Zwangsvollstreckungsabwehrklage: Vollstreckungshindernis für eine Forderung bei Aufrechnung mit einem rechtskräftig festgesetzten Kostenerstattungsanspruch nach Kostengrundentscheidung im gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil und trotz Nichterbringung der Sicherheitsleistung
Leitsatz
1. Die Zwangsvollstreckung einer Forderung ist unzulässig, wenn der Schuldner dieser Forderung mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch aufgerechnet hat, der in einem rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren betragsmäßig festgesetzt worden ist (im Anschluss an , JR 1976, 332).
2. Dies gilt auch für den Fall, dass die Kostengrundentscheidung in einem gegen Sicherheitsleistung vollstreckbaren Urteil ergangen und die Sicherheitsleistung von dem Aufrechnenden nicht erbracht worden ist.
Gesetze: § 104 ZPO, § 767 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 795 S 1 ZPO, § 387 BGB
Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 7 U 135/11 Urteilvorgehend LG Neuruppin Az: 3 O 222/09
Tatbestand
1Der Kläger wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung, die die Beklagte auf der Grundlage zweier im Verfahren 3 O Landgericht N. ergangener Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom / und betreibt, und verlangt die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen der Vollstreckungstitel.
2Die B.- GmbH erwirkte im Verfahren 23 O Landgericht B. aufgrund eines vorläufig gegen Sicherheitsleistung vollstreckbaren Urteils zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom und gegen die Beklagte. Die daraus resultierenden Forderungen trat sie ebenso wie eine weitere im Verfahren 7 O Landgericht B. geltend gemachte Forderung in Höhe von 1.780,99 € an den Kläger ab.
3Der Kläger rechnete am gegen die aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom resultierende Forderung mit derjenigen aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom in gleicher Höhe auf. Des Weiteren erklärte der Kläger gegen die sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom / ergebende Forderung die Aufrechnung in gleicher Höhe mit der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom und der weiteren Forderung von 1.780,99 €.
4Das Landgericht hat antragsgemäß die Zwangsvollstreckung aus den beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom / und für unzulässig erklärt und die Beklagte verurteilt, die ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen der Kostenfestsetzungsbeschlüsse an den Kläger herauszugeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Beklagte wendet sich mit der Revision dagegen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom und aus dem weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss vom / hinsichtlich eines Betrags von 3.412,02 € für unzulässig erklärt und sie zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen verurteilt worden ist.
Gründe
5Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
6Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom / und vom sei unzulässig, weil die Forderungen der Beklagten nach § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen seien. Die Beklagte habe daher in entsprechender Anwendung des § 371 BGB die Schuldtitel an den Kläger herauszugeben.
7Die Aufrechnung des Klägers mit den Forderungen aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom und sei wirksam. Mit einem spätestens mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostengrundentscheidung fälligen Kostenerstattungsanspruch könne aufgerechnet werden, wenn die Höhe der zu erstattenden Kosten in einem Kostenfestsetzungsbeschluss rechtskräftig festgestellt worden sei. Der Aufrechnung stehe nicht entgegen, dass die zur vorläufigen Vollstreckung der Kostengrundentscheidung notwendige Sicherheitsleistung nicht erbracht worden sei. Der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten könne nach § 103 Abs. 1 ZPO bereits aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Der Kostenerstattungsanspruch sei im Hinblick auf die angeordnete Sicherheitsleistung auch nicht als einredebehaftet anzusehen. Die fehlende Sicherheitsleistung sei einem bloßen Vollstreckungshindernis und deshalb den nicht § 390 BGB unterfallenden Prozesseinreden gleichzustellen.
II.
8Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
9Die Forderungen der Beklagten aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom / und sind durch die Aufrechnung des Klägers mit Gegenforderungen in gleicher Höhe erloschen. Dementsprechend ist die von der Beklagten auf Grundlage dieser Kostenfestsetzungsbeschlüsse betriebene Zwangsvollstreckung unzulässig und sind die vollstreckbaren Ausfertigungen in entsprechender Anwendung des § 371 BGB an den Kläger herauszugeben (vgl. , NJW-RR 2008, 1512).
101. Die an den Kläger abgetretenen Kostenerstattungsansprüche sind spätestens mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der im Verfahren 23 O Landgericht B. ergangenen Kostengrundentscheidung - auflösend bedingt - fällig geworden (vgl. , JR 1976, 332, 333). Aufgrund der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist der Kostengläubiger berechtigt, vom Schuldner die Erstattung seiner Prozesskosten zu verlangen und diese im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 103 ff. ZPO geltend zu machen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss hat keine rechtsgestaltende, anspruchs- oder fälligkeitsbegründende Funktion (, aaO). Mit ihm wird lediglich die Höhe der zu erstattenden Kosten betragsmäßig festgelegt und der zur Vollstreckung notwendige Titel (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) geschaffen (, NJW 1988, 3204, 3205). Er ist in seiner Wirksamkeit vom Bestand der Kostengrundentscheidung abhängig und wird gegenstandslos, wenn diese entfällt.
112. Als auflösend bedingter Anspruch ist der als Forderung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis zu wertende prozessuale Kostenerstattungsanspruch aufrechenbar (, aaO). Im Klageverfahren kann die Aufrechnung mit einem Kostenerstattungsanspruch aus einem anderen Prozess allerdings wirksam nur erklärt oder geltend gemacht werden, wenn der Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren rechtskräftig festgesetzt oder - auch der Höhe nach - unbestritten ist (, NJW 1963, 714). Das Prozessgericht kann über einen nach Grund und/oder Höhe streitigen prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht entscheiden. Einer Entscheidung über den Grund steht die anderweitige Rechtshängigkeit entgegen; über die Höhe des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs ist ausschließlich in dem gegenüber dem Streitverfahren völlig selbständigen Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 103 ff. ZPO zu entscheiden (, aaO). Wird die Aufrechnung dementsprechend im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 794 Abs. 1 Nr. 2, § 795 Satz 1, § 767 ZPO geltend gemacht, muss der Kostenerstattungsanspruch betragsmäßig durch einen rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellt sein, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs einig sind.
123. Diese Voraussetzungen für die Aufrechenbarkeit der vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche hat das Berufungsgericht festgestellt. Beanstandungen werden von der Revision insoweit nicht erhoben. Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch darum, ob die Aufrechnung des Klägers mit den Forderungen aus den im Verfahren 23 O Landge-richt B. ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen daran scheitert, dass vor der Aufrechnung die angeordnete Sicherheitsleistung nicht erbracht wurde. Die Revision vertritt die Auffassung, der Gläubiger eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs, der auf einem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil beruhe, könne Befriedigung nur erlangen, wenn der Kostenschuldner sich im Falle der nachträglichen Abänderung des Kostentitels an der Sicherheitsleistung schadlos halten könne; erst dann solle der Kostengläubiger die Erfüllung der vorläufigen Kostenforderung erzwingen können. Dieser Grundsatz würde unterlaufen, wenn der Kostengläubiger mit der Kostenforderung vor Sicherheitsleistung aufrechnen könnte. Ein Grund, weshalb das Erfüllungssurrogat im Verhältnis zur Erfüllung ausnahmsweise dergestalt privilegiert werden müsste, dass es die Beitreibung der Forderung ohne Sicherheitsleistung gestatte, sei nicht erkennbar. Jedenfalls sei die Kostenforderung im Hinblick auf die zu erbringende Sicherheitsleistung einredebehaftet.
134. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
14a) Die Aufrechnung mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch scheitert nicht daran, dass nach dem ihm zugrunde liegenden Urteil die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung erfolgen darf. Eine angeordnete Sicherheitsleistung muss für die Wirksamkeit der Aufrechnung nicht erbracht sein (OLG Frankfurt, MDR 1984, 148; OLG Hamm, FamRZ 1987, 1289; OLG Düsseldorf, MDR 1988, 782 und NJW-RR 1989, 503; OLG Karlsruhe, NJW 1994, 593; Staudinger/Gursky, BGB [2011], § 387 Rn. 141; Erman/Wagner, BGB, 13. Aufl., § 387 Rn. 19a; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 104 Rn. 21, Stichwort "Aufrechnung"; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 104 Rn. 18). Voraussetzung für eine wirksame Aufrechnung ist, dass die Forderung desjenigen, der die Aufrechnung erklärt, durchsetzbar ist; der Forderungsinhaber muss die ihm gebührende Leistung fordern können (, MDR 2009, 290). Im Regelfall kann der Gläubiger die ihm gebührende Leistung sofort, das heißt mit dem Entstehen der Forderung verlangen, § 271 Abs. 1 BGB. Der Kostenerstattungsanspruch wird mit der in einem vorläufig vollstreckbaren Urteil getroffenen Kostengrundentscheidung fällig. Der Gläubiger der Forderung kann daher von dem Schuldner bereits zu diesem Zeitpunkt die Erstattung seiner Kosten verlangen. Dementsprechend erfolgt die Kostenfestsetzung auf Antrag des Gläubigers ohne Rücksicht darauf, ob nach dem Urteil die Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung zugelassen und diese erbracht worden ist. Eine dahingehende Überprüfung erfolgt erst bei der Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss (OLG Köln, MDR 2010, 104; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 103 Rn. 5). Daraus erschließt sich, dass die angeordnete Sicherheitsleistung nur zu erbringen ist, wenn der Kostenerstattungsanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung und damit unter Zuhilfenahme staatlichen Zwangs durchgesetzt werden soll. Dem entspricht auch die Anordnung in dem vorläufig vollstreckbaren Urteil, wonach - lediglich - die (Zwangs-)Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung erfolgen muss.
15b) Eine Gleichbehandlung von Aufrechnung und Zwangsvollstreckung ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften, die bei der zwangsweisen Durchsetzung eines nur vorläufig vollstreckbaren Urteils die vorherige Leistung einer Sicherheit anordnen, nicht erforderlich. Das Landgericht Aachen (NJW-RR 1987, 1406), auf dessen Entscheidung sich die Revision beruft, führt zwar zutreffend aus, dass bei einer Aufrechnung mit dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch ohne Erbringung der Sicherheitsleistung dem Schuldner die Durchsetzung seiner Gegenforderung verwehrt ist, ohne dass seine Interessen für den Fall, dass das vorläufig vollstreckbare Urteil im Nachhinein abgeändert wird, in gleicher Weise wie bei einer Zwangsvollstreckung gewahrt werden. Denn bei einer Zwangsvollstreckung müsste die Sicherheitsleistung erbracht werden und könnte sich der Schuldner wegen seines Schadensersatzanspruchs gemäß § 717 Abs. 2 ZPO aus der Sicherheitsleistung befriedigen. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch eine Gleichbehandlung von Aufrechnung und Vollstreckung nicht.
16aa) Eine Forderung verliert ihre Eignung zur Aufrechnung nicht dadurch, dass sie in einem Prozess eingeklagt worden ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Aufrechnung in einem Prozess erklärt und die Forderung in einem anderen Prozess eingeklagt wird (, BGHZ 57, 242, 243; Urteil vom - XII ZR 263/00, NJW-RR 2002, 1513, 1514; Staudinger/Gursky, BGB [2011], § 387 Rn. 148 m.w.N.). Die mit einem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil zugesprochene Hauptforderung kann daher ohne weiteres aufgerechnet werden, ohne dass die angeordnete Sicherheitsleistung erbracht werden müsste. Auch insoweit ist der Schuldner nicht dadurch geschützt, dass er sich wegen eines eventuellen Schadensersatzanspruchs aus § 717 Abs. 2 ZPO aus der angeordneten Sicherheit befriedigen könnte. Es besteht keine Veranlassung, die Aufrechenbarkeit des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs davon abweichend von der Erbringung einer für den Fall einer zwangsweisen Durchsetzung des Anspruchs angeordneten Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Soweit in der älteren Rechtsprechung (OLG Dresden, HRR 1937 Nr. 233) und dem folgend (Soergel/Schreiber, BGB, 13. Aufl., § 387 Rn. 9; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 387 Rn. 11) eine abweichende Meinung vertreten wird, beruht dies auf der Annahme, dass der Kostenerstattungsanspruch erst mit Schaffung der Vollstreckungsvoraussetzungen fällig werde. Diese Auffassung ist jedoch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überholt.
17bb) Dass der Aufrechnungsgegner das Risiko einer Insolvenz des Aufrechnenden trägt, weil er erst nach einer eventuellen Abänderung der Kostengrundentscheidung zu seinen Gunsten die eigene Forderung wieder geltend machen könnte, stellt keine Besonderheit dar. Diese Situation ist bei einer Aufrechnung mit auflösend bedingten Forderungen stets gegeben (Staudinger/Gursky, BGB [2011], § 387 Rn. 141).
18c) Die Aufrechnung mit den Kostenerstattungsansprüchen des Klägers scheitert auch nicht an § 390 BGB. Danach kann eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, nicht aufgerechnet werden. Den Kostenerstattungsansprüchen des Klägers steht eine derartige Einrede nicht entgegen. Aus dem Umstand, dass das den Kostenerstattungsanspruch des Klägers begründende Urteil die Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat, ist der Beklagten eine Einrede gegen die Kostenforderungen des Klägers nicht erwachsen. Die fehlende Sicherheitsleistung stellt lediglich ein Vollstreckungshindernis dar, das den Kostenforderungen selbst nicht entgegengesetzt werden kann und damit eine Aufrechnung nicht hindert (Staudinger/Gursky, BGB [2011], § 390 Rn. 21).
III.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka Safari Chabestari Halfmeier
Kosziol Kartzke
Fundstelle(n):
OAAAI-28033