Auf eine Woche befristete Möglichkeit der Einsichtnahme des in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozessbevollmächtigten
in die Betriebsprüfungs- und Steuerakten des Mandanten in den Diensträumen eines in der Nähe der Kanzlei des Bevollmächtigten
befindlichen Amtsgerichts
Ermessen des FG bei der Bestimmung des Orts für eine Akteneinsicht
kein Anspruch auf Einsicht in dem FG nicht vorliegende Akten der Steuerfahndung
Leitsatz
1. Beträgt die Straßenverbindung des Prozessbevollmächtigten von seiner Kanzlei zum Finanzgericht über die Autobahn 177 km
und dauert eine Bahnfahrt mindestens drei Stunden, so ist es in einem Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ermessensgerecht,
dem Antrag des Bevollmächtigten auf Einsicht in die in Papierform geführten Betriebsprüfungs- und Steuerakten in den Diensträumen
des seiner Kanzlei nächstgelegenen Amtsgerichts befristet für die für die Dauer einer Woche, beginnend mit dem auf die Benachrichtigung
vom Akteneingang beim Amtsgericht folgenden Tag zuzüglich Postlaufzeiten und der für die Benachrichtigung erforderlichen Zeit,
zu entsprechen.
2. Über den Antrag auf Akteneinsicht in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidet das FG in Besetzung mit
drei Berufsrichtern.
3. Der Anspruch auf Akteneinsicht umfasst nur diejenigen Akten, die dem Gericht tatsächlich vorliegen, nicht aber die dem
Gericht nicht vorliegenden Akten der Steuerfahndung. Aus dem Anspruch auf Akteneinsicht folgt auch kein Anspruch auf Beiziehung
bisher nicht vorliegender Akten.
4. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes steht für eine Akteneinsicht die Auswahl der Diensträume, falls nicht die
Akteneinsicht in den Diensträumen des Gerichts begehrt wird, im Ermessen des Gerichts. Dies gilt auch für die Übersendung
der Akten zur Einsichtnahme in anderen Diensträumen als denen des angerufenen Finanzgerichts. Der Beteiligte hat Anspruch
auf eine solche Ermessensentscheidung.
5. Das Ermessen ist vorgeprägt. Eine Beschränkung auf Akteneinsicht in den Diensträumen des Gerichts bildet hierbei die Ausnahme
von dieser Vorprägung. In der Regel ist Akteneinsicht in den vom Beteiligten gewählten Diensträumen zu gewähren, wobei dies
auf Diensträume in der Nähe des Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten beschränkt ist.
6. 78 Abs. 3 Satz 1 FGO begründet weder seinem Wortlaut nach noch unter sonstigen Gesichtspunkten die „freie Wahl” der Diensträume,
losgelöst von sonstigen Belangen des gerichtlichen Verfahrens. Eine Übersendung der Akten zur Einsicht in anderen Diensträumen
als denjenigen des angerufenen Gerichts kann vielmehr im Wege des Ermessens ausscheiden, wenn die Akten nicht entbehrlich
sind. Zum einen sind die Interessen des Beteiligten an der Ersparnis von Zeit und Kosten mit dem dienstlichen Interesse an
einem geordneten Geschäftsgang, insbesondere der jederzeitigen Verfügbarkeit der Akten im Gericht abzuwägen; zum anderen ist
der Gedanke der Waffengleichheit der Beteiligten zu berücksichtigen.
Fundstelle(n): DStR 2023 S. 635 Nr. 10 QAAAI-61089
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