Betrug durch falsche Polizeibeamten durch Sichverschaffen und Verwendung von Girokarten und Geheimzahlen: Einziehung des Werts von Taterträgen
Gesetze: § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 263 StGB
Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 51 KLs 2/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in elf Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und Taterträge im Wert von 24.585,96 € eingezogen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Überprüfung des Schuldspruchs und des Strafausspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
32. Der Einziehungsausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung hingegen nicht in vollem Umfang stand.
4a) Nach den Feststellungen täuschte ein sich als Polizeibeamter ausgebender Mittäter des Angeklagten die betagten Geschädigten telefonisch darüber, dass Vermögensstraftaten zu ihrem Nachteil bevorstünden und ihre Girokarten aus Sicherheitsgründen gesperrt werden sollten. Irrtumsbedingt händigten die Geschädigten daher ihre Girokarten dem Angeklagten oder einem weiteren Mittäter als vermeintliche Polizeibeamte aus und gaben überdies die zugehörige Geheimzahl (PIN) preis. In den Fällen, in denen der Angeklagte die Girokarten nicht selbst abholte, erhielt er sie später. In allen Fällen hob er – nach Maßgabe des gemeinsamen Tatplans – mithilfe der ihm überlassenen Bankkarten und der ihm bekannten PIN an Geldautomaten Bargeld von den Girokonten der Geschädigten ab. Teilweise erwarb er absprachegemäß in Ladengeschäften auch Waren, für deren Bezahlung er die Karten ebenso einsetzte. Der Wert der von den Mittätern insgesamt erlangten Tatbeute betrug 24.585,96 €. Der Angeklagte erhielt jeweils einen nicht mehr gegenständlich vorhandenen Teil des abgehobenen Bargelds oder der Waren.
5b) Das Landgericht hat die Voraussetzungen der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB grundsätzlich rechtsfehlerfrei bejaht. Ein Vermögenswert ist nach § 73 Abs. 1 StGB „durch die Tat“ erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann, und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 399/20 Rn. 36; vom – 1 StR 529/19 Rn. 11 und vom – 4 StR 486/18 Rn. 9).
6Dies ist hier der Fall. Die – unter Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeurteilten – Betrugstaten waren vollendet, als sich die Mittäter die Girokarten und die Kenntnis der Geheimzahlen täuschungsbedingt verschafft hatten. Der Besitz einer Bankkarte und der zugehörigen Geheimzahl ermöglichte es den Tätern, jederzeit Abhebungen vorzunehmen, so dass bereits ein Gefährdungsschaden eintrat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 63/21 Rn. 30; vom – 3 StR 109/16 Rn. 8 f.; vom – 2 StR 16/15 Rn. 13; vom – 2 StR 15/15 Rn. 12 und vom – 2 StR 553/12 Rn. 2). Die späteren Transaktionen des Angeklagten mithilfe der Girokarten und Geheimzahlen führten zu einer Vertiefung und Verfestigung des Betrugsschadens; diese Ausführungshandlungen waren im materiell-rechtlichen Sinne Teil der Betrugstaten (vgl. Rn. 35 f.). Denn ein Betrug ist erst beendet, wenn der Vermögensvorteil beim Täter endgültig eingetreten ist (vgl. Rn. 5). Maßgeblich ist hierbei die Erlangung des (letzten) vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils (vgl. Rn. 6 mwN). Das von ihm abgehobene Bargeld und die erworbenen Waren erlangte der Angeklagte daher im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB noch „durch“ die Betrugstaten.
7c) Die Strafkammer hat jedoch rechtsfehlerhaft übersehen, dass der Angeklagte über einen weiteren Bargeldbetrag in Höhe von 1.100 € keine Verfügungsgewalt erhielt. Diese Summe händigte die Geschädigte im Fall II.10 der Urteilsgründe einem Mittäter des Angeklagten aus, der ihre Bankkarte abholte. Dass dem Angeklagten auch dieser Betrag im Sinne einer zumindest vorübergehenden Mitverfügungsgewalt (vgl. Rn. 8) zugute gekommen wäre, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Derartige Feststellungen sind auch nicht mehr zu erwarten. Der Senat setzt daher die Einziehungsanordnung in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO entsprechend herab.
8Zudem verschaffte der Angeklagte nach den Urteilsgründen weiteren Tatbeteiligten zumindest Mitverfügungsgewalt an der von ihm vereinnahmten Tatbeute. Daher ist seine gesamtschuldnerische Haftung in die Entscheidungsformel aufzunehmen, ohne dass es der individuellen Benennung anderer Gesamtschuldner bedürfte (vgl. Rn. 2 mwN). Dies holt der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nach.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:010322B4STR357.21.0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 1399 Nr. 19
NJW 2022 S. 9 Nr. 18
XAAAI-61253