BGH Urteil v. - KZR 84/20

Schienennetz-Benutzungsbedingungen: Unmittelbare privatrechtsgestaltende Wirkung der Ungültigkeitserklärung einer Klausel durch die Regulierungsbehörde; Bereicherungsanspruch; Befugnis der Bundesnetzagentur zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags - Regionalfaktoren II

Leitsatz

Regionalfaktoren II

1. Ebenso wie Schienennetz-Benutzungsbedingungen kraft Gesetzes gemäß § 4 Abs. 6 EIBV im privatvertraglichen Rechtsverhältnis zwischen dem Betreiber der Schieneninfrastruktur und den Zugangsberechtigten gelten, ohne dass es einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehung durch die Vertragsparteien bedarf, hat auch die Erklärung der Ungültigkeit einer Klausel durch die Regulierungsbehörde nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG a.F. unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung.

2. Solange die sofort vollziehbare Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Ungültigkeit von Schienennetz-Benutzungsbedingungen nicht wirksam aufgehoben ist, können diese nicht Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB sein.

3. § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG a.F., § 4 Abs. 6 EIBV stehen nach § 54 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG der Befugnis der Bundesnetzagentur zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags entgegen, mit dem eine durch Verwaltungsakt ergangene Erklärung der Ungültigkeit von Schienennetz-Benutzungsbedingungen abgeändert wird.

Gesetze: § 14f Abs 1 S 2 Nr 2 AEG vom , § 4 Abs 6 EIBV, § 54 S 1 Halbs 2 VwVfG, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 33 GWB vom

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 11 U 128/14 (Kart) Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 2-6 O 218/13nachgehend Az: KZR 84/20 Beschluss

Tatbestand

1Die beklagte DB Netz AG, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Sie unterhält mehr als 80 % des gesamten Schienennetzes in Deutschland. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Städtebahn Sachsen GmbH. Die Städtebahn ist ein privates Eisenbahnverkehrsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 3 AEG, das aus der EGP-Die Städtebahn GmbH (EGP-Die Städtebahn) hervorgegangen ist, die wiederum eine Tochtergesellschaft der EGP-Eisenbahngesellschaft Potsdam mbH (EGP) war (gemeinsam: Städtebahn). Die Städtebahn erbrachte in den Fahrplanjahren 2011 bis 2014 für den Verkehrsverbund Oberelbe auf Grundlage eines Verkehrsvertrags Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Zu diesem Zweck nutzte sie acht Strecken der Beklagten für planmäßigen Zugverkehr in den Bundesländern Sachsen und Thüringen.

2Die Beklagte war nach den im maßgeblichen Zeitraum anwendbaren Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV) verpflichtet, privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu gewähren. Zu diesem Zweck schloss sie mit zugangsberechtigten Unternehmen jeweils Rahmenverträge über die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur ab, die im Hinblick auf die zu entrichtenden Nutzungsentgelte auf die jeweils gültigen Trassen- und Anlagenpreislisten Bezug nehmen. Auf Grundlage dieser Rahmenverträge meldeten die Eisenbahnverkehrsunternehmen bestimmte Trassen zur Nutzung an, für die die Beklagte sodann Angebote unter Ausweis eines Trassenpreises unterbreitete.

3Mit Wirkung zum führte die Beklagte ausschließlich für den SPNV sogenannte Regionalfaktoren als einen zusätzlichen Berechnungsfaktor in ihr Trassenpreissystem ein. Diese Regionalfaktoren fanden in unterschiedlichem Umfang für 40 Regionalnetze Anwendung, die die Beklagte als Strecken des SPNV-Grundangebots vorzuhalten hatte, die aber nach ihrer Auffassung keine tragfähige Kosten-Erlös-Struktur aufwiesen. Danach berechnete sich der Trassenpreis nach folgender Formel:

Grundpreis x Produktfaktor x Sonderfaktor (Dampflokfahrt, Lademaßüberschreitung) + Sonderfaktoren (Gewichtsklasse, Radsatzlast, Neigetechnik) x Regionalfaktor

4Von Preisaufschlägen durch die Regionalfaktoren war nur ein Teil des SPNV-Gesamtangebots betroffen, unter anderem auch das von der Städtebahn genutzte "Ostsachsen-Netz".

5Mit an die Beklagte gerichtetem Bescheid vom erklärte die Bundesnetzagentur in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung nach § 14f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEG in der bis zum geltenden Fassung (aF) die Regelungen der Beklagten über die Erhebung des Regionalfaktors für die Zeit ab dem für ungültig. Zur Begründung führte die Bundesnetzagentur aus, dass die Regionalfaktoren gegen das eisenbahnregulierungsrechtliche Diskriminierungsverbot des § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG aF verstießen. Sie stellten einen diskriminierenden Aufschlag auf den Trassengrundpreis dar, weil die preisliche Differenzierung im SPNV weder durch unterschiedliche Leistungen der Beklagten - und daraus folgende unterschiedliche Kosten - noch durch unterschiedliche Tragfähigkeiten der Marktsegmente des SPNV gerechtfertigt sei. Zudem verstoße die Beklagte gegen das für die Festsetzung der Entgeltgrundsätze geltende Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot gemäß § 4 Abs. 2 EIBV in Verbindung mit Nr. 2 der Anlage zur EIBV, § 21 Abs. 6 Satz 1 EIBV.

6Im Widerspruchsverfahren schlossen die Bundesnetzagentur und die Beklagte am zur Beendigung des Verwaltungsverfahrens ohne abschließende rechtliche Bewertung der Regionalfaktoren durch die Bundesnetzagentur einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, die mit Wirkung zum eingeführten Regionalfaktoren ab dem nicht mehr und im Zeitraum vom bis zum bestimmte Regionalfaktoren nur noch in reduzierter Höhe zu erheben.

7Die Beklagte hatte mit der Städtebahn bereits im Jahr 2009 unter Einbeziehung der "Allgemeinen Bedingungen über die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur der DB Netz AG (ABN)" sowie der "Schienennetz-Benutzungsbedingungen der DB Netz AG (SNB)" in der jeweils gültigen Fassung einen Rahmenvertrag (Grundsatz-Infrastrukturvertrag) geschlossen. Nach § 5 dieses Vertrags war zwischen den Parteien vereinbart, dass sich das von der Städtebahn zu entrichtende Entgelt aus den jeweils gültigen Trassen- und Anlagepreislisten ergeben sollte.

8Auf Grundlage dieses Vertrages übersandte die Städtebahn der Beklagten im April 2010 eine Trassenanmeldung für das Netzfahrplanjahr 2011, woraufhin die Beklagte unter Zugrundelegung der "Liste der Entgelte der DB Netz AG 2011 für Trassen, Zusatz- und Nebenleistungen" ein verbindliches Angebot für die Infrastrukturnutzung unter Bezeichnung der einzelnen Strecken unterbreitete, das den für das Ostsachsen-Netz vorgesehenen Regionalfaktor von 1,61 berücksichtigte. Dieses Angebot nahm die Städtebahn an. Im Dezember 2010 schlossen die Städtebahn und die Beklagte eine Zahlungsvereinbarung für Trassen im Netzfahrplan, nach der für die Nutzung der Zugtrassen die Bedingungen des Grundsatz-Infrastrukturvertrages gelten sollten. Die Entgelte hatte die Städtebahn nach den Entgeltlisten der Beklagten in ihrer jeweils gültigen Fassung zu entrichten. Mit Schreiben vom erklärte die Städtebahn gegenüber der Beklagten, den auf den Regionalfaktor entfallenden Entgeltbestandteil nur noch unter Vorbehalt zu zahlen.

9Für die Netzfahrplanperiode 2010/2011, beginnend am , belief sich der ausschließlich auf die Regionalfaktoren entfallende Anteil der von der Städtebahn entrichteten Trassenentgelte auf 3.889.560,90 €. Die Rückzahlung dieses Betrags zuzüglich Rechtsanwaltskosten und Zinsen wird mit der Klage geltend gemacht.

10Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit der Maßgabe, dass Zinsen nur noch in geringerer Höhe geltend gemacht werden.

Gründe

11A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

12Der Städtebahn stünden Zahlungsansprüche weder aus § 812 BGB noch aus § 33 Abs. 3 GWB aF zu. Sie habe sich wirksam zur Zahlung auch der auf den Regionalfaktor entfallenden Entgeltbestandteile verpflichtet.

13Die Klauseln, auf deren Grundlage die Städtebahn zur Zahlung der Regionalfaktoren verpflichtet worden sei, seien nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil sie die Hauptleistungspflichten beträfen, welche von den Anforderungen nach § 307 BGB nicht erfasst würden.

14Auch der Bescheid der Bundesnetzagentur vom bilde keine Grundlage für einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Bundesnetzagentur habe diesen Bescheid mit Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom konkludent aufgehoben. Selbst wenn dieser Vertrag nach § 58 Abs. 1 VwVfG unwirksam sei, wäre lediglich das Widerspruchsverfahren fortzusetzen.

15Die Anwendung der Regionalfaktoren stelle keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten im Sinne von Art. 102 AEUV dar. Die Vorschrift sei anwendbar und könne vom Kläger grundsätzlich auch vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden. Die Beklagte verfüge auf dem bundesweiten Markt für die Überlassung der Schieneninfrastruktur als einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts über eine marktbeherrschende Stellung. Zudem habe die Beklagte durch die Erhebung der Regionalfaktoren auf den von der Städtebahn genutzten Strecken ohne sachliche Rechtfertigung gegenüber Handelspartnern unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen angewandt.

16Allerdings ergebe sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht, dass die Städtebahn im Wettbewerb beeinträchtigt worden sei. Zwar konkurriere sie im gesamten Bundesgebiet um öffentliche Aufträge zur Erbringung von Leistungen des Schienenpersonenverkehrs. Es sei aber nicht ersichtlich, dass die Städtebahn aufgrund der Erhebung der Regionalfaktoren geringere Erlöse erzielt habe und ihr finanzieller Handlungsspielraum eingeschränkt worden sei, was für eine relevante Beeinträchtigung ihrer wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten - insbesondere vor dem Hintergrund, dass die nicht mit einem Regionalfaktor belasteten Strecken im SPNV zu weiten Teilen von Unternehmen des DB-Konzerns bedient würden - grundsätzlich genüge. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten seien die Regionalfaktoren wirtschaftlich nicht von der Städtebahn getragen worden. Diese habe sie in voller Höhe an die Aufgabenträger weitergereicht.

17Da die Aufgabenträger im maßgeblichen Zeitraum verpflichtet gewesen seien, Verkehrsdienstleistungen auszuschreiben, hätten die Regionalfaktoren keinen Anreiz dafür bieten können, die Verkehrsverträge auf den belasteten Strecken direkt an die DB Regio zu vergeben und nicht auszuschreiben. Dass die DB Regio im Rahmen von Verhandlungsverfahren gegenüber den Aufgabenträgern die Zahlung der auf die Regionalfaktoren entfallenden Entgeltteile hätte übernehmen und auf diese Weise Kampfpreise anbieten können, stelle sich als rein hypothetische Erwägung dar. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Städtebahn dadurch mittelbar beeinträchtigt worden sei, dass die Aufgabenträger aufgrund der um die Regionalfaktoren erhöhten Preise zu einer Reduzierung ihrer Bestellmengen gezwungen gewesen seien.

18Die Feststellung einer Benachteiligung im Wettbewerb sei nicht deshalb entbehrlich, weil sowohl die Beklagte als auch die DB Regio als Wettbewerber der Städtebahn zum DB-Konzern gehörten. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, dass die Erhebung der Regionalfaktoren darauf gerichtet gewesen sei, den Wettbewerb zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen zu beeinträchtigen. Es sei von Anfang an geplant gewesen, dass die Kostenbelastung durch die Regionalfaktoren von den Aufgabenträgern übernommen würde und die Aufgabenträger wiederum aus den Regionalisierungsmitteln kompensiert würden. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage vom ergebe sich, dass kein Diskriminierungspotential in der Erhebung der Regionalfaktoren gesehen worden sei und auch das Bundeskartellamt keine gegenteiligen Feststellungen getroffen habe. Auch die Monopolkommission habe in ihrem Sondergutachten 60, "Bahn 2011 - Wettbewerbspolitik unter Zugzwang", festgestellt, dass die Regionalfaktoren die Wettbewerber nicht unmittelbar belasteten, da sie in die Bestellerentgelte eingepreist seien.

19Das beanstandete Preisverhalten stehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Erzwingung unangemessener Verkaufspreise im Widerspruch zu Art. 102 AEUV, weil es aufgrund der Weiterwälzung der Infrastrukturkosten auf die Aufgabenträger nicht geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken. Es verstoße zudem nicht gegen §§ 19, 20 GWB aF, weil es an der auch in diesen Vorschriften vorausgesetzten Wettbewerbsrelevanz der Regionalfaktoren fehle. Eine Preisspaltung sei nicht gegeben, weil die differenzierende Preissetzung nicht auf unterschiedlichem Wettbewerbsdruck in den jeweiligen Regionalnetzen beruht habe.

20B. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

21I. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dem Kläger die geltend gemachte Hauptforderung abgesprochen. Diese steht ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zu, weil die Beklagte die auf die Regionalfaktoren entfallenden Anteile der Trassenentgelte ohne Rechtsgrund erlangt hat.

221. Das Berufungsgericht hätte einen Bereicherungsanspruch der Städtebahn im Hinblick darauf nicht verneinen dürfen, dass die Bundesnetzagentur mit Bescheid vom die Schienennetz-Benutzungsbedingungen, die die Grundlage für die Erhebung der Regionalfaktoren bilden, für die Zeit ab dem für ungültig erklärt hat.

23Die Städtebahn kann von der Beklagten den geltend gemachten Zahlungsbetrag mit Ausnahme der Rechtsverfolgungskosten aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt BGB verlangen, weil Ziff. 6.2.3.1 der Schienennetz-Benutzungsbedingungen keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der an die Beklagte entrichteten Entgeltaufschläge bildet. Die Bundesnetzagentur hat diese Bedingungen durch Bescheid vom mit privatrechtsgestaltender Wirkung für ungültig erklärt (dazu a). Der Widerspruch der Beklagten gegen diesen Bescheid entfaltete nach § 37 AEG aF keine aufschiebende Wirkung (dazu b). Daran hat auch der öffentlich-rechtliche Vertrag vom nichts geändert, in dem sich die Beklagte gegenüber der Bundesnetzagentur in Abänderung des Bescheids verpflichtete, die Regionalfaktoren ab dem nur noch in reduzierter Höhe und ab dem überhaupt nicht mehr anzuwenden. Dieser Vertrag ist nach §§ 54, 59 VwVfG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig und entfaltet damit auch gegenüber der Städtebahn keine Wirkung (dazu c).

24a) Ziff. 6.3.2.1 der Schienennetz-Benutzungsbedingungen der Beklagten, die Grundlage für die Erhebung der Regionalfaktoren ist, entfaltet keine Wirkung zwischen den Parteien, weil die Bundesnetzagentur sie mit Bescheid vom auf Grundlage von § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF für ungültig erklärt hat.

25aa) Schienennetz-Benutzungsbedingungen sind ebenso wie die zu entrichtenden Entgelte Gegenstand der Regulierung des Zugangs zur Schieneninfrastruktur (§ 14 AEG aF), dessen Modalitäten gemäß § 14 Abs. 6 AEG aF durch die Vorschriften der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung näher ausgestaltet werden. § 4 Abs. 1 EIBV verpflichtet die Betreiber der Schienenwege in diesem Zusammenhang zur Erstellung von Schienennetz-Benutzungsbedingungen, in denen alle für die Wahrnehmung der Zugangsrechte benötigten Informationen veröffentlicht werden müssen, um Transparenz und einen nichtdiskriminierenden Zugang zu den Eisenbahnfahrwegen für alle Eisenbahnunternehmen sicherzustellen (vgl. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2001/14/EG). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV gehören zum Pflichtinhalt der Schienennetz-Benutzungsbedingungen die in der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung selbst oder in der Anlage 2 zu § 4 Abs. 2 EIBV vorgeschriebenen Angaben - zu denen auch die im Streitfall maßgeblichen Entgeltgrundsätze nach Ziff. 6.3.2.1 SNB zählen.

26Schienennetz-Benutzungsbedingungen sind in ihrer Gesamtheit als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, gemäß § 4 Abs. 6 EIBV gegenüber jedem Zugangspetenten in gleicher Weise anzuwenden und für die Beteiligten verbindlich. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass diese für den Zugang zum Schienennetz besonders bedeutsamen Benutzungsbedingungen - anders als die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Infrastrukturbetreibers im Übrigen - zwischen den Beteiligten bereits kraft Gesetzes gelten und keiner vertraglichen Einbeziehung nach den Regeln der §§ 305 Abs. 2, 305a BGB bedürfen (BVerwGE 140, 359 Rn. 25 ff.; BVerwG, N&R 2015, 55 Rn. 16; BR-Drucks. 249/05, S. 38; Förster/Kardetzky in Schmitt/Staebe, Einführung in das Eisenbahn-Regulierungsrecht, 2010, Rn. 312). Die Vorschriften schränken so die Vertragsfreiheit der Parteien des - öffentlich-rechtlich "überformten" - Vertrags über die Nutzung der Schieneninfrastruktur unmittelbar ein (BVerwG, N&R 2015, 55 Rn. 16; OVG Münster, DVBl 2014, 1144 [juris Rn. 68]).

27Schienennetz-Benutzungsbedingungen beanspruchen unmittelbare Geltung nicht nur gegenüber denjenigen Eisenbahnverkehrsunternehmen, die mit dem Betreiber der Schienenwege bereits einen Infrastrukturnutzungsvertrag nach § 14 Abs. 6 AEG aF geschlossen haben, sondern auch gegenüber denjenigen, die (noch) in der Rolle des Zugangspetenten sind. Dies beruht auf der Funktion der Schienennetz-Benutzungsbedingungen, den Zugangsberechtigten verbindlich und planbar ein vollständiges Bild über Zugang und Leistung zu vermitteln und ihnen auf diese Weise eine sinnvolle Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer Nutzung zu ermöglichen (BVerwG, N&R 2015, 55 Rn. 15). Damit kommt den Schienennetz-Benutzungsbedingungen Vorwirkung für den Zeitraum vor und eine unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung mit Abschluss des Infrastrukturnutzungsvertrages zu.

28bb) Ebenso wie Schienennetz-Benutzungsbedingungen kraft Gesetzes gemäß § 4 Abs. 6 EIBV im privatvertraglichen Rechtsverhältnis zwischen dem Betreiber der Schieneninfrastruktur und den Zugangsberechtigten gelten, ohne dass es einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehung durch die Vertragsparteien bedarf (vorstehend Rn. 26), hat auch die Erklärung der Ungültigkeit einer Klausel durch die Regulierungsbehörde nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung (Kühling/Ernert, NVwZ 2006, 33, 37; Staebe in Schmitt/Staebe, Einführung in das Eisenbahn-Regulierungsrecht, 2010, Rn. 312, 548; vgl. auch Uhlenhut/Kühling/Rommel in Kühling/Otte, AEG/ERegG, § 68 ERegG Rn. 38, 42; el-Barudi in Staebe, ERegG, § 68 Rn. 17, zur weitgehend inhaltsgleichen Vorschrift des § 68 Abs. 3 ERegG; differenzierend Schaub-Englert, Rechtsschutz gegen privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte im Regulierungsrecht, S. 103 f.). Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift beschränkt sich die Befugnis der Bundesnetzagentur nicht darauf, dem Betreiber der Infrastruktur die Verwendung der betreffenden Klauseln zu untersagen und durch eine Verhaltensänderung die regulierungsrechtlich gewünschte privatrechtliche Vertragsgestaltung zu erreichen. Vielmehr kann die Bundesnetzagentur selbst rechtsgestaltend tätig werden und die Schienennetz-Benutzungsbedingungen für ungültig erklären. Diese Erklärung schließt deren privatrechtliche Wirkung in den zukünftig abzuschließenden Infrastrukturnutzungsverträgen zwischen dem Betreiber der Infrastruktur und sämtlichen Zugangsberechtigten aus. Zivilrechtlich können die für ungültig erklärten Bedingungen daher keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der auf ihrer Grundlage vereinnahmten Infrastrukturentgelte bilden. Der Ungültigkeitserklärung kommt damit spiegelbildlich die Funktion zu, die § 4 Abs. 6 EIBV für die gesetzlich angeordnete privatrechtliche Geltung der von der Beklagten einseitig aufgestellten Bedingungen im Infrastrukturnutzungsvertrag hat. Eines Rückgriffs auf § 134 BGB bedarf es dafür nicht, weil § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF, § 4 Abs. 6 EIBV - insoweit als Spezialgesetze - die privatrechtlichen Rechtsfolgenanordnungen selbst enthalten, § 134 Halbs. 2 BGB (vgl. dazu , BGHZ 196, 312 Rn. 15; Armbrüster in MünchKommBGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 4, mwN). Diese privatrechtliche Wirkung steht auch in Einklang mit Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 2 Richtlinie 2001/14/EG. Danach sind Entscheidungen der Regulierungsbehörde für alle davon Betroffenen verbindlich und wirken daher erga omnes (, EuZW 2018, 74 Rn. 61 - CTL Logistics).

29b) Der Widerspruch der Beklagten gegen den Bescheid vom hat dessen regelnde Wirkung nicht suspendiert. Nach § 37 AEG aF kommt dem Widerspruch gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde nach § 14f AEG aF keine aufschiebende Wirkung zu. Zwar treten die zivilrechtlichen Wirkungen eines Bescheids gegenüber dem Betroffenen gewöhnlich erst mit seiner Unanfechtbarkeit ein (vgl. , BGHZ 159, 179 [juris Rn. 13]). Anderes gilt jedoch, wenn das Gesetz - wie hier - die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes anordnet (vgl. BGHZ 159, 179, [juris Rn. 14]). Daher war die Beklagte - solange der Bescheid vom nicht wirksam aufgehoben war - auch im Verhältnis zur Städtebahn nicht berechtigt, Ziff. 6.2.3.1 der Schienennetz-Benutzungsbedingungen anzuwenden und die Regionalfaktoren zu erheben. Diesem Umstand hat das Berufungsgericht nicht hinreichend Rechnung getragen.

30c) Die Regelungswirkung des Bescheids vom ist auch durch den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen der Bundesnetzagentur und der Beklagten nicht entfallen.

31aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Verwaltungsakt, solange er nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist, der Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen (vgl. , BGHZ 73, 114, 116 f.; vom - V ZR 43/97, NJW 1998, 3055 f.; vom - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 22). Voraussetzung dafür ist, dass der entsprechende Bescheid gegenüber dem Betroffenen wirksam geworden ist (BGH, NJW 1998, 3055 f.; , WRP 2007, 1359, [juris Rn. 14], zur Entgeltgenehmigung nach dem Postgesetz). Gleiches gilt, wenn die Bundesnetzagentur Schienennetz-Benutzungsbedingungen nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF für ungültig erklärt und im anschließenden Widerspruchsverfahren - statt einen Widerspruchsbescheid zu erlassen - zur Beendigung des Verwaltungsverfahrens einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die vom Adressaten zu erhebenden Entgelte schließt. Auch in einem solchen Fall ist eine Bindung der Zivilgerichte an den öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgeschlossen, wenn und soweit der öffentlich-rechtliche Vertrag nichtig ist (§ 59 VwVfG). Die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrages ist dabei der Überprüfung durch die Zivilgerichte ebenso wenig entzogen wie diejenige nach der Wirksamkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts.

32bb) Der öffentlich-rechtliche Vertrag konnte die Regelungswirkung des Bescheids vom nicht beseitigen, weil er nach §§ 54, 59 VwVfG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist.

33(1) Zwar kann ein Vergleichsvertrag auch zur Beendigung eines Widerspruchsverfahren geschlossen werden, so dass mit Abschluss des Vertrags dessen Regelungen an die Stelle des angefochtenen Verwaltungsakts treten, in der Folge Erledigung des Verwaltungsverfahrens eintritt und allenfalls noch die Einstellung des Verfahrens erforderlich ist (Baer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2021, § 79 VwVfG Rn. 41, 64 f.; Kallerhoff/Keller in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 79 Rn. 43). Wie sich den Regelungen des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom entnehmen lässt, beabsichtigten die Bundesnetzagentur und die Beklagte vor dem Hintergrund des von der Beklagten erhobenen Widerspruchs Ungewissheiten über die Rechtmäßigkeit der in den Schienennetz-Benutzungsbedingungen vorgesehenen Regionalfaktoren sowie des angefochtenen Bescheids zu beseitigen, eine abschließende regulierungsrechtliche Überprüfung ausdrücklich zu umgehen und gleichzeitig das Verwaltungsverfahren zu beenden.

34(2) Eine solche verfahrensbeendende Wirkung konnte im Streitfall aber nicht eintreten, weil der öffentlich-rechtliche Vertrag nichtig ist. Seiner Wirksamkeit steht entgegen, dass die Bundesnetzagentur nach Sinn und Zweck des § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF - jedenfalls in der vorliegenden verfahrensrechtlichen Gestaltung - nicht befugt war, in der Form des öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags zu handeln und dieser daher nach §§ 54, 59 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist (vgl. OVG Münster, NVwZ 1984, 522, 524; Rozek in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2021, § 54 VwVfG Rn. 69; Kämmerer in BeckOK VwVfG, 54. Ed., § 54 Rn. 64 f.).

35(a) Nach § 54 VwVfG kann auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ein Rechtsverhältnis durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde. Entgegenstehende Vorschriften sind nicht nur solche, die ein ausdrückliches Vertragsformverbot aussprechen, sondern auch solche, aus deren Sinn und Zweck sich ein entsprechendes Verbot ableiten lässt (Kämmerer in BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 66; Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 97; Kühling/Bulowski, N&R 2015, 262, 264). Bei der Auslegung von Rechtsvorschriften, die als Vertragsformverbote in Betracht kommen, muss allerdings beachtet werden, dass § 54 VwVfG den Behörden bei der Ausübung ihrer öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit den öffentlich-rechtlichen Vertrag als Handlungsform für den Regelfall zur Verfügung stellt, so dass Vertragsformverbote als Ausnahme von diesem Grundsatz eng auszulegen sind (BVerwGE 163, 181 Rn. 68 mwN zu § 13 Abs. 5 und § 132 Abs. 1 Satz 2 aF TKG).

36(b) Nach diesen Grundsätzen stehen § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF, § 4 Abs. 6 EIBV - auch wenn den Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes aF kein ausdrückliches Vertragsformverbot zu entnehmen ist - der Befugnis der Bundesnetzagentur zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags gemäß § 54 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG entgegen.

37§ 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF gestattet es der Regulierungsbehörde, Schienennetz-Benutzungsbedingungen mit Wirkung für die Zukunft für unwirksam zu erklären. Diese Entscheidung, die einheitlich gegenüber dem Infrastrukturunternehmen und sämtlichen Zugangsberechtigten wirkt, die Bedingungen der zukünftig abzuschließenden Infrastrukturnutzungsverträge unmittelbar beeinflusst und der damit eine privatrechtsgestaltende Wirkung zukommt, ist Teil der regulierungsrechtlichen Befugnisse, die dem gemeinsamen Ziel dienen, einen einheitlichen Regelungsrahmen für sämtliche Zugangsberechtigten zu errichten, um deren Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zur Schieneninfrastruktur zu gewährleisten (§§ 1, 14 AEG). Ebenso wie bei regulierungsrechtlichen Beschlusskammerentscheidungen nach dem TKG (vgl. dazu BVerwGE 163, 181 Rn. 69) besteht der Zweck einer Entscheidung nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF darin, eine bestandskraftfähige Regulierungsentscheidung über die Umsetzung komplexer Vorgaben des Regulierungsrechts im konkreten Einzelfall und zudem eine Konzentration des sich daran anschließenden Rechtsschutzes sicherzustellen. Auf diese Weise soll ein rechtssicherer und verlässlicher Handlungsrahmen für die von der Regulierung betroffenen Unternehmen gewährleistet werden. Das rechtfertigt sich aus der der Regulierungsbehörde nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG, § 14b Abs. 1 Nr. 4 AEG aF zugewiesenen Aufgabe, das Preissetzungsverhalten des Infrastrukturunternehmens im Hinblick auf die Einhaltung des Diskriminierungsverbots zur Sicherung eines fairen Wettbewerbs zu kontrollieren (EuGH, EuZW 2018, 74 Rn. 43, 45 - CTL Logistics). Zweck eines von der Bundesnetzagentur eingeleiteten Verwaltungsverfahrens nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF ist daher die rechtsförmige Überprüfung von Schienennetz-Benutzungsbedingungen, um deren Rechtmäßigkeit mit verbindlicher Wirkung für alle Beteiligten - sowohl für das Infrastrukturunternehmen als auch für die Zugangsberechtigen (vgl. Art. 30 Abs. 5 Richtlinie 2001/14/EG) - zu klären.

38Diesen Zwecken widerspricht ein Handeln der Regulierungsbehörde in Form des öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrages. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Bundesnetzagentur ein Verfahren über die eisenbahnrechtliche Zulässigkeit von entgeltrelevanten Schienennetz-Benutzungsbedingungen im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags beendet, nachdem diese Bedingungen bereits Gegenstand einer begründeten Entscheidung über die Ungültigkeit nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF waren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag keiner Begründung bedarf, weil § 62 VwVfG die Vorschriften über den Erlass von Verwaltungsakten nach §§ 35 ff. VwVfG - und damit auch die Begründungspflicht nach § 39 VwVfG - nicht erfasst und sie daher nicht entsprechend gelten (Kämmerer in BeckOK VwVfG, 54. Ed., § 62 Rn. 10; Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, § 62 Rn. 16). Die an diesem Vertrag nicht beteiligten Zugangsberechtigten können die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen daher nicht überprüfen, die die Regulierungsbehörde zu der getroffenen - und die Zugangsberechtigten unmittelbar betreffenden - Regelung bewogen hat. Ein solches Begründungsdefizit ist sowohl mit der wettbewerbslenkenden und -gewährleistenden Kontrollfunktion der Regulierungsbehörde (Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) als auch mit den aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Rechtsschutzfunktionen (vgl. BVerfGE 6, 43, 44) unvereinbar.

39Hinzutritt, dass mit Hilfe eines solchen Vergleichsvertrages weder eine rechtssichere Handlungsgrundlage für die Zugangsberechtigten - deren rechtliche und wirtschaftliche Position durch die bilaterale Regelung unmittelbar betroffen ist - geschaffen werden kann, noch eine Konzentration des Rechtsschutzes erreichbar ist. Bei Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages über die eisenbahnrechtliche Zulässigkeit von entgeltrelevanten Schienennetz-Benutzungsbedingungen besteht aufgrund der privatrechtlichen Drittwirkung der vertraglichen Regelung regelmäßig die Gefahr eines Eingriffs in subjektive öffentliche Rechte der Zugangsberechtigten (vgl. Kühling/Bulowski, N&R 2015, 262, 264). Insofern steht auch typischerweise das Erfordernis im Raum, die Zustimmung aller derjenigen Eisenbahnverkehrsunternehmen nach § 58 Abs. 1 VwVfG einzuholen, die in Zukunft ernsthaft beabsichtigen, mit dem Infrastrukturunternehmen einen Nutzungsvertrag abzuschließen. Dabei ist es angesichts der Vielzahl von möglichen Zugangsberechtigten bereits zweifelhaft, ob die Bedingung für den Eintritt der Wirksamkeit überhaupt erreichbar ist. Solange nicht alle Zugangsberechtigten die erforderliche Zustimmung erklärt haben, wäre jedenfalls der Vertrag schwebend unwirksam (§ 58 Abs. 1 VwVfG). Auch kann im Einzelfall unklar sein, ob und inwieweit ein Zustimmungserfordernis Dritter besteht, was die Zugangsberechtigten nur jeweils einzeln für sich durch eine entsprechende Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO gerichtlich überprüfen lassen könnten (Spieth in BeckOK VwVfG, § 58 Rn. 23). Das zöge eine unerwünschte Zersplitterung des Rechtsschutzes nach sich. Angesichts dessen sind die Zugangsberechtigten - ebenfalls im Widerspruch zu den Zwecken der Regulierungsentscheidung - gehindert, die Rechtsbeständigkeit der getroffenen Regelung hinreichend verlässlich beurteilen zu können. Diese Rechtsunsicherheit besteht, wie der Streitfall anschaulich belegt, in besonderem Maße in Konstellationen, in denen die Regulierungsbehörde durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag eine bereits getroffene Regulierungsentscheidung im Widerspruchsverfahren (auch) zum Nachteil der Zugangsberechtigten ersetzt.

40(c) Die aufgezeigte Systemwidrigkeit des öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrages lässt sich im Streitfall auch daran erkennen, dass der Vertrag vom - ungeachtet eines Vertragsformverbots - der Zustimmung der Städtebahn wie auch aller übrigen Zugangsberechtigten im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs bedurft hätte, weil er in die Rechte der Zugangsberechtigten eingegriffen hätte.

41(aa) Nach § 58 Abs. 1 VwVfG wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. § 58 Abs. 1 VwVfG ist auf einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag gemäß § 55 VwVfG anwendbar (Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 55 Rn. 13; Spieht in BeckOK VwVfG, 54. Ed., § 55 Rn. 33; Fehling in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 55 VwVfG Rn. 16), wie er zwischen der Bundesnetzagentur und der Beklagten geschlossen worden ist.

42Ein Eingriff in Rechte Dritter ist dann gegeben, wenn durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag Rechtspositionen berührt werden, die ein subjektiv-öffentliches Recht begründen. Die Verletzung von subjektiven Rechten liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn der Verstoß gegen eine Schutznorm geltend gemacht wird. Eine Schutznorm ist gegeben, wenn die Vorschrift den von ihrem Regelungsgehalt Betroffenen zu schützen bestimmt ist und ihm die Rechtsmacht verleiht, eine Verletzung der Norm insbesondere vor Gericht geltend zu machen (BVerwG, NVwZ 2019, 163 Rn. 14). Aus dem Schutzzweck der Norm muss sich zudem ergeben, dass sie unmittelbar (auch) dem rechtlichen Interesse des Dritten zu dienen bestimmt ist und nicht nur tatsächlich, also reflexartig, seine Rechte berührt (ebd.).

43(bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei § 14 Abs. 1, 3 und 6 AEG aF in Verbindung mit § 4 Abs. 1, 6 EIBV um drittschützende Normen. Sie sollen gewährleisten, dass die von den Betreibern der Schieneninfrastruktur aufgestellten Schienennetz-Benutzungsbedingungen den Vorgaben des Eisenbahnrechts entsprechen und den Anspruch der Zugangsberechtigten auf diskriminierungsfreien Zugang wahren. Auf diese Weise dienen sie der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG aF (vgl. auch Erwägungsgrund 16 Richtlinie 2001/14/EG). Unmittelbar begünstigt von diesem durch das Allgemeine Eisenbahngesetz aF und die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung näher ausgestalteten und öffentlich-rechtlich begründeten Zugangsrecht (BVerwGE 140, 359 Rn. 27) sind damit die Eisenbahnverkehrsunternehmen, die unter Nutzung der Infrastruktur Schienenverkehrsleistungen im Wettbewerb anbieten wollen. Die von dem Betreiber der Schieneninfrastruktur einseitig aufgestellten Schienennetz-Benutzungsbedingungen nach § 4 Abs. 6 EIBV wirken im privatrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Betreiber und Zugangsberechtigten unmittelbar kraft Gesetzes (s.o. Rn. 26). Dieser öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vertragsfreiheit der Beteiligten begründet ein subjektives öffentliches Recht der Zugangsberechtigten, nur solchen Schienennetz-Benutzungsbedingungen ausgesetzt zu sein, die den Vorgaben des Eisenbahnrechts entsprechen (vgl. BVerwGE 152, 355 Rn. 12 ff. zur Entgeltregulierung nach § 23 Abs. 1 PostG; BVerwG, N&R 2015, 184 Rn. 18, zu § 37 TKG). Der Sicherung dieser Rechte dient die Befugnis der Bundesnetz-agentur nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF, Schienennetz-Benutzungsbedingungen für ungültig zu erklären.

44(cc) In das danach bestehende subjektive öffentliche Recht der Berechtigten auf diskriminierungsfreien Zugang wäre mit einem (wirksamen) Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages vom unmittelbar eingegriffen worden. Ein Eingriff in Rechte eines Dritten liegt dann vor, wenn dessen Rechtsposition durch den Vertrag oder durch dessen Umsetzung unmittelbar zu seinem Nachteil verändert wird, also sein status quo in einen status quo minus umgewandelt wird (Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, § 58 Rn. 13; vgl. zum Eingriff durch Verwaltungsakt BVerwG, NJW 1983, 2044, 2045). Diese Voraussetzung wäre im Streitfall erfüllt gewesen, weil dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, der anstelle eines im Widerspruchsverfahren zu erlassenden Verwaltungsakts geschlossen worden ist, wegen seiner auf die Schienennetz-Benutzungsbedingungen bezogenen Regelungswirkung nach § 4 Abs. 6 EIBV unmittelbar belastende privatrechtsgestaltende Wirkung zugekommen wäre.

45Indem die Bundesnetzagentur der Beklagten im Wege des öffentlich-rechtlichen Vertrages und abweichend vom Bescheid vom gestattet hat, Ziff. 6.2.3.1 SNB noch bis zum anzuwenden und damit bis zu diesem Zeitpunkt die dort geregelten Regionalfaktoren - in geringerer Höhe - weiter zu erheben, hätte sich die Rechtsposition der Zugangsberechtigten im Vergleich zur Lage vor Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages jedenfalls in Bezug auf den Zeitraum bis zum verschlechtert. Da die Bundesnetzagentur die in Rede stehenden Schienennetz-Benutzungsbedingungen nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG aF ursprünglich für ungültig erklärt hatte, ihnen somit keine Geltungswirkung nach § 4 Abs. 6 EIBV mehr zukam und der Widerspruch der Beklagten gegen den Bescheid vom nach § 37 AEG aF keine aufschiebende Wirkung hatte, war die Beklagte - solange der Bescheid vom nicht wirksam aufgehoben war - auch im Verhältnis zur Städtebahn nicht berechtigt, Ziff. 6.2.3.1 der Schienennetz-Benutzungsbedingungen anzuwenden und die Regionalfaktoren zu erheben. Aufgrund der über § 4 Abs. 6 EIBV vermittelten privatrechtsgestaltenden Wirkung des öffentlich-rechtlichen Vertrags hätte sich dieser als ein Vertrag zu Lasten Dritter erwiesen, weshalb seine Wirksamkeit ebenso wie die verfahrensbeendende Wirkung von der Zustimmung der Zugangsberechtigten nach § 58 Abs. 1 VwVfG abgehangen hätte (vgl. Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 58 Rn. 15). Das trägt zum einen dem Umstand Rechnung, dass die Entscheidungen der Regulierungsbehörde nach Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 2 Richtlinie 2001/14/EG für alle davon Betroffenen verbindlich sind und sie daher erga omnes wirken (EuGH, EuZW 2018, 74 Rn. 61 - CTL Logistics). Zum anderen stimmt es damit überein, dass den Zugangsberechtigten - hätte die Bundesnetzagentur in der Rechtsform eines Verwaltungsakts gehandelt und statt des öffentlich-rechtlichen Vertrags einen inhaltlich gleichlautenden Widerspruchsbescheid erlassen - nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Rechtsschutz im Wege der Anfechtungsklage zugestanden hätte, weil dieser eine erstmalige Beschwer für sie enthalten hätte.

46d) Soweit das Berufungsgericht in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag zugleich eine konkludente Aufhebung des Ausgangsbescheids erblickt hat, bestehen daran angesichts der nach §§ 3, 5 des Vertrags angestrebten Erledigung des Verwaltungsverfahrens erhebliche Zweifel. Das kann aber letztlich auf sich beruhen, weil eine etwaige Aufhebung des Ausgangsbescheids untrennbar mit dem Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags verbunden und daher von der Nichtigkeitsfolge erfasst wäre.

47e) Fehlt es danach an einem Suspensiveffekt des Widerspruchs und an einer erledigenden Wirkung des Vergleichsvertrages, kommt dem sofort vollziehbaren Bescheid der Bundesnetzagentur vom weiterhin Regelungswirkung zu (oben Rn. 28) und bleibt Ziff. 6.2.3.1 der Schienennetz-Benutzungsbedingungen für den Zeitraum ab dem für ungültig erklärt. Dies stand einer Einbeziehung der Bedingungen über die Regionalfaktoren in den Infrastrukturnutzungsvertrag entgegen, so dass es am Rechtsgrund für die Zahlung derjenigen Infrastrukturentgelte fehlte, die auf die Regionalfaktoren gemäß Ziff. 6.3.2.1 SNB entfielen. Diese hat die Beklagte herauszugeben.

482. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob der Städtebahn ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auch im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß der Zahlungsvereinbarung gegen das aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Transparenzgebot zusteht.

49Die Revision rügt insoweit allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht einen solchen Verstoß nicht mit der Begründung hätte verneinen dürfen, das Transparenzgebot finde nicht auf die Hauptleistungspflicht Anwendung (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB). Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann aber - anders als die Revision meint - jedenfalls nicht mit einer mangelnden Preistransparenz begründet werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde für die einzelnen Trassen jeweils ein Angebot unterbreitet, das den Einzelpreis ausgewiesen hat. Die Insolvenzschuldnerin wusste daher, welchen Preis sie für welche Trasse zahlte, wobei auch der zugrunde gelegte Regionalfaktor feststand. Soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, dass die Zuordnung der einzelnen Strecken zu den von den Regionalfaktoren betroffenen Netzen intransparent war, betrifft dies die Begründung für die Höhe der ausgewiesenen Einzelpreise. Zu dieser Begründung war die Beklagte allenfalls aufgrund der eisenbahnrechtlichen Sonderregelung gemäß § 4 Abs. 2 EIBV in Verbindung mit Nr. 2 der Anlage zur EIBV, § 21 Abs. 6 Satz 1 EIBV verpflichtet, wie sich aus dem Bescheid der Bundesnetzagentur vom ergibt. Die insoweit beanstandete fehlende Transparenz ist indes keine, die in Bezug auf den vereinbarten Preis gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB Bedeutung erlangen könnte. Denn sie betrifft nicht den vereinbarten Preis selbst, sondern lediglich seine Begründung (s. a. , NJW-RR 2015, 114 Rn. 22).

50II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch ein Anspruch der Städtebahn auf Zahlung der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten aus § 33 Abs. 3 GWB aF in Verbindung mit Art. 102 AEUV nicht verneint werden.

51a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Vorschriften des § 33 Abs. 3 GWB aF und des Art. 102 AEUV im Streitfall Anwendung finden (vgl. näher: , WuW 2020, 209 Rn. 28 ff. - Trassenentgelte I; vom - KZR 12/15, N&R 2021, 56 Rn. 18 f. - Stationspreissystem II; vom - KZR 72/15, WuW 2021, 709 Rn. 11 ff. - Stationspreissystem III; vom - KZR 88/20, WRP 2022, 65 Rn. 20 - Trassenentgelte II; vom - KZR 89/20, juris Rn. 19 - Regionalfaktoren). Es besteht auch keine Veranlassung, das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Kammergerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union vom (WuW 2021, 178 ff.) auszusetzen (näher: BGH, WuW 2020, 209 Rn. 38 f. - Trassenentgelte I; N&R 2021, 56 Rn. 38 ff. - Stationspreissystem II; WuW 2021, 709 Rn. 11 ff. - Stationspreissystem III; WRP 2022, 65 Rn. 21 - Trassenentgelte II, Urteil vom - KZR 89/20, juris Rn. 20 - Regionalfaktoren).

52b) Zurecht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte als Eigentümerin nahezu des gesamten bundesdeutschen Schienennetzes auf dem Markt für die Überlassung von Schieneninfrastruktureinrichtungen über eine beherrschende Stellung verfügt. Sie ist auch im Übrigen Normadressatin des aus Art. 102 AEUV folgenden Missbrauchsverbots, weil die Vorschriften der Richtlinie 2001/14/EG - und die in ihrer Umsetzung ergangenen Regelungen der §§ 14 ff. AEG aF - den Betreibern von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen Handlungsspielräume bei der Festsetzung der Wegeentgelte belassen (vgl. BGH, WuW 2020, 209 Rn. 25 - Trassenentgelte I).

53c) Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, das beanstandete Verhalten der Beklagten verstoße nicht gegen das aus Art. 102 AEUV folgende Missbrauchsverbot.

54aa) Nach Art. 102 AEUV kann die Weigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, einem anderen Unternehmen zu angemessenen, nichtdiskriminierenden Bedingungen Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung zu gewähren, der für die Ausübung der Tätigkeit des anderen Unternehmens unerlässlich ist, einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen (vgl. , WRP 1999, 167 Rn. 47 - Oscar Bronner/Mediaprint; zu § 19 GWB vgl. BGH, Beschlüsse vom - KVR 15/01, BGHZ 152, 84 [juris Rn. 35] - Fährhafen Puttgarden I; vom - KVR 7/12, WuW 2013, 505 Rn. 15 - Fährhafen Puttgarden II). Daraus folgt, dass auch eine - wie im Streitfall - erfolgte Gewährung des Zugangs missbräuchlich sein kann. Insofern ist auf allgemeine Grundsätze zurückzugreifen (näher: , juris Rn. 24 ff. - Regionalfaktoren; s.a. BGH, N&R 2021, 56 Rn. 51 - Stationspreissystem II; , NZKart 2021, 296 Rn. 53 - Deutsche Telekom AG/Kommission), wobei die Wertungen der sektorspezifischen Regulierungsvorschriften zu berücksichtigen sind (BGH, N&R 2021, 56 Rn. 26 - Stationspreissystem II; WuW 2021, 709 Rn. 14 - Stationspreissystem III; EuGH, NZKart 2021, 296 Rn. 57 - Deutsche Telekom AG/Kommission).

55bb) Es kann offen bleiben, ob die Beklagte mit der Erhebung der Regionalfaktoren, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen, mit solchen Zuschlägen nicht belasteten Eisenbahnverkehrsunternehmen darstellt, die Städtebahn nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV im Wettbewerb benachteiligt hat. Die Beklagte hat ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a AEUV jedenfalls dadurch missbraucht, dass sie von den betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Hilfe der Regionalfaktoren unangemessene Preise erzwungen hat.

56(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Missbrauch unter dem Gesichtspunkt der Erzwingung unangemessener Verkaufspreise im Sinne des Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV scheide aus, weil das Preisverhalten aufgrund der im Verkehrsvertrag vorgesehenen Möglichkeit, die Infrastrukturentgelte an den Aufgabenträger weiterzureichen, nicht geeignet sei, den Wettbewerb zu beeinträchtigen.

57(2) Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts stellt sich die Erhebung des Zuschlags in Form des Regionalfaktors unter Berücksichtigung der Wertungen des sektorspezifischen Regulierungsrechts jedenfalls als missbräuchliche Ausbeutung im Sinne des Art. 102 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a AEUV dar, weil die Beklagte mit diesem Preissystem einzelne Nutzer der Schieneninfrastruktur in Widerspruch zu eisenbahnrechtlichen Entgeltvorschriften ohne sachliche Rechtfertigung mit zusätzlichen Entgelten belastet. Dadurch werden im Streitfall diese Nutzer gezielt in unangemessener Weise zur Kostendeckung herangezogen.

58(a) Soweit im Rahmen der Anwendung des Art. 102 AEUV die Erzwingung unangemessener und damit missbräuchlicher Preise in Rede steht, ist im Ausgangspunkt zu prüfen, ob das marktbeherrschende Unternehmen einen überhöhten Preis ohne vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der von ihm erbrachten Leistung verlangt, wobei für die Ermittlung dieses Verhältnisses mehrere Methoden in Betracht kommen. In den regulierten Wirtschaftsbereichen sind zudem die einschlägigen Vorgaben des sektorspezifischen Regulierungsrechts zu berücksichtigen. Sehen diese Vorschriften besondere Preisbildungsregeln vor, handelt es sich insoweit um spezifisches Marktordnungsrecht, das die Maßstäbe für die Anwendung des Missbrauchsverbots im Hinblick auf die Preishöhenkontrolle konkretisiert. In diesem Zusammenhang kann den einschlägigen regulierungsbehördlichen Entscheidungen der Bundesnetzagentur indizielle Bedeutung beigemessen werden (näher zum Ganzen: , juris Rn. 31 f. - Regionalfaktoren, mwN).

59(b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte aufgrund der Erhebung des Regionalfaktors im Fahrplanjahr 2010/2011 für das Ostsachsen-Netz einen Zuschlag in Höhe von 61 % auf das Produkt aus Trassengrundpreis, Trassenproduktfaktor und leistungsabhängiger Entgeltkomponente zu entrichten (Regionalfaktor von 1,61). Diesen Zuschlag hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht flächendeckend für sämtliche von ihr gebildeten Regionalnetze angewandt. Die Beklagte hat mit ihrem Preissystem auf diese Weise gegenüber der Städtebahn und anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen, die ebenso wie sie auf mit Regionalfaktoren belasteten Strecken Dienstleistungen im Schienenpersonennahverkehr anbieten, erheblich höhere Infrastrukturentgelte erhoben als gegenüber denjenigen Zugangsberechtigten, die vergleichbare Dienstleistungen auf Strecken anbieten, für deren Nutzung die Beklagte keinen Zuschlag erhebt.

60(c) Für die Erhebung dieses Preisaufschlags fehlte es, wovon das Berufungsgericht mit Recht ausgegangen ist, an einer sachlichen Rechtfertigung. Das im maßgeblichen Zeitpunkt anwendbare Eisenbahnrecht erlaubte derartige Zuschläge nicht (, juris Rn. 34 ff. - Regionalfaktoren).

61d) Die Belastung einzelner Eisenbahnverkehrsunternehmen mit erheblichen Preisaufschlägen - wie auch der Aufgabenträger, soweit diese auf Grundlage der geschlossenen Verkehrsverträge den Eisenbahnverkehrsunternehmen die von der Beklagten in Rechnung gestellten Infrastrukturentgelte ersetzen - stellt im Streitfall ein missbräuchliches Verhalten im Sinne des Art. 102 Abs. 1 AEUV dar, weil diese Kundengruppe in unangemessener Weise und im Widerspruch zu eisenbahnrechtlichen Entgeltvorschriften überproportional zur Deckung der Gemeinkosten der Netzinfrastruktur herangezogen wird.

62aa) Dem steht nicht entgegen, dass eine ungleichmäßige Belastung einzelner Abnehmer einem marktbeherrschenden Unternehmen außerhalb eines preisregulierten Markts unter bestimmten Umständen gestattet sein kann (vgl. , WRP 2016, 605 Rn. 63 - Zentrales Verhandlungsmandat). Ergibt sich aus dem besonderen sektorspezifischen Marktordnungsrecht ein Gebot, für vergleichbare Verkehrsleistungen innerhalb eines Marktsegments dieselben Entgelte zu erheben (§ 14 Abs. 4 Satz 3 AEG aF; Art. 4 Abs. 5; Art. 8 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG), kann das marktbeherrschende Unternehmen Preisaufschläge für einzelne Nachfrager nicht mit einer nachteiligen Kosten-Erlös-Struktur bestimmter Strecken rechtfertigen. Jedenfalls dann, wenn ein Preissystem substantielle Preisaufschläge vorsieht, wie sie im Streitfall festgestellt sind, begründet die nach dem anwendbaren Marktordnungsrecht sachlich nicht gerechtfertigte selektive Belastung von Teilen der Netznutzer innerhalb eines Marktsegments eine missbräuchliche Ausbeutung dieser betroffenen Nutzer. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, kann in einer solchen Situation nicht davon gesprochen werden, dass das beanstandete Preisverhalten keine nachteiligen Auswirkungen für die betroffenen Marktteilnehmer hat. Vielmehr begründet die Erzwingung unangemessener Preise unabhängig davon, ob das Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt zu behindern, und damit den Tatbestand des Diskriminierungsverbots nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV erfüllt, einen eigenständigen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot. Die Frage, ob die Städtebahn die Zuschläge selbst zu tragen hatte oder - aufgrund der maßgeblichen Vertragsgestaltung - im Ergebnis die Aufgabenträger damit belastet wurden, ist erst bei der Schadensberechnung zu prüfen. Der Umstand, dass unangemessene Preise auf Dritte weitergewälzt werden, lässt den Verstoß gegen das Missbrauchsverbot - jedenfalls beim Ausbeutungsmissbrauch - als solchen nicht entfallen.

63(1) An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Preisaufschläge, wie die Beklagte geltend macht, bei den Zuwendungen seitens der Bundesrepublik Deutschland in Form der Regionalisierungsmittel nach dem Regionalisierungsgesetz (RegG) berücksichtigt worden seien (näher: , juris Rn. 46 - Regionalfaktoren).

64(2) Die Missbräuchlichkeit des konkret beanstandeten Preisverhaltens entfällt schließlich auch nicht deswegen, weil die Beklagte nach Auffassung der Bundesnetzagentur eine mit den Vorgaben des § 14 Abs. 4 AEG aF in Einklang stehende Verteilung des Defizits einzelner Strecken hätte vornehmen können. Derartige hypothetische Erwägungen sind mit dem Schutzzweck des Art. 102 AEUV nicht zu vereinbaren (, juris Rn. 47 - Regionalfaktoren).

65bb) Das Preissetzungsverhalten der Beklagten beeinträchtigt zudem, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, weil es angesichts ihres flächendeckend anwendbaren Preissystems geeignet ist, den Zugang von Wettbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erschweren.

66C. Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da es sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, ist es aufzuheben (§ 562 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist.

67Bezüglich des Anspruchs aus § 33 Abs. 1, 3 GWB aF in Verbindung mit Art. 102 AEUV, der nur noch für die Entscheidung über den Anspruch auf Zahlung von Rechtsverfolgungskosten relevant ist, hat das Berufungsgericht von seinem rechtlichen Standpunkt folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Städtebahn aufgrund des Verstoßes gegen das Missbrauchsverbot nach Art. 102 Abs. 1 AEUV ein Schaden entstanden ist. Das wird es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, weil der Ersatz von Rechtsverfolgungskosten nach § 249 BGB überhaupt nur und auch nur insoweit verlangt werden kann, als ein zu ersetzender Schaden objektiv gegeben ist (vgl. , NJW 2017, 3588 Rn. 7). Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang näher zu prüfen haben, ob ein etwaiger Schaden der Städtebahn nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung entfallen ist. Dabei wird es zwar zunächst in Rechnung stellen können, dass nach dem unstreitigen Parteivorbringen die Städtebahn in der Lage war, die Infrastrukturentgelte vollständig an den Aufgabenträger weiter zu reichen. Es wird aber weitergehend zu prüfen haben, ob dieser Vorteil dauerhaft bei der Städtebahn verbleiben sollte (näher: , juris Rn. 51 ff. - Regionalfaktoren).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:050422UKZR84.20.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2022 S. 1637 Nr. 23
WM 2022 S. 2193 Nr. 45
KAAAI-62893