilt jedoch - wie bei § 105 Abs. 1 AO 1977 - nicht, wenn die Behörde durch die Auskunft oder durch die Vorlage von Urkunden gegen das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG verstoßen würde (§ 116 Abs. 2 i. V. m. § 105 Abs. 2 AO 1977), was - wie bereits ausgeführt - vorliegend der Fall wäre.
Schließlich spricht auch die in § 393 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 getroffene Regelung nicht für die Zulässigkeit der steuerlichen Verwertung von Beweismitteln, die durch spezifisch strafprozessuale Untersuchungshandlungen erlangt worden sind. Wenn sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften richten, dann kann dies den Austausch von Beweismitteln erlauben, soweit sich die Ermittlungsbefugnisse und deren Grenzen (Verweigerungsrechte) in den beiden Verfahrensarten entsprechen. Ist dies nicht der Fall, weil bestimmte Erkenntnisquellen zulässigerweise nur in einem der beiden Verfahren ausgeschöpft werden können, steht einer Verwertung eines solchen Beweismittels in dem jeweils anderen Verfahren die Wertentscheidung des Gesetzgebers grundsätzlich entgegen. Der in § 393 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ausdrücklich erfolgte Hinweis auf die Eigenständigkeit der beiden jeweils in der Zuständigkeit der Finanzbehörden betriebenen Verfahren verleiht diesem Grundsatz gerade auch für das Verhältnis zwischen Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren besonderen Nachdruck (vgl. hierzu bereits , EFG 1990, 507).
Für Aufzeichnungen, die unmittelbar aus einer Telefonüberwachung in einem Strafverfahren resultieren, besteht folglich im Besteuerungsverfahren ein Verwertungsverbot (vgl. FG Baden-Württemberg in EFG 1990, 507, ebenso Verfassungsgericht des Landes Hamburg, Urteil vom HVerfG 1/88, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1989, 1081 zur Vorlage von aus einer Telefonüberwachung gemäß § 100 a StPO gewonnenen Unterlagen an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss), das gleichermaßen auch für Sicherungsmaßnahmen wie den im Streitfall angeordneten dinglichen Arrest gilt.
Der Senat braucht vorliegend nicht zu entscheiden, ob Aufzeichnungen aus einer nach § 100 a StPO angeordneten Telefonüberwachung in einem Steuerstrafverfahren berücksichtigt werden können (vgl. verneinend den , BFH/NV 1994, 173; zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen, die einen anderen als in § 100 a StPO genannten Straftatbestand erfüllen: vgl. , NJW 1988, 1075; , Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht 1998, 269), weil die Steuerstraftaten nach den §§ 369 ff. AO 1977 nicht zu den sog. Katalogstraftaten des § 100 a StPO gehören. Denn dies ist für den Streitfall ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob eine mittelbare Verwertung in der Weise möglich ist, dass aufgrund der erlangten Erkenntnisse Ermittlungen geführt und dabei andere Beweismittel gewonnen werden.
Der in Art. 10 Abs. 1 GG enthaltene Grundsatz des Verwertungsverbots für Erkenntnisse aus Abhörmaßnahmen hat für Zwecke der Besteuerung keine Durchbrechung erfahren. Sonach war das HZA gehindert, die unmittelbar aus der Telefonüberwachung erlangten Beweismittel zur Grundlage der im Besteuerungsverfahren erlassenen Arrestanordnung zu machen; diesen Beweismitteln kommt daher auch im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren kein Erkenntniswert zu. Andere Beweismittel, wie Niederschriften über Beschuldigtenvernehmungen, liegen nicht vor; das Bestehen eines Arrestanspruchs ist daher bei summarischer Prüfung vom FG zu Recht verneint worden.
b) Überdies ist bei summarischer Prüfung auch das Vorliegen eines Arrestgrundes ernstlich zweifelhaft.
Ein Arrestgrund besteht, wenn bei objektiver Würdigung unter ruhiger und vernünftiger Abwägung aller Umstände die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die Vollstreckung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird; dabei kann es auf die Möglichkeit eines schnellen und unmittelbaren und damit auch eines sicheren Zugriffs ankommen (Senatsbeschluss vom VII B 174/94, BFH/NV 1995, 1037). In Anwendung dieses Grundsatzes hat der BFH beispielsweise erkannt, dass eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung bereits dann zu besorgen ist, wenn der Steuerpflichtige ein wertvolles Grundstück veräußert, weil Bargeld oder Geldforderungen der Vollstreckung leichter entzogen werden können als unbewegliches Vermögen, oder wenn auch nur die nach außen zu Tage getretene Absicht besteht, den wertvollsten Gegenstand des Vermögens, ein Grundstück, zu veräußern (, BFHE 138, 16, BStBl II 1983, 401).
Auch Vermögensverlagerungen ins Ausland können ebenso wie Vermögensumschichtungen im Inland einen Arrestgrund abgeben. So kann eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung vorliegen, wenn ein späteres Leistungsgebot im Ausland vollstreckt werden müsste, falls nicht durch Arrestanordnung im Inland die Beitreibung gesichert war (BFH in BFH/NV 1995, 1037). Demgegenüber vermag die allgemein schlechte Vermögenslage des Arrestschuldners ebenso wie die bloße Möglichkeit, dass der Arrestschuldner sein Vermögen beiseite schaffen könnte, für sich genommen keinen Arrest zu rechtfertigen. Ebenso genügt der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung oder sonstige steuerliche Unzuverlässigkeit für sich allein nicht zur Begründung einer Arrestanordnung (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1987, 96).
Im Streitfall ist bei summarischer Prüfung ein Arrestgrund nicht ersichtlich. Der Antragstellerin ist - aus welchen Gründen ist für die hier zu beurteilende Arrestanordnung ohne Belang - im Gegenteil erst kurz vor Erlass der Arrestanordnung, nämlich im Februar 2000, von ihrem Ehemann ein Hausgrundstück übertragen worden, was für sich betrachtet nur eine Verbesserung ihrer Vermögenssituation bedeuten kann. Auch der weitere Hinweis des HZA darauf, dass die Antragstellerin als Mitglied der Tätergruppe in krimineller Weise erheblich am vorschriftswidrigen Verbringen der Zigarettenmengen beteiligt gewesen sei und daher damit zu rechnen sei, dass sie vorhandenes Vermögen dem Zugriff der Finanzbehörde entziehe, stellt sich als bloße Behauptung dar, für die nach Aktenlage keine Anhaltspunkte bestehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 464
BB 2001 S. 1238 Nr. 24
BB 2001 S. 874 Nr. 17
BFH/NV 2001 S. 824 Nr. 6
BFHE S. 40 Nr. 194
DB 2001 S. 1127 Nr. 21
DStR 2001 S. 702 Nr. 17
DStRE 2001 S. 546 Nr. 10
LAAAA-88942