BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2862/11, 1 BvR 2046/12

Nichtannahmebeschluss: Verwirkung des Klagerechts im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - Zeitspanne von 13 Jahren zwischen Widerspruchsverfahren und Klageerhebung

Gesetze: Art 19 Abs 4 GG, VwGO

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 7 ZB 11.2240 Beschlussvorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 7 ZB 11.1033 Beschlussvorgehend VG Ansbach Az: AN 2 K 08.02209 Urteilvorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 7 ZB 12.1108 Beschlussvorgehend VG Ansbach Az: AN 2 K 11.02205 Urteil

Gründe

1Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

2Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte von einer Verwirkung des Klagerechts ausgegangen sind.

3a) Die Befugnis zur Anrufung der Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 GG kann im Einzelfall der Verwirkung unterliegen. Ist demnach eine Verwirkung grundsätzlich denkbar, so müssen an deren Voraussetzungen dieselben Maßstäbe angelegt werden, die für Prozessnormen gelten, die den Rechtsweg nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG regeln (vgl. BVerfGE 32, 305 <309> m.w.N.). Eine den Zugang zum Rechtsmittel erschwerende Auslegung und Anwendung prozessualer Vorschriften beanstandet das Bundesverfassungsgericht dann, wenn sie aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen und damit schlechterdings unvertretbar sind, sich somit als objektiv willkürlich erweisen und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar einschränken (vgl. BVerfGE 77, 275<284>). Ob im Einzelfall Verwirkung eingetreten ist, ist indes eine Frage der Würdigung des Sachverhalts und der Anwendung einfachen Rechts, die grundsätzlich allein von den Fachgerichten zu verantworten und insofern der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen ist. Von einer willkürlichen Annahme der Verwirkung kann aber jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn der Zeitraum, auf den dabei abgestellt wird, nicht zu kurz bemessen ist und die rechtzeitige Anrufung des Gerichts den Betroffenen möglich, zumutbar und von ihnen zu erwarten war (vgl. BVerfGE 32, 305 <309 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1127/04 - juris, Rn. 2 f.).

4b) Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs kann eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes durch die Annahme einer Verwirkung nicht festgestellt werden.

5Eingedenk des vorliegend verstrichenen Zeitraums von mehr als 13 Jahren sowie der von der Beklagten erfolgten (erfolglosen) Aufforderung, wenn der Beschwerdeführer einen Widerspruchsbescheid wünsche, solle er dies schriftlich mit- teilen und einen Kostenvorschuss einzahlen, bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine Überschreitung der durch das Willkürverbot gezogenen Grenze.

6Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

7Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
TAAAI-45491