Einlage eines vom bisherigen Arbeitgeber verbilligt erworbenen Pkw in den neu eröffneten Betrieb des bisherigen Arbeitnehmers
Leitsatz
Legt ein Steuerpflichtiger den beim Ausscheiden aus einem Dienstverhältnis von seinem früheren Arbeitgeber zu einem verbilligten Kaufpreis erworbenen Pkw in einen neu eröffneten eigenen Betrieb ein, so ist zu prüfen, ob neben dem vereinbarten Kaufpreis zusätzlicher Anschaffungsaufwand zu aktivieren ist. Das ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige im Hinblick auf die Verbilligung auf mögliche andere Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verzichtet hat.
Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5EStG § 8 Abs. 1EStG § 19
Instanzenzug: FG München (EFG 1999, 1172) (Verfahrensverlauf),
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (1991) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der (am geborene) Kläger war bis zum Mitglied des Vorstands der X AG (AG). Als Entschädigung für die vorzeitige Auflösung des Anstellungsvertrages erhielt er vereinbarungsgemäß eine Abfindung in Höhe von 165 000 DM brutto. Außerdem wurde festgelegt, dass er eine Pension in Höhe von 50 v. H. des Jahresgehaltes sowie die Mindesttantieme erhalten und die vorgesehene Hinterbliebenenversorgung weiter gelten sollte. Der für die Aufgabe von Pensionsansprüchen vor Vollendung des 62. Lebensjahres zu zahlende Entschädigungsbetrag in Höhe von 360 000 DM wurde zum fällig.
Zum Beendigungszeitpunkt erwarb der Kläger schließlich auch noch von der AG den von ihm bisher genutzten Mercedes 300. Als Kaufpreis wurde der Buchwert zum Beendigungszeitpunkt zuzüglich Mehrwertsteuer festgelegt. Der Kläger zahlte dementsprechend 7 716 DM zuzüglich 1 080,24 DM Mehrwertsteuer.
Den Pkw setzte der Kläger für seine am begonnene Tätigkeit als selbstständiger Techniker ein. In seiner Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung 1990 nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom setzte er für den Pkw Anschaffungskosten in Höhe von 7 716 DM an. Am verkaufte er den Pkw für 15 000 DM.
In der Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung für das Streitjahr 1991 vom erhöhte er die Anschaffungskosten für den Pkw um 28 380 DM. Den Abgang des Pkw erfasste er mit dem Restbuchwert in Höhe von 31 917 DM als Betriebsausgabe. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem zunächst, erhöhte dann aber in dem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid vom die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit für 1991 um 28 380 DM. In dieser Höhe hatte das FA nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung für das Jahr 1990 den Zufluss eines geldwerten Vorteils bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit angenommen, weil der Wert des Pkw den mit dem früheren Dienstherrn vereinbarten Kaufpreis um diesen Betrag überstiegen habe. Das FA hatte deshalb die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit für das Jahr 1990 entsprechend erhöht. Im Einspruchsverfahren hatte das FA diese Erhöhung allerdings mit der Begründung wieder zurückgenommen, ihm sei der Verkauf des Pkw zum Buchwert bekannt gewesen.
Einspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid 1991 hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1172 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von formellem (Anspruch auf rechtliches Gehör) und materiellem Recht.
Sie beantragen, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Einkommensteuer 1991 unter Änderung des Bescheides vom auf 140 230 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe nach § 4 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG Anschaffungskosten von dem Veräußerungserlös des Pkw abzuziehen waren. Die Höhe der dem Kläger entstandenen Anschaffungskosten lässt sich den vom FG getroffenen Feststellungen nicht sicher entnehmen.
a) Anschaffungskosten sind alle Kosten, die aufgewendet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben und es in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Wirtschaftsgut einzeln zugerechnet werden können (§ 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs - HGB -; , BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638 unter B. II. 1.; , BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672).
Anstelle der im Sinne dieser Definition angefallenen Kosten sind fiktive Anschaffungskosten anzusetzen, wenn ein Wirtschaftsgut ganz oder teilweise unentgeltlich in das Betriebsvermögen gelangt ist. Hat der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen überführt, gilt der Wert der Einlage nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Anschaffungskosten. Ebenso verhält es sich bei Zuführung des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen im Rahmen der Betriebseröffnung (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG). § 6 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EStG gelten bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung entsprechend (, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401 a. E.). Fiktive Anschaffungskosten sind nach der im Streitjahr geltenden Regelung in § 7 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - (jetzt § 6 Abs. 4 EStG) auch anzusetzen, wenn das Wirtschaftsgut aus betrieblichem Anlass aus einem anderen Betriebsvermögen unentgeltlich in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen übertragen worden ist.
b) Der Pkw ist dem Kläger nicht i. S. des § 7 Abs. 2 EStDV teilweise unentgeltlich übertragen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass zwischen dem Betrieb der AG und dem vom Kläger neu gegründeten eigenen Betrieb in irgendeiner Weise Rechtsbeziehungen hätten bestehen können, aus denen sich eine betriebliche Veranlassung zur teilweise unentgeltlichen Übertragung des Pkw ergeben konnte. Wenn die AG dem Kläger etwas hat zuwenden wollen, so war diese Zuwendung durch das Dienstverhältnis mit dem Kläger veranlasst, nicht aber durch dessen Betrieb.
c) Es kann dahinstehen, ob der Kläger den Pkw unmittelbar zu seinem Betriebsvermögen erworben hat oder ob der Pkw zunächst Privatvermögen geworden und anschließend im Rahmen der Betriebseröffnung bzw. im Anschluss daran durch Einlage in das Betriebsvermögen überführt worden ist. Die anzusetzenden Anschaffungskosten unterscheiden sich bei diesen Fallvarianten nicht. Da die Überführung aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen jedenfalls unmittelbar nach dem Erwerb des Pkw im Privatvermögen stattgefunden hätte, wäre dieser Vorgang auch nicht mit dem Teilwert, sondern nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG mit den tatsächlichen Anschaffungskosten im Privatvermögen zu bewerten gewesen. Der Erwerb im Privatvermögen wäre als Anschaffung zu beurteilen, weil er nicht unentgeltlich, sondern zumindest in Höhe des vereinbarten und gezahlten Kaufpreises entgeltlich gewesen wäre. Eine Kürzung um Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG käme schon wegen des unbedeutenden Zeitabstands nicht in Betracht.
d) Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Kläger mehr als den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis für den Erwerb des Pkw aufgewendet hat. Von höheren Aufwendungen wäre auszugehen, wenn der Kläger als Gegenleistung für den Erwerb auf die Zahlung einer höheren Abfindung für die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses ,,verzichtet'' hätte. Der Vorgang wäre dann insoweit als Aufrechnung der Abfindung mit einer Kaufpreisforderung durch die AG zu beurteilen, was in Höhe des erloschenen Abfindungsanspruchs Aufwand des Klägers für den Erwerb des Pkw bedeuten würde.
Die Ausführungen des FG, der Kläger habe nicht auf eine höhere Entschädigung verzichtet bzw. eine Aufrechnung sei nicht erfolgt, sind von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Seine Erkenntnisse schöpft das FG ausschließlich aus der Abfindungsvereinbarung, die in Bezug auf die Gegenleistung für die Übertragung des Pkw nur die Regelung enthält, dass als Kaufpreis der Buchwert im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses festgelegt werde. Diese Vertragsbestimmung lässt aber für sich genommen nicht den Schluss darauf zu, dass eine weitere Gegenleistung für den Erwerb des Pkw nicht erbracht werden sollte. Für eine solche Feststellung muss vielmehr aufgeklärt werden, inwieweit die Übernahme des Pkw bei den Verhandlungen über die Entschädigung für die vorzeitige Vertragsauflösung berücksichtigt worden ist. Wenn den Vertragsbeteiligten bewusst war, dass erhebliche stille Reserven in dem Pkw ruhten, spricht wenig dafür, dass dem Kläger dieser Betrag ohne Berücksichtigung im Rahmen einer Gesamtabfindung schenkweise zugewendet werden sollte.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich andererseits die Existenz von Aufwendungen in Höhe des Verkehrswerts des Pkw nicht bereits daraus, dass die Differenz zum Kaufpreis als Arbeitslohn anzusehen ist. Der Senat kann offen lassen, ob und ggf. in welcher Höhe die Voraussetzungen für Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt sind. Denn aus dem Umstand, dass mit der verbilligten Überlassung eines Wirtschaftsguts ein geldwerter Vorteil zufließt, ergibt sich nicht, dass in dieser Höhe auch Aufwendungen für die Anschaffung des Wirtschaftsguts vorliegen. Aufwendungen des Steuerpflichtigen setzen eine Vermögensbelastung voraus, die bei einem Sachbezug nicht vorliegt, soweit die Sachleistung nicht auf vermögenswerte andere Ansprüche des Leistungsempfängers angerechnet wird. Ob Aufwendungen für den Erwerb des Wirtschaftsguts in der auf den geldwerten Vorteil gezahlten Lohn- bzw. Einkommensteuer zu sehen sind, braucht im Streitfall nicht untersucht zu werden, da es tatsächlich nicht zu einer Besteuerung des geldwerten Vorteils gekommen ist. Das (BFH/NV 1998, 443) steht dieser Beurteilung nicht entgegen, denn die Frage, ob in Höhe eines Sachbezugs Anschaffungskosten vorliegen, wurde dort ausdrücklich offen gelassen.
2. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert des Pkw bei den Verhandlungen über die Abfindungsvereinbarung berücksichtigt worden ist und ob die Barabfindung ohne die Überlassung des Pkw zum Buchwert höher ausgefallen wäre. Als Beweismittel dafür käme etwa die Vernehmung der für die AG und ggf. den Kläger bei den Verhandlungen über die Abfindungsvereinbarung handelnden Personen in Betracht. Sofern vorhanden, können evtl. auch aus früheren Vertragsentwürfen Rückschlüsse gezogen werden.
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Ausführungen mehr zu der von den Klägern erhobenen Rüge, das FG habe nicht in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 190
BB 2001 S. 402 Nr. 8
BFH/NV 2001 S. 521 Nr. 4
BFHE S. 429 Nr. 193
DB 2001 S. 361 Nr. 7
DStRE 2001 S. 304 Nr. 6
FR 2001 S. 305 Nr. 6
INF 2001 S. 220 Nr. 7
SAAAA-88837