BGH Beschluss v. - 1 StR 461/21

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 6 KLs 140 Js 12204/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln, und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und die Einziehung der sichergestellten 810,32 Gramm Marihuana sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 17.332 Euro – davon in Höhe von 2.700 Euro gesamtschuldnerisch mit      O.       – angeordnet.

2Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

31. Die Revision hat im Rechtsfolgenausspruch Erfolg, weil die Strafkammer eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht geprüft hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestand für eine solche Prüfung Veranlassung. Denn der Angeklagte konsumierte seit seiner Jugend Marihuana, in Deutschland zuletzt bis zu zehn Joints täglich (UA S. 4). In den Fällen C.IV.1. bis 5. der Urteilsgründe war ein Drittel des angekauften Marihuanas für den Eigenkonsum bestimmt (UA S. 9). Die Entnahme einer Haarprobe belegt die Aufnahme von Cannabisprodukten, und zwar solcher Mengen, wie sie für einen mittelstark bis starken Konsum charakteristisch sind (UA S. 20). Feststellungen dazu, ob das Analyseergebnis durch eine äußerliche Kontamination der Haare als Folge des Kontakts mit dem Marihuana beeinflusst worden sein könnte, hat das Landgericht nicht getroffen.

4Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. z.B. Rn. 8 mwN). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

52. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung nahezu des gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Denn das neue Tatgericht wird den Zustand des Angeklagten erstmals mit Hilfe eines Sachverständigen umfassend zu würdigen haben. Deshalb hebt der Senat auch den Strafausspruch – ebenfalls mit den zugehörigen Feststellungen – auf. Insbesondere die Einbeziehung eines Sachverständigen kann Umstände erkennbar werden lassen, die auch für die Strafzumessung von Bedeutung sind (vgl. Rn. 14; Urteil vom – 2 StR 374/92 Rn. 9, BGHSt 38, 362, 364).

63. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hält in Höhe von 16.002 Euro einer rechtlichen Überprüfung stand, da die durch den Verkauf des Marihuanas erzielten Erlöse in den festgestellten Taten (lediglich) insgesamt 16.002 Euro betragen. In Höhe von 1.330 Euro entfällt die Einziehung, weil diese Beträge durch nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Taten erlangt worden sind (vgl. Rn. 17 f.; Beschluss vom – 1 StR 326/18 Rn. 7); diese Taten sind nicht mehr Gegenstand des Strafverfahrens.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:260122B1STR461.21.1

Fundstelle(n):
HAAAI-58948