Veruntreut ein Gesellschafter Betriebseinnahmen und verwendet diese für private Zwecke, so kann eine damit im Zusammenhang stehende Ausgleichszahlung an die Mitgesellschafter entweder betrieblich oder außerbetrieblich veranlasst sein
Leitsatz
Veruntreut ein Gesellschafter Betriebseinnahmen der Personengesellschaft, indem er veranlasst, dass in Kundenrechnungen der Gesellschaft ein Konto angegeben wird, von dem die übrigen Gesellschafter keine Kenntnis haben, und verwendet er anschließend die dortigen Zahlungseingänge für private Zwecke, so kann die nach Aufdeckung des Vorgangs an die Mitgesellschafter geleistete Ausgleichszahlung entweder betrieblich oder außerbetrieblich veranlasst sein. Von einer außerbetrieblichen Veranlassung ist auszugehen, wenn Inhaber des Kontos die Gesellschaft ist, die Zahlungseingänge als Betriebseinnahmen der Gesellschaft behandelt werden und der Gewinn nach dem allgemeinen Schlüssel verteilt wird.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4
Instanzenzug: FG Baden-Württemberg (EFG 1999, 690) (Verfahrensverlauf), ,
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Architekt und wird für das Streitjahr 1991 mit seiner Ehefrau (Klägerin) zusammen veranlagt. In den 70er Jahren hatte der Kläger gemeinsam mit zwei anderen Architekten eine Architektengemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet, in die später noch ein weiterer Gesellschafter aufgenommen wurde. Im Oktober 1987 löste sich die Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters auf. Das Kapitalkonto des Klägers in der Auseinandersetzungsbilanz belief sich auf . . . DM. Die verbleibenden Gesellschafter gründeten eine neue GbR, die den Betrieb fortführte. Aus dieser Gesellschaft schied der Kläger 1989 aus.
Anlässlich seines Ausscheidens offenbarte der Kläger, dass er als Gesellschafter der ersten GbR Honorare in Höhe von . . . DM vereinnahmt hatte, die der Gesellschaft zustanden. Dazu hatte er ohne Wissen der anderen Gesellschafter Rechnungen erstellt und die Zahlungen auf ein Bankkonto erbeten, das er auf den Namen der GbR eingerichtet hatte und für das er einzelzeichnungsberechtigt war. Die Honorare hatte der Kläger zur Finanzierung privater Ausgaben sowie nach seinen Angaben auch für Sonderbetriebsausgaben verwendet.
Die veruntreuten Honorare teilte der Kläger auch dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt- FA -) mit. In geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden 1980 bis 1986 rechnete das FA die nacherklärten Honorare der GbR als deren Einnahmen zu.
Gegenüber zwei Mitgesellschaftern gab der Kläger 1989 notariell beurkundete Schuldanerkenntnisse ab; wonach er jeweils . . . DM zuzüglich Zinsen und abzüglich bereits geleisteter . . . DM schuldete. Später kam es über die Abwicklung der Zahlungen zu einem Zivilrechtsstreit. Zur Finanzierung der Rückzahlungen und damit zusammenhängender Beratungskosten nahm der Kläger ein Darlehen auf, für das ihm im Streitjahr 1991 . . . DM an Zinsen und Gebühren belastet wurden.
Mit der Einkommensteuererklärung 1991 machte der Kläger neben Beratungs- und Fahrtkosten auch Zinsen von . . . DM als nachträgliche Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend. Das FA erkannte zunächst die Beratungs- und Fahrtkosten an. Im Einspruchsverfahren betreffend Anerkennung der Zinsen verböserte es die Steuerfestsetzung durch Streichung sämtlicher nachträglicher Betriebsausgaben. Nach Klageerhebung machte es die Verböserung jedoch wieder rückgängig. Der betreffende Änderungsbescheid vom wurde zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, mit der zuletzt die Berücksichtigung weiterer nachträglicher Betriebsausgaben von . . . DM geltend gemacht worden war. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 690 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision machen die Kläger weiter geltend, die Darlehenszinsen seien nachträgliche Betriebsausgaben.
Gründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Senat kann anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die geltend gemachten Schuldzinsen und sonstigen Finanzierungskosten nachträgliche Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit darstellen.
1. Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Schuldzinsen stehen in einem derartigen Zusammenhang mit dem Betrieb, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört (, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C. II. 2.).
Sofern Betriebsausgaben nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils entstehen, gehören sie zu den nachträglichen Einkünften aus der früheren betrieblichen Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 EStG). Schuldzinsen sind nachträgliche Betriebsausgaben, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die auch nach Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder Mitunternehmeranteils als Betriebsvermögen anzusehen ist. Um solche Verbindlichkeiten handelt es sich nicht nur bei von der Veräußerung oder Aufgabe ausgenommenen Betriebsschulden, die nicht aus dem Veräußerungserlös getilgt werden können (vgl. , BFHE 186, 526, BStBl I 1999, 209, m. w. N.), sondern auch bei Verbindlichkeiten, die erst im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus einer Mitunternehmerschaft aus betrieblichem Anlass begründet werden. Ein betrieblicher Anlass ist etwa die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos (vgl. , BFHE 190, 398, BStBl II 2000, 390).
2. Ob die vom Kläger gezahlten Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die zum Betriebsvermögen gehört, bleibt nach den bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen unklar.
a) Der Kläger hätte mit den Zahlungen an seine ehemaligen Mitgesellschafter eine betriebliche Schuld beglichen, wenn die veruntreuten Honorare ihm allein einkünftemäßig zugerechnet worden wären. Die Beteiligung der anderen Gesellschafter an zunächst beim Kläger erfassten Sonderbetriebseinnahmen würde sich für den Kläger als Sonderbetriebsausgabe darstellen. Die Verpflichtung des Klägers zu Ausgleichszahlungen wäre eine betrieblich veranlasste Schuld; die Kosten für den zur Finanzierung aufgenommenen Kredit wären Sonderbetriebsausgaben.
b) Sollten die veruntreuten Honorare hingegen allen Gesellschaftern der GbR entsprechend ihrer Beteiligung zugerechnet worden sein, hinge die Beurteilung der Finanzierungskosten davon ab, ob die Honorarzahlungen unmittelbar als Betriebseinnahme der Gesellschaft oder als Sonderbetriebseinnahme des Klägers zu behandeln wären.
Von einer Betriebseinnahme der Gesellschaft wäre auszugehen, wenn das Konto, auf das die Honorarzahlungen geleistet wurden, ein Konto der Gesellschaft war. In diesem Fall hätte sich die Unterschlagung des Geldes durch den Kläger ebenso wie die Entwendung durch einen Nichtgesellschafter als zunächst gewinnmindernder Aufwand dargestellt, der später nach Anerkennung der Schadensersatzpflicht durch den Kläger insoweit ausgeglichen worden wäre (vgl. Senatsurteil vom IV R 41/93, BFHE 176, 346). Aus der Sicht des Klägers wäre die Schadensersatzverpflichtung nicht durch den Betrieb im Rahmen der Mitunternehmerschaft, sondern privat veranlasst (a. A. Groh, Der Betrieb - DB - 1995, 844). Die Finanzierung der Schadensersatzleistungen wäre ebenfalls dem privaten Bereich zuzuordnen.
Anders könnte es sein, wenn die Honorarzahlungen auf ein Konto des Klägers geleistet worden wären. In diesem Fall hätten die Mitgesellschafter Ausgleichsansprüche gegen den Kläger aus dem Gesellschaftsverhältnis, deren Finanzierung der mitunternehmerischen Betätigung des Klägers zugerechnet werden könnte.
c) Der Senat kann dem Urteil des FG nicht sicher entnehmen, wie die Honorarerlöse im Rahmen der Gewinnverteilung der GbR behandelt worden sind. Die vom FG gewählte Formulierung, die Honorare seien der GbR als deren Einnahmen zugerechnet worden, sagt nichts darüber aus, welche Verteilung innerhalb der GbR vorgenommen worden ist. Sie spricht allerdings dagegen, dass von Sonderbetriebseinnahmen des Klägers ausgegangen wurde.
Vor allem jedoch ist zweifelhaft, wer Inhaber des Kontos war, auf das die Honorarzahlungen geleistet wurden. In der Vorentscheidung heißt es, der Kläger habe den Auftraggebern der Gesellschaft ein von ihm eingerichtetes, auf den Namen der GbR lautendes Bankkonto angegeben, für das er einzelzeichnungsberechtigt gewesen sei und von dem die anderen Gesellschafter nichts gewusst hätten. Dies lässt zwei Deutungen zu, nämlich dass Inhaber des Kontos entweder die Gesellschaft oder der Kläger selbst war. Von dieser Unterscheidung hängt es ab, ob die an die anderen Gesellschafter geleisteten Zahlungen betrieblich oder außerbetrieblich veranlasst sind. Dementsprechend ergäben sich unterschiedliche Folgen für die geltend gemachten Schuldzinsen.
3. Eine betriebliche Veranlassung der Schuldzinsen ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht ohne weiteres durch Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zum sog. Zweikontenmodell nach der bis 1998 geltenden Rechtslage. Danach darf ein Steuerpflichtiger seine betrieblichen Zahlungsvorgänge so gestalten, dass Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben jeweils über verschiedene Konten abgewickelt werden. Entnimmt der Steuerpflichtige die Betriebseinnahmen und finanziert er gleichzeitig die Betriebsausgaben mit Kredit, stellen die anfallenden Kreditzinsen Betriebsausgaben dar (vgl. Beschlüsse des Großen Senats in BFHE 161 290 BStBl II 1990, 817, und vom GrS, 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193).
Diese Rechtsgrundsätze gelten auch für Gesellschafter von Personengesellschaften. Werden aus vom Gesellschafter aufgenommenen Darlehen stammende Mittel für betriebliche Zwecke der Personengesellschaft oder für betriebliche Aufwendungen im Sonderbetriebsbereich verwendet, sind die dem Gesellschafter entstehenden Darlehenszinsen als Sonderbetriebsausgaben zu behandeln (, BFHE 186, 46, BStBl II 1998, 511; Senatsbeschluss vom IV B 94/98, BFH/NV 1999, 774).
Vorliegend kann - wie dargelegt - noch nicht beurteilt werden, ob der Kläger aus dem Kredit Sonderbetriebsausgaben beglichen oder eine private Verbindlichkeit erfüllt hat. Es kann dahinstehen, ob die Verwendung der veruntreuten Gelder zur Bestreitung von Sonderbetriebsausgaben, worauf sich der Kläger beruft, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte. Denn das FG hat ausdrücklich dargelegt, dass eine derartige Verwendung der veruntreuten Gelder nicht festgestellt werden könne.
4. Die Sache geht an das FG zurück, damit die noch fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachgeholt werden können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 670
BB 2000 S. 2506 Nr. 49
BFH/NV 2001 S. 95 Nr. 1
DB 2000 S. 2457 Nr. 49
DStR 2000 S. 2035 Nr. 48
DStRE 2000 S. 1294 Nr. 24
FR 2001 S. 30 Nr. 1
INF 2001 S. 58 Nr. 2
ZAAAA-88784