Leitsatz
Kursgewinne im Privatvermögen, die sich durch die Anlage von Festgeld in ausländischer Währung ergeben, sind nicht steuerbar, wenn das Fremdwährungsguthaben erst nach Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 EStG in einen höheren DM-Betrag rückgetauscht wird. Dies gilt auch dann, wenn das Fremdwährungsguthaben innerhalb der Spekulationsfrist wiederholt als Festgeld angelegt wird.
Gesetze: EStG 1987 § 22 Nr. 2EStG 1987 § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b.
Instanzenzug: Niedersächsisches FG (EFG 1998, 657) (Verfahrensverlauf), ,
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb für insgesamt ... DM australische Dollar (AUD) und legte diesen Betrag in Luxemburg für drei Monate fest. Danach legte er das nach wie vor in AUD bestehende Kapital zuzüglich der inzwischen angefallenen Zinsen für weitere drei Monate in London an. Nach Ablauf von insgesamt sechs Monaten floss das Kapital nebst Zinsen auf ein inländisches Konto des Klägers und wurde in DM umgetauscht.
Über die vom Kläger als Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärten Zinsen besteht kein Streit. Darüber hinaus hatte der Kläger aber einen Kursgewinn von ... DM erzielt, den der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr (1988) geltenden Fassung der Besteuerung unterwarf. Das FA vertrat die Auffassung, die aufeinander folgenden dreimonatigen Festgeldanlagen seien jeweils als gesonderte Spekulationsgeschäfte zu beurteilen.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1998, 657 ).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG. Der Kläger habe nacheinander gegen zwei verschiedene Kreditinstitute Forderungen auf Rückzahlung von Darlehen erworben. Die Einziehung einer jeden Darlehensforderung stelle ein Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 EStG dar (unter Berufung auf das , BFHE 74, 331 , BStBl III 1962, 127 ). Ein Folgegeschäft gleichen Inhalts führe nicht dazu, das erste Geschäft nicht als Veräußerungsvorgang zu beurteilen (unter Berufung auf das , BFHE 91, 90 , BStBl II 1968, 267 ). Die Vorschrift des § 23 EStG sei auch dann anzuwenden, wenn der Veräußerungsgewinn durch Währungsschwankungen entstanden sei, die der Steuerpflichtige letztlich erst außerhalb der Spekulationsfrist realisiert habe. Auch wenn bei der Neuanlage nach drei Monaten kein Rückumtausch in DM erfolgt sei, bedeute die Verwendung des Guthabens aus der Erstanlage eine Veräußerung, so dass zur Ermittlung des Spekulationsgewinns die Anschaffungskosten und Veräußerungspreise in DM ausgedrückt werden müssten.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA aus nicht strittigen anderen Gründen einen Änderungsbescheid vom erlassen, der auf Antrag des Klägers nach §§ 68, 121 Satz 1, § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist.
Gründe
II.
Die Revision des FA ist unbegründet. Sie ist gemäß § 126 Abs. 2 i.V.m. §§ 68, 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das FA die Einkommensteuer 1988 unter Abänderung des Änderungsbescheids vom ohne Ansatz des strittigen Spekulationsgewinns festzusetzen und nach § 53 EStG 2000 das Existenzminimum für ein Kind freizustellen hat.
Das FG hat zu Recht die Kursgewinne, die der Kläger erst nach Ablauf der sechsmonatigen Spekulationsfrist durch Rückumtausch seines in AUD angelegten Kapitals in DM erzielt hat, nicht als steuerbar angesehen.
1. Ein Spekulationsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate beträgt. Die Regelung erfasst nur Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter. Das veräußerte Wirtschaftsgut muss mit dem erworbenen zumindest wirtschaftlich identisch sein. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen ( , BFHE 151, 132 , BStBl II 1988, 248 , m.w.N.; vom X R 26/95 , BFHE 184, 385 , BStBl II 1998, 135 ).
Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen auch Valuten in fremder Währung (Warnke in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 23 EStG Anm. 88). Der Begriff des Wirtschaftsguts wird in § 23 Abs. 1 EStG nicht in einem anderen Sinne gebraucht, als in den Vorschriften über die übrigen Einkunftsarten ( , BFHE 127, 9 , BStBl II 1979, 298 ). Unterhält der Steuerpflichtige ein Fremdwährungskonto, so bildet das Fremdwährungsguthaben ein selbstständiges Wirtschaftsgut, das Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein kann (dazu unten 2.). Davon zu unterscheiden ist die Darlehensforderung, die entsteht, wenn der Steuerpflichtige das Fremdwährungsguthaben als Festgeld anlegt (dazu unten 3.).
2. Der Kläger hat keinen Spekulationsgewinn gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in Bezug auf die von ihm gehaltenen Fremdwährungsguthaben (AUD) erzielt.
a) Fremdwährungsbeträge werden angeschafft i.S. von § 23 EStG, wenn sie gegen Umtausch von DM erworben werden. Sie werden veräußert im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie in DM rückgetauscht oder in eine andere Fremdwährung umgetauscht werden.
Wird zu Lasten eines Kontos, das Geldbestände in DM ausweist, ein Guthaben auf einem Fremdwährungskonto gebildet, so wird eine Forderung in DM aufgegeben, um eine Forderung in Fremdwährung zu erwerben. Dies bedeutet eine Anschaffung des Fremdwährungsguthabens i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG. Wird später das Guthaben auf dem Fremdwährungskonto gegen entsprechende Bestände auf einem in DM lautenden Konto getauscht, handelt es sich um eine Veräußerung des Fremdwährungsguthabens.
Obwohl § 23 EStG in seinem letzten Absatz von "Gewinn oder Verlust" aus Spekulationsgeschäften spricht, handelt es sich um Überschusseinkünfte, für deren Ermittlung die zugeflossenen Einnahmen den abgeflossenen Werbungskosten gegenüberzustellen sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 8, 9, 11 EStG). Der sich durch Währungsschwankungen ergebende Kursgewinn wird mithin nicht schon durch den Transfer eines Fremdwährungsguthabens von einem Konto auf ein anderes oder durch Gewährung eines Darlehens in Fremdwährung und Rückfluss der Darlehensvaluta in Fremdwährung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG realisiert. Die Verlagerung des Fremdwährungsguthabens führt als solche zu keinem Vermögenszuwachs des Steuerpflichtigen und zu keiner Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. Wellmann, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1997, 253 , 254). Die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form des erzielten Kursgewinns wird gemäß § 23 EStG erst dann durch einen marktoffenbaren Veräußerungsvorgang realisiert und damit steuerbar, wenn die ausländische Währung in DM (oder eine andere Währung) rückgetauscht wird. Erst in dem durch den günstigen Rücktausch erhöhten DM-Betrag (oder Betrag in einer anderen Währung) liegt der Zufluss des "Veräußerungspreises" i.S. von § 23 letzter Absatz i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG.
b) Zu Unrecht vertritt das FA die Auffassung, beim Rückfluss des als Festgeld angelegten Fremdwährungskapitals und bei dessen erneuter Anlage müssten die Beträge auch dann in DM ausgedrückt werden, wenn tatsächlich kein Rückumtausch in DM erfolgt sei. Zwar können Fremdwährungsforderungen im Betriebsvermögen nach Maßgabe der bilanzsteuerrechtlichen Grundsätze ggf. in DM umzurechnen sein (vgl. § 244 des Handelsgesetzbuches - HGB -; , BFHE 124, 327 , BStBl II 1978, 295 ). Das gilt jedoch nicht für Fremdwährungskapital im Privatvermögen (Wellmann, DStZ 1997, 253 , 254; a. A. , EFG 1987, 356 ). Insoweit fehlt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Fremdwährungsbeträge im Privatvermögen sind vielmehr erst dann in DM umzurechnen, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Einnahmen gemäß § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EStG zufließen. Der bloße Rückfluss eines in ausländischer Währung hingegebenen Darlehens erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
c) Das FA beruft sich auch zu Unrecht auf die (BFHE 184, 21 , BStBl II 1997, 755 ), vom VIII R 12/96 (BFHE 184, 34 , BStBl II 1997, 761 ) und vom VIII R 13/96 (BFHE 184, 46 , BStBl II 1997, 767 ). Darin hat der BFH den Zufluss von Einkünften aus Kapitalvermögen auch dann bejaht, wenn die im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems erneut angelegten Beträge uneinbringlich werden. In jenen Fällen ging es jedoch um die Zurechnung von Kapitalerträgen und nicht wie im Streitfall um die Erfassung von Wertsteigerungen im Privatvermögen.
3. Entgegen der Auffassung des FA liegen im Streitfall auch keine Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG hinsichtlich der dem Kläger aufgrund der Festgeldanlage zustehenden Darlehensforderungen vor.
a) Der Kläger hat die Darlehensforderungen nicht angeschafft. Unter Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von einem Dritten zu verstehen (vgl. auch § 255 Abs. 1 HGB; speziell zur Anschaffung i.S. von § 23 EStG vgl. , BFHE 120, 522 , BStBl II 1977, 384 , 386, unter III.; Senatsurteil vom IX R 15/84 , BFHE 151, 143 , BStBl II 1988, 250 ). Danach sind vom Steuerpflichtigen selbst geschaffene Wirtschaftsgüter nicht "angeschafft", ebenso wenig eine Darlehensforderung, die erst durch den vom Steuerpflichtigen geschlossenen Darlehensvertrag entsteht (Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 23 EStG Rn. 38; Blümich/Glenk, Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetz, § 23 EStG Rz. 74). Im Streitfall hat der Kläger die Darlehensforderungen durch die Anlage der Festgelder zur Entstehung gebracht, aber nicht von einem Dritten erworben.
b) Auch eine Veräußerung der Darlehensforderungen i.S. des § 23 EStG liegt im Streitfall nicht vor. Unter Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 1999, § 23 Rz. 30; S. Herden in Littmann/Bitz/Hellwig, a.a.O., § 23 EStG Rn. 77; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 23 EStG Anm. 40). Danach liegt im bloßen Rückfluss der vom Kläger angelegten Festgelder keine Veräußerung der Darlehensforderungen.
Die gegenteilige Auffassung des FA lässt sich nicht aus der bisherigen Rechtsprechung ableiten. Die Rechtsprechung hat die Einziehung (Verwendung) einer Forderung nur dann als Veräußerung i.S. des § 23 EStG beurteilt, wenn der Steuerpflichtige - anders als im Streitfall - die Forderung zuvor von einem Dritten unter dem Nennwert entgeltlich erworben hatte (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom VI A 1125/33 , RStBl 1934, 711; , BFHE 69, 222 , BStBl III 1959, 346 ; in BFHE 74, 331 , BStBl III 1962, 127 ; in BFHE 91, 90 , BStBl II 1968, 267 ). Der Streitfall gibt daher keinen Anlass, sich mit der gegen die Rechtsprechung erhobenen Kritik auseinander zu setzen (vgl. Crezelius, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 23 Anm. B 57; Jansen, a.a.O., § 23 EStG Anm. 71; S. Herden, a.a.O., § 23 EStG Rn. 79; Bachem in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 23 EStG Rz. 134; Warnke, a.a.O., § 23 EStG Anm. 224).
4. Die Vorentscheidung erweist sich danach als zutreffend. Im Streitfall sind die vom Kläger in AUD angelegten Beträge erst nach Ablauf der Spekulationsfrist in DM rückgetauscht worden. Erst zu diesem Zeitpunkt sind ihm die erzielten Währungsgewinne als Einnahmen gemäß § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen. Sie werden nicht von § 23 EStG erfasst.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 614
BB 2000 S. 2087 Nr. 41
BFH/NV 2000 S. 1528 Nr. 12
DB 2000 S. 2047 Nr. 41
DStRE 2000 S. 1254 Nr. 23
FR 2000 S. 1227 Nr. 22
INF 2000 S. 702 Nr. 22
LAAAA-88767