Haftung nach dem Umweltschadensgesetz für Schädigung der Trauerseeschwalbe
Leitsatz
1. Der Begriff der beruflichen Tätigkeit im Sinne von § 2 Nr. 4 USchadG beschränkt sich nicht auf Tätigkeiten, die einen Bezug zum Markt oder Wettbewerbscharakter haben, sondern umfasst sämtliche in einem beruflichen Rahmen - im Gegensatz zu einem rein persönlichen oder häuslichen Rahmen - ausgeübte Tätigkeiten und damit auch solche, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt werden (vgl. [ECLI:EU:C:2020:533] - NuR 2020, 610 Rn. 76 f.).
2. Der Begriff der normalen Bewirtschaftung im Sinne von § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG kann landwirtschaftliche Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit umfassen und schließt Tätigkeiten ein, die, wie die Be- und Entwässerung, die notwendige Ergänzung dazu sein können (vgl. - NuR 2020, 610 Rn. 57).
3. Eine Bewirtschaftung kann nur dann als normal angesehen werden, wenn sie der guten Praxis - wie unter anderem der guten landwirtschaftlichen Praxis - entspricht. Darüber hinaus kann die Bewirtschaftung eines von der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie erfassten Gebiets nur dann als normal angesehen werden, wenn sie die Ziele und Verpflichtungen achtet, die in diesen Richtlinien vorgesehen sind (vgl. - NuR 2020, 610 Rn. 52 und 55).
4. Die Normalität einer Bewirtschaftungsweise ist anhand der Bewirtschaftungsdokumente zu ermitteln. Enthalten diese keine ausreichenden Angaben, um diese Beurteilung vorzunehmen und ergibt sich die Normalität einer Maßnahme auch nicht aus einer früheren Bewirtschaftungsweise, können diese Dokumente unter Bezugnahme auf die in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie festgelegten Ziele und Verpflichtungen oder mit Hilfe von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung dieser Richtlinien erlassen worden sind oder mit dem Sinn und Zweck dieser Richtlinien in Einklang stehen, beurteilt werden (vgl. - NuR 2020, 610 Rn. 60).
5. Aus einer früheren Bewirtschaftungsweise ergibt sich eine normale Bewirtschaftung eines Gebiets, wenn Bewirtschaftungsmaßnahmen betroffen sind, die, weil sie über einen gewissen Zeitraum praktiziert worden sind, als für das betreffende Gebiet üblich angesehen werden können. Darüber hinaus steht auch die aus einer früheren Bewirtschaftungsweise resultierende normale Bewirtschaftung unter dem Vorbehalt, dass sie die Erfüllung der in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Ziele und Verpflichtungen nicht infrage stellen darf (vgl. - NuR 2020, 610 Rn. 61).
6. Der als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch des Unionsrechts anerkannte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann insbesondere bei unterschiedlich großen Verursacherbeiträgen gegen eine Heranziehung sämtlicher Verursacher zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz streiten. Der zuständigen Behörde steht insoweit ein Auswahlermessen zu.
Gesetze: Art 2 Nr 1 EGRL 35/2004, Art 2 Nr 2 EGRL 35/2004, Art 2 Nr 7 EGRL 35/2004, Art 3 Abs 1 Buchst a EGRL 35/2004, Art 3 Abs 1 Buchst b EGRL 35/2004, Art 16 Abs 1 EGRL 35/2004, Art 17 EGRL 35/2004, Anh I Abs 2 EGRL 35/2004, Anh I Abs 3 EGRL 35/2004, Art 11 Abs 3 Buchst e EGRL 60/2000, § 1 S 1 USchadG, § 2 Nr 4 USchadG, § 3 Abs 1 Nr 1 USchadG, § 3 Abs 1 Nr 2 USchadG, § 6 Nr 2 USchadG, § 7 Abs 1 USchadG, § 7 Abs 2 Nr 3 USchadG, § 8 Abs 1 USchadG, § 9 Abs 2 USchadG, § 13 Abs 1 USchadG, § 3 Abs 2 BNatSchG 2009, § 5 Abs 2 BNatSchG 2009, § 14 Abs 2 S 2 BNatSchG 2009, § 19 BNatSchG 2009, § 33 BNatSchG 2009, § 8 Abs 1 WHG 2009, § 9 Abs 1 Nr 1 WHG 2009, § 9 Abs 3 S 2 WHG 2009, § 88 VwGO, § 276 BGB, § 2 Abs 4 S 1 NatSchG SH 2010, § 2 Abs 4 S 2 NatSchG SH 2010, § 8 Abs 2 Nr 2 NatSchG SH 2010, § 11 Abs 8 S 2 NatSchG SH 2010, § 11 Abs 8 S 3 NatSchG SH 2010, § 11 Abs 8 S 4 NatSchG SH 2010, § 25 Abs 1 Nr 1 LWG SH 2019
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein Az: 1 LB 2/13 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az: 6 A 186/11 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, begehrt vom Beklagten, dem Beigeladenen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz aufzugeben. Der Beigeladene habe durch Baggerarbeiten sowie den Betrieb eines Siel- und Schöpfwerks auf der Halbinsel Eiderstedt Umweltschäden zulasten der Vogelart Trauerseeschwalbe zu vertreten.
2Von der ca. 30 000 ha großen Halbinsel Eiderstedt (Schleswig-Holstein) wurden bis 2009 insgesamt etwa 7 000 ha unter anderem wegen des Vorkommens der Trauerseeschwalbe als Vogelschutzgebiet (DE 1618-404) ausgewiesen. Nach dem Managementplan wird das Vogelschutzgebiet überwiegend als Grünlandgebiet großflächig traditionell bewirtschaftet und ist insbesondere wegen seiner Größe das wichtigste Brutgebiet der Trauerseeschwalbe in Schleswig-Holstein.
3Die Halbinsel Eiderstedt bedarf zur Besiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung der Entwässerung. Diese erfolgt über sogenannte Parzellengräben mit einer Gesamtlänge von ca. 5 000 km, die in ein Netz von Sielzügen von insgesamt 900 km Länge münden. Die Parzellengräben werden von den jeweiligen Nutzern der anliegenden Flächen unterhalten, während die Unterhaltungslast für die Sielzüge als Vorfluter bei insgesamt 17 auf Eiderstedt ansässigen Wasser- und Bodenverbänden liegt.
4Der beigeladene Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt ist ein Wasser- und Bodenverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und Oberverband der 17 auf Eiderstedt ansässigen Wasser- und Bodenverbände. Zu seinen kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben gehört die Unterhaltung oberirdischer Gewässer als öffentlich-rechtlicher Verpflichtung. In Erfüllung dieser Aufgabe betreibt er unter anderem das Siel- und Schöpfwerk Adamsiel. Dieses entwässert sein Einzugsgebiet mittels einer ab einem bestimmten Pegelstand automatisiert in Betrieb gesetzten Pumpe. Die Pumpvorgänge bewirken dann, dass der Wasserstand wieder reduziert wird.
5Die nach erfolgloser Antragstellung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erneut) "auf den Antrag des Klägers vom über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen" zu entscheiden. Die geschützte Art Trauerseeschwalbe und ihr natürlicher Lebensraum hätten durch den Betrieb des Schöpfwerks einen Schaden erlitten. Da die Tätigkeit des Beigeladenen nicht als Bodenertragsnutzung zu qualifizieren sei, komme die Verneinung erheblicher Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt einer normalen Bewirtschaftungsweise nicht in Betracht. Der Beigeladene übe mit seinem Siel- und Schöpfwerksbetrieb eine berufliche Tätigkeit aus, auch wenn dem eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zugrunde liege. Zwischen dem vor und nach dem unverändert gebliebenen Siel- und Schöpfwerksbetrieb und dem Umweltschaden bestehe ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang. Ohne den Siel- und Schöpfwerksbetrieb könne kein Wasser aus dem Grabensystem ablaufen. Den Beigeladenen treffe an seinem mitverursachenden Beitrag zu dem Umweltschaden auch ein Verschulden. Für den Ausspruch einer Verpflichtung fehle es jedoch an der notwendigen Spruchreife. Dem Beklagten stehe bei der Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen, des Zeitpunkts sowie des Inhalts zu ergreifender Maßnahmen ein Ermessen zu. Hinsichtlich von Baggerarbeiten am sei nicht erkennbar, dass ein Schaden für den Erhaltungszustand des Lebensraumes und der Art fortbestehe.
6Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und des Beigeladenen hin hat der Senat mit Beschluss vom - 7 B 12.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:070217B7B12.16.0] - die Revisionen gegen das Berufungsurteil zugelassen. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt.
7Mit Beschluss vom - 7 C 8.17 [ECLI:DE:BVerwG:2019:260219B7C8.17.0] - (Buchholz 406.257 USchG Nr. 2) hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2004/35/EG gebeten. Über dieses Vorabentscheidungsersuchen hat der Gerichtshof mit Urteil vom - C-297/19 [ECLI:EU:C:2020:533] - (NuR 2020, 610) entschieden.
8Der Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom zu ändern und die Berufung sowie die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen.
9Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen aufzugeben, erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen sowie die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen zurückzuweisen.
10Er verteidigt das Urteil gegen die Rügen der Revisionen und erhebt seinerseits sowohl Sachrügen als auch eine Verfahrensrüge. Hinsichtlich von am durchgeführten Baggerarbeiten habe das Oberverwaltungsgericht dem Kläger zu Unrecht eine materielle Beweislast auferlegt. Der Kläger habe einen gebundenen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen aufzugeben, die erforderlichen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Antrag des Klägers habe sich nicht darauf gerichtet, dem Beigeladenen aufzugeben, bestimmte, näher konkretisierte Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die diesbezügliche Teilabweisung gehe über das klägerische Begehren hinaus und verstoße gegen den Grundsatz des ne ultra petita.
11Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht führt aus, dass der Begriff der beruflichen Tätigkeit auch öffentlich-rechtliche Tätigkeiten einschließlich der Daseinsvorsorge umfasse.
Gründe
12I. Die zulässigen Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen sind begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vom Tatsachengericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann über die Klage nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
131. In Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass das Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz - USchadG), in der nunmehr maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 346), das der Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 S. 56) - UHRL - dient, in zeitlicher wie sachlicher Hinsicht Anwendung findet.
14a) Der zeitliche Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes ist eröffnet. Nach § 13 Abs. 1 USchadG gilt das Gesetz nicht für Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die vor dem stattgefunden haben, oder die auf eine bestimmte Tätigkeit zurückzuführen sind, die vor dem genannten Zeitpunkt geendet hat. Diese Regelung steht in Einklang mit Art. 17 Spiegelstrich 1 und 2 UHRL, wonach die Richtlinie für Schäden gilt, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die am oder nach dem stattgefunden haben, sofern diese Schäden entweder auf Tätigkeiten zurückzuführen sind, die am oder nach diesem Datum stattgefunden haben, oder auf Tätigkeiten, die vor dem genannten Datum stattgefunden, aber nicht vor ihm geendet haben (vgl. [ECLI:EU:C:2017:419] - Rn. 22 unter Bezugnahme auf [ECLI:EU:C:2015:140] - Rn. 44; vgl. auch [ECLI:EU:C:2010:126], Raffinerie Mediterranee u.a. - Rn. 41).
15Vorliegend steht als Ursache für eingetretene Schäden der Betrieb eines Siel- und Schöpfwerks durch den Beigeladenen in Rede, der nach tatrichterlicher Feststellung vor und nach dem unverändert geblieben ist. Dieser Betrieb stellt mithin eine Tätigkeit dar, die (auch) nach dem stattgefunden hat. Zugleich geht es um Schäden, die durch Ereignisse verursacht worden sind. Als derartige Ereignisse sind die ab einem bestimmten Pegelstand automatisiert durchgeführten Pumpvorgänge anzusehen, die den Wasserstand reduzieren. Die ebenfalls beanstandeten Baggerarbeiten wurden am durchgeführt.
162. Auch der sachliche Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes ist eröffnet. Nach § 1 Satz 1 USchadG findet das Gesetz Anwendung, soweit Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden nicht näher bestimmen oder in ihren Anforderungen diesem nicht entsprechen. Mithin bestimmt das Umweltschadensgesetz in Einklang mit Art. 16 Abs. 1 UHRL einen Mindeststandard für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (vgl. BT-Drs. 16/3806 S. 19). Ob dieser Mindeststandard von bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften übertroffen wird, bedarf - mit Blick auf die jeweilige Sachverhaltskonstellation - einer generalisierenden Gesamtbetrachtung. Bei dieser Betrachtung können sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften als auch die im jeweiligen Normprogramm vorgesehenen Rechtsfolgen von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. 4 C 2.19 [ECLI:DE:BVerwG:2021:290421U4C2.19.0] - UPR 2021, 381 Rn. 50 f. m.w.N.).
17Als gegenüber dem Umweltschadensgesetz weitreichendere Regelungen kommen vorliegend § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 und § 11 Abs. 8 des Gesetzes zum Schutz der Natur des Landes Schleswig-Holstein (Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holstein - LNatSchG SH) vom (GVOBl. S. 301), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom (GVOBl. S. 425), in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 3908) in Betracht. Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 LNatSchG SH gilt diese Regelung entsprechend für sonstige naturschutzrechtliche Vorschriften und für Maßnahmen zur Abwehr von sonstigen Gefahren für Natur und Landschaft. Sind Teile von Natur und Landschaft rechtswidrig zerstört, beschädigt oder verändert worden, ordnet nach § 2 Abs. 4 Satz 2 LNatSchG SH die zuständige Naturschutzbehörde die nach § 11 Abs. 7 und 8 Satz 1 bis 5 LNatSchG SH vorgesehenen Maßnahmen an. § 11 Abs. 8 Satz 2 bis 4 LNatSchG SH sieht die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, für den Fall der Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Wiederherstellung Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen und - falls auch diese nicht möglich sind - eine Ersatzzahlung vor.
18Hier beantragt der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen als Verantwortlichem für einen eingetretenen Umweltschaden aufzugeben, erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, zu denen dieser aus eigener Verantwortung verpflichtet sei und deren nähere Ausgestaltung er zunächst selbst zu ermitteln habe. Diesem Petitum werden ausschließlich die Regelungen des Umweltschadensgesetzes gerecht. So bestimmt § 6 Nr. 2 USchadG, dass der Verantwortliche - ist ein Umweltschaden eingetreten - die gemäß § 8 USchadG erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen hat. § 8 Abs. 1 USchadG verpflichtet den Verantwortlichen, erforderliche Sanierungsmaßnahmen selbst zu ermitteln und der zuständigen Behörde zur Zustimmung vorzulegen. Welche Sanierungsmaßnahmen bei der Sanierung von Schäden an Gewässern, geschützten Arten oder natürlichen Lebensräumen in Betracht zu ziehen sind, ergibt sich hierbei im Einzelnen aus § 19 Abs. 4 BNatSchG in Verbindung mit Anhang II Nr. 1 UHRL, wonach zwischen einer - dort jeweils näher bestimmten - primären Sanierung, einer ergänzenden Sanierung oder einer Ausgleichssanierung zu unterscheiden ist und Sanierungsziele, Maßgaben für die Festlegung von Sanierungsmaßnahmen sowie Kriterien für die Wahl von Sanierungsoptionen im Einzelnen vorgegeben werden. Die Möglichkeit einer Ersatzzahlung in Geld ist nicht vorgesehen. Aufgabe der zuständigen Behörde ist es zu überwachen, dass die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen vom Verantwortlichen ergriffen werden (§ 7 Abs. 1 USchadG). In diesem Rahmen kann die Behörde dem Verantwortlichen - wie vorliegend begehrt - aufgeben, diese Maßnahmen zu ergreifen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG).
19Demgegenüber sieht das Rechtsfolgenregime nach § 11 Abs. 8 Satz 2 bis 4 LNatSchG SH Sanierungsmaßnahmen jedenfalls nicht ausdrücklich vor und trifft folglich auch keine Regelungen zum Inhalt von Sanierungsmaßnahmen. Ermittlungen durch den Verantwortlichen selbst, welche Maßnahmen durchzuführen sind, werden vom Landesgesetzgeber nicht angeordnet. Darüber hinaus lässt § 11 Abs. 8 Satz 4 LNatSchG SH anstelle von Maßnahmen zu Wiederherstellung, Ausgleich oder Ersatz gegebenenfalls eine Ersatzzahlung zu.
20Andere weitreichendere Regelungen des Bundes- oder Landesrechts sind nicht ersichtlich. Insbesondere gilt für die Vorschriften der §§ 13 ff. BNatSchG (Eingriffsregelung) das zu § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 11 Abs. 8 LNatSchG SH Gesagte entsprechend. Dass es sich auf der Grundlage der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beim Siel- und Schöpfwerksbetrieb um Gewässerunterhaltung im Sinne des Landeswassergesetzes Schleswig-Holstein handelt, Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern aber nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 LNatSchG SH nicht als Eingriffe anzusehen sind, kann deshalb ebenso auf sich beruhen wie die Frage, ob diese Abweichung von dem bundesrechtlichen Eingriffsbegriff des § 14 BNatSchG sich im Rahmen der in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG vorgesehenen Grenzen der Abweichungskompetenz des Landes bewegt.
213. Ebenfalls in Einklang mit Bundesrecht legt das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung den Haftungstatbestand nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG zugrunde, der vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des Verantwortlichen voraussetzt.
22Für eine verschuldensunabhängige Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Eine solche setzt voraus, dass Umweltschäden oder unmittelbare Gefahren solcher Schäden durch eine der in Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz aufgeführten beruflichen Tätigkeiten verursacht werden. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stellt der Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen keine derartige Tätigkeit dar. Als haftungsbegründende Tätigkeit kommt - ausgehend von Anlage 1 Nr. 5 zum Umweltschadensgesetz - eine Entnahme von Wasser aus oberirdischen Gewässern gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) vom (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 3901), die einer Erlaubnis oder Bewilligung nach § 8 Abs. 1 WHG bedarf, in Betracht. Ein Entnehmen von Wasser liegt vor, wenn Wasser - wie vorliegend der Fall - aus einem Gewässer abgepumpt oder geschöpft wird (vgl. nur Hasche, in: BeckOK Umweltrecht, Stand , WHG, § 9 Rn. 4 m.w.N.). Keine nach § 8 Abs. 1 WHG erlaubnispflichtige Benutzung eines Gewässers stellt nach § 9 Abs. 3 Satz 2 WHG allerdings die Unterhaltung eines Gewässers dar, soweit hierbei keine chemischen Mittel verwendet werden. Wie bereits dargelegt, handelt es sich beim Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen um eine Gewässerunterhaltung, die als solche keiner Erlaubnis oder Bewilligung bedarf.
23Der Ausschluss einer verschuldensunabhängigen Haftung steht auch mit Unionsrecht in Einklang. Der Haftungstatbestand des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a UHRL gilt für die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten nach Anhang III der Richtlinie, die unter Ziff. 6 die Wasserentnahme aufführt, soweit eine solche gemäß der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) - WRRL - einer vorherigen Genehmigung bedarf. Die Richtlinie 2000/60/EG sieht in Art. 11 Abs. 3 Buchst. e als mitgliedstaatlich zu erfüllende Mindestanforderung ein Genehmigungserfordernis für die Entnahme von Oberflächensüßwasser vor, es sei denn, die Mitgliedstaaten stellen Entnahmen oder Aufstauungen, die keine signifikanten Auswirkungen auf den Wasserzustand haben, von diesem Erfordernis frei. Eine derartige - unionsrechtskonforme - Freistellung ergibt sich aus § 9 Abs. 3 Satz 2 WHG, soweit - wie hier - die Gewässerunterhaltung ohne Einsatz chemischer Mittel betroffen ist.
244. Mit revisiblem Recht in Einklang steht es auch, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, der Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen erfolge in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG in Verbindung mit § 2 Nr. 4 USchadG.
25Nach § 2 Nr. 4 USchadG ist - in Übereinstimmung mit der unionsrechtlichen Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 7 UHRL - eine berufliche Tätigkeit jede Tätigkeit, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Geschäftstätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird, unabhängig davon, ob sie privat oder öffentlich und mit oder ohne Erwerbscharakter ausgeübt wird. In Beantwortung der diesbezüglichen Fragestellung des Senats hat der Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) geklärt, dass der Begriff der beruflichen Tätigkeit im Sinne von Art. 2 Nr. 7 UHRL nicht auf Tätigkeiten beschränkt bleibt, die einen Bezug zum Markt oder Wettbewerbscharakter haben, sondern sämtliche in einem beruflichen Rahmen - im Gegensatz zu einem rein persönlichen oder häuslichen Rahmen - ausgeübte Tätigkeiten und damit auch solche umfasst, die aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübt werden ( - NuR 2020, 610 Rn. 76 f.). Auf dieser Grundlage ist nicht zweifelhaft, dass der Beigeladene, der kraft gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse handelt, das Siel- und Schöpfwerk in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit betreibt.
265. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG in Verbindung mit § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG hinsichtlich der geschützten Art Trauerseeschwalbe und ihres natürlichen Lebensraums im Vogelschutzgebiet Eiderstedt darin gesehen, dass ein schon länger andauernder Rückgang des Bestandes noch brütender Paare auf Eiderstedt festzustellen sei, der sich auch nach 2007 immer mehr fortgesetzt habe. Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Schädigung nach der Ausnahmeregelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG zu verneinen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr festgestellt, dass nicht ansatzweise erkennbar sei, dass einer Genehmigung des Siel- und Schöpfwerksbetriebs des Beigeladenen eine Ermittlung der nachteiligen Auswirkungen dieser Tätigkeit vorangegangen wäre.
276. Eine aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG folgende Sanierungspflicht setzt - wovon auch das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist - weiter voraus, dass die eingetretene Schädigung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands der betroffenen Lebensräume oder Arten hat.
28Die Haftungsvoraussetzung der Erheblichkeit ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und gilt - in Einklang mit den Bestimmungen der Umwelthaftungsrichtlinie - sowohl für die verschuldensunabhängige Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG als auch für die verschuldensabhängige Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG. Eine Anwendbarkeit des Erheblichkeitskriteriums nur im Rahmen der verschuldensunabhängigen Haftung könnte man lediglich aus einer isolierten Gegenüberstellung der Begriffsbestimmung des Umweltschadens in Art. 2 Nr. 1 UHRL, der Tatbestandsvoraussetzung der verschuldensunabhängigen Haftung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a UHRL ist und das haftungsbegrenzende Kriterium der Erheblichkeit ausdrücklich umfasst, und des Begriffs der Schädigung in Art. 2 Nr. 2 UHRL, der Element der verschuldensabhängigen Haftung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UHRL ist und das haftungsbegrenzende Kriterium der Erheblichkeit als solcher nicht umfasst, ableiten wollen. Eine diesbezügliche Differenzierung wäre jedoch weder sachgerecht noch stünde sie mit der Systematik der Umwelthaftungsrichtlinie in Einklang. Sie führte - ohne Anhaltspunkte für einen hierauf gerichteten Willen des Normgebers - zu einer insoweit besonders strengen und ohne erkennbaren Sachgrund von der verschuldensunabhängigen Haftung abweichenden verschuldensabhängigen Haftung. Zudem würde in systematischer Hinsicht übersehen, dass die Bestimmung des zusammengesetzten Begriffs der "Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume", wie er in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UHRL gebraucht wird, in Art. 2 Nr. 1 Buchst. a UHRL erfolgt und das Kriterium der Erheblichkeit dort - unter Verweis auf Anhang I der Richtlinie - ausdrücklich aufgenommen ist.
29Auch der Gerichtshof geht ohne Weiteres davon aus, dass eine verschuldensabhängige Haftung auf der Grundlage der Umwelthaftungsrichtlinie die Erheblichkeit einer Schädigung voraussetzt. Er führt aus, dass zu den drei Kategorien von Schädigungen, die unter den Begriff "Umweltschaden" im Sinne von Art. 2 Nr. 1 UHRL fallen, nach Buchst. a dieser Vorschrift eine Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume gehört, die den Anwendungsbereich dieser Richtlinie sowohl nach Buchst. a als auch nach Buchst. b ihres Art. 3 Abs. 1 eröffnen kann ( - NuR 2020, 610 Rn. 32). Bezeichnet sind damit sowohl die verschuldensunabhängige Haftung, die Art. 3 Abs. 1 Buchst. a UHRL regelt, als auch die verschuldensabhängige Haftung, die Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UHRL anordnet.
307. Gegen revisibles Recht verstößt allerdings die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, eine Verneinung der Erheblichkeit der Schädigung nach § 19 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG komme tatbestandlich nicht in Betracht.
31a) Keinen materiellrechtlichen Bedenken unterliegt es hierbei, dass das Oberverwaltungsgericht eine Unerheblichkeit der eingetretenen Schädigung nach § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 3 BNatSchG verneint hat. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen gehen die Bestandsrückgänge der Trauerseeschwalbe über die natürliche Fluktuation hinaus und lassen sich auch nicht auf natürliche Ursachen, namentlich auf Prädation, zurückführen.
32b) Nicht mit revisiblem Recht vereinbar ist hingegen der vom Oberverwaltungsgericht angenommene tatbestandliche Ausschluss von § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG. Nach § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG in der mit Wirkung vom in Kraft getretenen, nunmehr maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 306) liegt eine erhebliche Schädigung in der Regel bei nachteiligen Abweichungen nicht vor, die auf eine äußere Einwirkung im Zusammenhang mit der normalen Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele oder der früheren Bewirtschaftungsweise der jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht, zurückzuführen sind. Diese Neufassung folgt der auf die Vorlage des Senats hin ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Die frühere deutsche Sprachfassung der Richtlinie gab diesem Anlass zu der Klarstellung, dass Anhang I Abs. 3 Spiegelstrich 2 der Umwelthaftungsrichtlinie dahin zu verstehen ist, dass sich das Wort "normal" - wie bei den anderen Sprachfassungen (engl. etwa "normal management") - unmittelbar auf das Wort "Bewirtschaftung" beziehen muss und dass sich die Wendung "Bewirtschaftung, die als normal anzusehen ist" auf beide Alternativen der zweiten Fallkonstellation des zweiten Spiegelstrichs beziehen muss ( - NuR 2020, 610 Rn. 49).
33aa) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts unterfällt der Betrieb des Siel- und Schöpfwerks des Beigeladenen dem Begriff der Bewirtschaftung im Sinne des § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Begriff der Bewirtschaftung erfasse nur die (unmittelbare) Bodenertragsnutzung durch die Landwirtschaft, der die Tätigkeit des Beigeladenen nicht unterfalle, ist zu eng. Auf die Vorlage des Senats hin hat der Gerichtshof geklärt, dass der Begriff der normalen Bewirtschaftung im Sinne von Anhang I Abs. 3 Spiegelstrich 2 UHRL unter anderem landwirtschaftliche Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit umfassen kann und Tätigkeiten einschließt, die, wie die Be- und Entwässerung, und damit der Betrieb eines Schöpfwerks, die notwendige Ergänzung dazu sein können ( - NuR 2020, 610 Rn. 57). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber des Umweltschadensgesetzes den Begriff der Bewirtschaftung hätte enger fassen wollen, bestehen nicht.
34bb) Auf dieser Grundlage ist weiter zu klären, ob der Betrieb des Siel- und Schöpfwerks des Beigeladenen eine Bewirtschaftung darstellt, die als normal anzusehen ist. Der Gerichtshof legt auf die Vorlage des Senats hin dar, dass das Wort "normal" den Wörtern "gewöhnlich", "üblich" oder "geläufig" entspricht. Um dem Wort "normal" nicht seine praktische Wirksamkeit im Rahmen des Umweltschutzes zu nehmen, kann eine Bewirtschaftung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch nur dann als normal angesehen werden, wenn sie der guten Praxis - wie unter anderem der guten landwirtschaftlichen Praxis - entspricht ( - NuR 2020, 610 Rn. 52). Darüber hinaus kann die Bewirtschaftung eines - wie hier - von der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie erfassten Gebiets nur dann als normal angesehen werden, wenn sie die Ziele und Verpflichtungen achtet, die in diesen Richtlinien vorgesehen sind ( a.a.O., Rn. 55).
35Die Normalität einer Bewirtschaftungsweise ist anhand der Bewirtschaftungsdokumente zu ermitteln. Enthalten diese keine ausreichenden Angaben, um diese Beurteilung vorzunehmen und ergibt sich die Normalität der Maßnahme auch nicht aus einer früheren Bewirtschaftungsweise, können diese Dokumente unter Bezugnahme auf die in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie festgelegten Ziele und Verpflichtungen oder mit Hilfe von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung dieser Richtlinien erlassen worden sind oder mit dem Sinn und Zweck dieser Richtlinien in Einklang stehen, beurteilt werden ( a.a.O., Rn. 60).
36Aus einer früheren Bewirtschaftungsweise ergibt sich eine normale Bewirtschaftung eines Gebiets, wenn Bewirtschaftungsmaßnahmen betroffen sind, die, weil sie über einen gewissen Zeitraum praktiziert worden sind, als für das betreffende Gebiet üblich angesehen werden können. Auch die aus einer früheren Bewirtschaftungsweise resultierende normale Bewirtschaftung steht hierbei jedoch wiederum unter dem Vorbehalt, dass sie die Erfüllung der in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Ziele und Verpflichtungen nicht infrage stellen darf ( a.a.O., Rn. 61).
37cc) Auf dieser rechtlichen Grundlage bedarf es weiterer Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht. Zur Ermittlung der Normalität der Bewirtschaftungsweise wird der Blick hierbei in erster Linie auf die einschlägigen Bewirtschaftungsdokumente, namentlich auf den Managementplan des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein vom , zu richten sein, der sich mit der Gewässerbewirtschaftung im Vogelschutzgebiet Eiderstedt befasst.
38So sind im Managementplan als notwendige Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entwässerung und dem Gewässersystem insbesondere die Sicherung von Mindestwasserständen und die Optimierung des Wasserhaushalts vorgesehen. Konkret regelt Ziff. 6.2.2 des Managementplans (S. 16) in Verbindung mit Maßnahmenblatt 2 (Sicherstellen von Mindestwasserständen), dass eine Absenkung des Wasserstands unter den Stand bei Ausweisung des Vogelschutzgebiets nicht zulässig ist. Neben dieser Verbotsregelung ist nach Ziff. 6.3.2 des Managementplans (S. 18) in Verbindung mit Maßnahmenblatt 7 (Optimierung des Wasserhaushalts in den einzelnen Siel-/Schöpfwerkseinzugsgebieten) in allgemeiner, noch konkretisierungsbedürftiger Weise die Optimierung des Wasserhaushalts vorgesehen.
39Auf der Grundlage insbesondere der genannten Bestimmungen des Managementplans erscheint zur Beurteilung der Normalität der Bewirtschaftungsweise durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen - neben gegebenenfalls weiteren, tatrichterlich zu ermittelnden Gesichtspunkten - von maßgeblicher Bedeutung, ob durch diesen Betrieb eine Absenkung des Wasserstands unter den Stand bei der Ausweisung des Vogelschutzgebiets erfolgt. Der Kläger hat eine kontinuierliche Absenkung der mittleren Wasserstände im Eiderstädter Grabensystem seit dem durch den Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen behauptet. Ob diese Behauptung zutrifft, hat das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich offengelassen.
40Für den Fall einer Absenkung des Wasserstands durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen unter den Stand bei Ausweisung des Vogelschutzgebiets wird die Annahme einer Unerheblichkeit der Schädigung der Art Trauerseeschwalbe - vorbehaltlich einer abschließenden Würdigung durch das hierzu berufene Tatsachengericht - wohl auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer früheren Bewirtschaftungsweise in Betracht kommen. Im umgekehrten Fall einer Nichtabsenkung des Wasserstands unter denjenigen bei der Ausweisung des Vogelschutzgebiets durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb liegt es demgegenüber nahe, auch unter dem Gesichtspunkt der früheren Bewirtschaftungsweise insoweit von einer normalen Bewirtschaftung auszugehen. Dies führte gegebenenfalls zur Verneinung der Erheblichkeit der Schädigung, es sei denn, es ergäben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass - entgegen der Regel des § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG - hinsichtlich des Siel- und Schöpfwerksbetriebs des Beigeladenen eine besondere Ausnahmesituation vorliegt.
41dd) Eine Bewirtschaftung kann - wie dargelegt - auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann als normal angesehen werden, wenn sie der guten landwirtschaftlichen Praxis entspricht. Insoweit richtet sich der Blick auf die Grundsätze der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Nutzung im Sinne von § 5 Abs. 2 BNatSchG. Die in dieser Vorschrift genannten beispielhaften (Handlungs-)Direktiven, die allerdings keine Maßgaben enthalten, die sich unmittelbar auf die Wasserstandsregulierung mittels eines Pumpwerks beziehen, sind für weitere - ungeschriebene - Grundsätze der guten fachlichen Praxis offen (vgl. hierzu 4 C 4.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:010916U4C4.15.0] - BVerwGE 156, 94 Rn. 17). Auch insoweit bedarf es gegebenenfalls weiterer tatsächlicher Feststellungen, sollten sich Anhaltspunkte für einen fehlenden Einklang des Siel- und Schöpfwerksbetriebs mit der guten landwirtschaftlichen Praxis ergeben.
42Stimmt eine landwirtschaftliche Bodennutzung mit den in § 5 Abs. 2 bis 4 BNatSchG genannten Anforderungen - bzw. mit den ungeschriebenen Grundsätzen der guten fachlichen Praxis - überein, widerspricht sie nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG in der Regel nicht den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Allerdings kann ein solcher Regelfall nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht angenommen werden, wenn Besonderheiten der landwirtschaftlichen Nutzung im konkreten Fall mit den naturschutzfachlichen Gegebenheiten nicht zu vereinbaren sind. Ist - wie hier - ein Natura 2000-Gebiet betroffen, hat die zuständige Behörde insoweit sicherzustellen, dass es nicht zu Veränderungen und Störungen kommt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können (§ 33 Abs. 1 BNatSchG). Die Frage, ob von einer konkreten landwirtschaftlichen Nutzung eine solche Beeinträchtigung droht, ist hierbei zuvörderst eine naturschutzfachliche Frage, die der für die Unterschutzstellung zuständige Normgeber durch die Schutzgebietsausweisung und die Schutzgebietspflege zu regeln hat ( 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 89 m.w.N.).
43Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Erfüllung der in der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie vorgesehenen Ziele und Verpflichtungen nicht in Frage stehen darf, besteht, sollten sich naturschutzfachliche Anhaltspunkte für diesbezügliche Zweifel ergeben, gegebenenfalls noch ergänzender Klärungsbedarf. Dieser betrifft die Frage, ob die für den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen einschlägigen Maßgaben der Bewirtschaftungsdokumente, namentlich des Managementplans, geeignet sind, einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen entgegenzuwirken und damit den Zielen und Verpflichtungen nach der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie gerecht zu werden.
44ee) Für den Fall, dass nach weiterer Sachaufklärung feststeht, dass vom Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen eine erhebliche Schädigung im Sinne von § 19 Abs. 1 und 5 BNatSchG ausgeht, stellt die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens - also des Siel- und Schöpfwerksbetriebs - nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Senats keine Voraussetzung für eine Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 USchadG dar. Auch genehmigte oder gesetzeskonforme Tätigkeiten sind der verschuldensabhängigen Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG unterworfen, sofern sie eine erhebliche Schädigung hervorrufen (vgl. 7 C 29.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:210917U7C29.15.0] - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 24 ff.). Hiervon ist auch das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausgegangen.
45c) Für den Fall der Erheblichkeit der Schädigung durch den Siel- und Schöpfwerksbetrieb ist auch die Frage des Verschuldens des Beigeladenen auf der Grundlage der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen (erneut) zu klären.
46Hinsichtlich dieser Klärung hat sich das Oberverwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend an der Vorschrift des § 276 BGB orientiert. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Senats bestimmt sich vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG Verantwortlichen nach den vom Tatsachengericht herangezogenen zivilrechtlichen Maßstäben ( a.a.O., Rn. 18 ff.).
47Auf dieser Grundlage gilt, dass Vorsatz des Verantwortlichen dann zu bejahen ist, wenn dieser erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder die unmittelbare Gefahr solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Fahrlässig handelt der Verantwortliche, wenn er erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder unmittelbare Gefahren solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorhersehen und vermeiden konnte ( a.a.O., Rn. 23).
48Bei der Prüfung des Verschuldens eines Verantwortlichen sind auch die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens und die Reichweite der Legalisierungswirkung einer Genehmigung von maßgeblicher Bedeutung. Namentlich wird ein Verantwortlicher, der schutzwürdig auf eine Genehmigung vertraut, bei einem von der Legalisierungswirkung einer Genehmigung umfassten Verhalten regelmäßig nicht fahrlässig handeln ( a.a.O., Rn. 27).
49Ob für den Siel- und Schöpfwerksbetrieb des Beigeladenen eine Genehmigung erteilt wurde und wie weit deren Legalisierungswirkung bejahendenfalls zumindest ursprünglich gereicht hat, konnte vom Tatsachengericht bislang allerdings nicht festgestellt werden. Hier besteht gegebenenfalls weiterhin tatsächlicher Klärungsbedarf. In rechtlicher Hinsicht wäre zu klären, ob eine Legalisierungswirkung fortbesteht oder aufgrund einer vom Oberverwaltungsgericht angenommenen - gegebenenfalls landesrechtlich begründeten - dynamischen Betreiberpflicht des Beigeladenen als öffentlich-rechtlichem Aufgabenträger entfallen ist und ob dessen ungeachtet ein etwaiges Vertrauen des Beigeladenen in den weiteren Fortbestand der Legalisierungswirkung einer erteilten Genehmigung schutzwürdig wäre.
50Soweit ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Legalisierungswirkung einer erteilten Genehmigung nicht festgestellt werden kann, ist zur Frage der Vermeidbarkeit eines schädigenden Verhaltens des Beigeladenen weiter zu ermitteln, ob sich aus dessen nach Landesrecht bestehender Verpflichtung zur Gewässerunterhaltung bzw. aus seiner öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung als Deich- und Sielverband sonst ergibt, dass das Siel- und Schöpfwerk Adamsiel in der bislang praktizierten Art und Weise betrieben werden muss. Zur näheren Bestimmung einer sich insoweit aus Landesrecht ergebenden Pflichtenstellung des Beigeladenen ist das Oberverwaltungsgericht berufen.
51Schließlich setzte die Bejahung eines Verschuldens des Beigeladenen - wie dargelegt - auch die Vorhersehbarkeit erheblicher nachteiliger Auswirkungen voraus. Insoweit müsste sowohl die durch eigenes Verhalten verursachte Schädigung selbst als auch deren Erheblichkeit für diesen vorhersehbar gewesen sein. Hierzu gehört, dass der Beigeladene neben der Schädigung der Art Trauerseeschwalbe als solcher und der Ursächlichkeit seines Verhaltens hierfür auch erkennen konnte, dass der Siel- und Schöpfwerksbetrieb - soweit dies in objektiv-rechtlicher Hinsicht festgestellt werden sollte - einer normalen Bewirtschaftung im Sinne des § 19 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG nicht entsprochen hat. Auch insoweit bestünde gegebenenfalls zunächst noch Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht.
52Einer Entscheidung über die vom Beklagten und vom Beigeladenen erhobenen Aufklärungsrügen bedurfte es wegen der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht infolge durchgreifender Sachrügen nicht.
53II. Die Anschlussrevision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Urteil verstößt auch insoweit gegen Bundesrecht, als es den Beklagten verpflichtet, "über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen [...] zu entscheiden." Das Urteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vorliegenden tatsächlichen Feststellungen kann über die Klage nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb auch auf die Anschlussrevision des Klägers hin zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
54Die Anschlussrevision des Klägers ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen wurde sie fristgerecht erhoben. Die Anschließung an die Revision eines Beteiligten ist bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründungsschrift zulässig (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Zustellung der Revisionsbegründungsschrift des Beigeladenen an den Kläger erfolgte am . Da der auf einen Sonntag fiel, endete die Monatsfrist mit Ablauf des (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). An diesem Tag wurde die Anschlussrevision eingelegt.
55Die Anschlussrevision ist begründet. Zwar greifen die Sachrügen des Klägers nicht durch. Jedoch ist seine Verfahrensrüge begründet.
56a) Die Rüge des Klägers, ihm sei unter Verstoß gegen Bundesrecht eine materielle Beweislast hinsichtlich des Eintritts eines Umweltschadens durch am durchgeführte Baggerarbeiten überbürdet worden, ist unbegründet. Die Beantwortung der Frage der materiellen Beweislast für den Eintritt eines Umweltschadens war für das Oberverwaltungsgericht jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Vielmehr hat das Gericht bei seiner Entscheidung tragend darauf abgestellt, dass ein im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht fortbestehender Schaden nicht erkennbar ist. Damit knüpft das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler entscheidungserheblich an dem Umstand an, dass die vom Kläger beantragten Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz sach- wie begriffsnotwendig voraussetzen, dass eine Schadenslage fortbesteht.
57b) Im Kontext der behördlichen Heranziehung des Beigeladenen ist das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Klägers auch ohne Rechtsverstoß von einem Auswahlermessen des Beklagten zwischen einer Mehrzahl Verantwortlicher ausgegangen. Maßgeblich hierfür sind Gründe der Verhältnismäßigkeit sowie der Effektivität der zu ergreifenden Maßnahmen. Der als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch des Unionsrechts anerkannte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann insbesondere bei unterschiedlich großen Verursachungsbeiträgen gegen eine Heranziehung sämtlicher Verursacher zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen streiten. Zeigte sich in tatsächlicher Hinsicht etwa, dass ein Verantwortlicher nur einen untergeordneten Beitrag zu einer erheblichen Schädigung geleistet hat, stieße es auf Bedenken, diesen dann, wenn zugleich eine Vielzahl weiterer Verursacher feststeht, für eine vollumfängliche Sanierung in Anspruch zu nehmen (vgl. zum Ganzen auch Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2021, USchadG § 7 Rn. 9 f. m.w.N.). Gründe der Effektivität der Schadensvermeidung und -sanierung können ebenfalls für die Heranziehung (nur) eines bestimmten, über die erforderlichen sachlichen, personellen und finanziellen Mittel verfügenden Verantwortlichen sprechen. Im Übrigen setzt auch die in § 9 Abs. 2 USchadG getroffene Regelung zum internen Kostenausgleich unter mehreren Verantwortlichen eine unterschiedliche Heranziehung zu Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen voraus. Nach allem steht es angesichts einer festgestellten Vielzahl an Verursachern mit revisiblem Recht in Einklang, dass das Oberverwaltungsgericht einen gebundenen Anspruch des Klägers auf Einschreiten des Beklagten gegen den Beigeladenen verneint hat.
58c) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht allerdings der aus § 88 VwGO folgenden Bindung der gerichtlichen Entscheidung an das Klagebegehren nicht gerecht. Der Kläger hatte vor dem Hintergrund der Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG - und erkennbar in Anknüpfung an den Wortlaut dieser Bestimmung - beantragt, den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen aufzugeben, die erforderlichen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten demgegenüber verpflichtet, "über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen [...] zu entscheiden." Damit ist es über das Klagebegehren hinausgegangen, nach dem die Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen (zunächst) dem Beigeladenen überlassen bleiben sollte. Dieses Petitum des Klägers entspricht auch § 8 Abs. 1 USchadG, wonach der Verantwortliche grundsätzlich verpflichtet ist, die gemäß den fachrechtlichen Vorschriften erforderlichen Sanierungsmaßnahmen selbst zu ermitteln und der zuständigen Behörde zur Zustimmung vorzulegen. Das Oberverwaltungsgericht hat hiervon abweichend über einen Anspruch auf Entscheidung des Beklagten über erforderliche Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen entschieden, also über einen Anspruch auf Bestimmung der vom Beigeladenen zu ergreifenden Maßnahmen durch den Beklagten. Zwar ist der Tenor des angefochtenen Urteils insoweit nicht eindeutig. Aus den Entscheidungsgründen geht aber hervor, dass das Oberverwaltungsgericht von einem Ermessen des Beklagten auch hinsichtlich des Inhalts der konkret zu ergreifenden Maßnahmen ausgegangen ist und deshalb die Klage teilweise abgewiesen hat.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:251121U7C6.20.0
Fundstelle(n):
QAAAI-58193