Arbeitszeitkonto - Ansparwert - verstetigter Monatslohn
Leitsatz
Das Ausgleichskonto nach § 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau ist als kombiniertes Arbeitszeit- und Entgeltkonto zu führen.
Gesetze: § 3 Nr 1.42 BauRTV, § 3 Nr 1.43 BauRTV, § 15 Nr 1 BauRTV, § 4 Abs 3 TVG
Instanzenzug: ArbG Siegen Az: 2 Ca 731/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 3 Sa 1150/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über restliche Vergütung für die Monate Dezember 2008 bis Februar 2009.
Der Kläger ist seit 1990 bei der Beklagten als Baggerfahrer beschäftigt, zuletzt gegen einen tariflichen Stundenlohn von 16,72 Euro brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom idF vom (im Folgenden: BRTV-Bau) Anwendung, der ua. bestimmt:
3Die Beklagte führt für den Kläger ein Ausgleichskonto iSv. § 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau. Dessen bei Geltung eines tariflichen Stundenlohns von 16,43 Euro brutto vom Kläger erarbeitetes Arbeitszeitguthaben wurde in den Monaten Dezember 2008 bis Februar 2009 vollständig abgebaut. Dabei vergütete die Beklagte im Dezember 2008 36 und im Januar 2009 59 Stunden aus dem Arbeitszeitkonto mit einem Stundenlohn von jeweils 16,43 Euro brutto. Im Februar 2009 zahlte sie für drei Stunden aus dem Arbeitszeitkonto jeweils 16,57 Euro brutto/Stunde.
4Nach vergeblicher Geltendmachung einer Restzahlung von 28,00 Euro brutto mit Schreiben der IG-Bauen-Agrar-Umwelt vom hat der Kläger mit seiner am eingereichten Klage die Auffassung vertreten, ein Ausgleichskonto nach § 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau sei allein über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Zur Gewährleistung eines verstetigten Monatslohns gem. § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau seien angesparte Stunden stets mit dem aktuell geltenden Tariflohn zu vergüten.
Der Kläger hat beantragt,
6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, ein Ausgleichskonto nach § 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau sei sowohl über die geleisteten Vorarbeitsstunden als auch das dafür einbehaltene Arbeitsentgelt zu führen. Ansparstunden seien mit dem im Zeitpunkt ihrer Erbringung geltenden Tariflohn zu vergüten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Gründe
8Die Revision des Klägers ist zum Teil begründet. Der Kläger kann für die Monate Januar und Februar 2009 restliche Vergütung iHv. insgesamt 16,98 Euro brutto beanspruchen, § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau. Der Restlohnanspruch für Dezember 2008 ist verfallen, § 15 Nr. 1 BRTV-Bau.
9I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Ausgleichskonto nach § 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau als kombiniertes Arbeitszeit- und Entgeltkonto zu führen ist. Das folgt zum einen aus dem Wortlaut der Tarifnorm, die mit „Arbeitszeit- und Entgeltkonto (Ausgleichskonto)“ überschrieben ist, und nach deren Inhalt auf dem Ausgleichskonto nicht lediglich Arbeitszeitguthaben und -schuld in Form von Stunden festzuhalten sind. Vielmehr ist dort auch die Differenz zwischen dem Lohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und dem nach § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau errechneten - verstetigten - Monatslohn gutzuschreiben bzw. zu belasten. Dementsprechend müssen dem Arbeitnehmer in der Lohnabrechnung die im jeweiligen Monat auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebenen Arbeitsstunden sowie der dafür einbehaltene Lohn bzw. die auf dem Ausgleichskonto abgebuchten Arbeitsstunden und der dafür gezahlte Lohn mitgeteilt werden (§ 5 Nr. 7.1 Abs. 2 BRTV-Bau).
10Dieses Verständnis bestätigt der tarifliche Gesamtzusammenhang, wenn das Nebeneinander von Arbeitszeit- und Entgeltkonto ua. von § 3 Nr. 1.43 Abs. 2 und Abs. 4 BRTV-Bau mit den Formulierungen „das Arbeitszeitguthaben und der dafür einbehaltene Lohn“ bzw. „die dem Guthaben zugrunde liegenden Vorarbeitsstunden und das dafür gutgeschriebene Arbeitsentgelt“ aufgegriffen wird. Dass das Ausgleichskonto entgegen der Auffassung des Klägers nicht allein über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen ist, verdeutlicht zudem § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV-Bau. Im Falle des Todes des Arbeitnehmers oder der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nicht die angesammelten Stunden mit dem aktuellen Tarifstundenlohn abzugelten, sondern ist der auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebene Lohn, also der angesparte Geldbetrag, auszuzahlen.
11II. Das Nebeneinander von Arbeitszeit- und Entgeltkonto stellt aber den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung nach § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau frei, mindestens (§ 4 Abs. 3 TVG) den verstetigten Monatslohn zu zahlen.
121. Bei einer betrieblichen Arbeitszeitverteilung iSv. § 3 Nr. 1.41 BRTV-Bau, von der der Senat aufgrund der bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ausgehen muss, wird nach § 3 Nr. 1.42 Abs. 1 BRTV-Bau in den Monaten Dezember bis März ein Monatslohn iHv. 164 Gesamttarifstundenlöhnen gezahlt, der sich um den Gesamttarifstundenlohn für die in Abs. 2 und Abs. 3 dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestände mindert. Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass damit der in dem jeweiligen Zahlungsmonat geltende Tariflohn und nicht der „Ansparwert“ angesammelter Stunden gemeint ist. Bestätigt wird dieses Verständnis durch die Ausgleichsregelung des § 3 Nr. 1.43 Abs. 1 BRTV-Bau. Diese bestimmt nicht, in den Monaten Dezember bis März seien bei Nichterreichen von 164 tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden die dem Ausgleichskonto entnommenen Differenzstunden mit deren „Ansparwert“ zu vergüten. § 3 Nr. 1.43 Abs. 1 BRTV-Bau sieht vielmehr vor, dass die Differenz zwischen dem Lohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und dem nach Nr. 1.42 errechneten Monatslohn - also der tatsächliche Gelddifferenzbetrag - auf dem Entgeltkonto des Ausgleichskontos belastet wird.
132. Damit können sich zwar Arbeitszeit- und Entgeltkonto als Teile des Ausgleichskontos unterschiedlich entwickeln, wenn im Falle einer Tariflohnerhöhung dem Arbeitszeitkonto entnommene Stunden das Entgeltkonto stärker belasten, als es dem „Ansparwert“ der entnommenen Stunden entspricht. Arbeitszeit- und Entgeltkonto sind aber auch im Falle der von den Tarifvertragsparteien vorgesehenen Verzinsung des Geldguthabens nach § 3 Nr. 1.43 Abs. 1 Satz 4 BRTV-Bau nicht mehr deckungsgleich. Das Geldguthaben ist in diesem Falle höher als es dem „Ansparwert“ der gutgeschriebenen Stunden entspricht. Diese Inäquivalenz ist jedoch ohne Belang, weil bei der Auflösung des Ausgleichskontos wegen Todes des Arbeitnehmers oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV-Bau stets nur das Entgeltkonto maßgeblich und der dort gutgeschriebene Lohn, unabhängig vom ursprünglichen „Ansparwert“ der auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Stunden, auszuzahlen ist.
14III. Nach diesen Grundsätzen ergibt sich Folgendes:
151. Für den Monat Dezember 2008 errechnet sich nach § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau unter Berücksichtigung von Urlaub und zwei gesetzlichen Wochenfeiertagen ein Lohnanspruch iHv. 134 Gesamttarifstundenlöhnen, von denen die Beklagte 116,5 für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden mit einem Lohnsatz von 16,72 Euro brutto vergütet hat. Für die restlichen 17,5 Stunden, für die die Beklagte nur 16,43 Euro brutto pro Stunde zahlte, hatte der Kläger Anspruch auf die Differenz von 0,29 Euro brutto je Stunde.
16Der Anspruch ist nach § 15 Nr. 1 BRTV-Bau verfallen, weil er nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der Beklagten schriftlich erhoben wurde. Der Lohnanspruch nach § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau für den Monat Dezember 2008 war spätestens am fällig, § 5 Nr. 7.2 Satz 1 BRTV-Bau. Der Kläger hat aber erst mit Schreiben der IG-Bauen-Agrar-Umwelt vom Differenzansprüche für die Monate Dezember 2008 bis Februar 2009 beziffert geltend gemacht, wobei er selbst schon darauf hinwies, die Geltendmachung der Differenz für den Monat Dezember 2008 erfolge „außerhalb der Frist“.
172. Für den Monat Januar 2009 kann der Kläger unter Berücksichtigung von Urlaub, einem Wochenfeiertag und der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden nach § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau noch für 57 Stunden die Differenz zwischen dem aktuellen und dem von der Beklagten gezahlten vormaligen Gesamttarifstundenlohn verlangen. Das ergibt einen Betrag iHv. 16,53 Euro brutto. Für den Monat Februar 2009 steht dem Kläger nach § 3 Nr. 1.42 BRTV-Bau jedenfalls für die geltend gemachten drei Stunden die Differenz zwischen dem Gesamttarifstundenlohn von 16,72 Euro brutto und den gezahlten 16,57 Euro brutto in einer Gesamthöhe von 0,45 Euro brutto zu.
183. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Löhne für die Monate Januar und Februar 2009 waren am 15. Februar bzw. fällig, § 5 Nr. 7.2 Satz 1 BRTV-Bau. Im Übrigen hat der Kläger die Beklagte mit dem Geltendmachungsschreiben vom unter Fristsetzung bis zum gemahnt, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits haben nach § 92 Abs. 1 ZPO der Kläger 2/5 und die Beklagte 3/5 zu tragen.
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Fundstelle(n):
OAAAI-19003