Miteigentumsanteil an einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit: Zuordnung eines Sondernutzungsrechts
Leitsatz
Ein Sondernutzungsrecht kann auch einem Miteigentumsanteil an einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit zugeordnet werden.
Gesetze: § 10 Abs 3 WoEigG
Instanzenzug: Az: 34 Wx 357/11vorgehend Az: ST-2334-8
Gründe
I.
1Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 44 in einer Wohnungs- und Teileigentumsanlage. Mit dem Wohnungseigentum ist das im Grundbuch eingetragene Recht zur ausschließlichen Nutzung eines Tiefgaragenstellplatzes und eines Abstellraums verbunden, welche im Gemeinschaftseigentum stehen. Die Beteiligte zu 2 ist Miteigentümerin zu ½ einer in derselben Anlage befindlichen Teileigentumseinheit, die aus einem Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Duplexgarage, besteht. Deren Benutzung ist zwischen den beiden Miteigentümern dergestalt geregelt, dass der Beteiligten zu 2 das Recht zur ausschließlichen Nutzung des oberen Platzes zusteht.
2Mit notariellem Vertrag vom verkaufte die Beteiligte zu 1 das mit der Wohnung Nr. 44 verbundene Sondernutzungsrecht an die Beteiligte zu 2. Zugleich erklärten die Vertragsparteien, die Gemeinschaftsordnung so zu ändern, dass das Sondernutzungsrecht an dem Tiefgaragenstellplatz von der Wohnung Nr. 44 abgeschrieben und der Teileigentumseinheit Nr. 72 (Duplex Nr. 72 oben) zugewiesen werde.
3Zur Sicherung des Übertragungsanspruchs bewilligte die Beteiligte zu 1 die Eintragung einer Vormerkung in das Grundbuch, deren Eintragung die Urkundsnotarin am als Vertreterin der Beteiligten beantragt hat. Mit Beschluss vom hat das Grundbuchamt den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 den Eintragungsantrag weiter.
II.
4Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZWE 2012, 92 veröffentlicht ist, meint, ein Sondernutzungsrecht könne nicht einem von mehreren Miteigentümern einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit übertragen werden. Die Eintragung des Sondernutzungsrechts erfolge auf dem Grundbuchblatt, auf welchem auch das Sondereigentum eingetragen sei. Da nicht für jeden Miteigentümer ein eigenes Grundbuchblatt angelegt werde, könne das Recht nur einheitlich allen Miteigentümern zustehen.
5Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
III.
6Die nach § 78 GBO statthafte und nach § 71 FamFG auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das von dem Beschwerdegericht als Grund für die Zurückweisung des Antrags angeführte rechtliche Hindernis besteht nicht.
71. Ob ein Sondernutzungsrecht einem Miteigentumsanteil an einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit zugeordnet werden kann, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
8a) Nach einer Auffassung ist dies mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 WEG unvereinbar. Nach dieser Vorschrift werde ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht zum Inhalt des Sondereigentums. Sondereigentum könne jedoch nur einem Wohnungseigentümer zustehen. Ein Bruchteilseigentümer sei nicht alleiniger Berechtigter eines Sondereigentums und deswegen kein Wohnungseigentümer im Sinne von § 10 Abs. 3 WEG (KG, DNotZ 2004, 634 und dem folgend MünchKomm-BGB/Commichau, 5. Aufl., § 10 WEG Rn. 20; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rn. 2910, 2963; Rapp in Beck’sches Notarhandbuch, 5. Aufl., Teil A.III. Rn. 62; Herrmann in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., S. 179 Rn. E 83). Zudem führe die Verbindung eines Sondernutzungsrechts mit einem Miteigentumsanteil zu einer unterschiedlichen Ausgestaltung der Miteigentumsanteile. Dies sei jedoch rechtlich ausgeschlossen, weil § 10 Abs. 3 WEG nur die Eintragung von Vereinbarungen als Inhalt des Sondereigentums insgesamt und nicht lediglich eines Teils des Sondereigentums erlaube (KG, DNotZ 2004, 634 f.).
9b) Nach der Gegenauffassung kann ein Sondernutzungsrecht einem Miteigentumsanteil an einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit zugeordnet werden. Auch ein Bruchteilseigentümer sei Wohnungseigentümer, so dass sich aus dem Wortlaut des § 10 WEG keine Beschränkung ergebe (OLG Nürnberg, DNotZ 2012, 144; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 13 Rn. 79; Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 13 WEG Rn. 9; Erman/Grziwotz, BGB, 13. Aufl., § 15 WEG Rn. 7; Meikel/Morvilius, GBO, 10. Aufl., Einl. C Rn. 148; Bauer/Oefele, GBO, 2. Aufl., AT V Rn. 135; Hügel/Kral, GBO, 2. Aufl., Seite 1146 Rn. 45; BeckOK GBO/Kral, Edition 14, Rn. 45; BeckOK WEG/Dötsch, Edition 11, § 15 Rn. 297; Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl., Teil C Rn. 359; Häublein, DNotZ 2004, 635; Böttcher, Rpfleger 2005, 648, 652 f.; Kühnlein, MittBayNot 2012, 43).
102. Der Senat war mit dieser Frage bislang nicht befasst. Er entscheidet sie nun im Sinn der letztgenannten Auffassung.
11a) Ein Sondernutzungsrecht ist das durch Vereinbarung begründete Recht eines Wohnungs- oder Teileigentümers, abweichend von der Regel des § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG Teile des Gemeinschaftseigentums allein zu benutzen (Senat, Urteil vom - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 167 f.). Es kann aufgrund der Privatautonomie im Rahmen der Gesetze frei gestaltet werden (Häublein, DNotZ 2004, 635 f.; Kühnlein, MittBayNot 2012, 43 f.; vgl. auch Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 13 Rn. 79). Der Zuordnung eines Sondernutzungsrechts zu einem Miteigentumsanteil an dem Sondereigentum stehen keine gesetzlichen Regelungen entgegen; insbesondere ist sie mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 WEG vereinbar. Miteigentum ist nämlich dem Alleineigentum gleichartig (, BGHZ 36, 365, 368; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 3. Aufl. § 1008, Rn. 1). Auch derjenige, der lediglich Miteigentümer einer Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit ist, gehört somit zu dem Kreis der Wohnungs- bzw. Teileigentümer. Dies zeigt sich auch daran, dass ihm das Recht zur Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung zusteht (OLG Nürnberg, DNotZ 2012, 144 f.; Häublein, DNotZ 2004, 635; Böttcher, Rpfleger 2005, 648, 652 f.; Kühnlein, MittBayNot 2012, 43 f.). Die Regelung in § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG, dass Miteigentümer von Wohnungseigentum das Stimmrecht nur einheitlich ausüben können, verdeutlicht in besonderem Maß, dass das Wohnungseigentumsgesetz auch solche Miteigentümer als Wohnungseigentümer ansieht. Zudem kann der Formulierung, dass Vereinbarungen "als Inhalt des Sondereigentums" in das Grundbuch eingetragen werden können (§ 10 Abs. 3 WEG), weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck oder Entstehungsgeschichte der Vorschrift eine Beschränkung der Zuordnung von Sondernutzungsrechten zu Miteigentumsanteilen entnommen werden (näher Häublein, DNotZ 2004, 635 f.).
12b) Der Zuordnung von Sondernutzungsrechten zu Miteigentumsanteilen an Wohnungs- bzw. Teileigentum stehen die aus den Rechten folgenden Befugnisse nicht entgegen. Für die Zuordnung besteht auch ein praktisches Bedürfnis, wie der vorliegende Fall zeigt. Die Beteiligte zu 2 hat ein berechtigtes Interesse daran, das Sondernutzungsrecht ohne Mitwirkung des weiteren Miteigentümers der Duplexgarage zu erwerben. Wäre die Zuordnung des Sondernutzungsrechts nur zu der Teileigentumseinheit insgesamt möglich, müsste der weitere Miteigentümer bei dem Erwerb durch die Beteiligte zu 2 mitwirken und anschließend mit ihr eine Benutzungsregelung hinsichtlich des Sondernutzungsrechts treffen.
13c) Der Hinweis des Beschwerdegerichts auf Besonderheiten bei der Grundbucheintragung, dass nämlich die Eintragung eines Sondernutzungsrechts, welches einem Bruchteilseigentümer von Wohnungs- bzw. Teileigentum zustehen soll, mangels Anlegung eines Grundbuchblatts für jeden Bruchteilseigentümer auf dem Grundbuchblatt des (gesamten) Sondereigentums erfolge, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Grundbuchverfahrensrecht hat gegenüber dem materiellen Recht dienende Funktion und muss sich diesem unterordnen; die Reichweite materieller Rechtspositionen kann nicht ausgehend von möglichen grundbuchtechnischen Schwierigkeiten bei deren Eintragung bestimmt werden (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 74/08, BGHZ 179, 102, 109 Rn. 13).
IV.
14Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Brückner Weinland
Fundstelle(n):
MAAAI-33384