Werklieferungsvertrag: Bemessung des Schadensersatzanspruchs auf Grundlage der fiktiven Mangelbeseitigungskosten
Gesetze: § 280 BGB, § 281 Abs 1 BGB, § 437 Nr 3 BGB, § 637 Abs 3 BGB, § 650 BGB, § 651 BGB vom
Instanzenzug: Az: I-2 U 194/18vorgehend LG Essen Az: 4 O 241/16
Gründe
I.
1Die Parteien streiten um Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit der Lieferung von Dachdämmplatten.
2Die Klägerin war mit der Abdichtung von fünf Flachdächern beauftragt worden. Zu diesem Zweck bestellte sie im Jahr 2014 bei der Beklagten einen Dämmstoff in Gestalt einer Gefälledämmung mit aufkaschierter Bitumenbahn des Typs G200DD und einer Glasgewebeeinlage von 200 g/m². Die Beklagte lieferte der Klägerin jedoch, was diese nicht bemerkte, eine andere Gefälledämmung des Typs V13 mit einer Glasgewebeeinlage von nur 60 g/m², die weniger reißfest war als die bestellte Dämmung und zudem eine unzureichende Verbindung des Dämmstoffs mit der Bitumenbahn aufwies. Diese Dämmplatten baute die Streithelferin der Klägerin auf den genannten Dächern ein. An einem der Dächer löste sich in der Folgezeit die Kaschierung von der Dämmung.
3Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin von der Beklagten im Wesentlichen Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Kosten für die Sanierung aller fünf Dächer verlangt, da es sich bei dem vorstehend genannten Mangel um einen "systemischen Fehler" handele. Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens teilweise - in Höhe des Nettobetrags der vom Sachverständigen angesetzten Sanierungskosten nebst Zinsen - stattgegeben.
4Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
5Die Klägerin habe gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werklieferungsvertrag nach § 651 BGB in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF; heute § 650 BGB) einen Anspruch auf Zahlung der fiktiven Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 38.067,23 € aus § 437 Nr. 3, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 280 Abs. 1, § 281 BGB. Die Klägerin könne sich mangels rechtzeitiger Rüge (§ 381 Abs. 2, § 377 HGB) zwar nicht auf etwaige Mängel in Bezug auf die Falschlieferung der Gefälledämmung berufen. Jedoch sei die gelieferte Dämmung ihrerseits mangelhaft (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), da sie nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine unzureichende Verbindung (Verklebung) des Dämmstoffs mit der Bitumenbahn aufweise. Sie verfüge daher nicht über die Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die die Käuferin nach der Art der Sache erwarten könne (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Die gelieferte Ware gelte auch nicht als genehmigt (§ 381 Abs. 2, § 377 Abs. 1, 2 HGB), da der Klägerin nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen die mangelhafte Verklebung der Kaschierung bei einer Prüfung der Ware nicht hätte auffallen müssen. Der Mangel der gelieferten Gefälledämmung erfordere eine Sanierung aller fünf Dächer.
6Der Käufer, der eine mangelhafte Sache geliefert bekommen habe, könne, wenn er am Vertrag festhalten wolle, seinen zu ersetzenden Schaden im Rahmen des kleinen Schadensersatzes auf der Grundlage der Mangelbeseitigungskosten unabhängig von einer Beseitigung des Mangels berechnen. Hieran halte das Berufungsgericht auch nach dem ) fest, mit welcher der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat die Möglichkeit zur Geltendmachung fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht aufgegeben habe. Die Änderung der Rechtsprechung beruhe, wie der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ausdrücklich ausgeführt habe, auf werkvertraglichen Besonderheiten, insbesondere der Gefahr einer Überkompensation. Die Gefahr der Überkompensation werde zwar auch für einzelne Konstellationen im Kaufrecht nicht in Abrede zu stellen sein. Während dem Besteller eines Werks aber ein Selbstvornahmerecht gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zustehe, für das er zudem einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten verlangen könne (§ 637 Abs. 3 BGB), stünden diese Rechte einem Käufer nicht zur Verfügung. Das Landgericht habe den geltend gemachten Schaden - von der Berufung unbeanstandet - anhand der gutachterlichen Schadensschätzung auf 38.067,23 € netto festgesetzt.
II.
7Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den von der Klägerin wegen eines Sachmangels geltend gemachten Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bejaht und hierbei namentlich eine Verletzung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit der Klägerin nach § 381 Abs. 2, § 377 HGB verneint hat. Insoweit ist die Revision nicht statthaft (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), weil sie - entgegen der Auffassung der Revision - vom Berufungsgericht diesbezüglich nicht zugelassen worden ist. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage der Zulässigkeit der Bemessung des Schadens nach den "fiktiven" Mangelbeseitigungskosten und damit auf die Anspruchshöhe beschränkt.
81. Eine solche Beschränkung der Zulassung der Revision muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt. Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 121/17, WuM 2018, 723 Rn. 5; vom - VIII ZR 186/17, NJW-RR 2019, 130 Rn. 14; jeweils mwN). So verhält es sich auch hier.
9Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zugelassen, da "die Frage, ob die Aufgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht () auch auf Kaufverträge anzuwenden ist", in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt werde. Dadurch hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision ausdrücklich und ausschließlich auf die Bemessung des Schadens und damit auf die Anspruchshöhe beschränkt.
102. Diese Beschränkung der Zulassung der Revision ist auch wirksam. Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente unzulässig (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 121/17, aaO Rn. 6; vom - VIII ZR 186/17, aaO Rn. 16; jeweils mwN). Anerkanntermaßen hat das Berufungsgericht jedoch die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 121/17, aaO; vom - VIII ZR 186/17, aaO; jeweils mwN).
11Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Bei einem nach Grund und Höhe streitigen Anspruch kann die Zulassung der Revision auch auf den Streit über die Anspruchshöhe beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 334/13, juris Rn. 8; vom - VII ZR 46/17, BauR 2018, 555 Rn. 4; vom - I ZR 120/20, juris Rn. 5 ff.; jeweils mwN). Denn bei der Anspruchshöhe handelt es sich um einen selbständigen Teil des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Streitstoff - hier dem Anspruchsgrund - beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 121/17, aaO Rn. 7; vom - VIII ZR 186/17, aaO Rn. 17; jeweils mwN).
III.
121. Soweit das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, liegt ein Zulassungsgrund nicht (mehr) vor. Denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt einer der weiteren in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe vor.
13Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist nicht (mehr) erforderlich, nachdem der Senat für den Kauf beweglicher Sachen mit Urteil vom (VIII ZR 187/20, unter II 2 a cc (2) (a), zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), die - bis dahin in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich beantwortete und insoweit vom Berufungsgericht in seinem zuvor erlassenen Urteil zutreffend als klärungsbedürftig bewertete - Rechtsfrage dahingehend entschieden hat, dass an der langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB anhand der sogenannten fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen werden kann (vgl. etwa , NJW 2015, 2244 Rn. 12; vom - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 33), - auch nachdem der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine frühere, damit übereinstimmende Rechtsprechung für den werkvertraglichen Anspruch auf kleinen Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB inzwischen aufgegeben hat (, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.) - festzuhalten ist. Für den - hier vorliegenden - Werklieferungsvertrag gilt dies in gleicher Weise, da auf ihn gemäß § 651 BGB aF (heute § 650 BGB) die Vorschriften über den Kauf Anwendung finden.
14Die Möglichkeit, den kaufvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung fiktiv anhand der voraussichtlich erforderlichen Mangelbeseitigungskosten zu bemessen, ist dem Käufer schon deshalb unabhängig davon zu gewähren, ob er den Mangel beseitigen lässt, ihm dieser Kostenaufwand also tatsächlich entsteht, weil er andernfalls - bedingt (allein) durch die Pflichtverletzungen des Verkäufers (mangelhafte Lieferung sowie ausgebliebene Nacherfüllung) - die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung für die Mangelbeseitigung zu tragen hätte. Denn einen Anspruch auf Vorschuss für die (beabsichtigte) Selbstvornahme, wie er für den Besteller eines Werks in § 637 Abs. 3 BGB vorgesehen ist, gibt es im Kaufrecht nicht (vgl. , ZIP 2020, 1073 Rn. 41 ff. mwN; Urteile vom - V ZR 33/19, NJW 2021, 1532 Rn. 11, zur Veröffentlichung in BGHZ 229, 115 vorgesehen; vom - VIII ZR 187/20, aaO).
152. Die Revision hat - soweit sie eröffnet ist - auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - entgegen der Auffassung der Revision - zutreffend angenommen, dass die Klägerin den von ihr geltend gemachten kaufvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 651 BGB aF (heute § 650 BGB), § 437 Nr. 3, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB - wie mit der Klage geltend gemacht - anhand der sogenannten fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen kann (vgl. hierzu im Einzelnen oben unter III 1). Diese Kosten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei auf den seitens der Klägerin zuletzt verlangten Betrag von 38.067,23 € netto festgesetzt. Diese Summe entspricht der von dem gerichtlichen Sachverständigen vorgenommenen Schadensschätzung, die seitens der Beklagten (bereits) im Berufungsverfahren unbeanstandet geblieben ist und gegen die sich auch die Revision nicht wendet.
16Die auf den - zum Anspruchsgrund gehörenden - Einwand nach § 381 Abs. 2, § 377 HGB gestützten Rügen der Revision können ihr schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil das Berufungsgericht die Revision insoweit nicht zugelassen hat.
IV.
17Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:161121BVIIIZR15.20.0
Fundstelle(n):
WAAAI-62918