BAG Urteil v. - 6 AZR 216/21

Entgeltordnung Lehrkräfte - Angleichungszulage

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 37 Abs 1 TV-L, § 29a Abs 3 S 5 TVÜ-L, § 29a Abs 5 S 1 TVÜ-L

Instanzenzug: ArbG Wuppertal Az: 2 Ca 2552/19 Urteilvorgehend ArbG Essen Az: 6 Ca 2744/19 Urteilvorgehend ArbG Essen Az: 5 Ca 2762/19 Urteilvorgehend ArbG Essen Az: 5 Ca 2743/19 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 8 Sa 342/20 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Ansprüche der Klageparteien auf eine sog. „Angleichungszulage“ nach Anhang 1 der Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder.

2Die Klageparteien sind bei dem beklagten Land seit den Jahren 2004, 2005 bzw. 2012 als Lehrerinnen bzw. Lehrer an allgemeinbildenden Schulen angestellt. Auf die Arbeitsverhältnisse finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst der Länder Anwendung. Die Klageparteien sind Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

3Am schloss die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) mit dbb beamtenbund und tarifunion den Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L). Er trat am in Kraft. Zur Überleitung der Lehrkräfte in die dem TV EntgO-L als Anlage beigefügte Entgeltordnung Lehrkräfte (EntgO-L) bestimmt § 29a des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) idF des § 11 TV EntgO-L auszugsweise Folgendes:

4Mit Wirkung zum vereinbarten auch die Gewerkschaften ver.di und GEW mit der TdL die Geltung des TV EntgO-L. Der Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum TV EntgO-L vom verlängerte demzufolge die bereits abgelaufene Ausschlussfrist des § 29a Abs. 4 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L bis zum . Die Frist für den Antrag auf die Angleichungszulage nach § 29a Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L blieb unverändert.

5Die EntgO-L bestimmt, dass Lehrkräfte in Entgeltgruppen, die mit der Markierung **) versehen sind, eine monatliche Angleichungszulage gemäß Anhang 1 erhalten. Dieser lautet in der seit dem geltenden Fassung:

6In der Zeit vom bis zum wurde - soweit es die Klageparteien betrifft - eine Angleichungszulage von 30,00 Euro gezahlt.

7Die Klageparteien üben seit August 2015 unveränderte Tätigkeiten aus und werden hierfür nach den Entgeltgruppen 10 bzw. 11 TV-L vergütet. Sie stellten anlässlich der Überleitung in die neue Entgeltordnung keinen Antrag auf Höhergruppierung und beantragten erst im Jahr 2019 die Leistung einer Angleichungszulage. Das beklagte Land lehnte dies wegen Versäumung der Antragsfrist ab.

8Mit ihren vor verschiedenen Arbeitsgerichten erhobenen Klagen verfolgen die Klageparteien den von ihnen angenommenen Anspruch auf eine Angleichungszulage weiter. Die Versäumung der Antragsfrist stehe dem nicht entgegen. Zwar sehe § 29a Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L dem Wortlaut nach eine solche Frist bis zum vor. Die Tarifnorm sei aber bei einem isolierten Antrag auf Leistung einer Angleichungszulage teleologisch zu reduzieren. Der vollständige Ausschluss späterer Anträge sei mit dem Zweck der in der neuen Entgeltordnung bei bestimmten Eingruppierungen vorgesehenen Angleichungszulage nicht vereinbar. Mit der neuen Entgeltordnung sollte für alle Lehrkräfte das Ziel der Angleichung an die Besoldung beamteter Lehrkräfte verfolgt werden. Alle Lehrkräfte seien dementsprechend in die neue Entgeltordnung überführt worden, auch wenn sie keinen Antrag auf Höhergruppierung gestellt haben. Diejenigen Lehrkräfte, welche keine Höhergruppierung beantragen konnten oder dies wegen negativer Auswirkungen nicht wollten, sollten nicht wegen eines bloßen Fristversäumnisses von der Angleichung durch die Angleichungszulage gänzlich ausgeschlossen werden. Hierfür bestehe auch kein Grund. Die Versäumung der Antragsfrist bewirke für diesen Personenkreis daher lediglich, dass keine Rückwirkung der Antragstellung zum eintrete, sondern Ansprüche für die Vergangenheit der allgemeinen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L unterfielen. Anderenfalls läge eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung nicht nur gegenüber den Lehrkräften vor, welche den Antrag fristwahrend gestellt haben, sondern auch gegenüber den ab dem neu eingestellten Lehrkräften, welche bei Erfüllung der Voraussetzungen einen Anspruch auf die Angleichungszulage ohne Antragserfordernis haben.

9Die Klageparteien haben - im Fall der Klägerinnen zu 2. und 4. unter Berücksichtigung von Teilzeit - zuletzt folgende Anträge gestellt:

10Der Kläger zu 1. hat beantragt,

11Die Klägerin zu 2. hat beantragt,

12Der Kläger zu 3. hat beantragt,

13Die Klägerin zu 4. hat beantragt,

14Das beklagte Land hat beantragt, die Klagen wegen Versäumung der Antragsfrist abzuweisen.

15Die Arbeitsgerichte haben die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichteten Berufungen zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Berufungen zurückgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klageparteien ihre Klagebegehren weiter.

Gründe

16Die Revisionen sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen gegen die klageabweisenden Urteile der Arbeitsgerichte zu Recht zurückgewiesen.

17I. Die Klagen sind unbegründet. Die Klageparteien können keine Angleichungszulage beanspruchen, weil sie die Antragsfrist nach § 29a Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L versäumt haben. Deren absolute Ausschlusswirkung verletzt die Klageparteien nicht in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

181. Der Anspruch auf die streitgegenständliche Angleichungszulage nach Anhang 1 zur Anlage zum TV EntgO-L setzt nach § 29a Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L voraus, dass der nach § 29a Abs. 3 Satz 5 iVm. Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L erforderliche Antrag auf Gewährung der Angleichungszulage bis zum gestellt wurde. Der Antrag ist konstitutiv und stellt eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung des Beschäftigten dar (vgl. zu § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder:  - Rn. 35; - 4 AZR 457/15 - Rn. 40). Durch die Einschränkung „nur“ und den Klammerzusatz „Ausschlussfrist“ haben die Tarifvertragsparteien in § 29a Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L unmissverständlich klargestellt, dass die (rückwirkende) Entstehung des Anspruchs die fristgerechte Antragstellung erfordert. Wird die Antragsfrist versäumt, steht dies dem Entstehen eines Anspruchs auf Dauer entgegen. Bezogen auf das Antragsrecht verdrängt die Antragsfrist die allgemeine Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Teil IIIb § 11 TV EntgO-L Stand September 2019 Rn. 101 iVm. Stand April 2016 Rn. 72; zu § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund  - Rn. 26 ff., BAGE 168, 13). Im Ergebnis haben die Tarifvertragsparteien damit eine Antragsobliegenheit konstituiert.

192. Die Klageparteien haben demnach keinen Anspruch auf die Angleichungszulage, weil sie ihre Anträge auf Gewährung der Angleichungszulage erst im Jahr 2019 und damit nach dem gestellt haben. Entgegen der Auffassung der Revisionen kommt eine teleologische Reduktion des § 29a Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L nicht in Betracht.

20a) Mit der teleologischen Reduktion, die zu den von Verfassungs wegen anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, wird der ausgehend vom Gesetzeszweck zu weit gefasste Wortlaut auf den Anwendungsbereich reduziert, welcher der ratio legis entspricht ( - Rn. 20; - 6 AZR 190/12 - Rn. 33, BAGE 147, 60). Bei Beachtung der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie kann die teleologische Reduktion auch bei Tarifverträgen ein Mittel zur Schließung einer unbewussten oder nachträglich entstandenen Regelungslücke sein ( - Rn. 29; - 6 AZR 433/09 - Rn. 16).

21b) An der erforderlichen verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der Tarifregelung fehlt es hier offenkundig. § 29a TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L stellt vielmehr ein in sich geschlossenes Regelungssystem zur Überleitung der Lehrkräfte in die neue Entgeltordnung dar. Die darin vorgesehenen Antragserfordernisse und Fristbindungen fügen sich lückenlos in das Gesamtbild des Tarifvertrags ein und sind damit systemgerecht.

22aa) § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L unterscheidet zwischen Eingruppierung, Stufenzuordnung, Entgeltgruppenzulage und Angleichungszulage.

23(1) Die hier streitgegenständliche Angleichungszulage nach Anhang 1 zur Anlage zum TV EntgO-L (§ 29a Abs. 3 Satz 5 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L) ist der Sache nach ein vorweggenommener Höhergruppierungsgewinn für bestimmte Entgeltgruppen der neuen Entgeltordnung. Die Tarifvertragsparteien haben bezüglich der Entgeltgruppen 9 bis 11 TV-L, welche bezogen auf die beamteten Lehrkräfte unter Berücksichtigung des länderspezifischen Besoldungsrechts den Besoldungsgruppen A 9 bis A 12, 12a vergleichbar sind, eine künftige Besserstellung vereinbart. Es soll schrittweise eine Zuordnung nach der sog. „Parallel-Tabelle“ erfolgen. Beabsichtigt ist im Ergebnis die Anhebung der angestellten Lehrkraft um eine Entgeltgruppe, was in zahlreichen Fällen zu einem Gleichlauf von Besoldungsgruppe und Entgeltgruppe führt (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Teil IIIb 3/1 - Erfüller Stand September 2019 Rn. 412 ff.). Die Gewährung der Angleichungszulage ist gleichsam als „Einstieg in die Parallel-Tabelle“ zu verstehen (Geyer ZTR 2015, 483, 485 unter Ziff. 4.2).

24(2) Wird eine Angleichungszulage gezahlt, führt das noch nicht zu einer Höhergruppierung. Diese erfolgt erst am Ende der Angleichungsphase mit dem Wirksamwerden der „Parallel-Tabelle“. Folglich unterbleibt während der Angleichungsphase die bei Höhergruppierungen nach § 12 Abs. 5 TVÜ-Länder idF des § 9 TV EntgO-L stattfindende Anrechnung des Unterschiedsbetrags zum bisherigen Entgelt auf den Strukturausgleich. Auch die Stufenzuordnung bleibt in dieser Zeit unverändert (Klaßen in Sponer/Steinherr TV-L Vor 2620-L TV EntgeltO-L Stand August 2016 Rn. 465). Nach einer Höhergruppierung richtet sich die Stufenzuordnung demgegenüber nach § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L.

25bb) Die Tarifvertragsparteien haben sowohl bezüglich der Eingruppierung für den Fall einer Höhergruppierung nach der neuen Entgeltordnung als auch bezüglich der Entgeltgruppenzulage und der Angleichungszulage ein fristgebundenes Antragserfordernis vereinbart (§ 29a Abs. 4 und Abs. 5 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L).

26(1) Hinsichtlich der Eingruppierung begründet sich das Antragserfordernis mit dem Umstand, dass eine Höhergruppierung nach neuem Eingruppierungsrecht für manche von der Überleitung betroffenen Lehrkräfte wegen der Auswirkungen auf den Strukturausgleich und die Stufenzuordnung nachteilig sein kann. Zwar wurden alle Lehrkräfte in die neue Entgeltordnung übergeleitet. Sie sollten aber nach den in § 29a TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L festgelegten Maßgaben bei unverändert auszuübender Tätigkeit trotz Erfüllung der Voraussetzungen einer höheren Entgeltgruppe nach der neuen Entgeltordnung die Wahl haben, ob sie unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe an dem damit verbundenen Besitzstand festhalten oder mit dem fristgerechten Stellen eines Höhergruppierungsantrags das Eingreifen der Tarifautomatik des neuen Eingruppierungsrechts herbeiführen wollen (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Teil B 5 § 11 TV EntgO-L Stand Juli 2016 Rn. 30 ff.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Teil IIIb § 11 TV EntgO-L Stand April 2016 Rn. 69 ff.; Klaßen in Sponer/Steinherr TV-L Vor 2620-L TV EntgeltO-L Stand August 2016 Rn. 507 ff.). Dies entspricht der Überleitung in andere Entgeltordnungen des öffentlichen Dienstes (vgl. zu § 29a TVÜ-Länder  - Rn. 19 ff.; zu § 29a TVÜ-VKA  - Rn. 19 mwN; - 6 AZR 41/20 - Rn. 25 mwN; zu § 26 TVÜ-Bund  - Rn. 30 mwN, BAGE 168, 13).

27(2) Entgegen der Auffassung der Revisionen kann auch die bloße Beantragung einer Angleichungszulage zu negativen Auswirkungen führen, denn diese Antragstellung bewirkt, dass die Lehrkraft endgültig nach der EntgO-L eingruppiert ist, welche ab dem den Anspruch auf die Angleichungszulage begründet (vgl. Klaßen in Sponer/Steinherr TV-L Vor 2620-L TV EntgeltO-L Stand August 2016 Rn. 538). Die Antragstellung führt zwar nicht zwangsläufig dazu, dass sich unmittelbar die Eingruppierung in eine andere als die bisherige Entgeltgruppe ergibt. Mit Beantragung der Angleichungszulage wird aber das Verfahren auf die künftige individuelle Höhergruppierung entsprechend der „Parallel-Tabelle“ ausgelöst (vgl. BeckOK TV-L EntgO/Winter TV-L EntgO-L § 11 Stand Rn. 39 f.). Die Lehrkraft befindet sich dann nicht mehr lediglich unter dem „Dach der EntgO-L“ (so Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Teil B 5 § 11 TV EntgO-L Stand Juli 2016 Rn. 67), vielmehr greift die Tarifautomatik der neuen Entgeltordnung. Die Lehrkraft kann aufgrund dieser Tarifautomatik Entgeltnachteile zB durch die Kürzung des Strukturausgleichs bei ihrer im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der „Parallel-Tabelle“ eintretenden Höhergruppierung nicht mehr vermeiden. Gleiches gilt, wenn aufgrund einer Änderung des beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgesetzes die Stellen vergleichbarer beamteter Lehrkräfte höher bewertet werden. Derartige Verbesserungen im Besoldungsbereich werden nach dem TV EntgO-L im Sinne eines „mitschwingenden Systems“ automatisch auf den Tarifbereich übertragen (Geyer ZTR 2015, 483, 485 unter Ziff. 4.1; Winter ZTR 2016, 123, 125 unter Ziff. 2.2.1). Das befristete Antragsrecht in § 29a TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L kommt dann wegen der bereits eingreifenden Tarifautomatik nicht mehr zum Tragen. Dieser Verbindung zwischen Angleichungszulage und späterer Höhergruppierung entspricht § 29a Abs. 5 Satz 3 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L, welcher für den Fall eines Anspruchs auf eine höhere Entgeltgruppe den Antrag auf eine Angleichungszulage als Antrag auf Eingruppierung in die höhere Entgeltgruppe rückwirkend zum gelten lässt.

28(3) Vor dem Hintergrund dieser Verknüpfung hatten die Lehrkräfte im Anwendungsbereich des § 29a TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L auch bezogen auf die Angleichungszulage innerhalb einer von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich bestimmten Frist zu prüfen, ob sich die materielle Anwendbarkeit der EntgO-L für sie als sinnvoll darstellt oder nicht. Die von den Revisionen angenommene teleologische Reduktion würde in Widerspruch hierzu zu einem Entfall der Antragsfrist führen. Damit würde keine unbewusste oder nachträglich entstandene Regelungslücke tarifkonform geschlossen, sondern im Gegenteil der Regelungsplan der Tarifvertragsparteien missachtet. Dies ist mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie nicht zu vereinbaren.

293. Entgegen der Ansicht der Revisionen ist § 29a Abs. 3 Satz 5, Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

30a) Die Regelung gilt für alle dem Anwendungsbereich des § 29a TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L unterfallenden Lehrkräfte, dh. für die Lehrkräfte, die von der Überleitung in den TV-L betroffen waren und für die Lehrkräfte, die zwischen dem und dem neu eingestellt wurden (vgl. § 29a Abs. 1 TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L). Die Schaffung eines zeitlich befristeten Antragserfordernisses bezüglich der Angleichungszulage ist vom Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien umfasst (vgl. hierzu  - Rn. 38 mwN; - 6 AZR 563/18 - Rn. 19 ff., BAGE 169, 163). Die Klageparteien werden dabei nicht gegenüber den Lehrkräften ungerechtfertigt benachteiligt, die die Angleichungszulage fristgerecht beantragt haben.

31aa) Es handelt sich um die Bestimmung einer fristgebundenen Anspruchsvoraussetzung für die Überleitung in ein neues Entgeltsystem, welche lediglich sachlich vertretbar sein muss. Ein solches Antragserfordernis ist jedenfalls dann eindeutig sachlich vertretbar, wenn die tarifvertraglichen Regelungen nicht nur eine tendenzielle bzw. potentielle Erhöhung der Vergütung, sondern im Interesse der Wahrung des Besitzstands der Beschäftigten auch eine unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen zulassen. Das fristgebundene Antragserfordernis dient in dieser Konstellation der Rechtssicherheit. Es soll damit innerhalb eines definierten Zeitraums Klarheit über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses nach der Überleitung geschaffen werden.

32bb) Dies ist hier bezogen auf die Eingruppierung der Fall, denn § 29a TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L sieht in Absatz 1 erst bei Eingruppierungen ab dem die zwingende Geltung der neuen Eingruppierungsregelungen vor und lässt in Absatz 2 für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit - wie dargelegt - die Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe ohne Prüfung der Eingruppierungsvoraussetzungen nach neuem Recht zu. Hinsichtlich der Angleichungszulage ist das fristgebundene Antragserfordernis im Gegensatz zur Auffassung der Revisionen wegen der dargestellten Verknüpfung der Angleichungszulage mit der Geltung des neuen Eingruppierungsrechts und den damit verbundenen denkbaren Entgeltnachteilen sachlich begründet.

33b) Die Klageparteien werden auch nicht gegenüber den ab dem neu eingestellten Lehrkräften iSv. § 44 TV-L benachteiligt, die allesamt ohne Anwendbarkeit des Überleitungsrechts und damit ohne Antragserfordernis den Regelungen des TV EntgO-L und damit auch der tariflichen Ausgestaltung der Angleichungszulage unterfallen. Die beiden Beschäftigtengruppen sind nicht vergleichbar. Sie befinden sich in unterschiedlichen Situationen. Nur bei den überzuleitenden Lehrkräften stellte sich die Frage der Wahrung des Besitzstands verbunden mit der Abwägung der Vor- und Nachteile der neuen Entgeltordnung. § 29a TVÜ-Länder idF des § 11 TV EntgO-L dient der Auflösung dieses spezifischen Spannungsverhältnisses (vgl. zu § 29b TVÜ-VKA  - Rn. 28 ff.).

34II. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 97 Abs. 1 ZPO iVm. § 100 Abs. 2 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:270122.U.6AZR216.21.0

Fundstelle(n):
NAAAI-62023