BGH Beschluss v. - V ZB 124/12

Zwangsversteigerungsverfahren auf Betreiben einer Bank: Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen zugunsten eines im Genossenschaftsregister eingetragenen Rechtsnachfolgers des im Vollstreckungstitel benannten Gläubigers

Leitsatz

Ist aufgrund einer Eintragung im Genossenschaftsregister dem Rechtsnachfolger des in einem Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigers eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels erteilt worden, darf die Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn dem Schuldner zusammen mit dem Titel neben der Vollstreckungsklausel ein Auszug aus dem Register zugestellt wird, welcher den aktuellen Registerinhalt im Zeitpunkt der Klauselerteilung wiedergibt.

Gesetze: § 727 Abs 1 ZPO, § 750 Abs 2 ZPO, § 79 UmwG, §§ 79ff UmwG

Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 1 T 61/12vorgehend AG Speyer Az: 5 K 48/09

Gründe

I.

1Die Beteiligte zu 3 betreibt die Zwangsversteigerung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes der Schuldner aus den im Grundbuch in Abteilung III Nr. 1, 2 und 5 eingetragenen Grundpfandrechten. Sie ist durch Verschmelzung zweier Volksbanken entstanden. Die Vollstreckungsklauseln zu den notariellen Urkunden wurden auf sie umgeschrieben und den Schuldnern zugestellt. Sie haben den folgenden Wortlaut:

"Laut Eintragung im Genossenschaftsregister GnR   (jetzt: GnR      ) des Amtsgerichts Mannheim ist die Volksbank B.eG mit dem Sitz in B.    durch Beschluss der Vertreterversammlung vom und durch Beschluss der Vertreterversammlung vom aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes gem. § 2 UmwG auf die übernehmende Volksbank Br.-Raiffeisenbank eG mit dem Sitz in Br.    mit dieser durch Aufnahme verschmolzen.

Gleichzeitig wurde die Änderung der Firma in 'Volksbank B.-Br.   eG' beschlossen.

Die obige vollstreckbare Ausfertigung vom wird hiermit umgeschrieben auf die

als Rechtsnachfolgerin der Volksbank B.    eG."

"1. Aufgrund Einsichtnahme in einen beglaubigten Auszug aus dem Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Mannheim, GnR .      , vom bescheinige ich, Notar, dass aufgrund Beschluss der Vertreterversammlung vom und durch Beschluss der Vertreterversammlung der Volksbank B.eG mit dem Sitz in B.      vom die letztgenannte Genossenschaft aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes gem. § 2 UmwG auf die übernehmende Volksbank Br.-Raiffeisenbank eG mit dem Sitz in Br.    mit dieser durch Aufnahme verschmolzen wurde. Gleichzeitig wurde die Änderung der Firma in 'Volksbank B.   -Br.    eG' mit dem Sitz in Br.,sowie die entsprechende Änderung der Satzung beschlossen.

2. Damit ist die Rechtsnachfolge nachgewiesen. Die zu vorstehender Urkunde am erteilte Vollstreckungsklausel wird hiermit eingezogen.

3. Vorstehende, mit der Urschrift übereinstimmende Ausfertigung wird hiermit der

als nunmehrige Gläubigerin zum Zwecke der Zwangsvollstreckung auf Ansuchen erteilt."

2Abschriften der Eintragungen im Genossenschaftsregister sowie die Beschlüsse der Vertreterversammlungen und der Verschmelzungsvertrag wurden den Schuldnern nicht zugestellt.

3In dem - dritten - Versteigerungstermin am blieben die Beteiligten zu 5 und 6 Meistbietende mit einem Gebot von 173.000 €. Den Zuschlag auf dieses Gebot hat das erteilt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Schuldner ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihren Antrag auf Versagung des Zuschlags weiter. Die Beteiligte zu 3 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Der Senat hat mit Beschluss vom die Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ausgesetzt.

II.

4Nach Ansicht des Beschwerdegerichts liegt kein Vollstreckungsmangel wegen unterbliebener Zustellung von notwendigen Vollstreckungsunterlagen an die Schuldner vor. Die Zustellung der Grundschuldbestellungsurkunden, aus denen die Beteiligte zu 3 vollstrecke, zusammen mit den umgeschriebenen Vollstreckungsklauseln sei ausreichend gewesen. Die Notare hätten den die Rechtsnachfolge betreffenden Inhalt des Genossenschaftsregisters vollständig wiedergegeben, so dass es den Schuldnern möglich gewesen sei, die Berechtigung der betreibenden Gläubigerin zu überprüfen. Hinzu komme, dass die Schuldner den Eintritt der Rechtsnachfolge zuvor nie bestritten hätten, so dass die Berufung auf einen Verfahrensmangel offenbar nur der Verfahrensverzögerung diene.

III.

5Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Zuschlag auf das in dem Versteigerungstermin am abgegebene Meistgebot ist nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, weil es an einer Vollstreckungsgrundlage fehlt.

61. Nach § 750 Abs. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795 ZPO) nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in der Urkunde oder in der ihr beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. Daran fehlt es in dem - hier gegebenen - Fall der Rechtsnachfolge. Der Rechtsnachfolger des in der Urkunde genannten Gläubigers benötigt deshalb eine vollstreckbare Ausfertigung, deren Vollstreckungsklausel ihn als neuen Gläubiger ausweist. Erteilt werden darf diese Ausfertigung von dem Notar nur, wenn die Rechtsnachfolge bei ihm offenkundig (§ 291 ZPO) ist oder durch öffentliche oder durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird (§ 727 Abs. 1 ZPO). Die Offenkundigkeit ist in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen (§ 727 Abs. 2 ZPO). Diese Klausel und - bei fehlender Offenkundigkeit - die ihrer Erteilung zugrundeliegenden Urkunden müssen dem Schuldner zusammen mit der notariellen Urkunde zugestellt werden (§ 750 Abs. 2 ZPO). Das Zustellungserfordernis sichert seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs; durch die Zustellung wird er vollständig über die Grundlagen der Zwangsvollstreckung unterrichtet und in die Lage versetzt, deren Voraussetzungen zu prüfen (Senat, Beschluss vom - V ZB 47/06, NJW 2007, 3357 Rn. 11).

72. Die hier maßgeblichen Vollstreckungsklauseln enthalten keinen Hinweis darauf, dass den Notaren bei der Klauselerteilung die Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite offenkundig war. Deshalb bedarf es keiner Antwort auf die von dem Beschwerdegericht bei der Begründung seiner Zulassungsentscheidung aufgeworfene Frage, ob Eintragungen in öffentlichen Registern "per se" offenkundig im Sinne von § 727 ZPO sind (verneinend OLG Brandenburg, 4 U 81/06, juris Rn. 64 - insoweit nicht in BauR 2007, 1242, abgedruckt; OLG Jena, InVo 2002, 422, 423).

83. Zuzustellen waren deshalb die notariellen Urkunden, die der Beteiligten zu 3 als Rechtsnachfolgerin erteilten Vollstreckungsklauseln und die deren Erteilung zugrundeliegenden Urkunden. Letzteres sind die Auszüge aus dem Genossenschaftsregister, aus dem sich die Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite ergibt.

9a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts war die Zustellung dieser Registerauszüge nicht entbehrlich. Zwar mag etwas anderes gelten, wenn die Notare den Inhalt des Registers vollständig in die Vollstreckungsklausel aufgenommen hätten (vgl. MünchKomm-ZPO/Heßler, 3. Aufl., § 750 Rn. 73; Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 750 Rn. 21; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 750 Rn. 45; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 750 Rn. 21). Aber daran fehlt es. Das Beschwerdegericht hat zwar festgestellt, dass der in Spalte 5 des Genossenschaftsregisters eingetragene Verschmelzungsvorgang nebst Umfirmierung einschließlich der Bezeichnung der zugrundeliegenden Beschlüsse und Verträge in die Vollstreckungsklauseln - mit voneinander abweichenden Formulierungen - aufgenommen worden sei. Aber abgesehen davon, dass Eintragungen nach dem Umwandlungsgesetz (hier: Verschmelzungen nach §§ 79 ff. UmwG) nicht in Spalte 5, sondern in Spalte 6 unter Buchtstabe b vorzunehmen sind (§ 26 Nr. 6 Buchst. cc GenRegV), folgt aus dem Wortlaut der Vollstreckungsklauseln nicht, dass sie den aktuellen Inhalt des Genossenschaftsregisters vollständig wiedergeben. Für den Nachweis der Rechtsnachfolge muss jedoch der letzte Stand aller noch nicht gegenstandslos gewordenen Eintragungen (aktueller Registerinhalt, § 25 Satz 2 GenRegV) im Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckungsklausel wiedergegeben werden. Das erfordert nach Anlage 2 zu § 25 GenRegV die Wiedergabe der in den Spalten 1 bis 7 des Registers eingetragenen Angaben. Insbesondere der Nachweis der Aktualität ist bedeutsam, weil anderenfalls nicht auszuschließen ist, dass zwischen der Einsichtnahme in das Register und der Klauselerteilung Eintragungen in das Register erfolgten, welche der bescheinigten Rechtsnachfolge entgegenstehen. Bei der für das in Abteilung III Nr. 5 eingetragene Recht erteilten Klausel beträgt der Zeitraum zwischen Registereinsicht und Klauselerteilung ca. sieben Monate. Hinzu kommt hier, dass den Klauseln nicht entnommen werden kann, welche Genossenschaft an der angegebenen Registerstelle eingetragen ist (vgl. § 26 Nr. 2 GenRegV). Auch die Grundlagen der Verschmelzung sind nicht ausreichend wiedergegeben. So fehlt in den zu den in Abteilung III Nr. 1 und 2 des Grundbuchs eingetragenen Rechten erteilten Klauseln jeder Hinweis darauf, welche Vertreterversammlungen, d.h. die welcher Genossenschaften, den Verschmelzungsbeschluss gefasst haben; in der zu dem in Abteilung III Nr. 5 des Grundbuchs eingetragenen Recht erteilten Klausel heißt es insoweit wenigstens, dass eine Vertreterversammlung () die der Volksbank B.eG war. Verwirrung stiftet schließlich der Umstand, dass die vollstreckbare Ausfertigung der das in Abteilung III Nr. 5 des Grundbuchs eingetragene Recht betreffenden Urkunde der Volksbank B.   -Br.   eG mit dem Sitz in Br. und die vollstreckbaren Ausfertigungen der die in Abteilung III Nr. 1 und 2 des Grundbuchs eingetragenen Rechte betreffenden Urkunden der Volksbank B.   -Br.   eG mit dem Sitz in B.    erteilt wurden.

10b) Wegen alledem waren die Schuldner durch die Zustellung der Klauseln nicht ausreichend über die Grundlagen und Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch die Beteiligte zu 3 unterrichtet und in die Lage versetzt worden, das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen zu prüfen. Nur die Zustellung auch eines beglaubigten Auszugs aus dem Genossenschaftsregister, der den aktuellen Registerstand im Zeitpunkt der Klauselerteilung wiedergibt, konnte dieses Defizit beseitigen (ebenso AG Kaiserslautern, DGVZ 1990, 74, 75 für die Umschreibung einer Vollstreckungsklausel aufgrund der Eintragung der Rechtsnachfolge im Handelsregister; vgl. auch Senat, Beschluss vom - V ZB 76/06, NJWRR 2007, 358 Rn. 10 für das Erfordernis der Zustellung von Vollmachts- bzw. Genehmigungserklärungen).

11c) Der Zustellungsmangel ist nicht geheilt worden, was bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens möglich gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 124/09, NJWRR 2010, 1100 Rn. 18 f.).

124. Nicht erforderlich war die Zustellung auch der Beschlüsse der Vertreterversammlungen und des Verschmelzungsvertrags. Zwar genießt das Genossenschaftsregister nicht die gleiche umfassende Publizität wie das Handelsregister nach § 15 HGB, sondern nur eine auf die Eintragung des Vorstands und die Vertreterbefugnis eines Vorstandsmitglieds beschränkte Publizität (§ 29 GenG). Aber die Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister des Sitzes der übernehmenden Genossenschaft hat die Wirkung, dass das Vermögen der übertragenden Genossenschaft einschließlich der Verbindlichkeiten auf die übernehmende Genossenschaft übergeht und die übertragende Genossenschaft erlischt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwG); Mängel der Verschmelzung lassen diese Wirkungen unberührt (§ 20 Abs. 2 UmwG). Somit wird der Nachweis der Rechtsnachfolge aufgrund Verschmelzung durch die Registereintragung ausreichend geführt.

135. Rechtlich nicht haltbar ist schließlich die Auffassung des Beschwerdegerichts, die Schuldner hätten nie zuvor den Eintritt der Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite bestritten, so dass die Geltendmachung des Vollstreckungsmangels nur der Verfahrensverzögerung diene. Zum einen bestand kein Anlass für ein solches Bestreiten, weil die Schuldner damit in dem Zwangsversteigerungsverfahren nicht gehört werden können. Zum anderen wird in der Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend auf die Schriftsätze der Schuldner an das und vom hingewiesen, in welchen sie die fehlende Zustellung beglaubigter Auszüge aus dem Genossenschaftsregister bemängelt und die Aufhebung bzw. Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens beantragt haben.

IV.

14Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht (Senat, Beschluss vom - V ZB 76/06, NJWRR 2007, 358 Rn. 12).

15Die Festsetzung der Gegenstandswerte beruht auf § 26 Nr. 1 und 2 RVG.

Stresemann                                               Lemke                                           Schmidt-Räntsch

                                 Czub                                               Kazele

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
CAAAI-28815