BGH Urteil v. - VIII ZR 133/20

Rechtsschutzbedürfnis bei Leistungklagen: Fehlende Schutzwürdigkeit nur in Ausnahmefällen; Klage auf Erteilung von Auskunft über die für die Zulässigkeit der zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbarten Miete maßgeblichen Tatsachen nach den Vorschriften über die sog. Mietpreisbremse

Leitsatz

1. Mit dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung des durch Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Justizgewährleistungsanspruchs soll (lediglich) verhindert werden, dass die Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausgenutzt wird (im Anschluss an , GRUR 1976, 256 unter II; vom - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031 unter II 2 a; jeweils mwN). Nur ausnahmsweise können deshalb bei Leistungsklagen besondere Umstände das Verlangen des Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen (im Anschluss an , BGHZ 195, 174 Rn. 51; vom - VIII ZR 99/17, NJW-RR 2018, 1285 Rn. 10).

2. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, mit der - gestützt auf die Vorschrift des § 556g Abs. 3 BGB - die Erteilung von Auskunft über die für die Zulässigkeit der zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbarten Miete maßgeblichen Tatsachen nach den Vorschriften über die sogenannte Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) begehrt wird, kann nicht mit dem materiell-rechtlichen Gesichtspunkt verneint werden, auf die verlangten Auskünfte zu den Ausnahmetatbeständen der §§ 556e und 556f BGB komme es nicht an, weil der Vermieter sich zur Rechtfertigung der vereinbarten Miete lediglich auf die ortsübliche Vergleichsmiete berufe und andere Gründe für die Zulässigkeit der Miethöhe nicht geltend mache. Die Berechtigung des geltend gemachten materiellen Klagebegehrens ist von der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage abzugrenzen; sie ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage.

Gesetze: § 556d BGB, § 556e BGB, § 556f BGB, § 556g Abs 3 BGB, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: Az: 64 S 95/19 Urteilvorgehend Az: 220 C 111/18

Tatbestand

1Die Klägerin, eine in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, macht aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung der beklagten Vermieterin Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom , in Kraft getreten am ) geltend.

2Die Klägerin bietet über die von ihr betriebene Internetseite "www.w.          .de" die Möglichkeit an, nach Eingabe entsprechender Wohnungsdaten mittels eines "Mietpreisrechners" online die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel für eine den Angaben entsprechende Wohnung zu ermitteln. Nach Durchführung der Berechnung besteht für den Anwender weiter die Möglichkeit, die Klägerin gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Klicken eines Buttons, der die Aufschrift "Mietsenkung beauftragen" trägt, mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Forderungen sowie etwaiger Feststellungsbegehren gegen seinen Vermieter "im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse" zu beauftragen.

3Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten in der hier maßgeblichen Fassung vom unter Ziffer 3 eine Regelung zur Vergütung der Klägerin. Darin heißt es unter anderem:

"3.1 Wir erhalten (i) eine Vergütung in Höhe von einem Drittel (33,33 %) der ersparten Jahresmiete, d.h. der Ersparnis für 4 Monate (nachfolgend auch "Provision" genannt), sowie, sobald wir dem Vermieter eine Mahnung schicken, (ii) eine Vergütung in der Höhe wie sie einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen würde (nachfolgend auch "RVG-Gebühr" genannt; die Provision und die RVG-Gebühr nachfolgend zusammen auch "Vergütung" genannt) […]."

4Die Beklagte ist Eigentümerin einer Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt und durch den Voreigentümer nach Inkrafttreten der genannten Verordnung an P.   B.   (im Folgenden: Mieter) vermietet worden war.

5Der Mieter beauftragte die Klägerin unter Einbeziehung von deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der Durchsetzung seiner Ansprüche aus der sogenannten Mietpreisbremse. Er trat dazu seine Ansprüche gegen den Vermieter auf Auskunftserteilung, auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete - beschränkt auf die vier nach der Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB aF fälligen Monatsmieten -, auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt, auf (teilweise) Rückzahlung beziehungsweise (teilweise) Freigabe der Mietkaution sowie gegebenenfalls weitere Ansprüche im Zusammenhang mit der künftigen Herabsetzung der Miete einschließlich Nebenforderungen an die Klägerin ab.

6Mit Schreiben vom rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten - unter Berufung auf die vorgenannte Beauftragung und Forderungsabtretung - gemäß § 556g Abs. 2 BGB aF einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung. Sie verlangte unter Fristsetzung Auskunft unter anderem über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietverhältnisses vereinbarte Mieterhöhungen, über in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen und einen sich gegebenenfalls hieraus ergebenden Betrag einer Mieterhöhung sowie darüber, ob es sich bei dem bestehenden Mietverhältnis um die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung handele. Ferner begehrte die Klägerin die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung der Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.

7Mit der Klage hat die Klägerin die vorgenannten Auskunftsansprüche geltend gemacht und die Rückzahlung für den Monat April 2018 zu viel geleisteter Miete in Höhe von 144,68 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten (sog. "RVG-Gebühr") in Höhe von 534,31 €, jeweils nebst Zinsen, verlangt.

8Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin mangels Wirksamkeit der Abtretung nicht aktivlegitimiert sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 144,68 € nebst Zinsen verurteilt; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Auskunftsbegehren sowie das auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen gerichtete Zahlungsbegehren weiter.

Gründe

9Die Revision hat teilweise Erfolg.

I.

10Das Berufungsgericht (, ZMR 2020, 584) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

11Die Klage sei hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs unzulässig, da es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Auf die verlangten Auskünfte komme es im Streitfall für das Begehren des Mieters, sich gegen eine überhöhte Miete zu wehren, nicht an. Hierfür sei erforderlich, dass der Vermieter sich nach einer Rüge des Mieters zur Rechtfertigung der vereinbarten Miethöhe auf die Ausnahmetatbestände der §§ 556e, 556f BGB berufe oder Anhaltspunkte für ein entsprechendes künftiges Verhalten des Vermieters bestünden. Die Beklagte habe hingegen lediglich geltend gemacht, dass die vereinbarte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entspreche.

12Die Klägerin sei aufgrund einer wirksamen Abtretung Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete. Zwar ließen sich ihr Geschäftsmodell und ihre Tätigkeit entgegen der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs nicht als Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 RDG verstehen. Indes führe der Verstoß gegen das Verbot des § 3 RDG aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht dazu, dass neben dem auf die Herabsetzung der vertraglichen Miete gerichteten Dienstleistungsvertrag gemäß §§ 134, 139 BGB auch die Abtretung der streitgegenständlichen Forderung nichtig wäre. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch bestehe gemäß § 556g Abs. 1 und 2, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die vereinbarte und nach der Rüge unter Vorbehalt geleistete Miete die noch zulässige Nettokaltmiete um 144,68 € überschreite.

13Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sei allerdings nicht gegeben. Die Klägerin könne für ihre Tätigkeit keine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verlangen, da es an der nach Nr. 3.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin erforderlichen Mahnung betreffend die überzahlten Mietzinsansprüche fehle.

II.

14Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage zulässig; insbesondere besteht, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, ein Rechtsschutzbedürfnis für die auf Erteilung von Auskünften gemäß § 556g Abs. 3 BGB gerichtete Klage. Hingegen hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend den von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachten Anspruch des Mieters auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen verneint, weil sich der Mieter einer entsprechenden Vergütungsforderung der Klägerin nicht ausgesetzt sieht.

151. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht rügt, rechtsfehlerhaft angenommen, der Klage fehle es im Hinblick auf den geltend gemachten Auskunftsanspruch an einem Rechtsschutzbedürfnis (so aber auch , juris; Urteil vom - 64 S 44/19, juris; vgl. zudem BeckOK-BGB/Schüller, Stand: , § 556g Rn. 34).

16a) Es hat hierbei verkannt, dass mit dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung des durch Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Justizgewährleistungsanspruchs (lediglich) verhindert werden soll, dass die Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausgenutzt wird (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 1976, 256 unter II; vom - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031 unter II 2 a; jeweils mwN; ebenso Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., Vorb. vor § 253 Rn. 78; zur Schutzrichtung siehe auch MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., Vorb. zu § 253 Rn. 11 f.). Es sollen solche Klagebegehren nicht in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die - gemessen am Zweck des Zivilprozesses - ersichtlich eines staatlichen Rechtsschutzes durch eine materiell-rechtliche Prüfung nicht bedürfen (vgl. , BGHZ 195, 174 Rn. 51; vom - VIII ZR 4/13, WuM 2014, 558 Rn. 18; vom - I ZR 58/16, WRP 2017, 1488 Rn. 37; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., Einleitung vor § 253 Rn. 133; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, aaO Rn. 11). Rechtsschutz kann unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt deshalb nur unter engen Voraussetzungen versagt werden (vgl. , aaO; Stein/Jonas/Roth, aaO).

17Bei Leistungsklagen - wie hier - ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (st. Rspr.; vgl. nur , NJW 2010, 1135 Rn. 7; vom - III ZR 266/11, aaO; vom - VIII ZR 4/13, aaO Rn. 17; vom - VIII ZR 99/17, NJW-RR 2018, 1285 Rn. 10). Erfüllt der Schuldner einen Anspruch nicht freiwillig, ist der Gläubiger auf eine gerichtliche Entscheidung angewiesen, um den Anspruch notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen zu können (Wieczorek/Schütze/Assmann, aaO). Nur ausnahmsweise können deshalb besondere Umstände das Verlangen eines Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. , aaO; vom - VIII ZR 99/17, aaO).

18b) Diesem Maßstab wird die seitens des Berufungsgerichts erfolgte Ablehnung eines Rechtsschutzbedürfnisses für das Auskunftsbegehren der Klägerin nicht gerecht.

19Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht den Auskunftsanspruch des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB geltend, dem die Beklagte als Vermieterin trotz vorgerichtlichen Auskunftsverlangens nicht nachgekommen war. Sie ist somit für die Durchsetzung des Anspruchs auf gerichtliche Hilfe angewiesen. In einem solchen Fall liegt ein Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich vor. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin - im Sinne der oben genannten Rechtsprechung - prozessfremde Ziele verfolgen oder die Gerichte "unnütz bemühen" würde, sind weder vom Berufungsgericht festgestellt worden noch sind sie sonst ersichtlich.

20Mit seiner Annahme, ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs sei nicht erkennbar, da es auf die verlangten Auskünfte zu den Ausnahmetatbeständen der §§ 556e und 556f BGB nicht ankomme, wenn sich der Vermieter - wie hier - zur Rechtfertigung der vereinbarten Miete lediglich auf die ortsübliche Vergleichsmiete berufe und andere Gründe für die Zulässigkeit der Miethöhe nicht geltend mache, hat das Berufungsgericht - rechtsfehlerhaft - auf materiell-rechtliche Gesichtspunkte abgestellt, die nicht geeignet sind, bereits das Rechtsschutzbedürfnis an einer Sachprüfung des erhobenen Anspruchs zu verneinen (vgl. auch Senatsurteil vom - VIII ZR 99/17, NJW-RR 2018, 1285 Rn. 12 [zum Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens]). Das Berufungsgericht hat dabei grundlegend verkannt, dass die Berechtigung des geltend gemachten materiellen Klagebegehrens von der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage abzugrenzen ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., Vor § 253 Rn. 18; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 90 Rn. 33) und dass der von ihm aus dem materiellen Recht hergeleitete - vermeintliche - Mangel eines Interesses der Klägerin an den begehrten Auskünften damit keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage ist (vgl. hierzu Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., Vorb. vor § 253 Rn. 104 mwN).

212. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht hingegen einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten (in Gestalt einer Geschäftsgebühr nach § 2 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV RVG) in Höhe von 534,31 € nebst Zinsen verneint.

22a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen den Vermieter auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (§ 249 Abs. 1, § 257 BGB) haben kann, wenn der Vermieter schuldhaft seine Pflicht verletzt hat, von seinem Mieter nur die höchstzulässige Miete zu verlangen, und sich der Mieter wegen der von ihm daraufhin bei einem Inkassodienstleister in Auftrag gegebenen Geltendmachung seiner Ansprüche nach § 556g Abs. 1 Satz 3, § 556g Abs. 3 BGB einer entsprechenden Vergütungsforderung ausgesetzt sieht (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 116 und 118). Ein solcher Freistellungsanspruch des Mieters kommt zudem in Betracht, wenn der Vermieter mit der Erfüllung der von dem Mieter geltend gemachten Auskunfts- oder Zahlungsansprüche gemäß § 556g BGB in Verzug gerät (§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB).

23In beiden Fällen wandelt sich der Freistellungsanspruch des Mieters gegen den Vermieter aufgrund der Abtretung an den Inkassodienstleister in einen Zahlungsanspruch um (vgl. , BGHZ 189, 45 Rn. 14; vom - V ZR 102/15, NJW 2016, 2407 Rn. 15; vom - VIII ZR 45/19, aaO Rn. 118).

24b) Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nach den vorgenannten Anspruchsgrundlagen scheidet jedoch hier bereits deshalb aus, weil sich der Mieter der geltend gemachten Vergütungsforderung der Klägerin nicht ausgesetzt sieht und deshalb von der Beklagten eine diesbezügliche Freistellung nicht verlangen kann.

25aa) Die Klägerin stützt den Vergütungsanspruch für die vorgerichtliche Tätigkeit auf Ziffer 3.1 Satz 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das Berufungsgericht hat diese Regelung rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen dahingehend ausgelegt, dass die neben der als "Provision" bezeichneten erfolgsabhängigen Vergütung in Höhe von einem Drittel der ersparten Jahresmiete (Ziffer 3.1 Satz 1 Unterpunkt (i) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) vorgesehene sogenannte "RVG-Gebühr" nach Ziffer 3.1 Satz 1 Unterpunkt (ii) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von dem Mieter nur im Falle einer nach Übersendung des Rügeschreibens - tatsächlich - erfolgten Mahnung gegenüber dem Vermieter geschuldet ist.

26bb) Hiervon ausgehend ist die - die Versagung des Anspruchs selbständig tragende - Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne für ihre Tätigkeit mangels Mahnung die geltend gemachte "RVG-Gebühr" nicht verlangen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe eine Mahnung im Sinne von Ziffer 3.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht verschickt; auch sei eine solche nicht bereits in dem Rügeschreiben selbst enthalten gewesen. Sie macht hiergegen geltend, das Berufungsgericht habe gehörswidrig von ihr gehaltenen entscheidungserheblichen Vortrag übergangen, wonach sie der Beklagten nach Ablauf der im Rügeschreiben vom Februar 2018 gesetzten Frist ein Mahnschreiben zugestellt und darin Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangt habe.

28Diese Rüge geht bereits deshalb fehl, weil es sich bei der von der Revision als fehlerhaft beanstandeten - vermeintlichen - Würdigung um eine tatbestandliche Feststellung des Berufungsgerichts handelt (vgl. , BGHZ 188, 373 Rn. 12). Hierzu sind auch die in den Urteilsgründen getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu zählen (, NJW 1999, 641 unter II 1 a; vom - VIII ZR 7/18, BGHZ 221, 145 Rn. 49; jeweils mwN).

29Die vorbezeichnete Feststellung ist dem Revisionsverfahren zugrunde zu legen, weil die Klägerin sie nicht im Wege eines Tatbestandsberichtigungsantrags nach § 320 ZPO angegriffen hat (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 7/18, aaO). Eine Unrichtigkeit tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil kann nur mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung geltend gemacht werden (vgl. , juris Rn. 2). Hingegen kann mit Hilfe einer Verfahrensrüge eine Richtigstellung tatsächlicher Feststellungen nicht erreicht werden (vgl. , aaO).

30c) Die Klägerin hat auch nicht aufgrund des § 4 Abs. 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz in der hier maßgeblichen, vor dem geltenden Fassung (im Folgenden: RDGEG aF) einen - von dem vereinbarten Erfordernis eines Mahnschreibens unabhängigen - Anspruch gegen den Mieter auf Vergütung ihrer vorgerichtlichen Inkassotätigkeit. Nach dieser Vorschrift sind Inkassokosten für außergerichtliche Inkassodienstleistungen, die eine nicht titulierte Forderung betreffen, nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehenden Vergütung erstattungsfähig.

31Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung, die meint, die in Ziffer 3.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorgesehene Entstehung der "RVG-Gebühr" erst mit dem Mahnungsversand verstoße gegen § 4 Abs. 5 RDGEG aF, regelt die vorgenannte Bestimmung nicht das Innenverhältnis der Parteien des Inkassodienstleistungsvertrags. Vielmehr begrenzt sie - wie sich aus ihrem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte ergibt - die Erstattungsfähigkeit der von dem Inkassounternehmen und seinem Auftraggeber frei verhandelten Vergütung im Verhältnis des Auftraggebers (Forderungsgläubiger) zum Anspruchsgegner (Forderungsschuldner; vgl. BeckOK-Kostenrecht/Hüsgen, Stand: , § 4 RDGEG Rn. 3 und 18 f.; BT-Drucks. 17/13057, S. 12 und 22; BT-Drucks. 17/13429, S. 16; BT-Drucks. 17/14216, S. 6; BVerfG, WM 2020, 1451 Rn. 15). Sie begründet mithin weder eigenständig einen Vergütungsanspruch des Inkassodienstleisters gegen seinen Auftraggeber noch beschränkt sie den zulässigen Inhalt der Vereinbarungen zwischen Inkassounternehmen und Auftraggeber im Innenverhältnis.

III.

32Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Auskunftsanspruchs zum Nachteil der Klägerin entschieden hat. Es ist daher insoweit - unter Zurückweisung der weitergehenden Revision - aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht sich im Hinblick auf die von ihm verneinte Zulässigkeit der Klage mit dem geltend gemachten Auskunftsanspruch in der Sache nicht befasst und zu diesem auch keine (hinreichenden) tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Sie ist deshalb insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

33Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass (Fort-)Bestand und Umfang des Auskunftsanspruchs des Mieters gegen den Vermieter gemäß § 556g Abs. 3 Satz 1 BGB - anders als das Berufungsgericht bei seinen Erwägungen zum Rechtsschutzbedürfnis gemeint hat - grundsätzlich nicht davon abhängt, auf welchen Tatbestand der Vorschriften der §§ 556d ff. BGB sich der Vermieter gegenüber dem Mieter zur Rechtfertigung der vereinbarten Miethöhe beruft.

34Eine solche Beschränkung der Auskunftspflicht des Vermieters findet weder im Wortlaut der Vorschrift des § 556g Abs. 3 Satz 1 BGB noch in den Gesetzesmaterialien eine Grundlage. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Auskunftsanspruch als Mittel zur Durchsetzung des mit den Vorschriften der §§ 556d ff. BGB beabsichtigten sozialen Mieterschutzes (BT-Drucks. 18/3121, S. 33) - der Dämpfung der Miethöhe bei der Wiedervermietung auf angespannten Wohnungsmärkten (BT-Drucks. aaO S. 15) - angesehen. Deshalb soll der Auskunftsanspruch es dem Mieter ermöglichen, "die Berechtigung der vereinbarten Miete zu prüfen" (BT-Drucks. aaO S. 32), und die "preisbildenden Tatsachen" (BT-Drucks. aaO S. 2) sowie diejenigen Umstände umfassen, die der Mieter "zur Feststellung der ortsüblichen Miete oder eines Sondertatbestands (§§ 556e, 556f BGB-E) benötigt" (BT-Drucks. aaO S. 33 f.). Nach der gesetzlichen Systematik ist die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs weder in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt noch davon abhängig, dass der Vermieter dem Mieter in irgendeiner Weise konkreten Anlass zur (weiteren) Prüfung der Zulässigkeit der Miethöhe gegeben hätte.

35Der Gesetzgeber hat den Auskunftsanspruch zwar als Hilfsanspruch zu den auf Geldzahlung gerichteten Ansprüchen des Mieters ausgestaltet (vgl. BT-Drucks. aaO S. 33), deren Vorbereitung und Verwirklichung er dienen soll (vgl. , BGHZ 224, 89 Rn. 165; vom - VIII ZR 45/19, NZM 2020, 551 Rn. 74, insoweit in BGHZ 225, 352 nicht abgedruckt). Ob er aus diesem Grund dann nicht (mehr) besteht, wenn die verlangten Informationen die Zahlungsansprüche des Mieters im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse ausnahmsweise in keiner Weise beeinflussen können, dürfte aber unter den Gegebenheiten des Streitfalls offenbleiben können. Denn hier hat der Mieter jedenfalls deshalb ein fortbestehendes Interesse an den verlangten Auskünften, weil die Klägerin für ihn - was im Hinblick auf das Prozessrisiko und zur Vermeidung von Kosten legitim ist - neben dem Auskunftsanspruch einen Zahlungsanspruch lediglich für einen Monat geltend gemacht hat. Insoweit können die verlangten Auskünfte Bedeutung für die Entscheidung des Mieters über die Verfolgung weitergehender Zahlungsansprüche gegen die Beklagte haben, die ihrerseits nicht aus Rechtsgründen gehindert wäre, sich diesen Ansprüchen gegenüber zur Rechtfertigung der vereinbarten Miete auf einen Ausnahmetatbestand zu berufen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:230322UVIIIZR133.20.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2022 S. 660 Nr. 10
FAAAI-60248