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Kaufmann
Dieses Dokument wird nicht mehr aktualisiert und entspricht möglicherweise nicht dem aktuellen Rechtsstand.
I. Definition des Kaufmanns
Der Begriff des Kaufmanns (§ 1 HGB) ist zentraler Anknüpfungspunkt für die Anwendung zahlreicher Sonderregelungen innerhalb und außerhalb des Handelsgesetzbuchs (HGB). Das Handelsrecht gilt als Sonderrecht für Kaufleute. Das HGB enthält hierbei Regelungszusammenhänge, die im BGB nicht geregelt sind bzw. vom BGB abweichen.
Mit dem Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) vom wurde der Kaufmannsbegriff des HGB an die gewandelten Verhältnisse des modernen Wirtschaftslebens angepasst. Er fasst ab dem den „Ist-” bzw. „Musskaufmann” (§ 1 HGB a.F.) und den „Sollkaufmann” (§ 2 HGB a.F.) zu einem einheitlichen Tatbestand zusammen. Der Begriff Kaufmann erfasst alle Gewerbetreibenden ohne Rücksicht auf die Branche. Die bisherige Differenzierung nach „Grundhandelsgewerbe”, Handwerk oder „sonstigem” Gewerbe wurde damit zugunsten einer einheitlichen Anwendung des HGB beseitigt. Insbesondere wird nun der im bisherigen § 1 Abs. 2 HGB kaum repräsentierte moderne Dienstleistungssektor in den Kaufmannsbegriff einbezogen. Kaufmann ist grundsätzlich jeder Gewerbetreibende. Ausgenommen bleiben lediglich Kleingewerbetreibende, deren Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert (vgl. Entwurf zum HRefG mit Begründung, BT-Drucks. 13/8444).
II. Rechtliche Relevanz
Die Kaufmannseigenschaft ist für die Anwendung der meisten Vorschriften des Ersten und Vierten Buchs des HGB entscheidend. Des Weiteren finden sich Sondervorschriften für Kaufleute in zahlreichen anderen Gesetzen. Der Kaufmannsbegriff ist damit der zentrale Anknüpfungspunkt für den Anwendungsbereich der unterschiedlichsten Sonderregelungen in der gesamten (Privat-)Rechtsordnung (vgl. Entwurf zum HRefG mit Begründung, BT-Drucks. 13/8444).
So ist die Kaufmannseigenschaft u. a. von Bedeutung für:
Zugang zum Handelsregister (§ 29 HGB)
Recht (und die Pflicht) zur Führung einer Firma (§ 17 HGB)
Möglichkeit zur Erteilung von Prokura (§ 48 HGB)
Begründung von Arbeitsverhältnissen nach den Sonderregeln für Handlungsgehilfen (§ 59 HGB)
Möglichkeit der Assoziierung in der Rechtsform der OHG oder KG (§ 1 HGB) nur für kaufmännische Unternehmen
Die Vorschriften über die Handelsgeschäfte (Viertes Buch des HGB) stellen Sondervorschriften im Verhältnis zum Allgemeinen Teil und zum Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar, deren Anwendung ebenfalls Kaufmannsstatus voraussetzt (§ 343 HGB, § 344 HGB, § 345 HGB).
Formfreiheit von Bürgschaft, Schuldversprechen und Anerkenntnis (§ 350 HGB)
Sorgfaltsmaßstab (§ 347 HGB); vgl. auch Vertrauensschutzregelung (§ 6a Abs. 4 UStG) für innergemeinschaftliche Lieferungen
Ausschluss der Herabsetzung von unangemessen hohen Vertragsstrafen (§ 348 HGB)
Zinsregelungen der §§ 352 ff. HGB
Bestimmung der Gattungsschuld (§ 360 HGB)
Regelung über die Wirkung des Schweigens auf Geschäftsbesorgungsanträge (§ 362 HGB)
Regelung über den gutgläubige Erwerb (§ 366 HGB)
Zurückbehaltungsrecht (§ 369 HGB)
kaufmännische Spezialnormen für bestimmte Wertpapiere (§§ 363 bis 365 HGB)
Untersuchungs- und Rügepflicht (§ 377 HGB)
bestimmte Arten von Handelsgeschäften
Kommissionsgeschäft nach §§ 383 ff. HGB
Speditions-, Lager- und Frachtgeschäft i.S.d. §§ 407 ff. HGB
Bei den Vorschriften aus anderen Gesetzen als dem HGB handelt es sich in der Regel um besondere Schutzvorschriften, von deren Geltungsbereich Kaufleute wegen ihrer geringeren Schutzbedürftigkeit ausgenommen sind.