Anforderungen an die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung eines Gerichts
Leitsatz
Aus dem "Jährlichkeitsprinzip" der Geschäftsverteilung folgt nicht, dass die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zum 1. Januar am Anfang der Liste neu beginnen muss; die Geschäftsverteilung kann auch vorsehen, dass die Heranziehung beim erreichten Stand der Liste fortzusetzen ist.
Gesetze: § 21e Abs 1 S 2 GVG, § 21e Abs 9 GVG, § 21g Abs 2 GVG, § 21e Abs 7 GVG, § 24 Abs 1 VwGO, § 25 VwGO, § 30 VwGO, § 34 VwGO, § 54 Abs 1 VwGO, § 130 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 133 Abs 3 S 3 VwGO, § 47 Abs 1 ZPO, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 5 Abs 2 S 1 BÄO, § 8 Abs 1 BÄO
Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 3 Bf 154/19 Urteilvorgehend Az: 17 K 4620/18
Gründe
I
11. Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner ärztlichen Approbation.
2Der 1959 geborene Kläger war seit 1984 als Arzt in verschiedenen Krankenhäusern und Arztpraxen im In- und Ausland tätig. Im Hinblick auf ein gegen ihn eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verzichtete er im Mai 2002 auf seine Approbation. Durch Urteil vom verurteilte ihn das Landgericht Hamburg wegen Abrechnungsbetrugs in 748 Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung sowie versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und verhängte ein vierjähriges Berufsverbot für die Ausübung einer Tätigkeit als Angestellter oder Selbständiger im Bereich des privatärztlichen Notdienstes. Im Jahr 2008 gründete der Kläger die "... mbH", deren Ziel es ist, Privatpatienten eine umfassende Betreuung zuhause in Form einer "virtuellen Klinik" anzubieten. In den Jahren 2011 und 2012 wurde dem Kläger jeweils eine einjährige Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 der Bundesärzteordnung - BÄO - für eine nicht leitende und nicht selbständige ärztliche Tätigkeit erteilt. Mit Wirkung zum erhielt der Kläger wieder die Approbation als Arzt.
3Der Kläger trat auch nach Wiedererlangung der Approbation strafrechtlich in Erscheinung: nach zwei Verurteilungen wegen Erschleichens von Leistungen in den Jahren 2013 und 2014 verurteilte ihn das Landgericht Frankfurt am Main durch - seit dem rechtskräftiges - Urteil vom wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten. Das Strafgericht hielt es für erwiesen, dass der Kläger im Dezember 2013 - und damit nur drei Monate nach Wiedererlangung seiner Approbation - drei älteren, zum Teil bettlägerigen und pflegebedürftigen Patienten unter Täuschung über die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung privatärztliche Leistungen aufgedrängt und in die Abrechnungen Gebührentatbestände aufgenommen hatte, ohne die entsprechenden Leistungen tatsächlich erbracht zu haben. Von einer Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung sah das Strafgericht mangels positiver Sozialprognose ab. Der Kläger erkenne die rechtlichen Rahmenbedingungen der ärztlichen Tätigkeit nicht an, deshalb bestehe die konkrete Gefahr neuer Straftaten im Zusammenhang mit der Berufsausübung als Arzt.
4Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die ärztliche Approbation. Im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung schlossen die Beteiligten einen Vergleich, nach dem der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerrufsverfahrens weder im Rahmen einer Tätigkeit als festangestellter Arzt noch sonst privatärztlich tätig werden und keine privatärztlichen Leistungen abrechnen darf.
5Widerspruchs- und Klageverfahren gegen die Widerrufsverfügung sind erfolglos geblieben. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen seine Berufungsentscheidung nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
62. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers benennt bereits keinen Zulassungsgrund (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). In der Sache enthält sie zwar eine Vielzahl von Verfahrensrügen; einen Verfahrensmangel, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), hat sie aber nicht aufgezeigt.
7a) Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass die ehrenamtlichen Richter M. und R. am Berufungsurteil nicht hätten mitwirken dürfen.
8aa) Gemäß § 34 i.V.m. § 25 VwGO werden ehrenamtliche Richter am Oberverwaltungsgericht auf fünf Jahre gewählt. Die Heranziehung der gewählten Richter zu den Sitzungen dagegen bestimmt das Präsidium nach § 34 i.V.m. § 30 Abs. 1 VwGO vor Beginn des Geschäftsjahres. Das Präsidium weist den Senaten jährlich ehrenamtliche Richter zu und bestimmt dabei in abstrakter Weise die Reihenfolge der Heranziehung. Zwischenzeitlich von ihrem Amt entbundene Personen (vgl. § 34 i.V.m. § 24 Abs. 1 VwGO) werden dabei nicht mehr berücksichtigt. Aus dem Beschwerdevortrag ergeben sich insoweit keine Zweifel daran, dass der Berufungssenat die Listen ordnungsgemäß geführt hat.
9Aus dem Dargelegten ergibt sich zugleich, dass die Rüge, für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter habe es an einer "kammerinternen Geschäftsverteilung" gefehlt, einen Verfahrensfehler nicht aufzeigt. Nach § 34 i.V.m. § 30 Abs. 1 VwGO liegt die Zuständigkeit zur Regelung der Heranziehung ehrenamtlicher Richter nicht beim jeweiligen Spruchkörper - hier also dem 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts -, sondern beim Präsidium.
10bb) Dass der Heranziehungsturnus nicht jedes Jahr neu beginnt, begründet ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Der Beschwerde liegt ein unzutreffendes Verständnis des für die Geschäftsverteilung geltenden "Jährlichkeitsprinzips" zugrunde.
11Nach § 4 Satz 1 VwGO i.V.m. § 21e Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt das Präsidium die Besetzung der Spruchkörper vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer; für die Heranziehung ehrenamtlicher Richter gilt nach § 34 i.V.m. § 30 Abs. 1 VwGO Entsprechendes. Die Geschäftsverteilungsbeschlüsse wirken danach nicht über das laufende Geschäftsjahr hinaus; sie treten am Ende des Geschäftsjahres nach dem "Jährlichkeitsprinzip" von selbst außer Kraft (vgl. 3 C 19.88 - Buchholz 300 § 21e GVG Nr. 19 S. 2 = juris Rn. 33). Es ist daher nicht zwingend, dass ein Richter oder Spruchkörper auch unter Geltung des nächsten Geschäftsverteilungsplans noch für die ihm einmal zugewiesene Sache zuständig bleiben muss ( - NJW 1999, 796 Rn. 18).
12Hieraus folgt aber nicht, dass der für das nächste Jahr geltende Geschäftsverteilungsplan nicht an die Regelungen des letzten Geschäftsverteilungsplans anknüpfen dürfte. Möglich - und in der Praxis üblich - ist vielmehr auch die Bestimmung, dass der Spruchkörper oder Richter in den Sachen, für die nach den bisherigen Bestimmungen eine Zuständigkeit begründet wurde, bis zu ihrer Erledigung zuständig bleibt (vgl. Kissel/Mayer, GVG Kommentar, 10. Aufl. 2021, § 21e Rn. 149). Durch eine derartige Kontinuität wird die Möglichkeit, die zur Entscheidung berufenen Richter für einen Einzelfall auszuwählen oder zu "manipulieren" in besonderer Weise vermieden (vgl. BVerfG, Beschluss des Plenums vom - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322 Rn. 25).
13Auch die vom Kläger beanstandete Fortführung von Listen, durch die an den bisherigen Stand angeknüpft und er im neuen Geschäftsjahr fortgeschrieben wird, begegnet danach keinen rechtlichen Bedenken. Weder das "Jährlichkeitsprinzip" noch eine andere Regelung zwingen dazu, die Zuteilung zum 1. Januar auf "Null" zu stellen und am Anfang der Liste neu zu beginnen (vgl. 6 C 30.73 - Buchholz 310 § 30 VwGO Nr. 5 S. 4 m.w.N.). Dies gilt sowohl für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter als auch für die Mitwirkung der Mitglieder des Senats nach dessen Geschäftsverteilung, soweit diese keinen Turnus vorsieht (vgl. § 4 Satz 1 VwGO i.V.m. § 21g Abs. 2 GVG).
14cc) Die Annahme des Klägers, der Urlaub eines ehrenamtlichen Richters stelle keine Verhinderung dar, sodass der Termin vertagt werden müsse, trifft nicht zu. Ein im Urlaub befindlicher ehrenamtlicher Richter ist an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verhindert und muss durch seinen Vertreter ersetzt werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 3 ER 210.69 - Buchholz 310 § 30 VwGO Nr. 4 und vom - 7 C 5.76 - Buchholz 310 § 30 VwGO Nr. 13).
15dd) Auch hinsichtlich der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter für den Verhandlungstermin vom hat die Beschwerde einen Verfahrensfehler nicht dargelegt.
16Den vorgelegten Listen zur Heranziehung der ehrenamtlichen Richter des 3. Senats kann entnommen werden, dass die ehrenamtlichen Richter zeitlich in der Reihenfolge nicht der Sitzungstage, sondern der Ladungen herangezogen wurden. Das ist zulässig ( 7 C 78.84 - Buchholz 310 § 30 VwGO Nr. 20 S. 10 f. = juris Rn. 16 und vom - 7 C 11.90 - BVerwGE 88, 159 <163 f.> = juris Rn. 16; Beschluss vom - 8 B 114.00 - Buchholz 11 Art. 101 GG Nr. 19 Rn. 5) und angesichts der einfachen Handhabbarkeit für die Geschäftsstellen auch nicht unüblich (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 30 Rn. 2).
17Ausgehend hiervon trifft die Rüge, die in der Liste der ehrenamtlichen Richter für das Jahr 2021 nachrangig geführten ehrenamtlichen Richter U. und W. hätten nicht für den früheren Termin vom , sondern - anstelle der zuvor gelisteten ehrenamtlichen Richter M. und R. - für die mündliche Verhandlung vom geladen werden müssen, nicht zu. Aus der Senatsliste für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter ergibt sich, dass die Ladungen für die Sitzung vom zeitlich vor derjenigen am erfolgten. Während für den Termin vom Zusagen vom (M.) und vom (R.) vermerkt sind, ist für die Sitzung vom eine Ladung vom (U. und W.) ausgewiesen. Die Reihenfolge der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter des 3. Senats nach dem Datum der Ladung ist damit eingehalten. Dass der Beschluss des Präsidiums eine andere Zuteilungsregel vorgegeben hätte, hat die Beschwerde nicht dargelegt.
18b) Die Beschwerde hat auch hinsichtlich der Mitwirkung der Berufsrichter keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers dargelegt.
19aa) Nach § 21g Abs. 7 und § 21e Abs. 9 GVG sind grundsätzlich nur Abschriften der Geschäftsverteilungspläne zur Einsichtnahme vorzulegen, nicht jedoch die Urschrift (vgl. - juris Rn. 37 f.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom - 20 K 4062/18 - juris Rn. 94 f. m.w.N.). Warum es danach zu einem Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen sollte, auf dem die Entscheidung beruhen kann, dass im Abdruck der Beschlüsse zur senatsinternen Geschäftsverteilung die Unterzeichnung nicht die Namen der dem Senat angehörigen Richter ausweist, sondern mit dem Hinweis "Die Mitglieder des Senats" versehen ist, legt die Beschwerde nicht dar. Gründe hierfür sind auch nicht ersichtlich. Um wen es sich dabei handelt, ist im Beschluss aus der namentlichen Nennung der Senatsmitglieder im Rahmen der Sachregelungen ersichtlich.
20bb) Entgegen der Auffassung des Klägers muss der Beschluss über die senatsinterne Geschäftsverteilung von allen dem Senat zugewiesenen Richtern gefasst werden (vgl. § 21g Abs. 1 Satz 1 GVG). Dies gilt unabhängig davon, dass dem hierdurch zur Entscheidung berufenen Spruchkörper nur drei Richter angehören.
21cc) Warum der Urlaub der Vorsitzenden am nicht zu einer Verhinderung hätte führen sollen, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Die durch Urlaub begründete vorübergehende Verhinderung aus tatsächlichen Gründen führt zur Vertretung durch den geschäftsplanmäßigen Vertreter; dies gilt auch für Vorsitzende Richter (vgl. - NJW-RR 2017, 635 Rn. 13; Beschluss vom - 3 StR 485/20 - juris Rn. 14 ff.). Anhaltspunkte für eine gezielte Einflussnahme auf die Besetzung der Richterbank durch die Urlaubsgestaltung (vgl. hierzu - NVwZ 2007, 691 Rn. 26) sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Die Vorstellung des Klägers, der Vertretungsfall müsse im Geschäftsverteilungsplan dokumentiert werden, geht fehl. Er muss auch nicht urkundlich in den Akten festgehalten werden; vielmehr ist die Feststellung als solche formfrei und kann auch in anderer Weise getroffen werden (vgl. - NJW-RR 2017, 635 Rn. 20 ff.).
22dd) Soweit die Beschwerde rügt, in der senatsinternen Geschäftsverteilung für das Jahr 2021 habe eine Vertretungsregelung für RiOVG S. gefehlt, kann die angegriffene Entscheidung hierauf jedenfalls nicht beruhen, weil der Richter im Termin vom nicht verhindert war.
23c) Auch die schlaglichtartig vorgetragenen Kritikpunkte gegen die Verfahrensweise des Oberverwaltungsgerichts ergeben keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
24aa) Die Beschwerde hat nicht aufgezeigt, dass das Berufungsgericht nicht zur Sache hätte entscheiden dürfen.
25Nach § 130 Abs. 1 VwGO hat das Oberverwaltungsgericht die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Auch wenn das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet, darf es die Sache nur dann an das Verwaltungsgericht zurückverweisen, wenn aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
26Das Oberverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil diese Voraussetzung verneint, weil die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der ärztlichen Approbation auf Grundlage der rechtskräftigen und für die Verwaltungsgerichte grundsätzlich bindenden tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils zu treffen sei. Ein über diese Feststellungen hinausgehender Aufklärungsbedarf bestehe nicht.
27Entgegen den Ausführungen der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht diese Annahme (ausführlich) begründet (UA S. 17 ff.). Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die vom Kläger benannten Gesichtspunkte für eine Ausnahme von nicht leitenden und nicht selbständigen ärztlichen Tätigkeiten nicht weiter in den Blick genommen hat. Verfahrensfehlerhaft ist das Unterlassen weiterer Aufklärungen nur, soweit die Tatsachen nach dem Rechtsstandpunkt des Tatsachengerichts erheblich sind. Auch die Amtsaufklärungspflicht verlangt nicht, dass ein Gericht eine Beweisaufnahme über Umstände durchführt, auf die es nach seiner Rechtsauffassung nicht ankommt (vgl. 3 B 39.18 - juris Rn. 8 m.w.N.). Der Teilwiderruf einer ärztlichen Approbation ist nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts aber ausgeschlossen (UA S. 34), sodass etwaige Umstände hierzu für seine Entscheidung nicht entscheidungserheblich waren.
28bb) Soweit der Kläger behauptet, das Protokoll der Sitzung vom sei ihm nicht zugesandt worden, widerspricht das dem bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnis (Gerichtsakten Blatt 794). Dort hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Erhalt des Protokolls der Sitzung vom am bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass und warum dies nicht zutreffend sein sollte, hat die Beschwerde nicht benannt.
29cc) Mit der Rüge, über das gegen die Richter der ersten Instanz gestellte Ablehnungsgesuch sei nicht entschieden worden, ist ebenfalls kein Verfahrensfehler des angegriffenen Berufungsurteils aufgezeigt.
30Nach Beendigung der Instanz kann die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden; das Ablehnungsgesuch ist insoweit "prozessual überholt" ( B 10 ÜG 29/13 B - juris Rn. 8; 4 B 28.19 - juris Rn. 6). Dies folgt daraus, dass das mit dem Ablehnungsgesuch gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO verbundene Tätigkeitsverbot für den oder die abgelehnten Richter sich in dieser Situation nicht mehr auswirken kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 6 B 44.16 - juris Rn. 7 und vom - 9 B 26.18 - juris Rn. 4).
31Unter welchen Voraussetzungen hiervon Ausnahmen gelten könnten, kann vorliegend offenbleiben. Denn das nach Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils (Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am ) mit Schreiben vom am erhobene Ablehnungsgesuch, mit dem der Kläger die Handhabung seines Antrags auf Einsicht in den Geschäftsverteilungsplan der Kammer gerügt hat, war unbeachtlich. Die Gewährung von Akteneinsicht in die Geschäftsverteilungspläne obliegt dem Präsidenten ( IV AR (VZ) 2/18 - NJW 2019, 3307 Rn. 12). Etwaige Mängel hierbei können unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zur Ablehnung aller am Urteil der Vorinstanz mitwirkenden Richter führen.
32Soweit der Kläger damit in der Sache Einwände gegen die Geschäftsverteilungspläne der 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Hamburg vorgetragen hatte, hat sie das Berufungsgericht zutreffend als Rüge einer vorschriftswidrigen Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts berücksichtigt (vgl. 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 38). Da das Berufungsgericht von einer vorschriftswidrigen Besetzung der erstinstanzlichen Richterbank ausgegangen ist, könnte das Berufungsurteil nicht auf einer - vermeintlich - fehlerhaften Behandlung des Ablehnungsgesuchs beruhen.
33d) Der vom Kläger "in der Sache" gerügte "Abwägungsmangel", der daraus folge, dass das Oberverwaltungsgericht nicht ausgeführt habe, warum es ihn auch für eine nicht leitende und nicht selbständige ärztliche Tätigkeit als unwürdig und ungeeignet betrachte, betrifft die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall und ist damit weder der Verfahrensrüge noch der Grundsatzrüge zugänglich. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Widerruf der Approbation nach § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO zwingend ist, wenn der Betroffene sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt; Umstände und Entwicklungen, die nach Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens eingetreten sind, können erst im Wiedererteilungsverfahren (§ 8 BÄO) berücksichtigt werden ( 3 B 7.18 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 118 Rn. 11 ff. m.w.N.). Neuen oder zusätzlichen grundsätzlichen Klärungsbedarf hierzu hat die Beschwerde weder geltend gemacht noch aufgezeigt.
34e) Von einer weiteren Begründung wird im Hinblick auf die unzureichende Darlegung abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Es ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, aus dem Beschwerdevorbringen diejenigen Gesichtspunkte herauszufiltern, die möglicherweise eine Revisionszulassung begründen könnten (vgl. 4 BN 14.19 - juris Rn. 4; - juris Rn. 14 ff.).
353. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
II
36Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).
37Zwar gelten für den Prozesskostenhilfeantrag nicht dieselben Darlegungsanforderungen wie für die Nichtzulassungsbeschwerde selbst. Die Prozesskostenhilfe soll die Rechtsverfolgung in der Hauptsache nur ermöglichen, nicht aber vorwegnehmen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf die Sachprüfung daher nicht ungeschmälert vorverlagern. Auch die mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe verfolgte Gleichstellung Unbemittelter muss aber nur auf den Bezugspunkt eines Bemittelten gerichtet sein, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Prozesskostenhilfe ist danach zu versagen, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist ( u.a. - BVerfGE 81, 347 <357>).
38Gemessen hieran ist der Antrag abzulehnen. Das Vorbringen lässt - wie bereits dargestellt - in der Sache keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO erkennen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:140222B3B27.21.0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 10 Nr. 23
AAAAI-58972